Vielen lieben Dank, Kollege!

Ich schreibe hier so oft aus verschiedensten Anlässen schlecht über Kollegen. Und das unfreiwillig, ganz ehrlich. Ich mag unseren Job ja und ich bin zudem der Überzeugung, dass die meisten Kollegen den ja wie ich auch machen: Vielleicht nicht immer perfekt, aber zumindest mal gewissenhaft und eigentlich gut. Und  deswegen möchte ich heute zur Abwechslung mal eine Danksagung loswerden:

Vielen Dank, lieber unbekannter Kollege, der Du vor kurzem eine Kundin in die Otto-Nagel-Straße gefahren hast!
Sie hatte für die Fahrt nicht ausreichend Geld dabei und Du hast beschlossen, dass Du eine einsame Frau nachts nicht alleine in einem Plattenbauviertel aussetzen willst, sondern hast sie trotzdem noch ein ganzes Stückchen weiter bis vor die Haustüre gebracht. Einfach so. Du wolltest nix von Kartenzahlung wissen, sondern hast sie für den Zehner, den sie noch dabei hatte, sicher heimgebracht. Obwohl Du sicher wie ich unter knapper Kohle leidest, die Sache mit der Tarifbindung kennst und natürlich auch immer Gefahr läufst, aufgrund deiner Gutmütigkeit von Hinz und Kunz beschissen zu werden.

Ich überbringe hiermit die frohe Nachricht: Du hast in dieser Nacht das Richtige getan!

Die Kundin hat mich korrekt nach Tarif bezahlt und mir ein gutes Trinkgeld gegeben. Und sich anerkennend dahingehend geäußert, dass sie das, was sie mit Dir derletzt erlebt hat, nicht für selbstverständlich erachtet und es deswegen so unglaublich toll fand.

Du hast eine überzufriedene Kundin hinterlassen, die deiner Ausnahme wegen nicht bezweifelt, dass unser Tarif schon eigentlich eingehalten gehört und ihr trotzdem in einer Notsituation über die eigenen Befugnisse  hinaus geholfen. Ich danke Dir von ganzem Herzen dafür und ich kann gar nicht genug betonen, wie sehr ich hoffe, dass das Bild, das Du als Taxifahrer hinterlassen hast, das ist, das möglichst viele Menschen im Laufe der Zeit mitnehmen werden.

Kollegiale Grüße, gute Kasse und jede Schicht einen Fuffi Trinkgeld von meiner Seite!

Sash

WTF, Kollege?

„Fahren Sie dem Taxi einfach hinterher!“

„Ihr habt keine Adresse?“

„Doch, sicher: Die Kennstedoch-Umseckstraße drölf. Aber fahr dem einfach nach!“

Hab ich gemacht. Ganz auf dem direktesten Weg ist die Straße gerade leider nicht zu erreichen, Baustelle und so. Ich fuhr also dem ziemlich eiligen Kollegen hinterher. Dann bog er links ab, obwohl die Straße nun komplett rechts von uns lag. Ähm, ok …
Ich war nun schon etwas verwundert. Ich fragte die Kunden noch einmal, ob sie bei der Adresse wirklich sicher seien:

„Sicher! Bei Jens, kennen wir! Ist Richtung Frankfurter Tor!“

Das lag nun genau rechts von uns, der Kollege vor mir aber preschte genau jetzt geradeaus über die Kreuzung. Hätte ich die Straße nicht gekannt, wäre ich nun vielleicht auch etwas unsicher geworden, aber die besagte Straße lag nun in Gänze rechts hinter uns, geradeaus war einfach keine Option.

„Jungs, ich fahr dann hier mal rechts. Ist eh schon ein absurder Umweg, aber wo immer der Kollege auch hinfährt, ich bringe Euch besser ans Ziel.“

Kurz danach ein Stopp, da wäre ein Durchgang, alles super. Gute Laune, Trinkgeld, für eine kurze Tour perfekt. Wo die Kumpels im Auto des Kollegen gelandet sind, weiß ich leider nicht. Ich schätze aber, sie haben dafür unnötig viel bezahlt. 🙁

Trinkgelder, wie sie Dienstleister heimlich träumen

Ja, es war schon eine nette Fahrt. Eine junge Familie vom Bahnhof nach Hellersdorf. Ich hab dem Kleinen eine Sitzerhöhung gereicht, hab eloquent bedauert, die Straße nicht auswendig zu wissen und mich mit Papa ein wenig über seinen und meinen Job unterhalten. So weit, so gut normal.

„Dann wären wir bei 30,90€.“

„Ja, dann mach mal 45.“

„Oh, äh, wow, danke!“

„Was denn? War nett, ging schnell, alles ok.“

Und ich dachte, ich wäre bei Trinkgeldern schon vorbildlich.

0.0

Wenn’s schiefer geht, als man glaubt.

Viele Fahrten sind am Ende ja wirklich Dienst nach Vorschrift und es gibt genügend Fahrgäste, bei denen man zu Beginn inklusive Smalltalkthema und Trinkgeldhöhe quasi alles vorhersagen kann. Die Touren, bei denen es nicht so läuft, sind dann die, die ich hier verblogge und heute kommen wir zu einem der Worst-Case-Fälle.

Angefangen hat alles gut mit zwei mittelangetrunkenen Russen in ungefähr meinem Alter, die mir als Winker in Friedrichsfelde vor’s Auto gelaufen sind. Trotz schlechtem Deutsch war sehr schnell klar, wo sie hinwollten, es ging um einen mir wohlbekannten Puff in knapp 30 € Entfernung. Ich hätte unterwegs etliche andere Läden gewusst, aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Laden sogar eine kleine Prämie zahlt, fehlte mir wirklich der Anlass, sie zu einem anderen zu überreden. Gesagt, dass das eine ziemlich lange Strecke ist, hab ich aber trotzdem, schon um klarzustellen, dass selbst „schnell“ auf jeden Fall 25 – 30 Minuten bedeutet.

Eigentlich also ganz nett. Und wirklich: problematisch wäre nun nicht das Wort der Wahl für die beiden. Ich hab ihnen auch das weitertrinken im Taxi erlaubt, obwohl ihr etwas seltsames Mixgetränk verstörend intensiv gerochen hat. Gibt’s Kerosin mit Zitrusnote in Flaschen? Naja,ich war jedenfalls froh, nicht mittrinken zu müssen.

Die beiden palaverten laut, ich hatte auf ihre Bitte einen Lull-und-lall-der-90er-Radiosender eingeschaltet und die Fahrt verlief im Grunde nett, angenehm und unspektakulär, bis wir bei 28,30€ vor dem Puff hielten. Zunächst musste ich mein schon stark dezimiertes Wechselgeld wirklich noch nach 1,70€ durchforsten, anschließend reichte mir einer der beiden das Geld dann doch wieder zurück. Nett grinsend. So denn, Trinkgeld gab’s also auch noch.

Und dann sind sie erst einmal ums Eck gegangen. WTF? Nachdem sie nach drei Minuten nicht wieder aufgetaucht sind, hab ich mich verzogen. Ja, eigentlich erwartete ich schon, dass sie (nach dem Pinkeln oder was auch immer) noch in den Puff gehen, aber trotz eventueller Kohle vom Türsteher konnte ich dort nicht weiter das Parkverbot überstrapazieren. Und eigentlich wollte ich eh so langsam mal Richtung Heimat abdrehen. Nicht zwingend sofort Feierabend machen, aber gemächlich in die richtige Richtung treiben.

Also bin ich schweren Herzens weg, aber in Anbetracht der ein paar Stunden zuvor erfolgten überraschenden 100€-Zuwendung war ich mit dem Verlauf der Schicht schwer zufrieden. Das hielt noch zwei Querstraßen lang an, bis ich beim Bremsen ein „Klonk“ von hinten im Auto vernahm. Ich bin kurz rechts ran und tatsächlich: Hatten die beiden Arschgeigen die noch nicht einmal leere Flasche (eine selbst aufgefüllte Limo, ich weiß immer noch nicht, was es war) ins Auto geschmissen und die Fußmatte war voll von dem stinkenden Zeug. Bäh!

So dachte ich zunächst. Bei näherer Betrachtung war es aber wohl doch eher so, dass der hinter mir wohl ins Auto gekotzt hatte. 🙁

Dem Umfang nach war’s auch nicht verwunderlich, dass ich das nicht mitbekommen hab, das war jetzt nicht die Totalkatastrophe mit minutenlangem Würgen, sondern vermutlich eher so ein Aufstoßen, bei dem unerwartet Material mitgekommen ist. Ärgerlich, aber kein Grund, die Klappe zu halten und nachher freundlich grinsend 1,70€ Trinkgeld zu geben!

Die Reinigung hab ich tatsächlich an der nächsten Tanke sehr schnell alleine hinbekommen. Keine 10 Minuten und neben ein bisschen Küchenrolle und Reiniger nur 0,50€ Geldeinsatz für den Kärcher (Super für die Fußmatten!). Im Falle einer netten Entschuldigung und etwas Mitarbeit hätten wir da sehr schnell eine wirklich verträgliche Lösung finden können. So wie’s stattdessen gelaufen war, hätte ich den beiden rückblickend aber lieber den Siff ins Gesicht geschmiert.

Und aus Geruchsgründen war’s dann halt doch der endgültige Feierabend. 🙁

Den Bus kriegen müssen

Ein Winker an der Boxhagener. Einmal zur Mercedes-Benz-Arena. Business as usual.

Und ein netter Kunde zudem! Ein Busfahrer aus den Niederlanden, der wieder zu seinem Fahrzeug wollte. Aber dann schlug das Schicksal zu. Zunächst die Fahrraddemo, die genau jetzt über die Warschauer Straße fuhr, als wir sie nutzen wollten. Dazu die Sperrung der Straße der Pariser Kommune, die einen (noch erträglichen) Umweg erlaubt hätte. Dann Rückstau, an den Ampeln ein Haufen übermütige Fußgänger und nicht zuletzt eine leidlich schlechte – um sie nicht falsch zu nennen – Angabe des genauen Zielpunkts. Aufgrund der mangelhaften Angabe bin ich dann eine Einfahrt zu spät an die MBA rangefahren und dort verwiesen uns dann die Ordner und wir mussten nochmal einen Umweg fahren, anderthalbmal ums komplette Gelände quasi. Zumal bei eher dichterem Verkehr, weil dort wohl vor kurzem eine Veranstaltung geendet hatte.

Am Ende sind aus den grob geschätzt zwei Kilometern Luftlinie satte 12 € auf dem Taxameter geworden und ich hatte das Gefühl, gerade vier Touren hintereinander gefahren zu haben.

Mein Fahrgast hatte indes gut vorgeplant, hatte also Zeit und nahm das alles eher belustigt hin. Er hätte ja ohnehin an mindestens fünf Stellen der Fahrt aussteigen können, wenn er einen Fußweg von ein paar hundert Metern ok gefunden hätte.

Stattdessen lief eben die Uhr weiter und ich bekam noch gutes Trinkgeld. Was halt so passiert, wenn man keine Eile hat und der Chef die Rechnung bezahlt.

WHAT THE FUCK?

„Was war bisher ihre heftigste Taxifahrt?“

Sowas oder sowas ähnliches fragen mich Fahrgäste gerne, oft aber auch Journalisten. Und ich schlängele mich gerne um eine eindeutige Aussage herum, oft ist das ja eine Frage der Umstände und gerade Vokabeln wie heftig (aber auch krass, schlimm oder eindrucksvoll) lassen sich ja oft verschieden interpretieren. Was dann aber gestern Abend passiert ist … ich denke, ich hab jetzt einen Alltime-Favoriten als Antwort.

Ein paar Details muss ich bei der Fahrt weglassen; ich kann aber alle Fragenden beruhigen: Die alles entscheidende Frage hat mein Fahrgast auch nicht beantwortet, nämlich die danach, was eigentlich genau passiert ist.

Als Winker war er das ultimative Von-sehr-gut-auf-hammerscheißegeil-Event am noch sehr jungen Abend. Ich hatte davor nur eine einzige andere Tour, die jedoch hat mich mal schnell von der Frankfurter Allee bis zum ZOB gespült. War leider alles ein wenig eilig, ich konnte den guten Anfang kaum genießen, ein bisschen Ruhe tat gut, ich schlug gleich einen Weg gen Osten ein, scheiß auf die Leerkilometer! Und da stand er dann und wollte immerhin mal bis zum Hauptbahnhof. Bezahlte Rückfahrt, netter junger Kerl, alles easy.

Ja, nix da!

„Tut mir leid, mir geht’s heute nicht so gut.“

„Im Sinne von Ich-muss-vorsichtig-fahren?“

„Nein, passt schon. Aber ich bin, ich werd für lange Zeit in den Knast gehen. Sehr lange Zeit, fuck, mir ist übel!“

Die Blogbarkeit war da schon klar. Jetzt mal einfach für sich gesehen. Gefängnis ist eine harte Sache und ich muss ehrlich sagen, ich stehe dem Konzept durchaus kritisch gegenüber. Vor allem aber isses für mich natürlich ziemlich interessant, mit Leuten zu reden, die damit Erfahrungen machen (mussten). Und obwohl es natürlich seltsam ist, wenn jemand fremdes einem durch die Blume zu verstehen gibt, dass er irgendwas echt schlimmes gemacht hat: Sind nicht eigentlich die unheimlicher, von denen man gar nix weiß?

Aber gut, er saß da, wirkte reichlich mitgenommen und es sah alles danach aus, als ob er gerade irgendwie versucht, den letzten Tag vor dem Haftantritt noch schön zu gestalten. Das aber klappte nur so mittel.

„Weißte, vielleicht muss ich das gerade einfach erzählen, sorry. Aber sagt man nicht, dass Ihr Taxifahrer irgendwie wie Therapeuten seid?“

„Da ist schon was dran, aber ich sag’s gleich: Was uns von Therapeuten unterscheidet, ist: Wir können nicht so gut helfen.“

„Ich hab mein Leben ruiniert, ich werd‘ alles neu anfangen müssen, es ist alles vorbei!“

Wie gesagt: Obwohl er nicht ein Wort darüber verloren hat, was genau passiert ist, kann ich das Gespräch nicht in Gänze schildern. Ein paar Sachen aber doch. Das Überraschendste zuerst: Nix da mit Haftantritt! Was vor ihm lag, war das Stellen bei der Polizei. Aber ja, er sei kriminell, hätte Freunde in den Knast gebracht, die Familie zerstört und was das eigentlich schlimme war: Er war frisch verliebt und wollte eigentlich ein neues Leben beginnen, spießig, mit Kindern, der Druck mache ihn fertig, aber jetzt sei eh alles im Arsch, aus, vorbei, er bräuchte jetzt nur noch in seine Heimat fahren, die würden dort vermutlich schon am Bahnhof warten. Sieben, acht Jahre, wenn’s mal gut geht. Alles verloren, futsch, Ende. Er habe nur noch, was er am Leib trage.

Uff.

Und die Laune war entsprechend. Ihm war kotzübel wegen der bevorstehenden Ereignisse, er wusste nicht, ob er lieber noch zwei Stunden in einem Hotel schlafen oder was essen sollte, seine Tränen sind am Armaturenbrett meines Autos runtergeflossen, der Kerl hatte (was, wenn er die Wahrheit gesagt hat, verständlich war) einen vollständigen Nervenzusammenbruch.

Und auch wenn er was getan hat, wofür er zurecht eine hohe Strafe kriegen wird: So dreckig sollte es Menschen nicht gehen müssen. Der Typ war, wenn’s hoch kommt, 30 Jahre alt, er hat mich ein wenig an einen früheren Mitbewohner erinnert. Hätte er versucht, mich um einen Preisnachlass zu bitten, wäre ich skeptisch geworden, aber so wie er da ohne Grund jammerte, wirkte er glaubwürdig. Hat seine Fehler eingesehen, leider zu spät, und suchte einen Ausweg. Den aber natürlich weder er noch ich hatten.

Das war eine der längsten Viertelstunden meines Lebens. Und seinen Zustand hab ich ja auch hinreichend geschildert.

Ich hab ihn 800 Meter vor dem Bahnhof drauf hingewiesen, dass wir gleich da seien, einfach um ihm die Chance zu geben, sich den Rotz aus dem Gesicht zu wischen, bevor er aussteigt. Er bat mich, ihm ein Hotel zu suchen, oder nein, was zu Essen. Also nach dem Hotel, also vielleicht, aber …

„Mach Du mal, ich kann nicht mehr klar denken!“

Ich hab ihn an ein meines Wissens nach eher günstiges Hotel gefahren, mit Sichtkontakt zum Bahnhof.

„Hier. Sollte bezahlbar sein. Und Essen: Siehste den Eingang. Drinnen haste alles: Mac, Bäcker, Currywurst, keine 50 Meter entfernt.“

„OK, hey, danke. Scheiße, sorry für alles! Was kriegste’n?“

„16,30€.“

Er kramte ein bisschen in seinen Taschen und zog einen Beutel hervor. Einen kleinen schwarzen Müllbeutel.

„Drogengeld. Braucht keiner, den Dreck.“,

sagte er mit einer beachtlichen Empathielosigkeit. Er zauberte einen zerknitterten Zwanni aus dem Säckchen, reichte ihn mir und meinte, dass das schon ok wäre. Ich dankte höflich und wünschte ihm alles den Umständen entsprechend Gute. Und das war ernst gemeint. Beim Aussteigen fielen ihm ein paar Sachen runter, die ihm sichtbar unwichtig waren. Er hob sie dennoch auf und warf sie mir auf den Beifahrersitz:

„Ach da, kannste auch noch haben. War gut zu reden und is‘ ja egal jetzt.“

Da ist er dann durch eine Horde lachender und feixender Touris ins Hotel gegangen und ich hab die zwei Fünfziger eingesteckt. Warum auch nicht, jetzt, wo’s eh egal ist?

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

„Aandere Geeld“

Ich fragte noch, ob wir seine Taschen besser hinten einladen sollten, aber der komische Kauz fühlte sich auf dem Beifahrersitz zwischen seinem Gepäck eingeklemmt scheinbar wohl. Er nannte mir mit sehr grobem russischen Akzent eine Adresse in Hellersdorf, die mir überhaupt nix sagte. Das in Kombination mit den etwas wirren Anweisungen meines Passagiers führte zu einem veritablen Umweg, aber das sollte im Verlauf der Geschichte keine größere Rolle mehr spielen.

Ich bekam nur wenige Worte aus ihm herausgekitzelt, was zum einen daran lag, dass er offenbar eine Reise direkt aus Russland hinter sich hatte und dass zweitens ich alleine von seiner Fahne schlagartig bei ca. 0,5 Promille war und eigentlich das Auto hätte abstellen müssen. Oder, um es mit den Worten des Passagiers zu sagen:

„Bijn ich schalaaferig. Daas is meijne Probleem.“

Er hielt sich die ganze Fahrt über am Handgriff über der Beifahrertür mehr oder weniger aufrecht, sackte aber doch oft genug zusammen. Allerdings nur, um anschließend hochzuschrecken, festzustellen, dass wir auf dem richtigen Weg waren und dann zu juchzen:

„Ja, bravo! Seehr gut, prima! Aalles prijma!“

Und wie er da so rumzuckte, sturzbesoffen mit nur zwei Taschen am Leib und auf dem Weg ans Ende der Welt, beschlich mich doch ein wenig die Frage, ob er überhaupt genügend Geld dabei hatte. So ganz zurechnungsfähig war er dann halt doch nicht mehr und man weiß ja nie. Da am Ende aber 99,9% aller Fahrten gut ausgehen, hab ich meiner Statistik vertraut. Zumal der Kerl ja sichtlich gute Laune hatte, altersmäßig an der 60 kratzte und man sich vor einer ED-Behandlung einfach keinen so lustigen Schnauzer stehen lassen würde.

Am Ziel lotste er mich trotz Navi (das er meinte, loben zu müssen, warum auch immer) direkt vor die Haustüre und freute sich wie ein kleines Kind, endlich da zu sein. Ich nannte den Fahrpreis, und das waren inzwischen 32,70 €. Mein Fahrgast schielte  aufs Taxameter, holte den Geldbeutel raus. Stunde der Wahrheit …

„Keijne Probleem!“,

sagte er, grinste und reichte mir zwei Zehner und einen Zwanni. Wow, nicht mal ein Fünfziger, perfekt!

Da ich aber in der Situation nicht so recht einschätzen konnte, ob er das mit dem Geld richtig einschätzen konnte, sagte ich erklärend, dass das 40 Euro wären und machte mich auf die kurze Suche nach dem Rückgeld. Als ich den Fünfer schon in den Fingern hatte, hob der Kerl beschwichtigend beide Hände und sagte:

„Chaaalt! Keijne aandere Geeld! Keijne aandere Geld. Is meijnee Geeschenk!“

Und nur mal so: Er meinte nicht, dass ich außer dem Fünfer nix raussuchen soll. Den hat er nämlich auch abgelehnt. Da soll noch mal jemand behaupten, Sprachbarrieren würden am Trinkgeldgeben hindern! 😀