Am Ostbahnhof nach ein paar Minuten einen Kunden kriegen, der wirklich zum völlig anderen Ende der Stadt will, ist ja schon mal schön. Der Nebenaspekt war leider:
„Machen Sie bitte so schnell wie möglich!“
Ich hab den potenziellen Zeithorizont abgefragt und „in time“ war keine Option. Das hinzugezogene Navi (Einkaufszentren in Spandau sind nicht wirklich mein Steckenpferd, ich geb’s ja zu!) vermeldete satte 20 Kilometer Anfahrt und die gewünschte Ankunftszeit lag nur 20 Minuten entfernt. Durch die im gesamten politischen Berlin stark vernachlässigten Autobahnpläne zwischen dem Ostbahnhof und Spandau sind 60 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit einfach immer utopisch, da kann man noch so guten Willen zeigen als aufgeschlossener und kundenorientierter Taxifahrer.
Nun muss ich aber gestehen, dass mein Fahrgast es zwar eilig hatte, mich aber keinesfalls irgendwie zu Regelverstößen angestachelt hat. Er war nett und lachte notgedrungen aber ehrlich über meine Anmerkungen zum stockenden Verkehrsfluss. Ich auf der anderen Seite hab an den Stellen, an denen es mir persönlich machbar erschien, durchaus erkennen lassen, dass im Falle eines Falles die StVO ohne Dehnungsstreifen nicht das wäre, was sie heute ist.
Warum das alles? Ich hatte lange keine Ahnung. Jemanden abholen. OK. Mit der Zeit wurde dann immer mehr bekannt. Es ging um eine Sie, sie hatte jetzt Feierabend, sie erwartete ihn eigentlich nicht und könnte einfach weg sein, wenn wir zu spät kämen. So ganz geschäftlich klang das jedenfalls nicht. 😉
Ich hatte seit Beginn der Fahrt gesagt, dass wir mindestens 10 Minuten zu spät kommen würden, später hab ich ihn dann darin bekräftigt, sie wenigstens zu erreichen zu versuchen.
Und dann wurde ich Zeuge eines Telefongesprächs, bei dem er in der Verwaltung eines Einkaufscenters anrief und bat, in Laden XY doch die Zeitarbeiterin aus Land ABC, deren Nachnamen er leider nicht so genau wisse, zu informieren, er würde sie abholen. Also so frisch in der Mache erlebt man Beziehungen dann ja auch selten. 😀
Ich habe die nur 10 Minuten Verspätung am Ende eingehalten. Trotz teilweise beschissenster Ampelphasen. Was für ein Opfer ich der StVO dafür beizeiten bringen werde, muss ich mal sehen. Ein unfreiwilliges habe ich wohl nicht zu vermelden, so gesehen ist alles absolut bestens gelaufen.
Stressig war’s trotzdem, ich halte mich ja aus dem Hektik-Business nicht ohne Grund gerne raus. Also hab ich mich nach der Tour erst einmal auf die hinterste Ecke des großflächigen Parkplatzes verzogen, mich über mehr als 35 € Umsatz gefreut und eine geraucht. Ich hatte dank der Tour binnen anderthalb Stunden einen Fuffi Umsatz gehabt, man muss ja auch mal wertschätzen, was man kriegt.
Nennt mich ruhig kitschig, aber wirklich zufrieden war ich erst, als ich die Rückfahrt in die Zivilisation angetreten habe und dabei kurz nach dem Start noch weit draußen in der Westberliner Prärie ein Pärchen überholt habe, das gemütlich palavernd den Weg entlanggeschlendert ist: Sie in großen Gesten erzählend, mein Fahrgast andächtig lauschend.
Der Zweck heiligt keinesfalls immer die Mittel. Aber wenn’s mal passt, lasse ich mir die Freude daran auch nicht nehmen!