Wen auch ich nicht mehr befördere

Ich hab’s die letzten Jahre ja gut geschafft, nur selten den Gummiparagraphen 13 der BOKraft in Anspruch zu nehmen, der mir erlaubt, die Beförderung einer Person abzulehnen, „wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß die zu befördernde Person eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Betriebs oder für die Fahrgäste darstellt“. Ich bin da einige Male deutlich weiter gegangen als ich hätte müssen – und meist waren das auch nicht die Fahrten, bei denen ich’s bereut habe, sie gemacht zu haben. Mal abgesehen von der täglichen Jagd nach mehr Umsatz kann man mir eigentlich in keiner Weise vorwerfen, oft die Beförderung zu verweigern.

Wir sind nach 6 Jahren immer noch bei folgendem Stand:

Einmal habe ich eine Fahrt abgelehnt, weil der betreffende Fahrgast sowohl gekotzt hat als auch am Randalieren und Beleidigen war (ich finde aber den Eintrag nicht mehr)

und

einmal hab ich jemanden rausgeschmissen, der mir unterwegs gesagt hat, dass er eh nicht den vollen Fahrpreis zahlen kann, geschweige denn will.

Dazu kommen natürlich noch ein paar Winker, die in schwierigen Verkehrssituationen gewunken haben oder mich nicht haben erkennen lassen, ob sie winken oder den Hitlergruß zeigen. Und übersehen hab ich hier und da vielleicht auch mal jemanden, soll ja vorkommen. Das im Grunde war auch heute Nacht so. Ich fuhr einem Kollegen mit angeschalteter Fackel hinterher und hab entsprechend wenig auf die Umgebung geachtet. Die Chance, dass man als zweiter rangewunken wird, ist einfach so viel geringer, da richtet man die Augen doch eher auf die Straße. Vor allem heute Nacht, zu dem Zeitpunkt, als das Schneegestöber gegen 0.30 Uhr angefangen hat, in Berlin am dichtesten zu sein. Nun hat aber ein junger Mann offenbar gewunken. An einer Haltestelle. Links, andere Straßenseite. Ich hab das wie gesagt nicht gesehen, aber da er dann etwas rief, hab ich ihn schnell ausfindig gemacht. War auch kein Problem, denn ich und der Kollege vor mir standen inzwischen an einer Ampel, nur vielleicht 10 Meter hinter der Haltestelle.

Nachdem ich ein deutliches Winken wahrgenommen habe, wollte ich schon wenden, hab aber noch kurz eine Sekunde abgewartet, ob der Kollege reagiert. Hey, er war vor mir, so fair darf man ja mal sein!

Als ich dann das Lenkrad einschlagen wollte und den Kunden bereits anvisierte, war der schon eine Spur weiter gegangen bei der Verarbeitung der Szene: Er beklatschte uns arrogant mit den Worten „Habter toll jemacht, janz toll!“, um dann sofort auf ein höllenlautes „FUCK YOU! FUCK YOU ALL!“ umzusteigen.

Was blieb mir anderes übrig, als zur Kenntnis zu nehmen, dass der potenzielle Fahrgast offenbar doch kein Taxi wollte …

Witzigkeitsbedingte Aufmerksamkeitspanne

„Und hatten Sie eine längere Reise?“

„Jetzt, wo Sie fragen: Das ist witzig, weil … also eigentlich, also es war komisch, ich hab richtiggehend gelacht, weil ich jetzt … ähm, ich hab den Faden verloren – was haben Sie gefragt?“

„Ob Sie eine längere Reise hatten.“

„Ach, haha! Nee.“

*PS: Ja, richtig; das ist kein Schreibfehler in der Überschrift. 😉

Wie man sich kennenlernt

Ich glaube, jeder kennt das: Man hört irgendwo ein Wort das erste Mal und es interessiert einen so arg, dass man es nachschlägt oder jemanden fragt, was es bedeutet – und am nächsten Abend taucht dieses Wort, das man über Jahrzehnte nicht wahrgenommen hat, plötzlich in einer Fernsehsendung auf. Das hat schon manche Leute zu Verschwörungstheoretikern werden lassen, weil einem dieser Zufall so unglaublich vorkommt – obwohl man’s wohl wahrscheinlich bis dahin einfach nur überhört hat.

Das kann natürlich auch mit allem anderen passieren: Musik, Bilder – und sogar mit Menschen.

Mir ist an jenem Abend zum Beispiel eine Kollegin aufgefallen. Ich hatte sie noch nie gesehen und die Anzahl der Taxifahrerinnen ist immer noch derart gering, dass man selbst in Berlin neue Gesichter tatsächlich noch bemerkt. Und das sage ich hier, mit meiner Gesichtsblindheit.

Gut, ein wirklich einschneidendes Erlebnis war das jetzt nicht, aber ich war schon reichlich verwundert, dass eben genau jene Kollegin dann ein paar Stunden und Fahrten, die uns beide sonstwohin hätten tragen können, plötzlich am Bahnhof neben meinem Auto stand und anklopfte. Sie begrüßte mich etwas unsicher, um mir dann zu erklären, dass sie Stress mit ihrem Auto und ihr Handy vergessen hätte. Bei Kollegen bin ich da ja dann wirklich nicht so. Ich hab ihr mein Handy angeboten, damit sie ihren Chef anrufen konnte. Ich weiß ja, wie nervig das ist, wenn man da verloren rumsteht und niemanden von der eigenen Firma findet.

Und, was soll ich sagen: Ich musste zwar noch kurz warten, aber immerhin konnte ich die Kollegin dann auch auf Kosten ihres Cheffes bis zu ihrer Firma bringen – was am Ende glatte 20 € waren, mehr als es mich zu meiner Bude gekostet hätte. 🙂

Die Kollegin übrigens war dann auch ein echtes Original. Rentnerin seit mehreren Jahren, also nur nebenberuflich im Taxi – „für bissche‘ Taschegeld“, wie sie mir mitteilte. Dazu wie ich überzeugte Nachtfahrerin, wegen der lockeren Kundschaft und des ruhigen Verkehrs. „Nix Hektik, Hektik, Hektik – habe genug gehabt in Leben!“
Und wie ich auch hat sie die – wenn auch nur kleine – Hilfe unter Kollegen sehr zu schätzen gewusst. Manchmal klappt’s dann ja doch noch in dem Gewerbe und man ist froh drum, ein Teil davon zu sein. Deswegen an dieser Stelle auch einmal mehr ein Dank an alle Kollegen, die mir mal eben schnell aus der Patsche geholfen haben!

Kotzer bei Kollegen

Manchmal weiß man auch nicht mehr, was man sagen soll. Leute, die im Taxi kotzen, sind zweifelsohne mit das Mieseste, was einem in dem Job passieren kann. Und das natürlich nicht aus irgendwelchen überhöhten Ansprüchen, sondern weil das für handfesten Ärger und eine Menge Kosten sorgt.

Da ich nun viel alkoholisierte Kundschaft habe und auch einige davon wirklich kotzen müssen, hab ich ja angefangen, das pragmatisch zu sehen. Die Kunden sollen kotzen so viel sie wollen. ABER: Die Bedingung dabei ist, dass das Auto sauber bleibt. Dann hab ich kein Problem damit, mein Magen ist tolerant und ich weiß ja auch, wie das ist, wenn man dann am Ende doch zu viel getrunken hat.
Wer also aussteigt zum Kotzen oder in eine Tüte reihert, bekommt mit mir keine Probleme. Und wenn sich das Problem andeutet, dann sage ich den meist jugendlichen Fahrgästen auch gerne mal, dass es ihnen am Ende besser bekommen wird, in ihre 200€-Designerpullis zu kotzen als in mein Auto. Oder eben in die eigene Tasche.

Natürlich halte ich eigentlich einfach an, aber dass das eine Möglichkeit ist, muss man ja auch mal sagen dürfen.

Nun hat ein Kollege davon erzählt, wie bei ihm mal eine Frau in ihre Handtasche gereihert hat. Und wirkte dabei sehr unzufrieden. Deswegen hab ich nachgefragt, was jetzt so schlimm gewesen sei. Und bei seiner Antwort hat selbst mein Magen gezuckt:

„Die wollte mit Karte zahlen.“

Und wo die Karte war, brauche ich sicher nicht erklären …

Wie Kollegen mir ungewollt Kunden schenken

Die letzte Tour der Nacht zu bekommen, weil eine Kollegin die Kunden abzocken wollte, ist das eine. Rückblickend fast ein wenig lustig ist, dass ich diese Schicht auch mit einer Fahrt begonnen hatte, die die eines Kollegen gewesen wäre.

„Tja, das wäre mein Taxi gewesen …“

meinte der Fahrgast, nachdem er mir das Ziel in ungefähr 18 € Entfernung genannt hatte. „Sein Taxi“ hatte indes anderweitige Sorgen – zum Beispiel den Kleinwagen, der ihm ins Heck gefahren war. Und wenn man dem Kunden glauben kann, dann war es geradezu ein Musterbeispiel für Unfälle mit Taxis: Der Kollege hat den Kunden gesehen und gebremst, woraufhin ihm das andere Auto ins Heck gefahren ist. Ob da jetzt der Taxifahrer nicht ordentlich auf den Verkehr geachtet hat oder der hinter ihm eine fragwürdige Auslegung von 30 km/h und Sicherheitsabstand hatte – man weiß es nicht.

Was ich aber sicher weiß, ist: Ich bin froh, dass ich die 18€-Tour und nicht den Crash hatte.

Wären alle Touren so, würde ich hinschmeißen (3)

Nun waren wir also auf dem Weg nach Spandau. Darüber gab es immerhin keine Diskussion. Es hat sogar für das ein oder andere nette Gespräch gereicht – und dass ich die Uhr ausmachen solle, hat auch niemand mehr verlangt. Und das, obwohl sich der Preis durch die Eskapaden bisher natürlich deutlich erhöhte.

„O Gott, mir bekommt das Hintensitzen gar nicht! Mir ist so schlecht! Aber keine Sorge, ich kotz‘ nicht!“

Wie oft ich das im Laufe der Zeit gehört habe, weiß ich nicht mehr. Man darf bei einer Tour wie dieser ja auch nicht vergessen, dass sie ihre Zeit braucht. Nach insgesamt über einer halben Stunde hatten wir dann auch ausführlichst erörtert, dass meine Sitze nicht geeignet wären, um mal eben draufzupinkeln. Denn auch die Blase drückte bei zwei Mitreisenden bereits gewaltig. Aber nein, anhalten musste ich dafür ebensowenig wie für die Dame, der vom Hintensitzen schlecht war. Obwohl sie einfach auf den Beifahrersitz hätte wechseln können.

Die Zeit eilte also vorbei und als wir am Bahnhof Spandau waren, hatte ich die Truppe satte 40 Minuten im Auto. Bis zu ihrem Ziel war es nicht mehr weit, aber bei über 38 € fing die Dame hinten in der Mitte an zu sagen, dass sie nicht mehr sicher wüsste, ob sie nicht doch kotzen müsse.

„Ach, wir sind doch gleich da!“,

warf einer der Begleiter immer wieder ein, während mir das nicht mehr geheuer war. Am Ende stoppten wir 500 Meter vor dem Ziel und gleich drei Fahrgäste entledigten sich außerhalb des Taxis ihrer Körperflüssigkeiten. Zwei stellten sich pinkelnd an einen Verteilerkasten und Madame Miristsoschlecht kotzte mit beeindruckendem Strahl vor eine Bankfiliale. Wie bei allem im Leben gilt wohl auch bei Taxifahrten, dass man genau wissen sollte, wann Schluss ist. Und – bei allem Gezeter – immerhin das wussten sie alle. Ich hab die 39,10 € „großzügig“ auf 40 € aufgerundet bekommen und war am Ende gleichermaßen einfach nur froh, dass es vorbei war, als auch, dass ich die Tour bekommen hatte. So isses halt manchmal.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Wären alle Touren so, würde ich hinschmeißen (2)

„Doch, Oranienstraße! Haben wir gesagt!“

„Nein, Ihr habt Oranienburger Straße gesagt und das ist ein Unterschied!“

„Ach was, niemand hat das ge- …“

„Ach!? Und dass Oranienburger dann der Straßenstrich ist? Also hier …“

Umwege mögen mir ja Geld bringen – aber meine Lust, jetzt einzugestehen, dass das mein Fehler gewesen sei, hielt sich doch in sehr engen Grenzen.

„Ist das denn jetzt sehr schlimm?“

„Sagen wir es mal so: Wir kommen ungefähr von dort!“

Es war tatsächlich der dümmstmögliche Umweg seit langem. Wir hatten da schon 11 € auf der Uhr, obwohl wir für 7 € hätten da sein können. Und ein paar Kilometer Rückweg standen uns auch noch bevor. Das aber war nicht das Problem. Ich hab klargestellt, dass ich für den Mist nun wirklich nichts könne und sie haben es akzeptiert. Nur der Kerl vorne wollte jetzt lieber heim, da er eh am Hackeschen Markt im Hotel untergebracht war. Darüber entspann sich eine gruppendynamische Diskussion, die ihresgleichen sucht. Erst wollte er einfach aussteigen, dann sagten die anderen, dass das scheiße wäre. Dann wollte er ihnen zuliebe mitkommen, woraufhin die anderen ihm sagten, es wäre schon ok, wenn er ginge. Und wenn ich zwischengefragt habe, wo ich jetzt hinfahren solle, bekam ich von allen unterschiedliche Ansagen. Am Ende einigte man sich dann doch auf die Oranienstraße.

„Na, egal wohin! Auf jeden Fall muss der Fahrer die Uhr ausmachen!“

„Ach!“,

hab ich gesagt:

„Das ist ja eine schöne Idee. Ich mach’s sofort, wenn Du mir erklären kannst, was mir das bringen sollte!“

[Stille]

Am Nikolaiviertel ist er dann doch ausgestiegen. Und hatte somit wieder einen stattlichen Heimweg.

Kaum dass er draußen war, ging im Auto wieder die Diskussion los, wie scheiße das doch von ihm gewesen sei. Und außerdem hätte er überhaupt nix fürs Taxi bezahlt. Meine Fresse, ich werd‘ solch stressige „Freundschaften“ nie verstehen …

Aber gut, nun standen ja quasi alle Zeichen auf weitergehende Party. Sollte man zumindest meinen. War aber nicht so. Gerade als ich in die Oranienstraße einbiegen wollte, sagte die erste, dass sie eigentlich gar keinen Bock mehr auf die Party hätte. Und alle stimmten ein.

Seriously?

„OK, is‘ mir jetzt scheißegal, fahr nach Spandau!“,

war die Ansage, die ich dann bekam.

WTF?

Ein zweites Mal umsonst 4 Kilometer in die entgegengesetzte Richtung fahren schafft man wirklich selten bei einer Tour.

(Fortsetzung heute Abend)