Religionskritik anhand von 72 Jungfrauen

Der Fahrgast war etwas älter als ich und überraschte mich etwas mit seiner ersten Frage nach ein bisschen Smalltalk:

„Denkst, ich bin Moslem, oder?“

„Hab ich bisher nicht drüber nachgedacht. Biste einer?“

„Weiß nicht. Nicht so richtig, glaub ich. Also meine Familie schon mehr so, aber ich, nee …“

So weit, so seltsam die Themenwahl. Davor hatten wir es ungelogen übers Wetter. Wie er auf die Religion kam, kann ich nicht nachvollziehen. Und dann folgte ein Monolog, den ich als Atheist nicht besser hinbekommen hätte:

„Weißt Du, manche glauben ja zum Beispiel auch an die Geschichte mit den 72 Jungfrauen. Ich mein‘, sind die noch ganz knusper? Was für’n Stress! Jetzt mal ehrlich, wenn Du mal in einer längeren Beziehung warst, dann weißt Du, das wird was mit dem Sex, dann passt das irgendwann. Nicht mehr nur dieses Rein-raus, dieses Gerammel wie Kraftsport, sondern mehr so gut, weißt Du? Und dann nochmal alles von vorne? Der ganze Mist, alles wieder neu lernen mit Frauen, die noch gar keine Ahnung haben? Und dann auch noch 72 davon!? Ey, das hat doch mit Paradies nix zu tun, das ist ganz klassisch das, was ich mir unter einer Hölle vorstelle!“

Ja, vielleicht sollte er dann wirklich von einer religiösen Überzeugung Abstand nehmen, die dergleichen verspricht … 😉

14 Kommentare bis “Religionskritik anhand von 72 Jungfrauen”

  1. Andy sagt:

    Eine ausgesprochen klare Sicht der Dinge. 72 Frauen mit Werksversiegelung aufmachen und zurechtkneten vs. 3 versaute Ferkelchen mit Erfahrung… Kenne keinen der sich in der Konstellation die 72 antun würde. Es steht ja auch nirgends wie alt oder jung die Jungfrauen sein sollen. Vielleicht sind das alles frigide Bsckpflaumen die auf der Erde nie einen abbekommen haben, und mit denen dann die Ewigkeit verbringen, während in der Hölle die „Bad girls“ halli galli machen…

    New, das ist nicht durchdacht. Ich bleibe bei der Freikirche des fliegenden Spaghettimonster. Biervulkan und Stripperinnen .

  2. Sash sagt:

    @Andy:
    Ich weiß, Du willst mich im Grunde nur bestätigen. Aber könntest Du das nicht auch tun, ohne 50% der Menschheit derart zu objektifizieren? 🙁

  3. Andreas sagt:

    Immer diese falschen Vorstellungen, nur weil die Islamisten unvollständige Informationen verbreiten…

    Ja, es gibt 72 Jungfrauen. Wichtig zu wissen: Das bleiben 72 Jungfrauen. Der Alte überwacht das persönlich.

  4. Athropos sagt:

    Did they say anything about female virgins?

  5. Sash sagt:

    @Andreas:
    Das klingt schon weniger stressig. 😉

    @Athrohos:
    DIE FRAGE würde ich in entsprechenden Foren auch gerne mal stellen … 😀

  6. David sagt:

    Ich will da mal den Islam etwas in Schutz nehmen, auch wenn ich ebenso Atheist bin 😉
    Das mit den 72 Jungfrauen könnte auch einfach ein Übersetzungsfehler sein (nur leider fehlt wohl etwas eine komplette religionswissenschaftliche Aufarbeitung des Korans…):

    „So klärt er [Der Autor des Buches] zum Beispiel das Rätsel der Paradiesjungfrauen auf, der „großäugigen Huris“, die vermeintlich auf die Gottesfürchtigen im Paradies warten. […]
    Und so ist er auch auf die Lösung des Jungfrauen-Rätsels gekommen. Die berühmten Passagen über die vermeintlichen Huris bauen auf dem Wort hur auf, einem Adjektiv im weiblichen Plural, das im Arabischen lediglich „weiße“ bedeutet. Die arabischen Kommentatoren haben pos-tuliert, dass sich dieses Adjektiv auf „weißäugige“ Jungfrauen beziehen müsse. […] sie zu inneren Unstimmigkeiten mit anderen Aussagen des Korans über das Paradies führt. Den Gottesfürchtigen wird nämlich an anderer Stelle versprochen, dass sie im Jenseits mit ihren irdischen Gattinnen zusammengeführt werden, um mit ihnen „im Schatten auf Teppichen“ zu lagern. […] Ein Ort, an dem Ehefrauen und Gespielinnen aufeinander treffen, verdient wohl kaum den Namen Paradies. Im Rückgang auf aramäische Quellen lässt sich das Problem lösen: Das Wort hur bezieht sich auf die „weißen Trauben“, typische Paradiesfrüchte der christlich-syrischen Literatur.“

    (von: http://www.zeit.de/2003/21/Koran/komplettansicht, ich habe so viel wie möglich gekürzt, da ich nicht zu lange Zitate einbauen will aus urheberrechtlichen Gründen…)
    Der Autor des Buches ist übrigens „promovierte Semitist – also Fachmann für alte semitische Sprachen, insbesondere das Aramäische“ (auch aus dem Zeitartikel)

    Die 72 steht übrigens wohl häufig für reichlich, wenn man Wikipedia glauben darf: http://de.wikipedia.org/wiki/Huri
    Das Problem sind am Ende wohl wie immer die, die alles wörtlich nehmen….

  7. Der Banker sagt:

    Die Frage von Athropos, ob irgendwo was von weiblichen Jungfrauen steht, ist schon mal echt geil.

    Mir ist dazu aber noch was anderes in den Sinn gekommen: woher nimmt man denn die Jungfrauen? Das sind natürlich Mädchen, die vor der Defloration verstorben sind.
    Da brauchense schon 72 davon, damit noch was anderes übrig bleibt als abgetriebene asiatische Föten… ich erfreue mich zugegebenermaßen an dem Gedanken, wieviele Märtyrer wohl im Paradies fassungslos vor einem Eimer mit Krankenhausmüll stehen.

    Sorry, das obige mag jetzt harter Tobak sein, aber ich bin verdammt wütend auf diese Leute.

  8. ednong sagt:

    Ich denke, es ist wie oben schon angesprochen, immer das Problem des zu wörtlich Nehmens. Die Bibel bzw. der Koran oder auch andere derartige Bücher sind vor Urzeiten geschrieben worden. Und manchmal nach ebensolanger Zeit mündlicher Überlieferung.

    Da wird sicher so einiges nicht mehr ganz korrekt wiedergegeben worden sein. Und andererseits waren das damals andere Verhältnisse, ein anderer Gebrauch der Sprache, dazu dann noch die ganzen Übersetzungsfehler …
    Und dann gibt es Leute, die das versuchen, ins Heute korrekt zu interpretieren. und eben Leute, die das alles wörtlich nehmen.

    Von daher: selbst wenn diese Passage da so drin steht, dürfte nicht unbedingt das gemeint sein, was man heute darunter versteht. Aber das verstehen die wenigsten – und das wird dann leider ausgenutzt.

  9. elder taxidriver sagt:

    Wie, und ich habe den Spruch
    ‚Nach dem Essen sollst Du ruh’n oder 1000 Schritte tun‘
    immer wörtlich befolgt und bis 1000 gezählt, war das jetzt alles vergeblich,
    weil es nicht wörtlich gemeint war?

    Is ja nicht zu fassen is dette.

  10. elder taxidriver sagt:

    Auf alle Fälle waren es aber bei ‚Schneewittchen und die sieben Zwerge‘, einem Märchen der Gebrüder Grimm wohl wirklich genau sieben? Bei den ‚Geschichten aus 1001 Nacht ‚ bin ich mir schon nicht mehr so sicher.

  11. Rike sagt:

    Mal ganz abgesehen davon, dass es ein Übersetzungsfehler sein könnte. Wenn es jemandem wirklich auf die 72 Jungfrauen ankommt, dann muss er die sich für die ganze Ewigkeit einteilen. Da relativiert sich die Belohnung doch ganz schnell, oder?

    Mal abgesehen davon, dass ich dem Fahrgast von dir recht gebe. Das würde doch sehr in Arbeit ausarten.

  12. Henrik sagt:

    Wie schauts aus Sash, du hattest doch auch mal ne 72??!! Das hast du dir doch bestimmt nur ausgedacht mit diesen 72 Jugfrauen, damit Islamisten in der 72 Jungfrauen suchen, oder? 😛

  13. Sash sagt:

    @Henrik:
    OK, das ist so bekloppt, da sollten wir eine Verschwörungstheorie drumrum erfinden! 😀

  14. thorstenv sagt:

    „Two girls are too many, three’s a crowd an four your death.“ Aus dem heiligen Buch der Kinks. Ramen.
    In dem Zusammenhang muss ich um Dispens für Bruder in Spaghetti Andy bitten.
    Er zitiert da eine sporadische und frühe Interpretation unseres Glaubens. Diese lebt heute noch in folkloristische Vorstellung weiter, das ist so ähnlich wie „Ein Münchner im Himmel“. Wenn darauf Bezug genommen wird, ist es inhaltlich von vorneherein nicht ernst gemeint. Das sind Bräuche heidnischen Ursprungs (vg. Dudeismus), die durch Synkretismis Eingang bei uns gefunden haben. Wir verleugnen das nicht. Als harmlose, stets mit einem Augenzwinkern verbundende, pubertierende Tradition wird dies auch geduldet. Wir verleugen auch den animalischen Ursprung unserer Art nicht und daher die Notwendigkeit für Freiräume, in denen man auch einmal so richtig pubertär und albern sein kann. Der Himmel ist nicht dazu da, dauernd vergeistigt „Hosianna“ zu lispeln. Ich verweise im Übrigen auf die klare Aussage im 3. Am-liebsten-wär’s-mir „Ach, und kriegt es endlich in eure Dickschädel: Frau = Mensch. Mann = Mensch. Gehüpft wie gehoppelt.“
    Wenn jemand tatsächlich solche Ansichten vertreten sollte, so reagiert unsere Gemeinschaft aber nicht mit Disziplinierung, sonst wäre es ja kein „Am-liebsten-wär’s-mir“, sondern mit nachsichtigem Lächeln, sanfen Hinweisen, guten Argumenten und Hilfsangeboten in festen Vertrauen auf die Einsichtsfähigkeit und innere Reifung des Menschen. Jeder soll (solange er nicht gegen Gesetze verstößt) selbst den Weg zum Licht finden dürfen. Wir sind hier, dabei zu helfen, nicht dazu zu zwingen.
    Der Irrtum ist solange nicht der Feind der Wahrheit, wie er nicht versucht sich mit Gewalt gegen sie durchzusetzen.
    Ramen.

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