Und nochmal zum Mitschreiben: PANIK!
Unfälle sind eine Scheiß-Geschichte. Immer wieder. Das Dumme an ihnen ist: Sie passieren. Nicht jedem, nicht dauernd, aber eben doch ausreichend oft, um irgendwann eingestehen zu müssen, sie gehören zum Verkehr dazu. Das soll nicht fatalistisch klingen, man sollte immer das Möglichste tun um jeden einzelnen Unfall zu vermeiden. Aber es ist auch nicht so, dass man bloß aus der Tatsache, dass zwei Verkehrsteilnehmer mal wortwörtlich aneinandergeraten, zum Drama aufspielen sollte.
Aber sag das mal jemand meinem Herz!
Bei Twitter wurde mir die Frage gleich gestellt: Ob das bei mir auch noch so einen Adrenalinstoß verursachen würde.
Na holy fucking shit! Aber ja doch! Ich fahre zwar viel durch die Gegend, aber meine Liste an Unfällen ist immer noch ziemlich klein. In erster Linie sind das Parkrempler gewesen. Noch in Stuttgart. Aber selbst wenn mal keine Menschenleben in Gefahr sind: Bei Unfällen geht es immer um Geldbeträge, die im Gegensatz zu meinem Einkommen horrend erscheinen.
Und jetzt am Samstag? Da ging es nicht ums Geld. Nicht den Bruchteil einer Sekunde lang. Sondern – ein wenig dramatisch überhöht – tatsächlich um Menschenleben. Genauer gesagt um das eines Fahrradfahrers. Ich selbst war gerade mit einem müden aber glücklichen Kunden losgefahren, um eine unübertreffliche 5,20€-Tour anzutreten. Was für ein Irrwitz, dass ausgerechnet so eine Tour mal kritisch wird!
Beim Abbiegen von Am Ostbahnhof in die Andreasstraße hab ich einen Radler übersehen. Ich hab keine Ahnung, wie. Er war als geradezu mustergültige Ausnahme sogar beleuchtet. Rückblickend betrachtet war er wohl im Moment meines zu spärlichen Blickens hinter der A-Säule verborgen, danach habe ich mich sogar zu meinem Fahrgast umgedreht. Der schrie plötzlich wie am Spieß:
„ACHTUNG!!!“
Bei aller Gewöhnung an teils hypernervöse Beifahrer hab ich meinen Blick auf die Straße geschmissen und umgehend die Bremse durchgetreten. Ich bin in vielem nur Mittelmaß oder gar schlecht, im Reagieren war ich bislang immer gut genug. Ich sah den Radfahrer quasi direkt an meinem linken vorderen Kotflügel das erste Mal. Während ich noch das Steuer herumriss, stieß ich ihn seitlich von hinten an, wodurch er bedrohlich ins Schlingern gerieht. Das Auto stand nach anderthalb Sekunden, das Fahrrad vielleicht nach dreien. Holy fucking Shit!
Der Radfahrer kehrte augenblicklich um und fuhr, sich drohend aufblasend, auf mich zu. Ich ließ das Seitenfenster gleich runter und versuchte, mit meiner Gestik so deeskalierend wie möglich zu wirken für einen Irren, der gerade ein Leben riskiert hatte, indem er eine anderthalb Tonnen schwere Blechkiste gegen einen schmächtigen Radler eingesetzt hatte. Nicht lange danach blickte durch das Beifahrerfensters das Gesicht eines jungen Mannes herein, dunkle Hautfarbe, den Schreck ebenfalls noch im Gesicht stehen habend. In mäßigem Deutsch fragte er:
„Was ist? Du mich nicht gesehen hast?“
„Nein. Ganz ehrlich: nein! Tut mir wirklich leid, mein Fehler. Ist irgendwas passiert?“
Eine einfache und im Grunde unzureichende Entschuldigung. Meinen Fehler in Worte zu fassen war schlicht nicht besser möglich. Aber ich traf dieses Mal glücklicherweise auf einen verständigen Menschen. Während ich spürte, wie mir das Herz bis zum Hals oder darüber hinaus schlug, wurde der junge Mann lockerer. Der erste Stress war verflogen und wir haben glücklicherweise beide die Meinung geteilt, dass das mit dem Verkehr hier kein Krieg ist. Scheiße ja, Fehler passieren. Auch mir. Ihm sicher auch.
Mein Unfall-„Gegner“ nahm meinen wirklich aufrichtig gemeinten Handschlag zur Entschuldigung an und seufzte erleichtert:
„Alta, is‘ meine letzte Tag bei die Urlaub. Jetzt so glücklich ich feiern Geburtstag nochmal!“
„Is‘ ok. Feier für mich mit! Gott sei Dank ist Dir nix passiert!“
Währenddessen fiel uns mein Fahrgast dauernd ins Wort, weil er unglaublich stolz darauf war, dem jungen Mann das Leben gerettet zu haben. Wir wollen da über Details nicht streiten, schließlich hat er wirklich geholfen, auch wenn das alles bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten passiert ist.
Am Ende war mit dem kurzen Stopp alles geklärt. Weder Fahrrad noch Auto hatten Macken. Ich hatte ihn ja direkt am Bein erwischt. Insofern hab ich da die Polizei aus dem Spiel gelassen, obwohl das bei Unfällen mit Firmenwagen natürlich eigentlich unerlässlich wäre. Ich war umgehend sehr froh, dass die restliche Tour kaum noch einen Kilometer lang war. Nicht wegen meines Fahrgastes. Der gab immerhin sogar Trinkgeld, was in Anbetracht des Fahrtverlaufes schon beachtlich war. Nein, ich brauchte die abermalige Pause an der Halte! Ja, ich hatte sogar überlegt, heimzufahren. Denn auch wenn Unfälle nunmal vorkommen: Ich bin danach erst einmal eine Weile am Zittern, ganz ehrlich. Ich hab’s sonst nicht so mit Aufregung und Action, so ist es nunmal.
PS: Ich würde den Eintrag eigentlich gerne so stehen lassen. Ohne erhobenen Zeigefinger oder dergleichen. Kann ich aber nicht. Sicher: Die Geschichte jetzt war Pillepalle. Trotzdem: Wir alle machen Fehler. Zum einen muss ich natürlich zerknirscht zugeben, dass ich trotz meiner doch recht umfangreichen Fahrerfahrung dieses Mal zu nachlässig war. Und es würde mich freuen, wenn der oder die ein oder andere auch nochmal darüber nachdenkt, wie er/sie im Verkehr agiert. Zum anderen: „Die da“, ob jetzt Rad-, Auto- oder LKW-Fahrer, sind nicht in erster Linie Feinde! Und wenn mal was passiert zwischen Euch, dann denkt bitte ehrlich darüber nach, inwiefern Ihr selbst auch einen Teil zum Geschehen beigetragen habt. Versucht wenigstens, ehrlich zu sein. Und wenn es nur Euch selbst gegenüber ist.
Ich jedenfalls werde in den nächsten Monaten (und hoffenrlich auf Dauer) wieder noch mehr Aufmerksamkeit auf Radwege in entsprechender Umgebung legen. Und ich bin froh, dass ich das jetzt nicht mache, weil es Tote gab. Dann ist es nämlich zu spät.
(Und teilt das ruhig, ich kann kleine Shitstorms aushalten. 😉 )