Mit Ansage!

Der Typ war dermaßen verstrahlt, rückblickend wunderte ich mich nicht einmal mehr, dass er mich mitten auf einer Kreuzung zweier Hauptstraßen herangewunken hatte. Wobei ich fairerweise anerkennen muss, dass er von dort aus kürzestmöglichen Zugriff auf 10 Richtungsfahrbahnen für Autos, sowie vier von Straßenbahnen Zugriff hatte. Wahrscheinlich ein Statistiker.

Naja, er bat sich jedenfalls eine Kurzstrecke aus und war unnötig angetan davon, dass ich Schaltwagen fuhr. Nachdem die Richtung klar war, fragte ich nach dem Ausstiegspunkt und er nannte einen großen und bekannten Platz, ließ aber fallen, dass ich, also eigentlich, so von der Sache her, ich könnte auch noch ein wenig weiter. Er hat das dann auch eloquent mit der Tatsache begründet, dass dort eh noch ein paar hundert Meter das Wenden nicht erlaubt sei und ich mich schlecht damit rausreden könne, dass ich wo anders hinwolle. Da musste ich einschreiten:

„Haste Recht. Aber auch hier in der weiten Prärie deines Heimatstadtteils stehen manchmal Winker, die ich nicht einsacken könnte, wenn Du noch drinsitzt.“

Am Ende isser brav ausgestiegen, es war nur ein Versuch, passt schon.

Und dann hatte ich 300 Meter weiter Winker. ICH HAB’S JA GESAGT! 😀

Der Nazihausmeister von Weißensee

Ich hatte eine richtig gute Winkertour ergattert. Drei Leute, die so dermaßen im Komikermodus waren, dass ein Kollege sie extra absichtlich übersehen hat, bis ich des Weges kam. Dem debilen Gekicher nach war da nicht nur ein kleines Feierabendtütchen im Spiel, sondern eher eine Menge, die selbst in Berlin nicht mehr als Eigenbedarf deklariert werden kann.

Aber egal: Von Friedrichshain über Weißensee nach Schöneberg! Mehr als 30 € aus dem Stegreif!

Und der nach Weißensee war der Hammer. Hat mich erst ewig übers Taxifahren ausgefragt, um am Ende mit dem Hinweis zu kommen, dass er als Fahrer ja auf die Beförderungspflicht scheißen würde, wenn es um Nazis ginge. Sehr sehr sympathischer Junge! 😀

Aber da ging’s erst los.

Er wohne jetzt ja erst seit sechs Tagen in seiner neuen Wohnung. Mit seiner Freundin, die nur so mittel legal einen Untermietvertrag ausgestellt habe. Und schon nach der ersten Nacht sei sein Hausmeister, „so’n Nazi-Alki“, der auch mal im Treppenhaus pennt, wenn er den Schlüssel nicht mehr ins Schloss kriegt, bei ihm vorstellig geworden und hätte ihm eine Räumungsklage angedroht.

„Nach einer Nacht, Alter. Ich hab mir gleich ’ne Machete gekauft!“

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„Nee nee, Digger! Nicht, dasde denkst, ick würd dem was tun. Könnte ick nich. Aber guck mal: Ich bin nich deutsch, weil, is klar, hab ja schwarze Haare. Wenn ick dem mitte Machete die Tür öffne, dann isset doch nur so, dass ick dem seine Angst real mach. Ehrlich! Ick befriedige dem seine Angst, dit is alles! Ick hab mir ja so jefreut auffe neue Wohnung. War ja bislang Neuköllner, da is meine Hood! Un jetz das?“

Und während die beiden auf der Rückbank sich vor Lachen weggeschmissen haben, frage ich mich immer noch, ob ich auf dem selben Planeten lebe. 0.o

Die Sache mit dem Einschätzen von Menschen

Ich wollte eigentlich tanken, aber da winkte plötzlich einer. Mitten an der mehrspurigen Hauptstraße im Gewerbegebiet. Ein bereits älterer Mann, zotteliges langes Haar, einen Bart, der für mehrere Generationen ZZ-Top-Imitatoren gereicht hätte und einer Plastiktüte. Er roch nach Alkohol und fragte, ob er auch mit Karte zahlen könne. Ja? Na dann …

Er war wirklich nett, aber als er dann auch noch erzählte, dass er die Straßenbahnen verwechselt hätte … es war nicht schwer, sich dem Gedanken hinzugeben, dass das mit der Bezahlung vielleicht nicht klappen würde. Dann beim Arbeitsamt das Wiedererkennen der Gegend  mit dem Hinweis, dass er da ja jetzt auch oft sei, habe ja Rente beantragt etc. pp. Und wie zum Beweis streikte der Kartenleser am Ende. Allerdings schien das gar nicht an der Karte zu liegen. Er meldete nicht einmal einen Fehler und wechselte ins Menü zurück. WTF?

Mein Kunde nahm das ganz locker und sagte, dass wir dann halt zur Bank müssten, sei auch nur ums Eck. Das stimmte und da das alles noch unweit meines Zuhauses stattfand, kannte ich mich auch gut genug aus. Ich hab die Uhr trotzdem gleich gestoppt, denn zum einen lag der Fehler wohl beim Gerät und mir war das unangenehm, zum anderen fühlt man sich besser, wenn man nur eine 11€-Fehlfahrt hat und keine für 16. Was natürlich bescheuert ist, aber das menschliche Gehirn hat’s ja manchmal nicht so raus mit mathematischer Logik.

An der Bank ist der gute Kerl kurz raus, hat sein Hab und Gut als Pfand dagelassen, kam nach zwei Minuten ganz locker wieder raus und verkündete nur, dass er doch vorher schon gesagt hätte, er habe genug Geld auf dem Konto.

Und so standen wir dann kurz darauf ein zweites Mal vor seinem Plattenbau und er fragte mit ernstem Tonfall, was ich denn jetzt bekommen würde.

„Wie gesagt: Wir waren bei 11,50 €, als ich die Uhr ausgemacht hab.“

„11,50€? Nee, nee!“

Mir stellten sich umgehend wieder die Nackenhaare auf.

Der Alte zog einen Zwanni aus seinem Geldbeutel, drückte ihn mir mit väterlicher Geste in die Hand und meinte:

„Das stimmt so, für all die Mühe!“

„Äh, wow, vielen Dank!“

„Keine Sorge, ich gehör nicht zu den Ärmsten …“,

ließ er mich noch wissen und schien insgesamt sehr zufrieden mit dem an sich ja schon ziemlich verzwiebelten Heimweg zu sein. Was inzwischen selbstverständlich auch auf mich und den Schichtbeginn zutraf. 🙂

Mehr mitgegeben

Man sollte im Nachhinein vielleicht wissen: Die letzten beiden kurzen Dialog-Artikel stammen von einer einzigen Fahrt, auf die ich jetzt noch ein drittes Mal zurückkomme. Eine geradezu schichtrettende Fahrt, denn ich hab zwei ungefähr 50-jährige Winker am Ringcenter aufgegabelt, wobei der eine eben nach Haselhorst musste; nicht allerdings, ohne vorher seinen Kollegen noch in Friedrichsfelde abzusetzen.

„Is ejal, ick hab Kohle ohne Ende dabei!“,

hat er seinen Kumpel wissen lassen. Sowas beruhigt nebenbei auch den Taxifahrer. 🙂

Die lange Fahrt hat am Ende schnuckelige 48,10 € auf dem Taxameter stehen lassen, und tatsächlich: Anstelle von Unverständnis oder ähnlichem hab ich einfach nur warme Dankesworte dafür bekommen, die Tour gemacht zu haben. Ich hab zum Bezahlvorgang gleich mein Portemonnaie rausgekramt, was mein Kunde gleich kritisierte:

„Nee, nee, nee! Brauchst nich‘ nach Wechselgeld zu suchen!“

Ich hab den Fünfziger dankbar entgegengenommen und nicht einmal Anstalten gemacht, das Trinkgeld zu bemängeln. Ja, es waren deutlich weniger als die üblichen 10%, aber wer will nach so einer Tour auch nur über irgendwas meckern? Und während ich so einpackte, kam dann von rechts ein sowohl inhaltlich als auch von der Wortwahl schöner Einwurf:

„Warte, warte, warte! Mami hat mir heute etwas mehr mitgegeben!“

Ein Fünfer obenauf. Hach. 🙂

Wenn’s auf solche Fahrten ein Abo gibt, ich schließe es ab!

Geständnisse

Wenn Kunden im Taxi mit ihren Partnern telefonieren, dann ist das stets ein Happening. Der Typ auf meinem Beifahrersitz war laut eigener Aussage auf einer Firmenfeier, hatte schon eine halbe Stunde Schlaf auf einem Bahnsteig hinter sich und wurde nun auf halbem Weg zum Ziel von der Freundin angerufen.

„Ja, Schatz. Ob ich was, Schatz?“

Dann wandte er sich zu mir:

„Hab ich einen in der Krone?“

„Ich verweigere die Aussage!“

Dann sprach er weiter ins Telefon:

„Nein Schatz, das war der Taxifahrer. Ich hab doch gesagt, ich bin im Taxi. Natürlich hab ich einen in der Krone, ich war doch bei, bei, Du weißt doch, wo ich war! Und jetzt komm ich nach Hause. OK?“

Seiner Aussage nach „alles kein Problem“. Na denn. 😀

 

Die übliche regelbestätigende Ausnahme

Ich bin erst an ihm vorbeigefahren, denn er winkte kurzentschlossen und deutlich weg vom Straßenrand aus einer Gruppe heraus. Als er dann am Auto stand, fragte er kleinlaut, ob ich ihn für 40 € nach Strausberg bringen könnte, mehr hätte er wirklich nicht mehr.

Aus dem Stegreif war das nur so Pi mal Daumen zu entscheiden, aber da ich auf Verdacht hin ohnehin auch nur einen Fuffi verlangt hätte, hab ich zugesagt. Wir waren schon tief in Ostberlin, ich war dem Feierabend nahe und die Schicht war bisher so gut, dass mich die Fahrt auch kilometerschnittmäßig keineswegs aus dem Takt gebracht hat. Trotz der Leerkilometer zurück. Und dann so ein Abschluss!

Ich könnte jetzt rückblickend auch sauer sein. Hat er mir anschließend doch erzählt, er habe an dem Abend 500 € durchgebracht und die letzte Kohle vor der Taxifahrt einem Kumpel für den Puff geliehen. Ich könnte mich jetzt zu wenig wertgeschätzt fühlen und den Typen für seine Arroganz beschimpfen.

Aber wie so oft macht der Ton die Musik. Er hat sich entschuldigt und klargestellt, dass ihm das mehr als peinlich ist, weil ihm selbst als Handwerker die Preisdrückerei auf die Nerven geht und er sonst immer ein guter Trinkgeldgeber sei. Außerdem war’s auch nicht so, dass das sein wöchentliches Besäufnis war, nein: Er war mit ein paar ehemaligen Sportvereinskameraden auf dem einmal jährlich stattfindenden Veteranentreffen gewesen, ein durch und durch besonderer Anlass. Dass er seine großzügig geplanten Finanzen überschritten hatte, lag dann auch wirklich an den Kumpels, die ihn zum Puff überredet hätten, wo er als Verheirateter nur zwei Bier getrunken hätte, einem Kumpel mit knapperer Kasse aber eben noch mal ausgeholfen hat. Und zuletzt selbst überrascht war, dass er inklusive Kleingeld nur noch auf 40 € gekommen ist.

Ja, mein Lifestyle ist das sicher auch nicht, aber ich hab mich in letzter Zeit selten netter mit einem Typen unterhalten.

„Du hältst das jetzt sicher für ’ne Ausrede, wa? Kriegste wahrscheinlich dauernd zu hören, oder?“

„Ganz im Ernst: Das ist ok. Ich hab ja zugesagt. Der Preis ist am unteren Ende, ja. Aber die Anfragen zu denen ich nein sage, sind eher die, wo mir eine Gruppe von fünf Leuten 20 € für die Fahrt bietet, weil die Cocktails so teuer waren und ich mich mal nicht so anstellen sollte, weil’s ja immer noch besser wäre als gar nix.“

Er hat sich bis zuletzt entschuldigt und das Kunststück vollbracht, mir auf ernsthaft nette Art zu erlauben, die Uhr auszulassen, wie auch mich im Anschluss aus seiner Sicht als Firmenchef glaubhaft zu loben, dass ich es nicht machen wollte. Das schaffen wirklich nur die wenigsten.

Natürlich kann ich jetzt nur hoffen, dass er wirklich der nette Kerl ist, der er vorgegeben hat zu sein. Aber glaubt mir: Wenn Typen über 50 es schaffen, mir sympathisch zu sein, obwohl sie mir erzählen, dass sie gerade über 400 € fürs Saufen und im Puff ausgegeben haben – dann ist das wirklich nicht normal.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Volle Lotte in 5 Minuten

Der gemächliche Start in die Woche war gut geplant. Erst einmal zur Waschanlage, die Kiste wieder vorzeigbar machen! Aber – unberechenbar, wie das Geschäft nunmal ist – stand an der letzten Kreuzung vor der Tanke ein Winker. Also „stand“ …
Während ich mir zunächst unsicher war, ob ich es mit einem Betrunkenen oder einem Gehbehinderten zu tun hatte, sorgte er recht schnell dafür, die Lage zu klären:

„Sorry, ick hab ma heute besoffn!“

Er nannte mir brav Straße und Hausnummer, was mir aber erst einmal nichts brachte. Die Straße lag zwar quer vor uns, aber im Unwissen um alle Hausnummern in Berlin musste ich wissen, in welche Richtung es gehen sollte.

„Links rum!“

Na ja, da hatte ich schon schlimmere Besoffene.

Aber eigentlich war der Abend noch jung, der Verkehr noch entsprechend dicht – und ich stand nun auf der Rechtsabbiegerspur und sollte links ab. Über drei Geradeaus-Spuren. Das wäre alles kein Ding gewesen, wären die Leute nicht alle so zappelig in ihren Autos. Ja, das war natürlich superdoof, aber  verdammt nochmal: Ich hab gerade als Taxifahrer für alle sichtbar einen Kunden aufgenommen! Wie viel deutlicher kann man denn im Straßenverkehr sagen: „Ich hab mir die Situation so nicht ausgesucht und ja, es macht leider einen Unterschied, ob ich mal eben 500 Meter  bis zur nächsten Wendestelle fahre!“?

Na ja, ich hatte also ungefähr 3 Minuten nach Schichtbeginn bereits ein veritables Hupkonzert verursacht. Wenn einem sowas nach anderthalb Wochen Krankheit nicht wieder die Freuden der Arbeit näherbringt, was dann?

Anderthalb Minuten später, kurz vor dem letzten Wohnblock:

„Ähm, sollte ich hier dann nicht mal …?“

„Neee, dit is ja allet verkehrt! Die 133! Hab ick doch jesacht!“

„Orrr. Ja, haben Sie. Aber auch, dass sie Bescheid sagen. Sorry, dass ich mich darauf verlassen habe.“

Also doch das Navi. Grmpf! Und natürlich waren wir lange vorbeigefahren. Ich hab mich so langsam ein wenig geärgert, dass ich sein „Is nur kurz ums Eck“ als Kurzstrecke ausgelegt hatte. Ja, die hat auch so noch gereicht. Aber eigentlich war mir das zu stressig um nett zu sein in dem Moment. Aber ich hab nett und  vorwurfslos angemerkt:

„Ich sagte doch schon: Alle Hausnummern kenne ich natürlich auch nicht auswendig.“

„Ja, aber weißte, eigentlich würde ich sagen, dass man das ja dann doch irgendwie schon auch können sollte …“

Was hätte der wohl dazu gesagt, dass ich nicht einmal alle Straßen dieser niedlichen 900km²-Stadt auswendig kenne?

Immerhin hat er am Ende die 5,00 € fast schon entsetzt mit 7,00 € beglichen. Schätze, wir haben uns beide vor allem auf dem falschen Fuß erwischt. 🙂