Es gibt Dinge, die passieren einem als Taxifahrer nur sehr selten bis gar nie. Etwas leichter hat man es, wenn man nebenher schreibt und einen Haufen Leser hat, die wissen, was man mag und was nicht. Von so einer – zu 100% perfekten Tour – handelt dann wohl dieser Eintrag.
Die Uhr wehte frisch und der Wind stand auf kurz nach halb eins. Oder so. Ich stand am Ostbahnhof, dritte Rücke, die nächste Fahrt so in etwa einer halben Stunde in Aussicht. Am Samstagabend sind die toten Stunden zwischen 0 und 2 Uhr nicht ganz so extrem, aber immer noch spürbar. Ich schaute ein wenig um mich, als mein Blick an einem bekannten Gesicht hängen blieb. Und das bei meiner Gesichtsblindheit! Aber ich hatte mich nicht vertan, denn das bekannte Gesicht blickte erfreut zurück und der zu dem bekannten Gesicht gehörige Mund formte betont beiläufig folgende Worte:
„Na, wir kennen uns doch!“
Allerdings.
Christian, seines Zeichens Anwalt aus der Nähe von Hamburg, saß schon einmal bei mir im Taxi und ist Blogleser und (Selten-)Kommentator der ersten Stunde. Das konnte kein Zufall sein!
War es auch nicht. Zwar hat die Bestellung bei myTaxi nicht geklappt, da uns beiden ungefähr zeitgleich das Programm abgeschmiert war – aber dank meines Trackers (dafür hab ich den also!) hat er – und das ist etwas Neues – sich extra in die Bahn gesetzt, um zu mir zum Taxi zu fahren.
„Ich bin zufällig in Berlin und wenn’s Dir recht ist, dann würde ich vorschlagen, wir fahren ein bisschen rum, gehen bei laufender Uhr einen Döner essen und Du bringst mich danach irgendwann ins Hotel zurück. Wäre das ok?“
Ob das ok wäre? Na, aber hallo!
Und dabei bin ich zunächst noch davon ausgegangen, dass wir nur mal eben nach Kreuzberg rüber zum nächsten Döner gurken. Stattdessen interessierte sich Christian aber für so allerlei Blog-spezfische Plätze und schlug vor, ich könne ihm auch gerne meinen Heimatbezirk Marzahn zeigen. Stopp an einer Bank und an einem Döner allerdings obligatorisch!
Ich hab mich anfangs ein bisschen schwer getan damit. Ziellos durch die Gegend fahren ist nun wirklich so ziemlich das Letzte, in dem man irgendwie Übung hat nach viereinhalb Jahren im Taxi. Immer geht es nur um die kürzeste Strecke, den schnellsten Weg und das letztendliche Ziel. Und nun das. Ich hab mir aus dem Ärmel eine immer noch relativ geradlinige Route nach Marzahn einfallen lassen und ihm nebenbei die Abstellplätze des Autos und alles auch nur halbwegs interessante gezeigt. Aber im Grunde war sogar das nebensächlich, denn wir haben uns vor allen Dingen gut unterhalten.
Am Ende haben wir tatsächlich im Eastgate Geld geholt und beim Döner vor meiner Haustüre gemütlich was gegessen und getrunken. Und uns weiter unterhalten. (Gemeinsamer Buchtipp übrigens: Oliver Sacks – Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte)
„Ich wusste, dass es gut wird. Aber dass es SO gut wird …“
Da konnte und kann ich auch jetzt noch nur beipflichten!
Und all das, während die Uhr in der 1925 weiter vor sich hintickte. Wenngleich die Auslegung meiner Bestellung seitens des Personals beim Döner etwas abenteuerlich war, hatten wir also unsere Unterhaltung und führten diese bis zum Ende der üppigen Portionen fort. Selbst eine Raucherpause gestand mir mein Fahrgast noch zu, während ich immer noch nicht wirklich loslassen konnte von meiner Sorge, dass ich doch wenigstens dafür die Uhr kurz … ich bin wahrscheinlich wirklich unverbesserlich.
Auf dem Rückweg nahmen wir noch ein paar Eindrücke aus Marzahn, Lichtenberg und Friedrichshain mit – und nach ein bisschen Club-Sightseeing standen wir ungefähr eindreiviertel Stunden nach unserer Begegnung vor seinem Hotel und haben uns ausdauernd verabschiedet. Die Uhr zeigte knapp über 65 € an und ich nenne den Betrag nur, damit man ungefähr eine Vorstellung hat, was folgender Satz beim Bezahlen zu bedeuten hat:
„Ich weiß ja, Du magst keine großen Scheine. Aber wenn ich sage ‚Stimmt so!‘, dann geht das hoffentlich …“
Ja, es ist wahr. Die Truppe lustiger Jugendlicher mit ihrem Mördertrinkgeld haben in der Schicht leider nur den zweiten Platz gemacht. Dass mir an diesem Tag nichts mehr die Laune verderben konnte, ist wahrscheinlich verständlich, oder? 🙂
Kleines PS:
Das ist natürlich ein Erlebnis, das ich nicht meinem Beruf als Taxifahrer zu verdanken habe. Christian hat sich ausdrücklich für mein regelmäßiges und gutes Schreiben bedankt, was ich sehr zu schätzen weiß. Und ich möchte auch den Eindruck zerstreuen, das sei für mich einfach ein tolles Geschäft gewesen. Natürlich ist so eine Tour der Hammer und unter dem Gesichtspunkt hab ich’s hier natürlich auch runtergetippt. Aber übers Finanzielle hinaus war es einfach ein netter Break, eine kleine Pause im wuseligen Wochenendbusiness, ein bisschen Erholung nebst viel Spaß. Christian möchte ich zu diesem Anlass natürlich besonders danken, aber es ist ja nicht das erste nette Erlebnis mit Euch Lesern. Und ich glaube sagen zu können, mit allen von Euch Spaß gehabt zu haben.