„So eine schöne Sache!“

Dass die Schicht nicht sonderlich gut werden konnte, ahnte ich bereits, als mir gestern an der Firma ein Kollege gleich was vorjammerte und zwei Stunden später einer, der mit mir zusammen begonnen hatte, spontan das Handtuch schmiss und angeln gegangen ist. Was man halt so macht.

Ich gab mir die Kurzstreckenorgie ein paar Stunden und wusste insbesondere nicht, was ich hier heute schreiben könnte. Ebenso wie die durchschnittlich 7,75 € bringenden Touren war die Kundschaft dazu: Langweilig.

Dann aber stand da der junge Typ am Ostbahnhof und quatschte vor mir zwei Fahrer an, ist aber bei allen abgeblitzt. Das wirkte immerhin mal interessant. Als er dann bei mir ankam, fragte er mich erst mal nach Feuer und dann, ob ich ihn erst zu einer Bank bringen könnte und ob wir anschließend was essen gehen würden.

Ich hab ihm Feuer gegeben, ihm gesagt, dass ich nichts essen will, ich ihn aber natürlich gerne hinbringen würde, wo immer er hinwolle. Ja, er bräuchte eine Sparkasse.

„Die sind ja nun nachts oft zu. Welche Richtung?“

„Keine Ahnung. Wo woll’n wir essen? Hasir? Hasir ist immer gut, oder?“

„Ich hab doch gesagt: Ich will gerade arbeiten und nix essen. Überleg Dir einfach, wo Du hinwillst.“

„Wieso willste nix essen? Deine Kollegen ham auch gleich so ’ne schwule Sache draus gemacht. So mein ich das nicht, ich lad Dich einfach ein!“

„Ist sicher nett gemeint, aber ich verstehe die Kollegen auch: So sonderlich üblich ist das nicht. Wo soll’s denn jetzt hingehen?“

Da ich nicht mitessen wollte, schlug er den Burger King vor. Und danach weiter, heim. Da eine Sparkasse nur mit größerem Umweg zu erreichen gewesen wäre, hab ich ihm nahegelegt, doch einfach an der nächsten Tanke die Gebühren zu bezahlen, anstatt noch mehr Geld im Taxi zu verpulvern. Und so machten wir das dann auch. Quasi. Der Burger-King-Besuch fiel nämlich etwas opulenter aus.

„Mach mal am besten in’n Drive-by. Was willst’n?“

„Nix, wie gesagt.“

„Echt? Gar nix!?“

„Nee.“

„Aber ein Kaffee umsonst, oder?“

„Eigentlich nicht.“

„Ach komm!“

Als wir am Bestellschalter  waren, überlegte er ein wenig rum:

„Hier, die Golden-Super-Flausch-Angebote sehen gut aus, oder?“

Nach der Begrüßung durch die Lautsprecher konnten wir seine Burger-Bestellung abgeben. Glücklicherweise war die Verbindung gut genug, dass er sich auch vom Beifahrersitz aus mit der Bedienung unterhalten konnte. So ersparte ich mir einige Fremdschammomente, als er zum Beispiel in die Anlage flötete, er würde sich beim Getränk gerne überraschen lassen.

Der Mitarbeiter am Ende der Leitung nahm das überraschend konsequent hin, gab durch, er hätte eine Sprite ausgewählt und fragte, ob das eine gute Wahl sei.

„So eine schöne Sache!“

bestätigte mein neuer Superfreund. Nachdem er sein Menü zusammengeklöppelt hatte, kam, was kommen musste:

„Was nimmst Du?“

„Nix!“

„Ach komm. Einen Doppel-Whopper und  dazu …“

Ich ging dazwischen und stornierte das. Dann bin ich recht zügig ums Eck zum Ausgabeschalter gefahren, wo das Gesicht zu der netten Stimme in Form eines etwa vierzigjährigen Mannes uns bereits freudig entgegenblickte und mir sagte:

„Na, da haben Sie heute ja einen unserer Super-Spezial-Kunden!“

Und er meinte das sichtlich unironisch, die beiden kannten sich offenbar wirklich schon.

„Mach dem Taxifahrer mal eine Cola! Oder einen Kaffee! Ein Kaffee?“

Der Mitarbeiter sah mich fragend an. Ich hab’s aufgegeben und einen Kaffee geordert. Ich hab ja auch nix dagegen, eingeladen zu werden, aber der Typ neben mir war von der ganz strangen Sorte: Er wollte mir ständig was ausgeben, mich nebenher aber überreden, die Uhr auszumachen. Und bei aller Liebe – und so hab ich’s meinem Kunden auch erklärt – meine Miete am Monatsende muss ich in Euro bezahlen, nicht mit Doppel-Whoppern.

Dennoch wedelte er mit seinen eben erworbenen 200 € um sich, als wäre er bereit, all das jetzt liegen zu lassen, um mit mir eine Runde Fast-Food zu mampfen:

„Ich brauch jetzt was fettiges. Meine Freundin hat mir ja so Vollkorn-Schnitten eingepackt, aber nee …“

Bei der Entgegennahme des Wechselgeldes verlor er gleich mal eine Münze im Auto, bei der mir klar war, dass er sie nicht wieder aufheben würde. Kaum, dass er sein Zeug hatte, fiel ihm ein, dass er jetzt auch noch unbedingt einen Kaffee haben wollte. Der Typ am Schalter hat ihm großzügig die Kosten dafür erlassen.

Im Auto war ich währenddessen etwas überfordert. Denn abgesehen davon, dass ich sowieso die Ablageplätze gut mit eigenem Zeug belegt habe, hatte ich zwischenzeitlich noch die Sprite meines Kunden und meinen unfreiwilligen Kaffee zu jonglieren, der so voll war, dass ich mir erst einmal was über die Hand geschüttet habe, beim Versuch, ihn zu verstauen. Und jetzt orderte der Irre noch einen, war aber nicht mal in der Lage, sein gesammeltes Bargeld aus der Hand zu legen.

„Du solltest echt was essen! Wir halten da vorne ums Eck – aber machste die Uhr aus! Der macht hier echt die besten Chicken-Wings, glaub mir. So eine schöne Sache! Willste Chicken-Wings? Ich bestell Chicken-Wings!“

„Bitte: Ich bin hier zum arbeiten, zum Geld verdienen. Vielen lieben Dank für den Kaffee und das nette Angebot, aber ich würde gerne wie ausgemacht nach dem Bestellen zu Dir nach Hause fahren, Dich absetzen und dann weiter.“

„Ja, ist kein Problem, HEY HEY HEY, kannste uns noch Chicken-Wings machen?“

Der nette Angestellte zählte die möglichen Packungsgrößen auf und mein Kunde bestand auf der größten: 20 Stück.

„Aber nicht die alten, ok?“

„Nein, mein Freund! Für Dich mach ich extra ganz frische und deswegen dauert das jetzt genau 4:30 Minuten, bis sie fertig sind.“

Unironisch. Mir war bis dato nicht bewusst, wie enge Beziehungen man als Kunde zu Systemgastronomen aufbauen kann. Von der erneuten Bezahlung bekamen dann sowohl ich als auch die freundliche Bedienung schon mal etwas Trinkgeld ab. Die verbleibende Zeit musste zum einen ich nochmal erklären, weswegen ich die Uhr nicht ausmachen, als auch der Angestellte nochmal verschiedene Soßen nachlegen, was er abermals kostenlos tat.

Ich hab mir währenddessen überlegt, ob ich jemals – selbst zum essen – so viel Zeit beim Burger King zugebracht habe.

Eine Minute und 33 Sekunden vor Ablauf der Chicken-Wings-Zubereitung fuhr dann hinter uns ein weiteres Auto vor, was ein gutes Zeichen dafür war, dass das immerhin nicht ewig so weitergehen konnte. Lieblingskunde hin oder her. Ich hab anschließend nur noch einmal vor dem Laden und einmal vor der Haustüre des jungen Mannes ablehnen müssen, mitzuessen. Auch wenn er sich etwas geknickt gezeigt und gefragt hat, wie er den Haufen Zeug alleine essen soll – ich hatte es nun wirklich oft genug gesagt. Und er fand trotzdem:

„So fett viel Essen! So eine schöne Sache, Mann!“

Da die Wege kurz waren, standen am Ende immer noch weniger als 15 € auf der Uhr, die der an sich ja mehr als nette Fahrgast auch problemlos mit einem weiteren Zweier Trinkgeld bezahlt hat. Den zweiten Kaffee indes musste ich am Ende trotzdem auch behalten, da hat er nicht mit sich reden lassen. Ich indes hab ihn wirklich nirgends sicher unterbringen können und am Ende trotz schlechten Gewissens nach ein paar Metern entsorgt.

Trotz der Stressigkeit war’s für den Abend eigentlich eine gute Tour. Rückblickend hab ich aber auch mehr Verständnis für die Kollegen, die abgelehnt haben, auch wenn sie beim Grund falsch lagen. An die Wäsche wollte der Typ mir nicht, ihm schien es eher darum zu gehen, dass mir die aktuellen Klamotten möglichst schnell nicht mehr passen. 😉

Volle Lotte in 5 Minuten

Der gemächliche Start in die Woche war gut geplant. Erst einmal zur Waschanlage, die Kiste wieder vorzeigbar machen! Aber – unberechenbar, wie das Geschäft nunmal ist – stand an der letzten Kreuzung vor der Tanke ein Winker. Also „stand“ …
Während ich mir zunächst unsicher war, ob ich es mit einem Betrunkenen oder einem Gehbehinderten zu tun hatte, sorgte er recht schnell dafür, die Lage zu klären:

„Sorry, ick hab ma heute besoffn!“

Er nannte mir brav Straße und Hausnummer, was mir aber erst einmal nichts brachte. Die Straße lag zwar quer vor uns, aber im Unwissen um alle Hausnummern in Berlin musste ich wissen, in welche Richtung es gehen sollte.

„Links rum!“

Na ja, da hatte ich schon schlimmere Besoffene.

Aber eigentlich war der Abend noch jung, der Verkehr noch entsprechend dicht – und ich stand nun auf der Rechtsabbiegerspur und sollte links ab. Über drei Geradeaus-Spuren. Das wäre alles kein Ding gewesen, wären die Leute nicht alle so zappelig in ihren Autos. Ja, das war natürlich superdoof, aber  verdammt nochmal: Ich hab gerade als Taxifahrer für alle sichtbar einen Kunden aufgenommen! Wie viel deutlicher kann man denn im Straßenverkehr sagen: „Ich hab mir die Situation so nicht ausgesucht und ja, es macht leider einen Unterschied, ob ich mal eben 500 Meter  bis zur nächsten Wendestelle fahre!“?

Na ja, ich hatte also ungefähr 3 Minuten nach Schichtbeginn bereits ein veritables Hupkonzert verursacht. Wenn einem sowas nach anderthalb Wochen Krankheit nicht wieder die Freuden der Arbeit näherbringt, was dann?

Anderthalb Minuten später, kurz vor dem letzten Wohnblock:

„Ähm, sollte ich hier dann nicht mal …?“

„Neee, dit is ja allet verkehrt! Die 133! Hab ick doch jesacht!“

„Orrr. Ja, haben Sie. Aber auch, dass sie Bescheid sagen. Sorry, dass ich mich darauf verlassen habe.“

Also doch das Navi. Grmpf! Und natürlich waren wir lange vorbeigefahren. Ich hab mich so langsam ein wenig geärgert, dass ich sein „Is nur kurz ums Eck“ als Kurzstrecke ausgelegt hatte. Ja, die hat auch so noch gereicht. Aber eigentlich war mir das zu stressig um nett zu sein in dem Moment. Aber ich hab nett und  vorwurfslos angemerkt:

„Ich sagte doch schon: Alle Hausnummern kenne ich natürlich auch nicht auswendig.“

„Ja, aber weißte, eigentlich würde ich sagen, dass man das ja dann doch irgendwie schon auch können sollte …“

Was hätte der wohl dazu gesagt, dass ich nicht einmal alle Straßen dieser niedlichen 900km²-Stadt auswendig kenne?

Immerhin hat er am Ende die 5,00 € fast schon entsetzt mit 7,00 € beglichen. Schätze, wir haben uns beide vor allem auf dem falschen Fuß erwischt. 🙂

„Wo sind wir?“

Es gibt so Typen, die einem um 3 Uhr morgens ins Auto steigen, und obwohl man weiß, dass außerhalb Berlins 90% der Leute schon im Bett sind, denkt man:

„Ui, stattliches Level für die frühe Uhrzeit!“

Nachdem das Ziel halbwegs klar war (die Hälfte der Zeit redeten sie davon, noch irgendwo anders in eine Kneipe zu gehen), hatte ich von meinem Beifahrer einen Endlos-Monolog im Ohr, der erkennbar kaum was beinhaltete außer „Ick bin so blau, merkste selber, wa?“.

Der zweite auf dem Rücksitz war weitaus fitter und rief seinem Kumpel auch gelegentlich zu, er solle die Fresse halten, was dieser dann mit einem „Schon gut, mach ick. Also blablabla …“ quittierte. Aber das war’s eigentlich auch schon. Sie laberten Bullshit, das passiert halt.

Keine 500 Meter vor dem Ziel fing der hintere dann an zu meckern:

„Na, willste uns verscheißern? Wo sin‘ wir denn hier? Glaub ja nich, Du kannst mit uns durche Pampa …“

woraufhin der zweite sich das erste Mal wirklich im Raum orientierte, kurz

„Ha! Hier is‘ die Kneipe, Du Eumel!“

rief, und ungeachtet der Tatsache, dass ich auf der linken Spur war, rechts die Tür aufriss und über die Straße rannte. -.-

Und der hinten hatte immer noch keine Ahnung:

„Alter, wo sind wir?“

„Da vorne, nächste Kreuzung, ist Eure Straße!“

„Ehrlich? Boah, ick muss mir ersma‘ umkiekn!“

Und das tat er dann aus dem Auto raus. Gemütliche drei Minuten lang, nachdem ich schnell mal mit offener Beifahrertüre an den rechten Straßenrand gefahren bin. Am Ende glaubte er, ungefähr zu wissen wo er sei, und gab atemberaubende 30 Cent Trinkgeld. Wenn ich jetzt noch irgendwo eine offene Kneipe gesehen hätte, wäre mir die Fahrt allerdings ein wenig sinnvoller vorgekommen als so …

Das Eis brechen

Die Kunden am Ostbahnhof waren Engländer. Ein Pärchen aus London. Das erste Mal in Berlin, unglaublich begeistert, es war einfach toll. Und sie haben mir ein Hotel genannt, bei dem ich vor 6 Jahren das letzte Mal war und es vollkommen vergessen hatte. Sie konnten mir aber den Ku’damm als grobe Richtung angeben und versprachen, die Adresse gleich zu haben. Na also, läuft doch!

Ich hab mich dann trotzdem entschuldigt, dass ich mir gerade nicht sicher sei, in welcher Nebenstraße genau dieses Hotel nochmal war, und dass ich jetzt wirklich nur sicher gehen wollte, dass ich sie nicht versehentlich zwei Blocks zu weit fahre. Aber sie haben’s nachvollziehen können und wir hatten alle ausgesprochen gute Laune. Herrlich! Genau so sehen die Situationen aus, in denen man sich dann auch freut, was neues zu lernen!

„I found it, I found it!“,

meinte er nach etwas Smartphone-Genestel, dann aber sprang sie ein und meinte, dass das das falsche Hotel sei.

„Haha, my wife is right! I was about to give you a wrong adress in another country. Haha …“

Ich war einmal im Leben schlagfertig:

„Interesting. That would have been exactly what I wanted to avoid by asking you!“

Und damit war das Eis dann sowas von gebrochen. Er lachte sich über den – ja doch nur begrenzt genialen – Witz schlapp und die Fahrt wurde ab da nochmal lockerer und lustiger. Mehr davon, bitte! 😀

Jackpot!

Ich hatte letzte Nacht am Ostbahnhof NUR Glück. Keine kurze Fahrt, der Durchschnitt lag eher so bei dem, was Flughafenfahrer machen. Dass aber ausgerechnet der Typ im Trainingsanzug das noch würde toppen können, hätte ich nicht gedacht. Im Gegenteil, eigentlich hab ich zunächst vermutet, der Typ würde meinen Kollegen um Geld anschnorren und war entsprechend ernüchtert als er zu mir kam und mich mit einem leichten Sprachfehler fragte, ob ich ihn denn verstehen würde.

Ob ich „Tropical Islands“ kennen würde, fragte er dann.

Das konnte ich nun so halbwegs bestätigen, auf die Frage, ob ich wüsste, wo das liegt, musste ich mit nein antworten. Mal ein Schild an der Autobahn gesehen. Aber wann – und an welcher? Aber da mein Handy Google kennt und auch der Fragesteller zumindest die Entfernung sehr akkurat angeben konnte, war die Lage schnell halbwegs klar. A13, nicht ganz 70 Kilometer.

„Kannst mich dahin fahren?“

OK, das war jetzt nach dem Einstieg keine Überraschung. Gewirkt hat’s trotzdem so, denn erstens war es ein Uhr nachts, und zweitens sah der Typ mit dem verblichenen Jogginganzug, dem unrasierten Gesicht und den sichtbar schlechten Zähnen immer noch eher wie ein Landstreicher aus – und nicht wie einer, der mal eben einen glatten Hunni im Taxi liegen lässt.

Deswegen hab ich vorsichtig und eigentlich alle Hoffnung aufgebend gesagt:

„Im Grunde sehr gerne, aber bei so langen Fahrten nur auf Vorkasse.“

Ich hab für einen Moment geglaubt, Enttäuschung in seinem Gesicht zu sehen, aber das war’s wohl nicht. Eher Vorsicht. Denn er ist ums Auto rum, hat sich auf den Beifahrersitz gesetzt und seinen Gelbeutel gezückt. Nachdem ich gesehen hab, dass da mindestens 250 € drin sind, hab ich zugesagt und bin möglichst schnell los, bevor er sich’s anders überlegt.

Obwohl die Fahrt absolut problemlos verlief, bin ich aus dem Kerl nicht schlau geworden. Denn wie Ihr sicher auch, hab ich mich gefragt, was er da nachts um 2 Uhr will. Und er hat mir geantwortet: Da steht sein Auto und er will dort schlafen, bis die aufmachen.

WTF?

Also irgendwie war er gestern zu spät dort, hat sich dann lieber noch eine Runde Berlin angeschaut und nachts blieb ihm dann nur das Taxi zurück zum Auto. Ich hab’s nicht so ganz kapiert, aber er war ein wirklich netter und völlig stressfreier Fahrgast und am Ende haben wir tatsächlich sein Auto gefunden und er hat dort dann wohl genächtigt. Selbst der Sicherheitsdienst, der binnen Minutenfrist zur Stelle war, nachdem wir da nachts auf den Parkplatz gegurkt waren, scheint sich nicht daran gestört zu haben.

Mir bleibt dann nur noch, dem Kerl wenigstens einen schönen Sonntag dort zu wünschen.

Ach ja, Beweisfoto:

2925 und die größte freitragende Halle der Welt. Quelle: Sash

Die 2925 und die größte freitragende Halle der Welt. Quelle: Sash

So Fahrten, nach denen man Urlaub braucht …

Wenn’s eh schon den ganzen Abend schlecht läuft, kommen auch noch Spanier an.

Kleiner Scherz, ich hab echt nix gegen Spanier und schon sehr nette Touren mit ihnen gehabt – aber die Sache mit dem Trinkgeld sollte man auf der iberischen Halbinsel wirklich mal erklären, denn das Klischee trinkgeldloser Fahrten mit Spaniern hat sich auch bei mir in nunmehr siebeneinhalb Jahren zu ungefähr 80 – 90% erfüllt.

Aber da stand nun ein Typ mit drei Begleitern vor mir und wollte ein Taxi für sechs Personen. So viel hab ich verstanden. Warum er dann zwei Minuten nch meinem Ja/Yes/Oui/Si mit fünf Freunden wieder auftauchte und sie in zwei Taxis einstiegen … eher weniger. Aber das sollte nur der Beginn der Verständigungsprobleme sein. Habt Ihr Zeit mitgebracht? Hoffentlich. Ich hatte nämlich eine Weile mit der Gruppe zu tun.

Drei stiegen nun also beim Kollegen vor mir ein, drei bei mir. Anstatt einer Adresse wurde mir gesagt, ich solle dem anderen Taxi folgen. Kann man natürlich machen, aber ich mag’s ehrlich gesagt nicht so. Zumal ich auch nicht sicher war, ob der Kollege wusste, dass ich ihm folgen sollte. Aber er startete, ich bin notgedrungen hinterher – und nach 300 Metern stoppte er und winkte mich heran:

„Kollege, die wollen zur Arena Charlottenburg? Kennst Du das?“

„Nee, nie gehört.“ *

„Ich auch nicht.“

„Kollege, wieso fährst Du denn dann los?“

„Na, die wollten eigentlich erst zu Puff XY, aber jetzt soll’s vorher noch …“

Da standen wir dann. Super. Nach ein bisschen Kauderwelsch war klar: OK, direkt zum Puff passt. Na dann. Den kannte ich zwar auch nur vom Namen her, aber der Kollege hat mir wenigstens die Straße gesagt – immerhin eine größere im Westteil der Stadt. Anstatt mir nun auch die Hausnummer oder Straßenecke zu verraten, meinte er aber einfach:

„Komm, fahr mir nach!“

Orrr!

Immerhin wusste er nun ja, dass ich ihm folge und er war nicht der schlimmste Konvoi-Partner, den man sich vorstellen könnte. Ja, das mit den Spurwechseln war nicht so sein Ding, aber immerhin hat er eine ähnliche Geschwindigkeitsphilosophie wie ich gehabt und bei gelben Ampeln lieber gebremst. Wir haben es also gut in den Westen geschafft. Mit den Fahrgästen hatte ich kaum was zu tun, keiner von ihnen beherrschte mehr Deutsch oder Englisch als ich Spanisch.

Der Puff, an dem wir landeten, sagte mir wie gesagt nur vom Hörensagen etwas, aber der Kollege meinte gleich:

„Warte kurz. Die zahlen.“

Nicht so viel wie die Top-Läden, aber irgendwas um die 10€ pro Fahrgast. Was bei drei Leuten ja doch immerhin ganz ansehnlich gewesen wäre. Aber ach: Da standen sie nun im Eingangsbereich und es entspann sich eine lautstarke Diskussion mit ihnen und den Türstehern. Einer kam sofort wieder raus, ein anderer kurz danach. Die dicke dunkelgraue Kohle gab es hier also auch nur bedingt zu verdienen. Und dann wollte einer der Kunden auch noch weiter.

Und jetzt bin ich dumm dagestanden. Wie der Kollege auch. Wir hätten uns gerne die Belohnung vom Bordell abgeholt, aber einer von uns sollte jetzt wegfahren. Und es war der Verständigung wegen auch nur sehr schwer, herauszufinden, wohin überhaupt. „U-Bahn“ konnte man verstehen, aber das bedeutet in einer Großstadt eben ziemlich genau das: „Bahnhof“ verstehen!

Inzwischen stand auch schon ein dritter Ex-Passagier diskutierend vor dem Club und das war alles ziemlich aussichtslos. Einer der Bordell-Türsteher hat dann übersetzt und gesagt, dass es zurück zum Ostbahnhof gehe. Ähm … ok!?

Ich meine, die Hinfahrt hat 20 € (und ja, es war dieses Mal echt Trinkgeld dabei!) gebracht, das nochmal zurück – und der Kilometerschnitt wäre spitze gewesen! Andererseits wäre das ja nix gegen potenzielle 40, 30, 20 (da war schon wieder einer nicht reingegangen!) Euro, die man als Kopfprämie hätte absahnen können.

Der Kollege – ich habe ihn im Übrigen noch nie im Leben bewusst wahrgenommen! – meinte dann:

„Fahr Du doch zurück. Und bleib am Bahnhof. Wenn’s hier noch was gibt, dann komm‘ ich vorbei und geb dir die Hälfte!“

Ja, klar! Aber eine Rücktour für zwanzig, super Kilometerschnitt … und vielleicht meint der Kollege das mit dem Bonus ja wirklich ernst …

Also hab ich mir den Spatz in der Hand gesichert. Ein junger Spanier in meinem Alter, der statt Eintritt im Puff zu zahlen lieber nochmal mit mir den gleichen Weg zurück zum Hotel fahren wollte. Und los!

Seien wir ehrlich: Er hat’s mir nicht schwer machen wollen. Wir haben es sogar geschafft, uns auf die gemeinsam schlechtestmöglich gesprochene Sprache Französisch zu einigen. Der Großteil der Fahrt war trotzdem Schweigen. Ich glaube, zwischendrin hat er mal gesagt, dass seine Kumpels eigentlich Familie wären und er im Gegensatz zu den anderen nicht das Geld verdienen würde, mehr als hundert Euro fürs Vögeln auszugeben. Aber nagelt mich nicht darauf fest.

Am Ende unserer Spezialodyssee standen wir wieder genau dort, wo er und seine Kumpels/Familie eingestiegen waren und er hatte keine Ahnung, wo er ist. Na, herzlichen Glückwunsch zu der Tour, Sash!

Wenn er jetzt – nach der zwölften Bestätigung, es würde sich hier wirklich, wirklich um den Ostbahnhof handeln – ausgestiegen wäre, hätte es mir ja so mehr oder weniger egal sein können. Aber verständlicherweise wollte er das klären. Mittels Telefon. Also hatte ich kurz nach der Ankunft am Ziel die beschissenste Handyverbindung aller Zeiten mit einem Spanier am Ohr, wobei dieser mir folgende Information zukommen ließ:

„Ostbahnhof.“

Ja, schon klar, super! Danke, Junge!

Der Spaß sollte aber weitere fünf Minuten dauern, in denen mein Fahrgast stets neue Sprecher hervorholte, die jedes Mal genau das zu mir sagten:

„Ostbahnhof.“

Ich hab meinem Fahrgast die großen blau leuchtenden Lettern gezeigt, auf Englisch und Französisch unmißverständlich bestätigt, dass wir hier am Ostbahnhof seien, aber es hat alles nix genutzt. Am Ende erzählte er mir was von einer Metro weit oben und ich hake das mal als Ortskundegenialität ab, dass ich nach den ersten zwei Minuten tatsächlich an den Metro-Markt ums Eck mit dem großen Schild und nicht etwa eine Hochbahn gedacht habe. Ob er jetzt wirklich im nahe des entsprechenden Schildes gelegenen „Ostel“ residierte oder irgendwo nebenan – ich hab’s nicht mehr rausgefunden. Aber nachdem ich ihn prophetengleich einmal ums Eck gefahren hatte, sprang er dankbar raus und bezahlte genau passend.

Da ich keine 200 Meter entfernt war und es sich ohnehin um meine wohl liebste Halte handelt, hab ich mich am Ostbahnhof angestellt. Nicht, dass ich glaubte, der Kollege würde – hör mir auf!

Aber er kam. Er entschuldigte sich für sein spätes Erscheinen, fügte auch an, dass wirklich nur noch zwei Leute reingegangen wären, gab mir aber immerhin einen Zehner ab. Ich glaube nicht wirklich, dass es 50% vom Erlös waren, aber ehrlich gesagt ist mir das egal. Der Kollege ist vom Westen extra nochmal rübergefahren, um mir etwas von der Kohle abzugeben, die im Puff angefallen war, während ich eine bezahlte Tour bis hierhin hatte. Da wir uns nicht einmal kannten, hätte er mir auch einfach in zwei Wochen erzählen können, die wären alle wieder rausgekommen. Insofern ziehe ich ehrlich meinen Hut vor so viel Kollegialität!

Um ehrlich zu sein: Wirklich gut geworden ist die Schicht deswegen nicht. Aber erträglich. Und sie war zudem gut für diesen ausgesprochen langen Blogeintrag, den ich jetzt ohne allzu intensive Rechtschreibüberprüfung online stellen werde. Ist doch auch was. 🙂


*hab auch nach kurzem Googeln eher eine Sportsbar in Schöneberg gefunden. Aber ladet Infos gerne bei mir ab. Man lernt nie aus!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Voll besetzt

Ganz eilig kam der Winker an der wilden Renate angerannt, um mich ja noch auf ihn aufmerksam zu machen. Dabei hatte ich ihn schon zuvor gesehen und nur auf sein Winken gewartet. Ich war etwas verwundert, weil er neben einem Taxi stand, aber gut, wird das halt im Zweifelsfall eine Kurzstrecke. Besser als nichts. Ich war eh nur dort, um ggf. Winker einzusammeln und mit etwas Glück am Sisyphos vorbeizukommen, um zu sehen, ob sie offen haben.

„To the Sisyphos, please!“,

meinte mein Fahrgast und in diesem Moment fuhr auch das andere Taxi besetzt weg. All die Leute, die sonst noch so da rumstanden, wandten sich mir zu und alles sah ein wenig nach einer Großraumtour aus. Nur dass das Zählen bei all dem Gewusel etwas schwer fiel. Aber als dann vier im Auto waren und zwei gefragt haben, ob sie auch noch mitkommen könnten, hab ich zugesagt und die anderen wieder aussteigen lassen. Eigentlich etwas umständlich – aber bis die sich von alleine organisiert hätten …

Ich hab gleich gesagt, dass ich mir nicht sicher wäre, ob der Laden offen hat, aber es ging erst einmal los. Unterwegs Gewissheit: Die anderen (im Auto des Kollegen von eben) waren schon da und es war zu. Egal, ich solle bis dort hinterherfahren, sie beraten dann. In Anbetracht dessen, dass es danach eventuell noch ins Kosmonaut gehen sollte, war das ein lohnender Umweg.

Die Beratungen ergaben dann, dass wir zum Ostkreuz müssten. Dort würde eine Freundin zusteigen. Mit Fahrrad. Ich hab etwa so geguckt:

0.o

Ja, nee, beim Kollegen. Vielleicht auch ohne Fahrrad.

Auf dem Weg zum Ostkreuz hab ich ihnen dann erklärt, dass sie besser mit ihrer Freundin ausmachen, dass sie auf der richtigen Seite – Ausgang Sonntagstraße – warten solle, da der Weg zum Kosmonaut sonst wirklich ein wenig arg verzwiebelt wäre. Alles klar, aber während ich gerade dafür sorgte, den inzwischen mir hinterherfahrenden Kollegen in unserem kleinen Konvoi nicht abzuhängen, war das Geschrei groß und ich solle doch hier, also gleich, oder wenn’s geht zumindest bald mal anhalten, da wäre gerade die Freundin gewesen!

Das alles war auf den nachtleeren Straßen völlig stressfrei. Aber reichlich verplant hat’s schon gewirkt.

Während der Kollege ebenfalls mit Warnblinker hinter mir anhielt, die halbe Besatzung beider Autos raussprang, um die Fahrradfahrerin zu begrüßen, hab ich mir das mit einem Lächeln, aber etwas skeptisch angesehen. Der Kollege hat mich auch gleich zu sich gewunken und gefragt:

„Äh, hast DU noch Platz bei Dir?“

„Nee, absolut null!“

Und als wir das so halbwegs verklickern konnten, kamen Pläne mit Hin- und Zurückfahren, einem weiteren Taxi und sonstwas auf. Ich war dann mal nicht besonders geschäftstüchtig und hab die Leute drauf hingewiesen, dass das Kosmonaut nur noch ungefähr 500 Meter entfernt sei und das mit dem Fahrrad echt kein Ding sein sollte.

Nach der Wegbeschreibung sind zwar am Ende drei Leute ausgestiegen, um die Dame zu begleiten – und das Tempo der Ankunft weiter zu verzögern – aber was machte das noch aus? Am Ende waren das 22 € für eine Route, die auf dem kürzesten Weg (und ohne Großraumzuschlag und Wartezeit natürlich) ungefähr für eine Kurzstrecke machbar gewesen wäre. Mir soll’s recht sein. Mein Kilometerschnitt war prima heute Nacht. 🙂