„Si … Schwes … Ost … of … ole …?“

So in etwa kann man sich das Telefonat vorstellen. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt der Fahrer der ortsansäßigen Kehrmaschine gefühlt eine Pause eingelegt hatte, während er mich gemütlich umkreiste.

Die eigentliche Kundin hatte mich mit fragenden Augen, großer Geste und dem Wort „Taxi“ als einzige Information auf die andere Straßenseite  gewunken, als ich gerade eine Kippe geraucht habe. Sie war bereits älter, kaum halb so groß wie ich, mit Rollator und Gepäck unterwegs und konnte kein Wort deutsch. Einen halben Satz Englisch, aber auch eher zum Angeben, weniger weil sie wirklich verstand, was sie sagte. Deswegen das Telefon, das sie mir in die Hand drückte.

Am anderen Ende dann eine vergleichsweise gut deutsch sprechende Frau, die aufgrund der Verbindungsqualität und des Lärms aber einfach nicht zu verstehen war. Durch mehrmaliges Wiederholen habe ich einen Großteil zusammenpuzzeln können, aber um ehrlich zu sein, hat mich das Ergebnis eher verärgert. Denn anstatt mit den spärlich übermittelbaren Worten eine Zieladresse zu formulieren, fragte sie mich, ob ich die gute Frau vom Ostbahnhof abholen könnte. -.-

Aber vielleicht bin ich da auch zu pragmatisch, wer weiß.

Nachdem mich ungefähr 12 Kollegen an der Halte überholt hatten, war dann klar, dass die Frau zum Haupteingang des Hauptbahnhofes musste. Na also, ist doch kein Problem! Ich hab mich bei ihr dann entschuldigt, dass das alles so lange gedauert hat, der Rest war eine normale Fahrt, sie wurde wie versprochen abgeholt und da sie mich von weit hinten rausgewunken hat, bin ich bei der Sache auch mehr als gut weggekommen.

Manchmal hilft es, sich daran zu erinnern, dass am Ende meistens alles gut ist, auch wenn man gerade gegen eine Kehrmaschine in ein fremdes Handy brüllt:

„ABER WIR SIND DOCH AM OSTBAHNHOF!!!“

😀

„Voll richtig“

Man erwischt sich ja leider öfter mal auf dem falschen Fuß. Und das passiert natürlich auch zwischen Taxifahrern und Fahrgästen.

Der Kunde winkte mich an der Petersburger rechts ran. Südliche Fahrtrichtung, nur ca. 15 Meter vor der Kreuzung mit der Landsberger. Als Ziel gab er eine Straße an, die ich spontan irgendwo zwischen Marzahn und Charlottenburg verortet habe. Ich hatte also wirklich keine Ahnung. Aber der Kunde:

„Ist einfach geradeaus. Also da bei der Konrad-Wolf, Alt-Hohenschönhausen, kennste?“

„Äh, ja. Und damit wäre das dann nicht geradeaus, sondern links.“

Ich hab das in dem Moment eher ein wenig genervt eingewandt, weil wir nun auf der rechten von vier Spuren standen und sich die Autos auf der Linksabbiegerspur bis weit hinter uns zurückstauten und hinter uns bereits Nachschub kam, der uns das Rüberziehen weiter erschwerte. Aufzeichnungen meines anschließenden Manövers könnte man als Negativbeispiel an Fahrschulen verticken.

Ab da war mir der Weg klar, ich hatte auch die Karte längst rangezoomt und die Straße gefunden. Nur der Fahrgast war still geworden. Obwohl er doch eben noch ein reichlich gutgelaunter Trunkenbold von einer Weihnachtsfeier war. Die Stille dauerte an, bis wir die Storkower kreuzten. Da wandte er sich dann doch noch an mich und meinte:

„Du, Du … ich merk‘ das jetzt erst, Du fährst ja mal voll richtig! Ich hab das da gerade voll verpeilt von der Richtung.“

„Hab ich gemerkt. Aber dafür mache ja ich den Job und ich bin nüchtern.“

„Das ist mal echt geil! Geradeaus, also wie ich …“

„Ja, da wären wir in der Warschauer gelandet und das Geschrei wäre groß gewesen.“

„Ja, echt mal! Das find‘ ich jetzt echt gut von Dir, Hut ab!“

Man meckert so gerne. Wir über die Fahrgäste, die Fahrgäste über uns. Wie’s halt so ist. Aber in solchen Momenten passt einfach alles. Und Ihr  könnt Euch nicht vorstellen, wie sehr ich sowas genieße. 😀

PS: Und ja, auch das Trinkgeld war entsprechend. 😉

Kreatives Ansagen

Eltern mit Kind, zwei Uhr nachts.

„Meechte Enstbalackstraße.“

Die Ernst-Barlach hatte ich im Kopf, aber dass das einfach die Verlängerung der Dorfstraße ist, nicht mehr. Also hab ich kurz das Navi gefragt. E-R-, da kam dann von hinten eine Kinderstimme:

„H-C-A …“

„Was Du sagen?“

fuhr der Vater dazwischen.

„Ich buchstabiere rückwärts.“

Hilfreich wäre was anderes, aber auf die Idee kommen muss man auch erst mal! 😀

So schonmal nicht!

„Ähm, aber hier jetzt rechts, oder?“

„Ja.“

Endlich. Ich war mir ja von Beginn an sicher, dass sein Weg nicht der kürzeste ist, aber nachdem wir die zwei besten Möglichkeiten schon lange hinter uns hatten, war’s nun echt an der Zeit. Und da raunt einer seiner Kumpels hinten:

„Wie die alle den P-Schein kriegen … ich versteh’s nicht.“

Aber ja, ich hatte zuvor den Fehler gemacht, zuzugeben, dass mir ihre Straße nix sagt.

Deswegen, Jungs, falls Ihr mitlest: Man kriegt den P-Schein nicht, wenn man die Straße vor der eigenen Wohnungstür kennt, sondern wenn man gelernt hat, dass der kürzeste Weg von Marzahn nach Friedrichsfelde nie auch nur einen Meter die B1 entlang führt, auch wenn’s Montag Mittag um 13 Uhr die schnellere Strecke sein mag!

Gegen vier Leute anreden war mir aber zu doof. Und die etwa 10% mehr Umsatz weiß ich ja durchaus zu schätzen. 😉

Kleinere Selbstverständlichkeiten

„Brimsmiause?“

„Sicher. Was sonst?“

„Annenarscherweld?“

„Nö, da war ich heute schon.“

Angst vor Umwegen kann ich ja noch nachvollziehen. Aber einfach mal woanders hinfahren ist dann doch eher diese übliche sehr sehr sehr seltene Ausnahme, die mal nach 1.000 Missverständnissen oder bei jedem 500sten Betrungsversuch erst passiert. Bei allem Negativen, was ich natürlich auch hier und da mal anreiße, würde ich doch zu allererst sagen: Nur keine Panik! Es ist wirklich so, dass Taxifahrer in aller Regel einfach zu der Adresse fahren, die ihnen angesagt wird. Ehrlich!

„Zu viele Umwege“

Eine Kategorie von Fahrten, die ich mir recht selten erarbeite, ist die, bei der die Kunden die Fahrt abbrechen, weil sie nicht zufrieden sind. Und obwohl ich daran nichts zu ändern gedachte, hat heute Nacht eine Fahrt vom Spindler & Klatt nicht wie geplant bis Wilmersdorf gereicht, sondern wurde noch in Kreuzberg beendet.

„Jetzt fahren Sie mal hier ran und lassen uns aussteigen. Sie fahren mir zu viele Umwege.“

Ich meine, unter uns hier: Zu diesem Punkt war das halt so, ich bremse gegebenenfalls ja auch, wenn Fahrgäste ein paar rosa Mäuse fangen wollen. Und lieber eine Fahrt so beenden als die ganze Zeit nur Stress. Hat die Zentrale jetzt halt vermutlich mal wieder einen aufgebrachten Anruf, von dem ich am Ende nicht einmal irgendwas erfahren werde.

Das Dumme an der Sache ist, dass ich nicht komplett unschuldig war, denn ich hatte tatsächlich ganz ganz zu Beginn der Fahrt während des schnellen Überlegens und gleichzeitigen Redens mit den Kundinnen eine bessere Abzweigemöglichkeit verpasst und habe einen Umweg von sagenhaften 100 Metern, vielleicht 150 gemacht. (Für Ortskundige: Bin nicht die Manteuffel links ab, sondern erst Engeldamm/Adalbert) Bei einer Strecke von über 9 Kilometern. Bedeutender war aber, dass die Wortführerin im Fond und ich uns kurz danach bereits auf dem völlig falschen Fuß erwischt haben, als sie mir sagte, ich müsse „jetzt rechts abbiegen“. Das verneinte ich deutlich und mit gutem Gewissen, denn die nächsten drei Kreuzungen hätten uns definitiv vom kürzesten Weg abgebracht. Dass sie ihrerseits eigentlich auch die vierte Kreuzung gemeint hat, hat sich dann erst geklärt, als sie schon etwas eingeschnappt war. Ist jetzt echt nicht so, dass ich da streitlustig war, die Kombination von einer blödsinnigen Idee und dem Verb „müssen“ ist aber halt auch ein schlechter Start ihrerseits gewesen.

In Anbetracht des weiteren Verlaufs  bin ich jedoch ohnehin froh, dass ich nicht schnell rechts ab bin, denn dann wär’s mangelnde Ahnung gewesen. Manche Schlachten kann man einfach nicht gewinnen.

Am Ende waren wir auf der Gitschiner Richtung Westen unterwegs und ich gebe es zu: Ich hatte die Zieladresse nur so ungefähr im Kopf. Emser Ecke Pariser, nicht meine Ecke. Entsprechend war das Navi längst an und schlug mir die auch von mir präferierte Süd-Umfahrung des Gleisdreiecks an. Ja, ich hatte die Zielkreuzung in Gedanken vier  Blocks weiter südlich eingeordnet, aber da der Weg lang war und die Alternativrouten auch mitnichten der Luftlinie entsprechen, bestätigt sich beim Blick auf die  Karte, dass der Weg trotzdem ok war. „Ok“ im Sinne von „300 Meter kürzer als das, was die Kundin wohl eigentlich geplant hatte“.

Genau weiß ich’s nicht, ich hätte aber anstatt in die Zossener links abzubiegen am Ufer entlang weiterfahren sollen. Das ist ein prima Weg und es ist auch nicht komisch, wenn die Kollegen bisher, wie sie schnippisch anmerken musste, selbigen immer gefahren sind. Ich hätt’s ja auch gemacht, wenn es mir jemand gesagt hätte. 300 Meter hin oder her bei einer solchen Strecke, meine Güte!

Allerdings sind 300 Meter Wegersparnis natürlich der dümmstmögliche Grund, eine Taxifahrt abzubrechen und sich ein neues zu suchen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass das in diesem Fall Mehrkosten von satten fünf Euro bedeutet hat.

Hier zum Vergleich mal die Strecken (schon inklusive meines Anfangsfehlers):

Die von mir und dem Navi angedachte Route mit "zu vielen Umwegen". Quelle: osrm.at

Die von mir und dem Navi angedachte Route mit „zu vielen Umwegen“.
Quelle: osrm.at

Die wohl von der Kundin präferierte Route "einfach geradeaus". Quelle: osrm.at

Die wohl von der Kundin präferierte Route “ immer geradeaus“.
Quelle: osrm.at

Dass sie nicht wusste, dass der andere Weg nicht länger ist: Geschenkt. Dafür bin ich ja der Taxifahrer. Und obwohl ich verstehe, dass sie mir als bösem Betrüger nicht noch mehr Geld schenken wollte: Trotz der vorbildlichen Bitte um eine Quittung macht die Sache mit der Fahrtunterbrechung an der Stelle wenig Sinn. Denn (mal abgesehen von besagten 100 Metern zu Beginn): Den Weg zur Zossener bin ich völlig korrekt gefahren und mehr hab ich da nicht draufgeschrieben. Also selbst wenn ich betrogen hätte, könnte ich nun behaupten, sie hätten ein anderes Ziel angegeben. So gesehen wäre eine Fahrt bis zum Ende sinnvoller gewesen, denn wenn dann drei Euro zu viel als Preis angefallen wären, hätte man wirklich was in der Hand.

Außerdem, aber das war jetzt sicher erwartbar, gäbe es einem auch die Chance, eventuell doch eine Überraschung zu erleben wie dass der neue Weg kürzer ist als der, den man „jeden Tag“ fährt. Also rein hypothetisch. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Die Energiiiiieee!

Eine Dreiviertelstunde Warterei am Ostbahnhof. Und dann vier Gesellen, von denen sich der mit dem Muscle-Shirt bei zackigen -3°C neben mich setzt. Handshake.

„Hi, Was‘ dein Name?“

„Sascha.“

„Titus.“

„Freut mich. Wo soll’s hingehen?“

„Du fährst uns jetzt einfach mal fett zum Kater!“

500 Meter Luftline. -.-

„Aber fett mit Bogen und so, dass es aussieht, als hätten wir’n fucking Escort-Service bis vor die Tür, Digger!“

Somit etwa 800 Meter.

Wer jetzt denkt, dass das ein Rant über kurze Fahrten wird, der hat noch keine Ahnung von Titus‘ Rap-Skills …

„So Jungs, hört mal:
Ich bin heut bei Ines – INES!
weil da das Kokain is‘ – IN IS!
und um drei mein Schwanz immer inner Muschi drin is‘ – DRIN IS!
Na, Jungs? Derbe, oder?“

Ich war nun nicht der einzige, der das, sagen wir mal „nur so mittel“ fand, was Titus aber nicht störte. Im Gegenteil: Er erklärte, warum das so genial sei:

„Digger, das is‘ so eine Sache mit der Energiiiieeee. Ich hab das hundertfach versucht. Mit allen Vokalen. Aber nur bei dem Iiiiii ist die Energiiiieeeee. Wie im Kokaiiiiiiin! Klar?“

Nein. Aber chemikalisch erklärbar.

Also kurze Runde zum Kater. Titus musste dort für zwei der drei im Fond klären, ob sie rein dürften. Zuvor waren sie wohl abgelehnt worden. Das klappte auch und so blieb am Ende einer übrig, der tatsächlich noch weiter fahren wollte. Also „weiter“:

„So, wo soll’s dann hingehen?“

„Naja, zurück zum Ostbahnhof halt.“

Kannste Dir nicht ausdenken!

„Eigentlich muss ich nach Lichtenberg, aber das wär mit’m Taxi dann doch etwas zu teuer.“

Äh ja. Und zudem wäre die Fahrt im Vergleich zu den letzten drei Minuten auch unverschämt sinnvoll und logisch erklärbar gewesen, das riskiert man nicht einfach mal so für acht zusätzliche Euro, schon klar. 😉

Acht Euro hat mir die Fahrt am Ende mit Trinkgeld aber nur insgesamt gebracht. Sei es drum. Immerhin auch einen Blogeintrag und viel Insiderwissen über die Energiiiiieeee. Oder so.