Ganz mieses Stadium

Zunächst war ich ganz froh, trotz des hinter mir drängelnden Kollegen halbwegs ordentlich vor dem Winker anhalten zu  können. Als ich ihn dann aber in Augenschein genommen hab: Meine Güte!

Verschwitzt und zitternd stand er da vor meinem Auto, unterbrach jede seiner Bewegungen mit einer noch hektischeren nächsten, konnte sich kaum für eine Tür zum einsteigen entscheiden und fragte in allenfalls Satzfragmente zu nennenden Strukturen:

„Alda, hi, Alda, kennst Du, Du kennst, hier, also fast hier, Flatratepuff, Nähe hier, also, Alda, nicht weit, verstehste, Puff, Alda?“

Obwohl ich da keinen kannte, hat er sich mit sich selbst trotz allen zittrigen Hin und Hers dann doch für eine grobe Adressenangabe in der Nähe einigen können. Irgendwie wollte ich ihm ja nahelegen, dass ihn in dem Zustand kein Laden, egal was für einer, mehr reinlassen würde. Aber das sind dann die Fälle, wo man sich auf den Fahrersitz zurückzieht. Ob der gerade einen Entzug durchmachte oder den Horrortrip seines Lebens: Keine Ahnung. Ihn zu ärgern hielt ich trotz seiner offensichtlichen Harmlosigkeit für eine schlechte Idee.

Also eine kurze 8€-Tour und beim Ausstieg eine Minute Extra-Zeit, damit der sich vergewissern konnte, dass er kein Koks bei mir verloren hat. Was halt so passiert. Ich hoffe mal, jetzt wo ich das schreibe, geht’s ihm besser. Was auch immer das in diesem Fall heißen soll.

Die gute Tat …

Ich hatte mich noch kurz an den Bahnhof gestellt. Nicht den Ostbahnhof, sondern Friedrichsfelde-Ost. Nicht mit der Option, länger zu warten, sondern eher eine Kippenpause mit potenzieller Kundschaft. Und dann stand er da, etwas unsicher, ob er mich wirklich ansprechen könnte. Aber nun ja, sie hätten da diese eine, „wirklich ein bisschen arg betrunkene“ Freundin …

Was das bedeutet, war mir schon klar.

Ich hab nachgefragt, wie’s aussehen würde, ob jemand mitfahren würde, etc. pp.

„Ja, wir fahren zu dritt mit, wir passen auf, dass nix passiert!“

„Na dann …“

Ich war etwas vorschnell mit meiner Einschätzung, ich würde schon wissen, was das bedeutet. Denn die junge Dame, die die insgesamt drei Leute dann zwei Minuten später angeschleppt haben, hatte wirklich sämtliche Party-Zustände übersprungen und war bereits vollkommen im Bereich für medizinisches Personal. Sie hat das Kunststück fertig gebracht, keinerlei hilfreiche Regung beim Getragenwerden zu vollbringen, sondern allenfalls gegen die Hilfe anzukämpfen, die ihr da zuteil wurde. Und die Geräuschkulisse hat an ein Best-of einer Tierdoku erinnert, nicht aber an menschliche Kommunikation.

Das war so heftig, dass selbst ich trotz aller Druffis der letzten Jahre soooo kurz davor war, das aus Sicherheitsgründen sofort  abzubrechen und die medizinische Kavallerie anzufordern. Gelassen hab ich’s, weil sich herausstellte, dass die mitfahrende beste Freundin ausgebildete Krankenschwester war, die auch versicherte, dass sie sie zu Hause weiter betreuen und allenfalls in der stabilen Seitenlage würden schlafen lassen.

Die Fahrt an sich war stressfrei. Die anscheinend von nur drei sehr schnellen Cocktails nach langer Arbeit an einem heißen Tag und auf nüchternen Magen (wer macht sowas bitte?) Ausgeknipste fand sich angeschnallt und von zwei Freunden umklammert  mit einem von mir gereichten Tütchen vor dem Mund nur etwas sabbernd im Fond wieder, unter den Umständen hätte sich manch Profi-Kämpfer nicht mehr rühren können. Und die Fahrt war alles andere als atemberaubend weit, einmal nach Marzahn, eine Sache von ein paar Minuten.

Für mich war’s weniger Geschäft als die eine gute Tat nach ein paar wirklich tollen Touren, die Truppe selbst hatte da wohl noch einige Stunden mehr Programm. Die haben ja schon 30 Sekunden für je 10 Meter Fußweg gebraucht.

Leute, seid bitte ein bisschen vorsichtiger mit Drogen!

In dem Fall wird’s hoffentlich bei einem fiesen Kater geblieben sein, aber wer will denn bitte im Krankenhaus aufwachen nach dem Feiern?

Übergabe

Mal eben für eine nahezu 30 € Umsatz bringende Fahrt rausgewunken zu werden, ist immer schön. Noch dazu, wenn der Fahrgast nett ist und am Ende sogar das Trinkgeld stimmt. Das trifft ja selbst an gut laufenden Wochenendschichten nicht auf alle Fahrten zu.

So, und nun hat mein Fahrgast sich also verabschiedet und ist leicht angetrunken zu seinem Häuschen in einer kleinen Stadtrandsiedlung getorkelt. Ich hab die Daten der Tour kurz notiert, als plötzlich 30 Meter hinter mir eine dunkle S-Klasse heranrollt und Lichthupe gibt.

Ich wollte erst losfahren, aber als es nochmal blinkte, bin ich ausgestiegen. Ein junger Mann, groß und kräftigt, aber am Ende doch sehr nett, fragt mich, ob ich ihn gleich nach Neukölln mitnehmen könne. Er hätte nur eben seinen Chef heimgefahren und bräuchte jetzt selbst ein Taxi. Was halt so passiert.

Unnötig zu erwähnen, dass die Fahrt genauso viel brachte wie die erste und nicht weniger nett war. Manchmal hat man dann halt auch Glück.

Was mich aus dem Konzept bringt

Man gewöhnt sich an vieles im Taxi. Fünf gröhlende Jugendliche hier, ein Kotzkandidat dort, Avancen von Rentnerinnen, Belehrungen von 20-Jährigen. Gähn. Alles schon gesehen und niedergeschrieben. Glaube ich zumindest. Diese Woche hatte ich vier angetrunkene Gesellen im Auto, die eigentlich nicht so wirklich was schlimmes gemacht haben. Sie haben sich laut unterhalten, untereinander. Das dumme daran war, dass einer meinen Namen, besser noch: meinen Spitznamen trug: Sash. Genau wie von meinen Freunden auch englisch ausgesprochen.

Und das bin ich einfach nicht gewöhnt. Das letzte Mal, dass da was nahe rankam, das war während der Oberstufe vor nunmehr 15 Jahren, als einer meiner Mitschüler Serge (französische Aussprache) hieß.

Ich hab mich im Laufe der Fahrt bestimmt fünfmal versehentlich umgedreht, weil ich dachte, es ging um irgendwas an mich gerichtetes. Entweder ich brauch mehr Training oder bin für solche Fahrten nicht gemacht.

„Besonders nett“

Auch wenn ich gestern noch einmal einen Rant loswerden musste: Ich bin ja im allgemeinen sehr dankbar über Kundschaft und entsprechend auch nett zu ihr. Manchmal hab ich die Vermutung, ich wäre sogar nett, auch wenn sie mir kein Geld bringen würde, aber schließt daraus bitte nicht auf psychologische Anomalien!

Nun also ein Kunde am Tierpark. Gott sei Dank! Ich war einen ziemlich weiten Weg in Richtung Heimat gefahren, in der steten Hoffnung, auf die verkorkste Schicht wenigstens noch ein kleines Winkerkrönchen setzen zu können. Der Kunde war zwar leicht angeschlagen, aber das wirklich nur in dem Sinne, dass man merkte, das er getrunken hatte. Gefahr durch Brockenlachen, Totalausfall oder völlige Enthemmung war nicht gegeben. Aber wir mussten umdrehen. Weil er seinen Schlüssel vergessen hatte.

„Kein Problem, kriegen wir hin!“

„Ehrlich jetzt? Na Du bist ja mal’n besonders netter Taxifahrer!“

„Wieso? Für sowas sind wir doch da.“

„Naja, aber manche Kollegen gucken immer gleich so und …“

„Kann sein. Das sind dann die, die meiner Meinung nach Pakete ausfahren sollten. Pakete quatschen nicht und haben keine Sonderwünsche.“

„Hihi. Naja, ick bin ja auch betrunken … aber nicht so, dass ich jetzt von mir aus irgendwie Stress mache oder so.“

„Dann wird das ok sein. Ich von meiner Seite aus hatte auch nicht vor, jetzt Streit anzufangen.“

Waren am Ende satte 30 €, Streit gab’s ebenso keinen. Und ich war nüchtern genug, ich hätte das bemerkt. 😉

Voll korrekte Hilfeleistung

Die junge Dame, die da in Latzhosen angesprintet kam, ließ sich auf den Rücksitz fallen und rief gleich los:

„Fahr ma bisschen vor bis da bei der Tussi in dem hässlichen Kleid, die schafft’s nicht bis hierher!“

Gut, bis zu diesem Zeitpunkt war die besagte Frau auch schon auf fast 15 Meter an mein Taxi herangekommen, aber wer bin ich, dass ich zahlender Kundschaft Wünsche abschlage? Der Dank indes war groß. Weniger von der Kleiderträgerin, als mehr von meiner Mitfahrerin hinten:

„Du bist mal korrekt! Find ich gut!“

„Ach, wenn ich mit solchen Kleinigkeiten schon helfen kann, dann bin ich immer dabei, keine Sorge!“

Und siehe da: Trotz der etwas ruppigeren Ansprache erwies sich die letzten Endes aus vier Frauen bestehende Truppe als vollkommen problemlos. Die Party war mit ein paar Cocktails bereits im Gange, ich brachte sie dann eben noch schnell zur Fortsetzung der selbigen in Steglitz. Ja, sie wollten ein bisschen komische Musik hören und redeten etwas laut. Andererseits waren sie auch selbstironisch genug, sich als „die schlimmsten Kunden heute“ zu bezeichnen und gaben am Ende gutes  Trinkgeld. In dem Fall wusste ich das allerdings schon vorher. Denn Miss Latzhose hat bereits auf halber Strecke im Rahmen der durcheinanderspringenden Gespräche angemerkt, dass ihre Mutter ebenfalls Taxi fährt. Und bei Fahrten mit Taxifahrerkindern läuft am Ende wirklich selten irgendwas nicht optimal. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Wirklich alles, sogar hochdeutsch!

Als eine der Sechsertruppe mir erzählte, dass sie vor 20 Stunden aus Stuttgart hergeflogen waren und so langsam müde seien, hatte  ich damit nicht gerechnet. Sie kamen zwar nicht direkt aus meiner Heimatstadt, aber mehr Dialekt als ich nach 8 Jahren Berlin war bei denen auch kaum hängengeblieben.

Naja, nun zum Hotel, war ein durchweg weiblicher Jungesellinnenabschied, was offenbar ebenso lustig wie die männliche Variante ist, dabei aber niemand bereits im Taxi Brocken lachen muss. Eigentlich sehr sympathisch. 🙂

Naja, als ich mich dann auch als Exilschwabe geoutet hatte, hat das die Stimmung nicht verschlechtert, im Gegenteil. Immer wieder nett. Überhaupt war’s für die Konstellation „6 betrunkene Mädels und eine Fahrt durch die halbe Stadt“ geradezu vorbildlich von Fahrgastseite und ich hab mich natürlich auch halbwegs bemüht.

Nun sollte man meinen, dass Taxifahren mit Schwaben immerhin einen entscheidenden Nachteil hat, aber Pustekuchen:

„Das wären dann 24,50 €.“

„Dann stimmt das so.“

„Oh. Dankeschön.“

„Sehr gerne. Ach so, das waren 30, oder?“

„Äh, ja.“

„Dann ist ja gut.“

🙂