Die ungewöhnlichen Touren bei Minusgraden

Nach Mitternacht stelle ich mich gerade gerne mal an den Bahnhof Friedrichsfelde-Ost. Da kann man zweifelsohne auch mal verhungern, andererseits ist es aber auch ein beliebter Umsteigepunkt und somit im Rahmen der Berliner Nahverkehrsverschmandung ein Ort, von wo aus oft überraschend keine Bahn fährt, oder aber erst in 29 Minuten, was bei Temperaturen unter null Grad bisweilen post mortem bedeutet. Andererseits kommen bei dem Wetter dann auch Leute auf die Idee, ein Taxi zu nehmen, die sonst vom Bahnhof aus heimlaufen.

So der Kunde dieses Wochenende, der ganz verschämt angefragt hat, ob ich auch in die Gensinger fahren würde. Und, Ihr kennt mich:

„Selbstverständlich!“

Tatsächlich war die Tour wohl nur etwa 700 Meter lang, das kann man aus den 5,10€ Gesamtpreis gut reverse engineeren, um mal modern zu klingen. Dass das sauviel ist, ist klar. In dem Fall allerdings immer noch zu wenig, denn ich hatte aus dem Umland fast 15 Kilometer Anfahrt zum Bahnhof für die Tour verplempert.

Das Schöne daran ist, dass der Kunde beschlossen hat, die Fahrt wenigstens blogbar zu machen, indem er das seit geraumer Zeit niedrigste Trinkgeld überhaupt gegeben  hat: 5 Cent. Nur zwei solche Touren und ich kann mir einen Würfel Hefe bei Netto holen. Das wird ein Fest! 😀

PS: Ich weiß, dass es unter Kollegen sehr verbreitet ist, ernsthaft über lächerliche Trinkgelder zu meckern. Damit will ich echt nicht anfangen. Ich kann mich wirklich darüber amüsieren, so viel Gelassenheit muss einfach sein.

Dreister Ficker!

Unsere erste Begegnung war an Kürze kaum zu überbieten:

„Polski Bus?“

„Sorry, keine Ahnung.“

Eine Minute später stand er aber wieder da:

„Zentrale Bus Polsik Bus Bahnjof?“

„Zentraler Omnibusbahnhof?“

„Ja.“

„Klar.“

Schwere Geburt, aber gute Tour. Der Typ war in meinem Alter, wirkte etwas neben der Kappe, aber ganz nett. Hatte zwei Rucksäcke umgeschnallt, wohl ein nicht mehr ganz kurzer Kurzurlaub in der Heimat. Nachdem sich unsere Sprachkenntnisse nicht groß überschnitten, blieb die Fahrt stumm, aber ich hatte die Straße als Beschäftigung und der Fahrgast starrte auch aus dem Fenster.

Am Bahnhof hab ich ihm mit Zeigen aufs Taxameter auf deutsch und englisch den Preis genannt und war etwas überrascht, als er mir trotz 24,50€ nur einen Haufen Kleingeld in die Hand schüttete. Irgendwas zwischen drei und fünf Euro. Ich dachte, er wolle noch einen Zwanni zücken, verwies nochmal auf die Uhr und bekam aus einem zerknirschten Gesicht die lapidare Antwort:

„Don have.“

Und bei aller gesunden Skepsis: Das glaubte ich dem Typen umgehend. Das gleichermaßen gute wie dumme war, dass es einfach lief gestern Abend. Trotz gut 20 € Fehlbetrag wäre nix bescheuerter gewesen, als auch nur auf die Cops zu warten. Und obwohl ich’s mir durchaus etwas erleichternd vorstelle: Ein Zwanni ist – auch wenn das erschreckend viele Kollegen anders sehen – kein guter Grund für schwere Körperverletzung.

Am meisten deprimiert mich im Nachhinein, dass er „blödes Arschgesicht“ vermutlich gar nicht verstanden hat. 🙁

Die kleinen Dinge …

Gestern Abend war ein beschissener Auftakt für mein Geburtstagswochenende. So eine miese Schicht hatte ich dieses Jahr soweit ich weiß noch gar nicht. Eineinviertel Stunden warten auf eine 7€-Tour und so was. 🙁

Launemäßig rausgerissen hat’s also keine ewig lange Tour, sondern einfach nur eine kurzem, aber nette.

Die Kundin wollte nur vom Ostbahnhof in den Boxhagener Kiez, davor allerdings zu einer Sparkasse. Da die kürzeste Route dank Baustelle immer noch dicht war, war das nicht mal ein Umweg. Ich hielt nach nettem Geplänkel direkt vor der Bank und freute mich darauf, 20 bis 40 Cent Wartezeitgeld einstreichen zu können. Man wird ja bescheiden in so einer Nacht.

Und dann kam auch die Kundin wieder.

„Na, erfolgreich?“,

fragte ich eher rhetorisch.

„Nein, nein, nein. Ich hab meine PIN vergessen, oh Scheiße! Das tut mir ja so leid, ich hab jetzt schon zwei Fehlversuche. Gott sei Dank hab ich sie, auch wenn das dumm ist, aufgeschrieben …“

Am Ende sind es also fast zwei Euro extra gewesen, also insgesamt knapp elf.

„Na, dann machen Sie mal dreizehn!“

Uff:

„Lassen Sie mich raten: Sie haben wirklich nur den Fünfziger bekommen?“

„Ja, leider. Aber hey, ich kann hier auch schnell Zigaretten holen gehen. Dann dauert das zwar etwas, aber …“

„Ich will ehrlich sein: Ja, ich kann rausgeben. Wäre dann allerdings so ziemlich das letzte Wechselgeld. Sie sind einer meiner ersten Kunden und ich hab eben schon einen Fuffi …“

„Schon gut, kein Problem. Ich lass meine Tasche dann einfach nochmal hier liegen.“

Alltäglich, harmlos, schon klar. Aber gerade in schlechten Schichten: Bitte mehr davon!

Irgendwas mit Fürstenwalde

Die Überschrift habe ich mir so nicht ausgedacht. Es waren mal wieder die Fahrgäste, dieses Mal die mit der (wie man anhand des Ziels erahnen könnte) längsten Tour der Schicht. Überhaupt war die erste November-Schicht durch zwei lange Fahrten dominiert, was mir sehr entgegenkam, da ich eigentlich viel zu müde war, wirklich lange zu arbeitem. Und so hab ich mein Schichtziel dann schon in sieben anstatt acht Stunden erreicht.

Aber gut, „irgendwas mit Fürstenwalde“ soll ich für die beiden potenziellen Neuleser schreiben, also etwas über die Tour heute Nacht.

Also grundsätzlich kann ich mal ein positives Fazit ziehen: Wer beim Konzert der Red Hot Chili Peppers war und gleichzeitig über deutschen HipHop reden kann, ist mir schon mal näher als die meisten. Wobei ich einschränkend anmerken muss, dass ich just bei der Tour zuvor jemanden im Auto hatte, mit dem ich sogar die Sozialisation in der deutschen 90er-Crossover-Szene geteilt habe. Aber Hammer-Umsatz kombiniert mit durchgehender Unterhaltung und zumindest mal teilweiser Musikgeschmack-Überschneidung ist schon an sich Königsklasse, das ist klar.

An dieser Stelle sei ebenso erwähnt, dass ich die beiden eingeladen habe, obwohl auf der einen Seite am Ostbahnhof mal die Kunden anstatt der Taxis Schlange standen und sie das Mörder-No-Go für 98% der Kollegenschaft mitführten: Offene Bierbecher! Und, einmal mehr: Trotz ewiger Fahrt und angeregter Unterhaltung: Das Auto blieb sauber! Sehr nice.

Auf der Negativliste vermerken möchte ich folgendes:

Erstens: Wie versprochen rechne ich den Fahrpreis trotz nicht verbuchtem Festpreis fair ab. Schon des trotz oder gerade wegen dieser Tour exorbitant miesen Kilometerschnitts heute. Und der Hunni war ein sehr sehr fahrgastorientierter Tarif. Die meisten Kunden geben da Trinkgeld.

Zweitens: Ich hab’s nicht in den falschen Hals bekommen und wir hatten eine nette Tour mit einigen Lachern, das ist ok gewesen so. Aber Witze darüber, dass man am Ende nicht oder nur wesentlich weniger zahlt, sind wirklich eine dumme Idee! Wie Witze über Überfälle. Trotz vergleichsweise wenigen Fällen gehört das zu den Hauptsorgen beim Taxifahren und Witze darüber sind in Kollegenkreisen aus gutem Grund ähnlich beliebt wie z.B. der Satz „Alter, mit deinem Mundgeruch könnte man ohne Angel einen Wels an Land jagen!“.

Aber ich will ehrlich sein: Es war eine Top-Tour, sie hat mir heute Nacht super reingepasst und ich hatte Spaß. Wenn ich jetzt noch neue Leser gefunden haben sollte, dann würde ich dazu tendieren, das Ganze in die Nähe des Wortes „perfekt“ zu rücken. In die Nähe nur. Aber immerhin. 😉


PS: „Irgendwas mit Fürstenwalde“ ist immer gut!

„I gave you some, you know …“

Das ist eine schöne Abschiedsrede, insbesondere wenn sie mit dem Überreichen von Geld einhergeht.

Die erste Sonntagstour war spitze. Ich hab schon beim Autowaschen das Betteln der Zentrale gehört, doch bitte mal nach Karlshorst zu fahren, weil da eine S-Bahn ausgefallen war.  Und viele Fahrgäste wohl nach Schönefeld wollen.

Da ich eh im Osten war, hab ich das mal versucht. Und siehe da: Winker unweit des Bahnhofs. Wie sich herausstellte eine schwedische Familie. Alles nett und unkompliziert, aber „ein bisschen eilig“ dann eben doch. Nun denn!

Dass ich in der Stadt keine 100 fahren darf, haben sie nicht nur akzeptiert, sondern für gut befunden.  Die 90 bei erlaubten 70 km/h haben sie dennoch zu schätzen gewusst. Natürlich. 20 Minuten war meine Schätzung, 21 waren es dann in Wirklichkeit. Und damit waren wir offenbar ausreichend schnell. Glücklicherweise. Mehr hätte ich aus der Tour echt nicht rausholen können. Aber es wurde mir auch entsprechend vergütet:

Das hektische Aussteigen konnte ich locker unterstützen, nachdem mir für 29,70€ nach Tarif schon 35€ in Scheinen zuzüglich Kleingeld unbekannter Höhe gereicht worden war. Da packt man auch schnell nochmal mit an, ohne gleich zu zählen. Dass es dann aber wirklich satte 42€ waren … wow!

„Some, you know …“

PS: Ein Dank übrigens an die paar Leute, deren Geschenke zu meinem bald (12.11.) anfallenden immerhin so semi-runden 35. Geburtstag bereits eingetroffen sind! Diesbezüglich bin ich immer noch Kind geblieben und freue mich wie so ein Schneekönighonigkuchenpferddings! Danke, danke, danke, Florian, Gerhard und Manu, Ihr seid sowas von super, ehrlich! 😀
Und an alle anderen: Auch wenn ich’s selten erwähne: Überhaupt hab ich die GNIT-Unterstützen-Seite aus Gründen bisher nicht offline genommen.

Die Jugend von heute …

Zwei Damen als Fahrgäste, eine jünger, eine älter als ich. So was kommt vor. Sie sind an einem Taxistand eingestiegen und die erste Frage war, natürlich:

„Wieviel kostet es denn bis zur Mit-dreimal-Umfallen-biste-schon-da-Straße?“

Ich nannte ehrlich den Preis:

„Ich schätze, dass wir da dann bei so ungefähr 6 € wären.“

Ist viel für nur zweimal ums Eck, schon klar. Andererseits hätte ich ja auch anfangen können, über meine bereits 20-minütige Wartezeit zu referieren. Der folgende Dialog der beiden hat mich allerdings schon alleine mehr als befriedigt:

„6 €, junger Mann? Ehrlich? Nun sagen Sie mal, da ist doch noch was drin!?“

„MAMA! HÖR AUF!“

Und was soll ich sagen? „Mama“ hat aufgehört, ich hab auf die 6,30 € nochmal 2,70 € Trinkgeld bekommen und die Jugend von heute ist auch nicht schlechter als die von damals. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Preisverhandler auf der Abseitstreppe

Ja, ich hab gestern ehrlich einen Kollegen gelobt, weil er mal eine Ausnahme beim Preis gemacht hat. Ausnahmen gehören dazu, so ist das Leben eben. Nun aber ein Pärchen am Ostbahnhof. Sie wollten in ein Hotel nahe Schönefeld. Ich kannte es nicht einmal genau, aber dank des Flughafens dort ist zumindest der grobe Fahrpreis ja vermittelbar:

„I think, it’ll be something around 35 €.“

Der Kollege vor mir hatte schon abgelehnt, ich hatte also ohnehin keine großen Hoffnungen. Während der Mann noch nachdachte, keifte die Frau von hinten:

„Thirty!“

Er wiederholte brav und deutlich netter:

„Thirty?“

„No, sorry. I’m sure that this will not be enough.“

Und Abgang.

Während irgendeiner von weiter hinten in der Schlange sie dann für was weiß ich wie viel mitgenommen hat, hab ich den Kollegen vor mir gefragt, was er ihnen gesagt hat. Und die Antwort gab mir zu denken:

„Die haben gefragt, wie viel das wäre, ich hab mal vorsichtshalber 40 gesagt. Und die dann so: ’35?‘. Wusste ich nicht sicher, hab also abgelehnt.“

Sollte das Hotel außerhalb der Berliner Gemarkung gelegen sein, wäre verhandeln prinzipell ja ok. Bei der Technik der beiden sind sie aber wohl beim übernächsten Kollegen bereits bei 20 € gewesen. Da packt mich dann der Neid nur noch so mittel. 😉