In die Eisen

Und dann schaltete die Ampel plötzlich auf rot.

Wir Autofahrer kennen das vermutlich alle. Die Ampel wird gelb und man glaubt, das noch zu schaffen. In diesem Fall war die Beschleunigung der 72 (Experten zweifeln bis heute an, dass es so etwas überhaupt gibt) zu niedrig, was ich leider zu spät bemerkte. War im falschen Gang, diese Geschichten …

Also doch die Bremse. In dem Fall im Zusammenspiel mit dem regennassen Wetter und entsprechend schwieriger Straßenlage trug es mich leicht schlitternd dann auch anderthalb Meter über die Haltelinie hinaus. Sah sicher nicht schön aus, passiert aber auch den Besten irgendwann mal. Ich war selten so froh, ausschließlich von Kollegen eingekreist zu sein, die das sicher zumindest irgendwie nachvollziehen konnten.

Noch froher aber war ich um den Straßenknick nach der Ampel. Denn durch den haben die Winker, die nur 200 Meter weiter warteten, das schlingernde Manöver gar nicht mitbekommen und mich einfach als artigen Taxifahrer kennengelernt, der mustergültig vor ihnen geblinkt, gebremst und angehalten hat. 🙂

Was macht eigentlich …

dieses sympathische kleine Startup-Unternehmen Uber?

Gut, die Antwort ist wie immer: Ärger. Aber das wäre wirklich zu kurz gegriffen, denn die Firma ist schwer am Rudern. So verlangen sie laut eigener Aussage für UberPop inzwischen tatsächlich nur noch 35 Cent pro Kilometer – was (wenn ich mich recht erinnere laut einem Gerichtsurteil) ungefähr die Betriebskosten eines Autos sind. Wobei man selbst den Betrag anzweifeln könnte, aber das ist gar nicht der Knackpunkt. Sie versuchen also, UberPop jetzt wirklich als Mitfahrzentrale zumindest nebenher weiterlaufen zu lassen. Das könnte man an und für sich gut finden, wenn die Geschäftspraktiken der Firma nicht grundsätzlich den Anreiz bieten würden, um jeden Cent zu feilschen. Und das meine ich ernst: Dass z.B. Taxi Deutschland weiter streitet, hat Uber sich einfach selbst zuzuschreiben. Wer austeilen kann, muss auch einstecken.

Darüber hinaus hat Uber eine Petition verfasst, die man unterschreiben kann, um das ach so innovative und soziale Engagement der Firma zu verteidigen. Die ist inzwischen auch schon über 5000 mal unterschrieben worden, was zugegebenermaßen gar nicht übel ist, allerdings auch nicht ganz so das Aufbegehren der Massen, wenn man ehrlich bleiben will.

Ich möchte auf einen Punkt des Uber-Mimimis aber gesondert eingehen:

Sie bemängeln, dass UberPop-Fahrer nicht mehr als die Betriebskosten verlangen dürfen,

„… und damit per Gesetz weniger als den Mindestlohn erhalten müssen. Warum sollen Fahrer nicht für ihre Dienste auch belohnt werden? Was spricht dagegen, dass sie mehr als die Betriebskosten für die Mitnahme erhalten dürfen?“

Denn das ist ein schönes Beispiel für die wirklich widerwärtig verlogene Arroganz dieser Firma. Fahrer dürfen mehr als die Betriebskosten verlangen. Und wenn sie angestellt sind, müssen sie dafür ab 2015 den Mindestlohn kriegen. Leute, die für UberPop fahren, erfüllen aber schlicht nicht die Kriterien, um in Deutschland als Fahrer zu arbeiten, also Geld verdienen dürfen – und sind auch nicht irgendwo angestellt, wo es einen Mindestlohn gäbe. Aber dazu unten mehr. Wer gewisse Arbeiten beruflich macht, muss Qualifikationen erwerben. Ich selbst darf z.B. nicht einfach als Rechtsanwalt arbeiten. Ich darf meinen Kumpels sicher Tipps für Gerichtsverfahren geben, aber vor Gericht wird man mich nur akzeptieren, wenn ich die entsprechenden Nachweise einreiche. Ich darf ja noch nicht einmal einen Bus fahren. Obwohl ich das schon mal für eine Dreiviertelstunde getan habe, es also grundsätzlich sicher schon irgendwie könnte. Da könnte ich jetzt ja auch mal eine Petition starten:

„Lasst Sash endlich Busfahrer werden, der hat’s nämlich voll raus!“

Und natürlich würden die Busfahrer sagen:

„Hey, Moment mal! Wir haben hierfür einen Führerschein und eine Ausbildung gemacht, da kannst Du doch jetzt nicht einfach sagen, dass Dir das egal ist, nur weil Du keinen Bock hast, das auch zu machen, egal ob das 500 deiner Blogleser geil fänden!“

Das Schlimme an dem Uber-Text ist aber das Gewinsel über den Mindestlohn. Denn Uber interessiert sich einen Scheiß für Mindestlöhne. Nicht nur, dass sie sich selbst rausnehmen, den Fahrern gar nix zu zahlen – sie wollen sie ja nicht einmal anstellen. In den USA laufen die Fahrer Sturm gegen immer neue Preissenkungen (die gab es hier ja auch schon) und damit „Löhne“ unter aller Sau. Sie lassen die Fahrer unter Bedingungen arbeiten, die selbst uns chronisch unterbezahlten Taxifahrern wie Sklavenarbeit vorkommen und erdreisten sich jetzt, die Betriebskostenregelung (die einfach nur den Geltungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes begrenzt) zu missbrauchen, um das als Unterdrückung der armen Fahrer anzuprangern. Sie selbst haben die Fahrer gezwungen, für 0 € Gewinn zu fahren, damit sie bloß keine Qualitätsstandards einhalten müssen und behaupten jetzt, dass es voll unfair sei, dass die Fahrer so wenig verdienen. Wenn Durchfall reden könnte, würde wohl das ungefähr dabei rauskommen.

Aber ja, genau das macht das kleine sympathische Startup-Unternehmen Uber gerade. Wie immer quasi.


PS: Die sind wirklich am Rudern. Ein Einknicken wie die Preissenkung bei UberPop ist meines Wissens nach weltweit einzigartig. Deutschland ist für sie der wichtigste Markt in Europa und wie man sehen kann, tun sie alles (auch hier: völlig egal, was das für die Fahrer bedeutet), um einen Fuß in der Tür zu haben und werden dabei ungewohnt kreativ. Wenn sie morgen UberGabelstapler anbieten würden, wäre ich nur minimal verwundert, die kämpfen um jeden Millimeter. Deswegen auch nochmal die Bitte an alle Kollegen:

Auch wenn es für einen Moment lukrativ erscheint: Meldet Euch bloß nicht bei UberTaxi an!
Für Uber ist es scheißegal, an wen sie die Tour abtreten: an Euch, an UberBlack oder an Schwarztaxen. So lange sie irgendeinen Fahrer finden, finden sie Kundschaft. Und wenn genügend Kundschaft da ist, dann senken sie die Preise, erhöhen ihre Provision – oder was auch immer ihnen gerade ins Geschäftskonzept passt. Schaut in die USA, wo das seit einiger Zeit läuft! Uber ist es scheißegal, ob wir Fahrer von der Kohle leben können oder ob Kunden einen guten Wagen kriegen. Trotz aller Einführungsangebote oder Bonuszahlungen. Das nutzen sie als Werbung und setzen es ab, wenn sie genug Fahrer und Kunden haben. Da steckt nicht ein Funke Qualitätsbewusstsein oder gar soziale Verantwortung dahinter. Jeden Cent, den wir jetzt mit Uber verdienen, zahlen wir (und auch unsere Kunden) in Zukunft doppelt oder dreifach zurück. Wenn’s denn reicht.

Unhandlich

„Ey Digger, was kost’n das, so freundschaftspreismäßig?“

„Lass den Fahrer doch, ich hab doch schon nach einer Kurzstrecke gefragt und er macht das!“

„Ja, immer cool bleiben, alles easy. Ich will hier ja auch nicht handeln oder so …“

Nee, gar nicht. Hab ich auch gleich gemerkt. 🙂

Arbeitslaune

Hab mich übrigens heute Nacht tatsächlich noch ein zweites Mal hinters Steuer gesetzt. Ich wusste nach einem gemütlichen Essen zu Hause nix mit mir anzufangen und hatte das Auto eh vor der Tür stehen. Da die Stadt nach dem abendlichen Regen allerdings wie leergefegt schien, hab ich den Versuch recht schnell wieder abgebrochen. Aber hey, immerhin zwei Touren und 17 € hab ich schon mal auf der Uhr, wenn ich die Schicht heute Abend anfange. Und das ist immerhin besser als nix. 🙂

Da denkste einmal nicht dran …

Ich halte mein Wechselgeld nach wie vor niedrig. Meist hab ich aber privat und gut versteckt noch ein paar Scheinchen extra dabei. Auch keine Unsumme, aber schnelle Aushilfe, wenn man mal nicht zum Wechseln kommt.

Hatte ich gestern nicht. Hab erst nicht dran gedacht – und als es mir eingefallen ist, hab ich’s verdrängt.

„Fährst ja so oder so nicht lange raus.“

Außerdem ist es nicht die erste Woche nach dem ersten oder fünfzehnten des Monats gewesen, die großen Scheine sollten also seltener sein als sonst. Und auch sonst klappt’s ja …

Erste Fahrt, 13,20 € und der Fahrgast gibt mir einen Hunderter. Nee, is‘ klar …
Ich hab ’nen Alibiblick in mein Portemonnaie geworfen, aber das hätte nie geklappt. Also ja: Vielleicht, wenn ich bis zu den 50-Cent-Stücken runtergegangen wäre. Der Kunde war nicht unbedingt begeistert, aber ihr kennt mich: Ich bin ja nett und freundlich und am Ende haben wir es ohne irgendwo kostenpflichtig zu wechseln geschafft. Er hat seine Freundin angerufen, die kam dann mit einem Fuffi runter. Super sieht anders aus – aber wichtig ist ja erst einmal, dass es klappt. Danach zwei kurze Winkertouren, bei denen die Fahrgäste vorher wussten, dass sie halbwegs passend zahlen können.

„Haha, seh‘ ich aus wie’n Typ, der Fuffziger bei sich hat?“,

meinte der eine sogar noch. Als ich an den Stand gefahren bin, hatte ich dann einen Haufen Münzen und genau einen Zwanziger und einen Fünfer im Geldbeutel. Gut, damit lässt sich schon einiges machen, aber mir ist das zu wenig. Also hab ich bei einem sehr netten Kollegen, mit dem ich noch nie gesprochen hatte, den braunen Schein kleingemacht.

Dann bekam ich eine Tour, die junge Dame lächelte am Ende und meinte:

„Ach, hoffentlich können Sie mir ein bisschen Geld kleinmachen …“

Und natürlich hatte ich keine Wahl, denn auch sie hatte nur noch Hunderter dabei und mir verblieb dann am Ende wieder genau ein einziger Fünfer. Da bin ich dann heimgefahren, ich war eh in der Nähe. Und ich hab aus all der diesen Monat bisher eingefahrenen Kohle nicht mehr genug Wechselgeld für die normale Portemonnaiebestückung zusammenbekommen. Von ein bisschen extra wollen wir gar nicht reden. Ganz großes Kino, dieser Abend.

Ich will ja gar nicht immer nur meckern übers Wechselgeld – aber selbst wenn man mal von der Überfallproblematik absieht: Wenn wir auf jede Fahrt 80 € rausgeben können sollen, dann müssen wir entweder ständig wechseln oder jede Schicht einen kompletten Monatslohn mit uns durch die Gegend fahren.
Und obwohl’s dort eher der Falschgeldproblematik geschuldet ist: auch der Tanke lässt man es durchgehen, dass sie keine Fünfhunderter nehmen – obwohl sie sicher etliche tausend Euro Umsatz pro Tag hat. Wie soll ein Taxifahrer mit einem Hunderter Umsatz ständig Hunnis annehmen können? Zumal wir ja auch beim Falschgeld noch schlechter kontrollieren können. Ich sehe den Kunden zuliebe selbstverständlich immer zu, dass es irgendwie geht – aber Hunderter sind einfach kein Geld fürs Taxi und ich müsste es nicht annehmen. Also nicht bei 10- oder 20-Euro-Fahrten. Und wenn’s nicht anders geht, dann doch bitte vorher fragen!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Arbeit! – und Youtube

Im Ernst: Ich freue mich nach meinem Wochenende darauf, wieder rauszufahren. Ich verstehe sehr gut, wieso Taxifahrer ein Job ist, bei dem man „hängenbleibt“. Und wenn wir schon bei schwer verständlichen Obsessionen sind, dann habe ich hier noch eine kleine Ergänzung:

Ich sehe mir gerne Chrash-Videos auf Youtube an. Das ist in gewisser Weise sicher einfach nur bescheuerter Voyeurismus. Das kann ich wohl kaum abstreiten, bzw. ich will es gar nicht. Nur weil was nicht toll ist, heißt es ja nicht, dass es nicht existiert.

Tatsächlich sind diese Videos aber auch aus professioneller Sicht interessant. Als Mensch, dessen Arbeit im Wesentlichen aus Fahren besteht, habe ich da durchaus inzwischen einige Verhaltensmuster entdeckt, deren Vermeidung – natürlich nur im Optimalfall, ich gebe es zu! – das Fahren sicherer machen könnten. Den zahlreichen Videos entnehmen konnte ich bislang zum Beispiel, dass das schnelle Vorbeifahren an stehenden Autokolonnen auf einer benachbarten Spur oft Unfälle mit Fußgängern verursacht. Oder dass das Abbiegen über mehr als eine Spur wegen begrenzter Einsicht oft Unfälle verursacht.

Ich will nicht behaupten, dass ich mir die Videos deswegen ansehe – das wäre eine Lüge. Aber ja, ich hab daraus tatsächlich einiges gelernt und hoffe, das in Zukunft nutzen zu können.