Never weg. Oder ganz weg.

Im Nachhinein sehen Touren, die am Ende scheiße ausgehen, ja immer so vorhersehbar aus, dass es geradezu nervig ist. Drei volltrunkene Polen in Marzahn, die kaum erklären konnten, wo sie hinwollten. Ich höre die Kollegen schon schreien, dass ich das ja hätte besser wissen können. Sei es wegen des Alkohols, wegen Marzahn und – ach, Polen, natürlich, weiß man ja!

Nein, ich sag’s gleich vorneweg: Wegen dieser einen Tour von besoffenen Vollpfosten, die halt alle zwei Jahre dann auch mal vorkommt, werde ich trotzdem nicht xenophob. Das bin ich all den grenzdebilden Russen schuldig, die mir Extratrinkgeld für eine lustige Fahrt spendiert haben. Und die sind nunmal in der Überzahl.

Aber gut, nun diese Baggage. Ich hab sie keine 500 Meter von meiner Haustüre entfernt aufgegabelt und die Verständigung war sehr schwer. Aber das kommt vor. „Newerweg five“ war die Zieladdresse und natürlich gab’s die nicht. Weder im Navi, noch bei Google. Unser Stopp in der Prärie dauerte eine Weile. Am Ende hab ich einem der drei meinen Stromanschluss zur Verfügung gestellt und es war dann halt doch „Neuer Weg 5“ in Köpenik. Mit Reverse Engineering gab dann sogar das „Kompaninsk“ in ihren Hinweisen Sinn.

Rückblickend fällt es mir schwer, die Typen sympathisch zu nennen, aber sie waren zu echter Begeisterung fähig, als wir das Ziel endlich identifiziert hatten und die Aussicht auf gerademal 20 Minuten Heimweg schien ihnen sehr zuzusagen. Bis zu diesem Punkt wirkte das vermutlich deswegen so glaubwürdig, weil sie natürlich wirklich froh waren, so schnell heimzukommen.

Aber ja: Auch beim Preis (30€) gab es kein Zucken, gerade der Typ neben mir hat eh die ganze Zeit besoffen vor sich hingelächelt und ungefähr alle anderthalb Minuten erneut nachgefragt, ob ich sie in den Newerweg five bringen würde. Ganz im Ernst: Für einen Sonntagmorgen um 3.00 Uhr waren die nicht weit vom Durchschnitt entfernt.

Das änderte sich erst am Ziel. Am Neuen Weg sollte ich vorbeifahren, aber so komisch das mit all dem nachträglichen Wissen klingt: Dass es da einen Hintereingang gibt … das wäre so unlogisch nicht gewesen. Nur mal so für alle, die dann ankommen und sagen, dass man da ja was hätte bemerken müssen.

Also Stopp an der nächsten Kreuzung. Mein Beifahrer meinte beim Aussteigen „Funf Minut“, woraufhin ich beim Feststellen, dass die anderen beiden auch gleich ausstiegen, sofort ein „Stop, one Moment Guys!“ in die Runde geworfen habe. Denn nein, die Typen hätte ich ohne Pfand nicht gehen lassen wollen. Aber den Braten haben sie schnell gerochen und noch bevor ich den Satz beendet hatte, flüchteten sie. Und das, zugegeben, geschickt: Entgegen der Fahrtrichtung des Autos, zwei in die eine, einer in die andere Straße.

Dass ich sie nicht schnell einholen würde, war mir klar. Also mal ganz ab von meiner miesen Sprint-Performance: Ich saß noch angeschnallt im Auto.

Da ich nun nicht völlig bescheuert bin, hab ich erst einmal nachgedacht: Wir hatten so einen Stress, die Adresse zu finden und die Kandidaten waren besoffen. Die haben niemals eine andere Straße angegeben! Also bin ich gleich mal zurückgefahren und doch in den Neuen Weg eingebogen. Eine Einfamilienhaussiedlung, üppige Gärten um die Häuser, enge Straßen. Da sie gesagt hatten, sie arbeiteten hier, hätte ich mich nicht gewundert, sowas wie ein Arbeiterwohnheim oder sowas zu finden. Aber nix da. Und gerade Nummer 5 war eindeutig ein Familiendomizil und ja, ich habe mal kurz gecheckt, ob der Name an der Klingel vielleicht doch zufällig osteuropäisch klingt.

Eigentlich wollte ich wegfahren, aber dann hab ich mir gedacht, dass ich trotz guter Samstagsschicht natürlich wenigstens pro forma mal die Cops informiere.

Am Notruf musste ich locker zwei Minuten in der Warteschleife verbringen. Ich gebe zu, ich hatte da ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil es mir eigentlich ziemlich egal war und andere sicher dringendere Probleme hatten, aber da war ich dann am Ende doch trotzig. Das blöde Grinsen meines Beifahrers wollte ich wirklich nicht als letzten Sinneseindruck von dieser Tour haben.

Aber klar: Der Typ, der nach der Warteschleife ranging, hat mir auch nur gesagt, dass ich mir eigentlich keine Hoffnung machen sollte und falls ich eine Anzeige aufgeben wolle, doch bitte zur nächsten Wache fahren sollte.

Aber just in dem Moment, in dem ich sagen wollte, dass ich es dann vielleicht doch lieber lasse, sah ich, dass offenbar zwei der Typen in rund 100 Metern Entfernung geduckt in eben genau den Neuen Weg gehuscht kamen und dann schnell auf einem Grundstück verschwanden. Also hab ich die Kawallerie doch noch herbeordert. Ganz so falsch lag ich mit meiner Idee, dass zumindest die Straße (eine 150m-Sackgasse) durchaus richtig war.

Aber um es kurz zu machen: Gebracht hat das natürlich nix. Ich konnte von meiner Position aus nicht sehen, ob sie auf das erste oder zweite Grundstück geflüchtet waren (mit 100% Gewissheit nicht einmal, dass es welche von den Typen sind) und in keinem der anliegenden Häuser brannte anschließend wenigstens verräterisch Licht.

Und noch bevor mir am Ende die Beamten versucht haben, das behutsam zu erklären, war mir klar – und das wird immer meine Überzeugung sein! – dass die Polizei nicht mal eben um 3.30 Uhr bei fünf Nachbarn Sturm klingeln kann, nur weil irgendwo in der Gegend ein paar Typen sich eine Dienstleistung im Wert von 30€ erschlichen haben.

Obwohl eine Zivilstreife noch ein paar Minuten durch die Siedlung gegurkt ist, war das für mich am Ende eine kurze Sache inklusive Pro-Forma-Anzeige, die ich schon gerne hab, um meinen Chefs was in die Hand drücken zu können.

Natürlich hätte ich die Kohle gerne, aber natürlich werde ich sie nie sehen. Manchmal ist das Leben scheiße, so ist es halt.

Ich weiß, dass sich viele Kollegen in solchen Situationen gerne in Hasstiraden ergehen, die die letzten 500 Jahre Zivilisationsgeschichte auf einen Schlag vergessen machen. Ich will deshalb, obwohl ich mich über das Grinsen meines Beifahrers weiter aufrege, etwas versöhnlicher schließen:

Die drei Typen haben mich um am Ende vielleicht 13€ geprellt (und meine Chefs um vielleicht noch einmal einen Fünfer). Also netto. Und ehrlich gesagt: Eigentlich kann ich das verkraften. Natürlich will ich das nicht hinnehmen, aber jetzt, wo’s so gelaufen ist, hoffe ich einfach, dass der Zehner, der jedem dieser Typen durch die Scheiße erspart geblieben ist, ihnen wenigstens mehr wert ist als mir mein Geld. Ich fänd’s scheiße, wenn (was ich vermute) die drei sich jetzt einfach nur den Arsch ablachen über den dummen Taxifahrer. Aber falls es wider Erwarten so sein sollte, dass die wirklich mehr gewonnen haben als ich verloren, dann bitte!

(Aber dann mal unter uns, Jungs: Ich hätte Euch dann trotzdem gerne wenigstens den verdienten Tritt in den Arsch mitgegeben!)

Äh … danke?

Mal wieder ein eher kurioses Trinkgeld:

Fast so praktisch wie ein Einkaufswagenchip! Quelle: Sash

Und für alle, die jetzt ähnlich fragend gucken wie ich zuerst: Das ist ein „Griff“, den man sich ans Handy kleben kann, um es mit einem Finger zu halten.

Etwas arg unvorsichtig

Ich hab ein recht gewagtes Manöver vollführt, um noch anhalten zu können, aber genau deswegen hab ich den rückwärtigen Verkehr ja meist im Blick. Ging also ohne Probleme, sonst wären die Winker halt nicht meine Kunden, sondern noch ein paar Minuten länger Winker gewesen.

Ein junges Pärchen, vermutlich Vietnamesen. Ich hoffte schon ein wenig auf eine Fahrt Richtung Heimat. Aber nein: Während sie ins Auto kletterte, nannte er mir in gebrochenem Deutsch eine Adresse im Süden, eine nette 13€-Tour für zwischendurch, noch dazu in eine Party-Area. Bestens. Und dann will er die Tür schließen, offenbar, damit ich seine Freundin heimbringe. Alleine heim war ihr Wunsch aber offenbar nicht, denn sie fuhr hoch, stieg sofort wieder aus und fauchte ihn an, bis er reumütig hinter mich ins Auto kletterte.

Nach dreihundert Metern Fauchen bat er mich, hier doch bitte langsam zu fahren. Offenbar hielten sie nach jemandem Ausschau. Oder auch nicht, denn dann sollte ich weiter und an der nächsten Straße – ab von der Route – links fahren. OK.

Als ich an der Abbiegerampel wartete, kam ein „Dokadeaus.“ von hinten.

„Doch geradeaus? Nicht mehr links?“

Keine Antwort. Also bin ich bei grün nach links.

„Nein! Gadeaus!“

Er nannte die Ursprungsadresse nochmal. Also hab ich kurz eingeworfen:

„Kein Problem, ich fahr über die X und die Y, dann ist das kein Umweg.“

Also 20 Cent vielleicht, aber egal.

Ein Kilometer weiter sollte ich dann nochmal langsam fahren. Während er mich dirigierte, hatte sie jemanden am Telefon, das wirkte wie eine klassische schlecht geplante Verabredung irgendwo unterwegs. Ich tat also wie geheißen. Dann doch ein ok, dann der Hinweis, ich solle am Ziel langsam fahren, dann noch 100 Meter weiter, dann zum Bahnhof, aber nicht zum richtigen Bahnhof, nein, noch weiter, jetzt doch bis zum Club am Ende der Straße. Aber rechtzeitig, bevor wir dort ankamen, musste ich doch noch wenden, und einen Eiertanz sondergleichen hinlegen, um die richtige Hausnummer auch ja metergenau zu treffen. Stopp, nein weiter, langsamer, langsamer, nein weiter, hier, nein noch ein Stück.

Am Ziel beglich sie die Rechnung mit einem kleinen Trinkgeld und stieg aus, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Er kraxelte hastig hervor, stolperte aus dem Auto und rief dann besorgt:

„Noma Lit!“

Ich hab unser Aushilfs-Flutlicht nochmal kurz angeschmissen und was lag da auf der Rückbank? Ein kleines Röhrchen und großflächig verteilt eine, sagen wir mal „kleine Menge“ von vermutlich „Mehl“, die der unbeholfene Fahrgast nun hastig aber fast schon sorgfältig auf seine Hand kehrte.

Ich lobe ja immer die Pingeligkeit von Druffis, aber dem hab ich hinterhergerufen, dass er in Zukunft doch bitte noch ein ganzes Bisschen vorsichtiger sein sollte.

Nach der Tour hab ich erst einmal die Fackel ausgemacht und den Sitz nochmal nass abgewischt. Muss ja nicht sein, dass die künftige Kundschaft die örtliche Hundestaffel in den Wahnsinn treibt … 😉

Der Erste. \o/

„Hier, stimmt so. Und was ich noch sagen wollte: Sie sind der erste Taxifahrer, der genau so gefahren ist, wie ich auch gefahren wäre.“

„Naja, ist ja aber kein Geheimnis, dass ich hier die Karte offen hab und nachschauen konnte, welche Straße das genau ist.“

„Ja, aber genau der Weg! Danke dafür!“

Ein eigentlich schwieriges Lob, denn aus Taxifahrersicht muss ich sagen, dass man sich als Kunde die Strecke aussuchen darf und wenn es wichtig ist, dann sollte man was erwähnen. Außerdem waren noch die meisten „guten Strecken“ von Kunden schlicht länger als der kürzeste Weg, da sind Abweichungen also nicht zwingend schlimm.

Aber in dem Fall war’s einfach ein Kompliment dafür, dass ich nicht den naheliegenden Umweg über eine Hauptstraße gefahren bin, wie offenbar die anderen Kollegen. Und so mag ich das dann doch ganz gerne. 🙂