Problembewusstsein

„Wofann wi’nnin?“

„Wilde Renate.“

„Boahfagg!“

„Ja Benni, ich glaub auch, Du fährst besser heim jetzt.“

Hat der Benni auf Anraten seines Kumpels auch gemacht. Er hat zwar hier und da noch versucht, zurechenbar zu wirken, aber eigentlich war’s ihm recht, dass er vorher Abschied von der Party nahm. Ein bis fünf Drinks zu viel, das passiert in jungen Jahren halt mal. Und wenn die Lösung so nahe liegt, weil man eh im Taxi sitzt …

„Bringste ihn sicher heim, ja?“

„Selbstverständlich.“

Ich wurde für die Tour bis zum Club bezahlt, die drei Partypeople stiegen aus und Benni hing bei mir am Seitenfenster und schnarchte. Als er aufwachte, hatte er die letzten 5 Minuten völlig vergessen und fragte panisch:

„Alla, hamimi Geld dalassn?“

„Nein.“

„Boahfagg!“

„Aber sie haben die Fahrt bis zur Renate bezahlt. Für dich isses nachher noch ein Fünfer oder so.“

„Boahfagg, dangealla!“

Er hat die für ihn sehr günstige Fahrt dann schwankend mit einem ordentlichen Trinkgeld bezahlt und sich noch dreimal bedankt. Dann war die Sache für uns beide gegessen und für ihn war es sicher besser. Mit anderen „Freunden“ endet das ja gerne mal anders.

Natürlich sind nicht alle Fahrten dieser Art und natürlich nehme ich Geld für meine Dienstleistung – aber manchmal isses auch wichtige Hilfe, die man in dem Job leistet, davon bin ich fest überzeugt.

Das tägliche Lotto

„Jungs, nehmt Ihr uns mit?“

Ich hab gerade mit einem Kollegen geplaudert, den ich nicht wirklich kannte, hab mich entsprechend schnell aus dem Gespräch gelöst und der Dreiertruppe zugesagt:

„Logo.“

Ich stand ganz vorne, der Kollege war der einzig weitere. Die Kunden konnten sich nicht gleich entscheiden:

„Wo stei’n wir ein? Opel, Daimler, Daimler, Opel?“

„Mir egal, aber mach hinne! Es ist kalt!“

Ich hab auch gleich gesagt, dass sie sich’s aussuchen können – angetrunkene Jungs, die rummeckern, braucht ja niemand. Sie haben sich dann aber spontan doch für mich entschieden und sind zügig eingestiegen.

„Du weißt aber schon …“

begann der erste fast schon bedrohlich irgendwas einzuwerfen, so dass ich vorsichtshalber gleich das Schlimmste erwartet hab. Aber nee:

„… dass Du jetzt ’ne ganz schöne Strecke vor Dir hast?“

Und wo ging’s hin? Tatsächlich bis nach Falkensee – und der kürzeste Weg war auch nicht ihr Ding:

„Ach, fahr ruhig Heerstraße.“

Und auch sonst war das die definitiv beste Fahrt der letzten Wochen. Sie hatten einen im Tee, und einem war sogar schlecht. Aber das Verantwortungsbewusstsein in Person. Man kann sich immer mal vertun, aber der hat mich umgehend überzeugt, dass er sich eher eine Tasche zum Reinreihern häkeln würde, bevor er das Auto in Mitleidenschaft zieht. Er hat mir gesagt, dass er sich nur gerne an die Scheibe lehnen würde, aber eine Mütze aufhätte, und sie deshalb nicht verschmieren würde. Die Scheibe nicht verschmieren! Der Kerl hat mit dem einen Satz 80% der Normalkundschaft hinter sich gelassen. Aus irgendeinem Grund sind Taxischeiben ja besonders anziehend für die Fahrgäste. Würde man die Scheiben mal ein Jahr nicht waschen, würde man die Fingerabdrücke und DNA-Spuren einer mittleren Kleinstadt mit sich rumfahren. Und ausgerechnet einer, der mit „Mir ist schlecht!“ das Gespräch beginnt, achtet darauf. Noch dazu Dorfis, die zum Feiern in der Stadt waren …

Am Ende hab ich mit den dreien großzügig scherzend übers Ins-Taxi-kotzen gelästert, tatsächlich vernünftigen Gesprächen gelauscht und zuletzt einen Fünfziger bekommen, auf den ich nicht einmal mehr etwas rausgeben musste.

Was der Kollege für eine Tour bekommen hat, weiß ich natürlich nicht. Aber ich hab arge Zweifel an der Theorie, dass sie besser war.

Was man halt so macht …

„Ah, warte hier mal kurz. Ich bin gleich wieder da.“

„Nee, fahr besser mal da hinten links. Da ist eigentlich immer …“

„Mist! Lass uns mal umdrehen und da wo ich vorher gesagt hab …“

„Ach Scheiße, bring mich einfach wieder zurück.“

Morgens um 5 Uhr in Spandau nach Drogendealern suchen? Check.

Und Euer Wochenende so? 🙂