Da sitzt man am Stand alleine im Auto und plötzlich klingelt ein Handy. Aber nicht das eigene. Da guckt man blöd.
Ich hab mich kurz darauf ans Umgraben des Autos gemacht, aber es hat gedauert, bis ich das Gerät gefunden hatte. War in einer selten dämlichen Lücke gelandet, die mir zweimal entgangen ist, bevor ich bei einem erneuten Anruf endlich Glück hatte. Mir waren in der Nacht ein paar Fahrgäste ins Auto gefallen – aber bei dem Sitzplatz? Naja, mal gucken – also bin ich rangegangen. Nach einer langen Pause prasselte dann eine nicht wirklich deutsche (wenn auch vielleicht deutsch gemeinte) Wortflut auf mich herein und mir war klar, dass es die Vietnamesen vom Vortag sein müssten. Nun, seit dem Vorspiel war fast ein ganzer Tag vergangen, aber die meiste Zeit stand das Auto halt ungenutzt auf dem Parkplatz vor meiner Tür …
Am Handy gestaltet sich ein Gespräch ja gleich dreimal schwerer: Schlechte Verbindungsqualität, keine Gesten zur Verfügung, diese Geschichten. Gut geklappt hat es vor allem deswegen, weil bei einem verlorenen Handy der Sinn des Anrufes relativ klar ist und ich zudem in dem speziellen Fall nur zu gut wusste, wo ich die Kundschaft eingeladen hatte. Ich hab „Bahnhof Marzahn“ also gleich mal proaktiv in die Runde geworfen, nachdem klar war, dass ich das Telefon nicht einfach als Trinkgeld behalten durfte.
Das Wo und das Wann hatten wir also schnell geklärt. Aber beim wichtigsten Punkt habe ich im Hintergrund mit mir gerungen:
Bring ich denen das Ding einfach vorbei und hoffe auf guten Willen? Ich hab mich dann entschieden: Nein. Eine Truppe mit mindestens einem nervigen Typen, die kaum Trinkgeld gegeben haben, mit denen ich leider nicht in der Lage war, irgendsowas wie eine witzige Gesprächsatmosphäre aufzubauen und bei denen ich ohnehin bisher kein Anzeichen von Dankbarkeit oder so erkennen konnte, würden ganz normal zahlen müssen. Ging ja immerhin auch um eine Tour bis Marzahn raus. Davon, dass ich da ums Eck wohne, kann ich mir auch nix kaufen, und meine Chefs gleich dreimal nicht. Leerkilometer sind bei uns in der Firma zwar immer noch eher stille Zeugen einer schlechten Schicht als ein Grund, Ärger zu kriegen – aber natürlich kostet meine Arbeit Geld, und ich brauche keinen Grund, um das zu rechtfertigen, sondern eher gute Gründe, auf das Geld zu verzichten. Und die hatte ich hier nicht.
Also hab ich ganz brav die Uhr angestellt und in Marzahn das Handy erst nach Begleichung der Rechnung rausgerückt. Und, Überraschung: Dieses Mal komplett ohne Trinkgeld. Und es war nicht der total unsympathische Typ (leider aber auch nicht der Grinser vom Beifahrersitz). Hat mir der verschobene Feierabend nun also 50 statt 30 € Umsatz beschert. Das ist doch mal amtlich! 🙂
Ja gut, sonderlich beliebt gemacht hab ich mich bei diesen Kunden wohl nicht. Aber was willste machen? Umgekehrt lässt sich das leider auch nur schwer behaupten und es ist immer noch ein Job, den ich hier mache – und kein Sympathiecontest.
Du hättest es ja auch beim Chef oder Fundbüro abgeben können, dann hätten Sie viel mehr Aufwand gehabt, als sie für die Fahrt bezahlt haben.
Sash: Gott der Blogtitel
@Peter: Aber sowas von
Ich habe auch schon mal mein Handy im Taxi verloren, war zum Glück unsere Stammtaxifahrerin in MG (da war ich eine Zeit lang beruflich). Hat es mir dann vorbeigebracht und wollte erst nicht mal das Trinkgeld o.O. Ich war ja nur froh, dass ich es wiederhatte, hätte auch mehr dafür bezahlt.
Sash, bin ich urlaubsreif? Ich habe den Anfang deines Textes als „Da sitzt man am STRAND“ gelesen.
Ich sollte mir mal eine neue Brille zulegen.
Hab schon mal eins mit absoluter Genugtuung in den Britzer Zweigkanal geworfen. Ach war das herrlich.
Der Typ hatte auch angerufen und mich dann endlos beleidigt, so wie schon während der Taxifahrt.
Das mit der Uhr mache ich bei liegen gelassenen Handys aber auch immer so, es sei denn, dass ich wirklich nur um die Ecke bin. Meistens sind die Fahrgäste froh, dass sie ihr Handy wieder haben und ich geben zusätzlich hohe Trinkgelder zum Fahrpreis.
@Cliff McLane: Ich habe auch Strand gelesen! Ich war aber auch erst vor wenigen Tagen an einem.
@egal, picture, or it didn’t happen! ;o)
Warum hast Du überhaupt in Erwägung gezogen, das Teil ohne Bezahlung zurück zu bringen? Wenn jemand nicht drauf aufpassen kann, sollte er froh sein, wenn er das Handy überhaupt zuück bekommt. Erst recht bei solchen Horsten.
@Aro und Ingmar:
Natürlich lasse ich mich grundsätzlich für meine Arbeit bezahlen – und natürlich gehören auch Materialfahrten im weitesten Sinne dazu. Aber ich hab schon oft andere Lösungen gefunden. Sei’s, dass die Kunden es abgeholt haben, sei es, dass wir uns gut geplant so getroffen haben, dass mein Weg kurz war. Und Trinkgeld gibt’s ja ohnehin meist ganz ordentlich für sowas. Finde ich als einfach zwischenmenschliche Nettigkeit schon ok. Aber ja: Sieht natürlich anders aus, wenn ich am Stand stehe und dann mal eben 10 km Anfahrt habe und ich den Typen eh nicht traue. Aber die hier würde ich auch nicht als Prototypen für Handyverlierer sehen, der Durchschnitt ist doch deutlich erleichterter, dass sie es überhaupt wiederkriegen.
Ich denke vorerst einfach lieber an den Typen, der Abends extra zu mir rausgefahren ist und mir eine Flasche Wein als Dankeschön fürs Rangehen gegeben hat. Ich bin halt ein kleiner Optimist. Mit der Betonung auf klein. 😉
nur 50 € Umsatz ?
das hat man ja als motzverkäufer
Man sollte halt immer ein netter Kunde sein, man weiß nie, wann man es braucht…
Im Urlaub war ich in einem Lokal und musste nach dem Essen feststellen, dass ich das Geld vergessen hatte. War mir echt peinlich, hab mich x-mal entschuldigt, Ausweis dagelassen. Bin dann spätnachmittags dort wieder aufgeschlagen und hab bei einer Kollegin bezahlt, mit nochmaliger Entschuldigung und einem guten Trinkgeld.
Als ich schon los wollte, schaute mich in der Auslage ein Stück Kuchen so schön an, also habe ich mir das bestellt. Als sie mir noch eine Limo dazu brachte, sagte die Kellnerin, das ginge aufs Haus.
Joah, das fühlte sich gut an, Urlaub ist eh so schön zum bauchpinseln da, hat es also nochmal so gut geschmeckt, und hinterher durfte es noch ein Käffken sein.
Als ich dann den Rest zahlen wollte, erfuhr ich, dass das *komplett* aufs Haus gehen sollte. WOW!
Ich habe mich wirklich gefreut, wenn man nett zu den Leuten ist und das ab und an dermaßen wiederbekommt!
@Toll:
Also mal abgesehen davon, dass ich nur immer wieder bestätigen kann, dass wir Taxifahrer zu wenig Geld verdienen: Dir ist schon klar, dass es sich bei den 50 € Umsatz um den Betrag gehandelt hab, den ich eingefahren hab, nachdem ich eigentlich Feierabend machen wollte, oder?
@Der Banker:
Das ist ja genau die Sache: An sich ist es als Dienstleister immer die beste Wahl, sich mit den Kunden gutzustellen. Sofern irgendwie möglich, schon klar. Das handhabe ich vermutlich mehr als die meisten Fahrer da draußen so. Obwohl sie das nächste Mal vermutlich eher nicht bei mir landen. Aber ich profitiere ja auch davon, wenn Kunden das nächste Mal wieder ein Taxi nehmen und ich deswegen anstelle eines Kollegen eine Fahrt bekomme. Statistisch gesehen zumindest irgendwann mal, nach der 7.000sten Fahrt eines meiner Ex-Kunden. 🙂
In dem Fall aber war einer der Fahrgäste unfreundlich am Ende, hat mich mehr oder weniger sogar beschimpft. Wegen Bullshit. Und das Trinkgeld blieb runde 90% unter dem Durchschnitt. Da ist mein Verlangen, diese Kunden zu binden – zumal eben nur ans Gewerbe und nicht mich persönlich – doch eher zweitrangig.
Zugegeben: Viel umsonst fahren kann ich in meinem Job nicht, auch bei guten Kunden. Aber wie das Handy-Beispiel zeigt: Auch ich reagiere natürlich darauf, ob die Leute nett sind. So gesehen beglückwünsche ich dich zu deinem Erlebnis! Es ist immer schön, wenn die Menschlichkeit auf Gegenseitigkeit beruht. 🙂