Überzeugt

Kurzstrecke auf dem Heimweg, alles super entspannt.

„Als ob ich mich um die Zeit noch in ’ne angetrunkene Tram setzen würde! Nee nee, Ihr Jungs habt mich immer gut heimgebracht, die Kohle hab ich mit gutem Gewissen immer einstecken.“

Merke: Wenn die Straßenbahn angetrunken ist, lieber ein Taxi nehmen! 😉

Alles gleicht sich aus …

„Looft die Uhr schon?“

„Nee.“

„Na mach hinne, die ham Jeld, keene Sorge!“

Mag so gewesen sein. Aber bevor ich das Taxameter anschalte, warte ich in der Regel auf meine Fahrgäste. Dank der Minute Gratis-Wartezeit wird’s meist eh nix bringen, gleich anzumachen – und falls die Tour mal doch nicht zustande kommt, muss ich mit Cheffe keine Fehlfahrt abrechnen. Außerdem isses wirklich so selten, dass ich das mit dem Warten nicht als großes Problem betrachte, wenn ich wie hier rangewunken werde und sich dann alle noch voneinander verabschieden müssen.

War wohl eine Geburtstagsfeier und für mich ein wirklich glücklicher Zufall. An einer nicht wirklich großen Hauptstraße in Lichtenberg wurde ich vor dem Restaurant rangewunken, zudem nur kurz, nachdem ich den letzten Fahrgast abgesetzt hatte. Dieses Mal hätte ich wirklich ein paar Cent verdienen können, denn der Abschied dauerte knapp 3 Minuten. Dann hatte zwei leicht angetüddelte Paare im Auto, die Herren auf dem Weg zu grauem Haar, die Damen mit gefärbter Dauerwelle. Der Weg war nicht einmal sonderlich weit, es sollte nur nach Friedrichsfelde gehen, für nicht einmal einen Zehner.

Damit wäre ich schon zufrieden gewesen. Nun erinnerten sie sich kurz vor der Haustüre aber daran, eine Kamera nicht mitgenommen zu haben. Und damit wurde die Tour dann mal kurz dreimal so lang und doppelt so teuer. Denn eines der Paar fuhr umgehend mit mir zum Restaurant zurück, steckte die glücklicherweise noch vorhandene Kamera ein, und dann ging es wieder nach Hause. Immer sehr schön für den Taxifahrer. Und hat gut dafür entschädigt, zu Beginn kurz gewartet zu haben. 🙂
Hat mich an die ewig alte Tour mit den „Schlüsselkindern“ erinnert …

Kleines PS für alle Autofahrer: Von heute bis morgen findet wieder ein „Blitzermarathon“ der Polizei statt. Wäre ein besonders lukrativer Zeitpunkt, über das eigene Verhältnis zu Geschwindigkeitsbegrenzungen nachzudenken … 😉

Der harte Achtzehnte

Dass das mitgeschleifte Elend noch ein Mensch war, war schwer zu erkennen. Ich schätze, dass selbst eingefleischte Mediziner dem an den Taxistand geschleiften Kerl keine allzu hohe Überlebenschance mehr attestiert hätten. Aber als Taxifahrer hat man halt auch so seine Erfahrungen …

Ich hab die Tour kein Bisschen gerne angenommen. Der von zwei Helfern angeschleifte Typ war wirklich völlig sturzbesoffen. Konnte nicht alleine stehen, die Augen öffnen oder sich koordiniert bewegen. Weit mehr als ein Drink zu viel. Aber was willste machen? Haben nicht auch Leute, die sich beim Alkohol verschätzt haben, ein Anrecht darauf, heimgebracht zu werden?

Für die drei Kollegen vor mir war klar: nein!

Auch ich haderte mit dem Gedanken der Ablehnung, aber eine zweite abgelehnte Tour in nur 5 Jahren hätte mir meine Statistik dann doch arg versaut. Weit mehr ausschlaggebend war dann aber der leider nicht immer anwesende gute Freund des Opfers, der augenscheinlich nüchtern, anbei verständnisvoll und liebenswert versichert hat, dass das schon klappen würde und das alles ja zudem nicht so geplant war.

Ich will den unbotmäßigen Alkoholkonsum nicht schönreden, aber zumindest in der Rolle jenes Freundes war ich auch schon und zudem bin ich Fahrer des öffentlichen Personennahverkehrs und hab auch meine Ehre. Wenn da wer in Not ist und mich anfragt, dann will ich den auch sicher zu Hause wissen, wenn ich gemütlich Feierabend mache!

Das Fahrtziel lag natürlich nicht direkt ums Eck, sondern gut 7 km entfernt. Insofern half es leider nur bedingt, dass das Spiel 3 km lang problemlos gut ging. Ich hatte meine Ansprache gehalten, dass es hässlich wird, wenn er ins Auto kotzt – und etwa 4 Sekunden vor seinem Versuch aus dem Fenster zu kotzen habe ich auch gesagt, dass er alles tun sollte, bloß nicht versuchen, aus dem Fenster zu kotzen. Nun ja.

Da sprudelte der Fahrgast also vor sich hin, der gute Freund war entsetzt und ich entsprechend unbegeistert. Der junge Mann hat sich sichtbar Mühe gegeben, aber das half natürlich wenig. Zwischen innen und außen liegt die Scheibe und was da reinläuft …

„Scheiße! Und was kostet jetzt so eine Reinigung in dem Fall?“

fragte mich der gute Freund mit Brille und Kurzhaarfrisur.

„Hier, nimm‘ das Papier!“

hab ich geantwortet. Denn was „das in so einem Fall“ kostet, kann keiner sagen. Wenn ich es alleine putzen muss und nichts allzu dramatisches passiert, dann kostet das 200 €. Ein netter Kollege hat aber vor Gericht auch schon mal 1.600 € erstritten. Da ging es zwar auch um kompliziertere Probleme (Lüftung, Radio etc.), dennoch sollte man das im Hinterkopf behalten, wenn einem im Taxi schlecht wird. Anhalten ist IMMER die bessere Option! Und jeder Taxifahrer mit Verstand kommt der Bitte auch nach.
In dem Fall aber waren wir schnell. Während unser Opfer auf dem Gehsteig kotzend umhertorkelte, haben sein Freund und ich umgehend die Scheibe in Angriff genommen und das Schlimmste verhindert. Und scheißegal, ob mich die Kollegen deswegen für bekloppt halten: in so einem Fall kostet das bei mir das, was auf der Uhr steht.

5 Minuten Putzen waren ausreichend, danach war das Auto wieder sauber und wohlriechend. So lange das so ist: Wayne?

Nun war die Frage, wie es weitergehen sollte. Das Geld der Fahrgäste war knapp, mein Vertrauen hinüber – und bei der Problematik, wie der Kerl heimkommt, waren wir nicht wirklich weiter. Also ja, 3 Kilometer, aber das hilft auch nicht viel, wenn der Kunde nur mit Mühe und Not 5 Meter bis zur nächsten Hauswand schafft.

Ich hab im Auto noch eine Tüte gefunden, die unsere gemeinsame Entscheidung dann beeinflusst hat. Der Kotzer selbst schwor, sie sich immer vors Gesicht zu halten – und der Freund schwor, das zu überwachen. Das hat die nächsten 3 Kilometer nicht unstressig gemacht, da dem Kerl immer noch schlecht war – aber ich hatte Hoffnung.

Und einmal mehr: ohne den begleitenden Freund hätte ich die Tour abgebrochen. Der nämlich wusste nicht nur, diese Überwachung ernsthaft durchzuführen, er war auch über alle Maßen dankbar und hat zudem wohlwollend meine Arbeit wie auch meinen Einsatz kommentiert. Es war ihm peinlich, ganz offensichtlich. Aber er konnte seinen Kumpel ja nicht hängenlassen. Und das verstehe ich durchaus.

Nach weiteren 3 km kam es aber trotzdem zu einem erneuten Stopp. Unser Spezialkandidat hatte nicht nur in die Tüte gereihert, sondern seinen Auftrag, selbige vor den Mund zu halten, auch dahingehend übererfüllt, als er auch nur durch selbige atmete. Dass er folglich noch mehr kotzte und zudem einen Ausweg suchte, kann ich eigentloch gut verstehen. Ich fuhr also abermals rechts ran und der Spezialkunde setzte sich ins Gebüsch. Ehrlich. Er saß in der Hocke da und reiherte weiter in die Tüte. Warum auch immer er sie auch dort so wichtig nahm …

„Der 18. Geburtstag ist echt der mieseste von allen!“

brachte er zwischendurch raus, dann plätscherte es wieder ins geduldige Plastik. Ach je, der wird sich wundern, wenn er noch älter wird.

Da wir nur noch rund einen Kilometer vom Ziel entfernt waren, stellte sich die Frage, ob ich überhaupt weiterfahren sollte. Zumal die Finanzen der Fahrgäste langsam knapp wurden. Zuletzt habe ich aber auch das noch gemacht. Der erleichterte Freund überzog mich mit Dankesworten und schüttete den Restinhalt seines Portemonnaies in meines. Was am Ende auch kaum mehr als 2 € Trinkgeld waren, ich aber in Anbetracht der Lage zu schätzen wusste. Für mich war die Aktion damit zu Ende und es ist nicht mehr mein Problem, wie es weiterging. Reichlich Wasser vor dem Einschlafen und eine Aspirin habe ich vorher schon empfohlen. Hoffen wir das Beste.

Wie die Kollegen hätte ich die Jungs nicht mitnehmen müssen. Und ich hab mir unterwegs oft genug gewünscht, ich hätte es nicht getan. Jetzt aber bin ich froh darüber, es doch gemacht zu haben. Obwohl ich die 12 €, die ich damit verdient habe, sicher ein paar Minuten später leichter hätte verdienen können. Und da geht es nicht darum, der Arsch vom Dienst zu sein; ehrlich nicht. Manchmal ist es auch einfach schön, jemandem geholfen zu haben mit der Arbeit, die man (mehr oder weniger) sowieso erbracht hätte.

Uber „darf“ wieder fahren.

Gestern wurde in Frankfurt die neulich erlassene einstweilige Verfügung gegen Uber, keine Fahrten mit nicht zugelassenen Fahrern und/oder Autos durchzuführen, wieder gekippt. Wenngleich das überraschend war und die Begründung durchaus ihre, nun ja, Schwächen hat, ist das deswegen kein übergroßes Drama. Es ging nur darum, ob das Rechtsmittel der einstweiligen Verfügung in diesem Fall angemessen war oder nicht. Da Uber weiterhin alles verschweigt, was ihnen nicht so ganz in ihre Welt passt, schreibe ich das hier noch einmal ganz klar:

Noch nie und nirgends hat bis heute ein deutsches Gericht die Rechtmäßigkeit von UberPop auch nur ansatzweise bestätigt!

Im Gegenteil. Sowohl beim Verbotsrückzug in Hamburg als auch jetzt bei dem der bundesweiten einstweiligen Verfügung haben die Richter klargestellt, dass, diplomatisch ausgedrückt, erhebliche Zweifel an der Legalität dieses Geschäftsmodells bestehen.

Den Uber-Blogartikel gestern hätte man freilich auch vor einer Woche schon schreiben können. Da steht wie üblich drin, wie geil sie sind. Ob sie das trotz oder wegen eines Urteils sind, ist auf deren Planeten ohnehin nur ein Wortspiel.

Obwohl viele Medien das jetzt auch wieder schreiben, ist das nicht einmal ein „Etappensieg“ für Uber in der Sache an sich. Es spielt ihnen allerdings in die Hände, das muss man zugeben. Schließlich setzt Uber auf die eigene Beliebtheit in der Bevölkerung und braucht sie, um Druck zu machen. Schön finde ich die Entscheidung des Gerichts also trotzdem nicht.

Zumal wegen der Begründung. Laut dem oben verlinkten Heise-Artikel ist das Gericht der Uber-Darlegung gefolgt, Ihr Geschäftsmodell sei seit 2013 bekannt gewesen, was Taxi Deutschland die Möglichkeit gegeben hätte, frühzeitig ein Hauptverfahren einzuleiten anstelle des jetztigen Eilantrages der einstweiligen Verfügung. Ob das juristisch korrekt ist, kann ich als Laie nicht einschätzen, zumal ich auf die Schnelle keine Quellen gefunden habe, wann Uber die Vermittlung via UberPop in Deutschland angekündigt hat. Zufälligerweise war es jedoch im Jahr 2013, als Uber seinen Limousinenservice Black erstmalig in Berlin gestartet hat, der ja nach wie vor auch legal und vom Taxigewerbe weitgehend unangegriffen ist. Ich hab ja ein bisschen Sorge wegen etwaiger Pop-Black-Verschmandungen bei der Entscheidung. Aber sei’s drum. Taxi Deutschland haben in ihrer Presseerklärung jedenfalls halbwegs plausibel begründet, weswegen sie nicht schneller sein konnten als sie es waren.

Einen kleinen Funfact liefert der oben verlinkte Heise-Artikel noch. Uber hat sich offenbar des Staatsrechtlers und ehemaligen Verteidigungsministers Rupert Scholz bedient, der ihnen ein Gutachten schrieb, das die eigentlich doch schon lange widerlegte These, UberPop sei eine Mitfahrgelegenheit, bejahte. Der vorsitzende Richter soll entgegnet haben:

„Nicht jedes Gutachten, was von einem Hochschullehrer verfasst wurde, ist automatisch geeignet, die Rechtssprechung, wie es vielleicht gewünscht ist, zu beeinflussen.“

Und Fabien Nestmann, Uber-Sprecher für Deutschland, liest von seinem Blatt ab, dass die heutige Entscheidung zeigt, dass die Richter sich offenbar „aufgeschlossen“ für neue Ideen zeigen.

(Sorry, dass ich solche Kleinigkeiten manchmal breittrete, aber ich bin offenbar ein zu ehrlicher Mensch und einfach nur bei jeder neuen Wortmeldung von Uber entsetzt über deren Tatsachenverdrehungen und Desinformationen. Sich einen auf ihre Digitalität runterholen und dann aber darauf zu setzen, dass die Menschen zu dumm sind, einfache Internet-Recherchemöglichkeiten zu nutzen. Ekelhaft! Dass sie eine andere Meinung haben als ich, kann ich akzeptieren. Würde ich aber schreiben wie sie schreiben, würde ich sogar mich selbst widerlich finden.)

Als kleinen positiven Bonus gibt’s hier noch einen Zeit-Artikel, der klarstellt, dass es bei Uber und co. nicht um Taxis, sondern um Weltanschauungen geht.

„Na, sagen Sie mal!“

Vielleicht war ich nur für einen Moment ironieunempfänglich, ich kann es nicht ausschließen. Die Augen (von der Kundin unbemerkt) verdreht habe ich trotzdem, als sie mir nicht nur die Libboldallee in Grünau als Ziel nannte, sondern auf mein durchaus spaßig-ironisches „Au, mit der Straße haben Sie mich aber erwischt!“ antwortete:

„Na sagen Sie mal! Was sind Sie denn für ein Taxifahrer?“

Das ist so ungefähr genau die Straße, die ich beim Bloggen immer suche, um klarzumachen, was man halt alles auch mal nicht kennen kann: eine völlig unbedeutende Sackgasse am Arsch der Welt.

Nix gegen den (wirklich sehr schönen) Stadtteil Grünau, nix gegen kleine Nebenstraßen! Wirklich nicht! Das ist eine Adresse in Berlin und ich muss Kundschaft da hinbringen können. Und tue genau dies auch sehr gerne. Aber das ist eine Adresse, für die Navis erfunden wurden, sowas muss ich nicht aus dem Kopf wissen.

Wer will, kann sich ja mal diese Karte anschauen, rauszoomen und eine Einschätzung davon bekommen, wie zentral oder wichtig die Straße ist oder – um die Ansprüche zu verschärfen – für einen Berliner Taxifahrer sein sollte. Je langsamer man zoomt, desto anschaulicher wird das. 🙂

Wie gesagt: Ich bin mir nicht sicher, ob meine Kundin das ernst gemeint hat. Ich hoffe aber ganz ehrlich, dass es nicht so war.

 

Leicht verdientes Geld

Die Schicht war für mich vorbei. Ja, ein paar Euro haben mir noch gefehlt, aber ich hatte keine Lust mehr, darauf zu warten. Freizeit hat auch einen Wert. Und dann winkte sie mich heran. Kurz vor meinem Zuhause und mit einer echt kurzen Tour. Hätte ich die Hausnummer einordnen können, hätte ich eine Kurzstrecke reingehauen. Aber gut, das war wohl nicht geplant von ihr.

Sie bescherte mir gerade einmal 500 Meter Umweg und verabschiedete sich mit diesen Worten:

„Ach, danke, dass Sie mich auch für das kurze Stück mitgenommen haben!“

Zwei Minuten Arbeitszeit; 5,20 € Umsatz; knapp 2,50 € Verdienst. Plus 1,20 € Trinkgeld. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich nur noch solche Touren fahren …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Tarifverhandlungen gescheitert

Dank Uber war ich gewerbepolitisch in letzter Zeit leider andersweitig beschäftigt und habe das Thema Mindestlohn aufgeschoben. Nun also ein kurzer Zwischenstandsbericht:

Der deutsche Mietwagenverband BZP hat sich im Laufe des Jahres zum Tarifpartner auf Arbeitgeberseite aufwerten lassen und vertritt nun tarifpolitisch die Taxiunternehmen. Und zwar weil ein schon vor 2015 bestehender Tarifvertrag (in diesem Fall mit Ver.di) die einzige noch verbleibende Möglichkeit ist, die Einführung des Mindestlohns im Taxigewerbe zum Beginn nächsten Jahres zu verzögern.
Sprich: schließt man jetzt noch eilig einen Tarifvertrag mit Löhnen unter 8,50 € ab, besteht für die Arbeitgeber die Möglichkeit, diesen sonst ab dem kommenden ersten Januar verpflichtenden Betrag nach einer stufenweisen Annäherung erst ab Anfang 2017 zahlen zu müssen.
Da die Löhne im Taxigewerbe fast überall – zumindest aber durchschnittlich – weit unter 8,50 € (nämlich eher bei 6,50 €) liegen, wäre den Unternehmen daran natürlich viel gelegen.

Doch der Traum scheint erst einmal geplatzt zu sein.

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Ist das nun gut oder schlecht?

Das ist ganz klar eine Meinungsfrage. Die umgehende Einführung des Mindestlohns wird zweifelsohne Arbeitsplätze kosten. Das behaupten Vertreter aller Branchen, bei uns ist das aber eklatant sichtbar. Wenn der Gewinn eines Taxiunternehmens bei 5 bis 10% des Umsatzes liegt, dann kann der Lohn des Fahrers nicht um 20 oder 30% erhöht werden – dann wird dieser Fahrer seinen Job verlieren oder das Unternehmen pleite gehen, so ist das einfach. Die Frage ist demnach: ist es sinnvoller, alle Arbeitsplätze wie bisher zu erhalten – oder nach einem Abbau den restlichen Fahrern zumindest mal den Mindestlohn zu bezahlen? Und je nach Weltanschauung kann man da zu unterschiedlichen Ansichten kommen.

Meine ist klar:

Ich bin für den Mindestlohn und dementsprechend froh darüber, dass die Tarifverhandlungen geplatzt sind!

Und das nicht, weil ich Taxiunternehmer für böse halte und ihnen den Untergang wünsche. Im Gegenteil: ich bin mit sehr guten und sehr sozialen Chefs gesegnet, deren Unternehmen ich grundsätzlich bereit bin auch mit eigenen Mitteln mitzuverteidigen. Mir ist klar, dass sie mit dem Mindestlohn Probleme bekommen werden und in diesem einen Fall weiß ich, dass das nicht ihr Fehler ist. Ich werde wie die meisten Berliner Taxifahrer am Umsatz beteiligt und liege dank günstiger Arbeitszeiten jetzt schon über 8,50 € Lohn pro Stunde. Aber der Umsatz des einzelnen Fahrers (und in Berlin auch Unternehmens) lässt sich nicht beliebig steuern. Wenn in der Stadt mehr Taxis zugelassen werden (seit meinem Eintritt ins Gewerbe 2008 waren das irgendwas um 500 bis 1000 neue), dann sinkt entsprechend der Umsatz des einzelnen. Die meisten Aufträge werden hier von Zentralen vermittelt, die nicht mit den Unternehmen identisch sind – ergo kann man sich als Unternehmer auch durch z.B. bessere Qualität nicht deutlich mehr Kunden sichern. Was soll ein Unternehmen hier schon machen, außer sich mit mehr Fahrern mehr Anteil sichern?

Aber ungeachtet dessen: 6,50 € können kein vernünftiger Stundenlohn sein!

Das Jammern über den Verlust von Arbeitsplätzen unterschlägt immer, dass es dabei verdammt nochmal um Arbeitsplätze geht, die mit unter 8,50 € pro Stunde bezahlt werden. Da sind reihenweise Arbeitsplätze dabei, die jetzt schon dank Aufstockung staatlich mitalimentiert sind und andere, bei denen Leute ihre Familien um den Preis sie nicht mehr zu sehen ernähren. 6,50 € brutto bedeuten gerade mal 1300 € im Monat – bei mehr als 40 Wochenstunden! Natürlich hätte es eigentlich anderer Mittel bedurft, das Problem zu lösen. Der Senat hätte die Anzahl der Taxis begrenzen können. Man hätte durch Tarifsenkungen, Werbung oder Qualitätsverbesserungen mehr Kunden finden können oder auch einfach wenigstens aktiv die Schwarzarbeit bekämpfen, die immer noch zu viel Geld aus dem Gewerbe zieht.

Hätte, könnte. Fakt ist: das hat gerade hier in Berlin niemand geschafft. Und selbst in Anbetracht des bevorstehenden Mindestlohnes poltert der „Taxiverband Berlin Brandenburg“ als eine der Gewerbevertretungen schon wieder los, man bräuchte (ein Jahr nach der letzten Erhöhung) 23% Aufschlag auf den Taxitarif. Falls wer sein Milchmädchen vermisst: es arbeitet offenbar beim TVB.

Das Grundproblem ist hier wie überall eine grundsätzliche (Ausnahmen bestätigen die Regel …) Überversorgung mit Taxis. Wir müssen zwar um verfügbar zu sein Leerlaufzeiten haben, dennoch braucht es bei den meisten in Deutschland gültigen Tarifen kaum mehr als vielleicht 10 bis 13 besetzt gefahrene Kilometer pro Taxi und Stunde, um auch mit Mindestlohn wirtschaftlich zu sein. Und das ist wirklich kein utopischer Wert, selbst wenn wir weiterhin eine Versorgung garantieren wollen. Autos, die mit von der Beschäftigung abhängigen Fahrern zwei Drittel der Zeit stehen, sind Überfluss.

Nun wird es halt der Mindestlohn schaffen, das durchzurütteln. Das Dumme daran ist zweifelsohne, dass er unfair ist. Der Mindestlohn sorgt nicht automatisch für eine Bevorzugung der ehrlichen Unternehmen und spielt gleichermaßen auch jenen in die Hände, die schon jetzt wirtschaftliche Vorteile durch, nun ja, „kreative Buchführung“ haben.

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Bemerkenswert ist aber auch die Argumentation der beiden Tarifparteien:

Hier die Presseerklärung von Ver.di.

Hier die Presseerklärung des BZP.

Dass beide Parteien „Mimimi, die anderen sind schuld!“ rufen, ist die eine Sache. Der BZP allerdings wird wirklich albern. In Verhandlungen mit einer Gewerkschaft zu gehen um den Lohn zu senken ist das eine. Dabei allerdings überrascht zu sein, dass die das nicht tun, ohne andere Zugeständnisse zu kriegen – das ist nur noch lächerlich.

Der BZP behauptet z.B., dass eine Arbeitszeiterfassung via Taxameter technisch noch nicht möglich und problematisch beim Datenschutz wäre. Was für eine Zumutung! Arbeitgeber sollen wissen, wann ihre Arbeitnehmer arbeiten! Man stelle sich das mal in anderen Branchen vor … oh, wait! (Und by the way: natürlich protokolliert mein Taxameter meine Arbeitszeit …)

Und eine 40-Stunden-Woche ist nicht einführbar wegen Großveranstaltungen und dem Wetter!? Will irgendwer mal zum BZP gehen und denen sowas wie Überstunden, Freizeitausgleich etc. pp. erklären?

Nicht zu vergessen der weinerliche Hinweis darauf, dass es voll gemein wäre und Ver.di doch irgendwie hätte großzügiger sein müssen, weil die Branche ja keine Sonderregelung bekommen hätte. Ganz ehrlich, lieber BZP: WTF? Ihr habt noch nicht geschnallt, dass wegen Arbeitgebervertretern wie Euch sowas wie ein Mindestlohn erst nötig war und unser Gewerbe keine Ausnahmegenehmigung bekommen hat, weil gesamtgesellschaftlich nichts gegen 8,50 € Lohn für Taxifahrer spricht, sondern ausschließlich die teils hausgemachte Misere innerhalb des Gewerbes.

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Ich freue mich nicht darüber, dass Unternehmen pleite gehen und Fahrer entlassen werden. Schon gar nicht, wenn es Unternehmen betrifft, die es besser machen wollten, aber nicht konnten – oder Fahrer, die zufrieden waren mit dem Status Quo. Aber mal im Ernst: das Taxigewerbe ist wichtig und hat sich im Laufe der Jahrzehnte teils eigenverantwortlich, teils durch miserable Verkehrspolitik in eine Lage gefahren, die prinzipiell abartig ist. Obwohl uns Qualität abverlangt wird, verdienen wir Dienstleister so wenig, dass es uns spaltet in die, die mit Herzblut bei der Sache sind und dafür alles hinnehmen – und andererseits die, für die es „immerhin besser als nix“ ist und teilweise auch dementsprechend arbeiten. Eigentlich ist der Mindestlohn für nix davon eine angemessene Lösung, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung – nämlich das Dilemma unserer Unterbeschäftigung zu beseitigen.
Ich möchte dafür nicht die Freiheiten geopfert sehen, die die Arbeit mit sich bringt; aber im Gegenzug sollten wir zufriedenen Fahrer, die gerne hätten, dass alles so bleibt wie bisher, uns auch mal fragen, ob es im Gegenzug ok ist, dass sich in unseren Reihen Leute kaputtschuften, nur um noch ein paar Euro mehr als HartzIV zu bekommen (Und das ist eine realistische Darstellung, wenn man z.B. von einer Familie ausgeht, bei der nur ein Elternteil arbeitet). Wer von uns arbeitet den WIRKLICH freiwillig 60 Stunden die Woche? Was könnten wir erst reissen, wenn wir besser verdienen würden und deswegen weniger arbeiten müssten?