WM-Komplikationen

Fußball-Weltmeisterschaften sind offenbar ein einziges Drama. Und das nicht nur für Engländer und Spanier.

Ich hab dieses Jahr schon einige Leute nach irgendwelchen Spielen im Auto gehabt und dabei regelmäßig nicht so ganz glückliche Menschen im Auto gehabt, bei denen offenbar der Haussegen schief hängt. Einer brüllte sein Handy an, dass er ja schon auf dem Heimweg sei und der Terror jetzt unangebracht sei, ein anderer junger Mann ließ mich verschwörerisch dreinblickend wissen, dass er sich freue, dass er „seiner Ollen“ glücklicherweise vorher gesagt hätte, dass sie während der WM nix zu melden hätte und das jetzt entsprechend auskosten würde. Dazu irgendwie passend dann letzte Woche auch eine junge Frau, die sich beschwerte, dass „wir Männer“ ja zu gar nix mehr zu gebrauchen wären, wenn wir jeden Tag besoffen vom Fußballgucken kommen würden.

Das erscheint mir zwar alles ein bisschen zu klischeehaft, aber das waren jetzt wirklich die Beispiele aus dem Taxi.

Ist die Welt wirklich so mit Idioten gepflastert oder haben die zur WM alle erstmalig Ausgang?

Ich würde mir ja meinen Teil denken, wenn meine Beziehung unter so was wie Fußballgucken leiden würde. 0.o

Und nicht dass wir uns falsch verstehen: ich bin zwar kein überragender Fußballfan, aber dadurch, dass ich mir dann WM-Spiele trotzdem durchaus gerne mal ansehe, fast der Prototyp für Leute, für die die WM mal was Besonderes ist. Dieses Jahr hab ich deutlich mehr Spiele gesehen als bei den Weltmeisterschaften zuvor – und wenn mir dazu was einfallen würde, dann, dass ich in den letzten Wochen mehr Pizza gegessen habe als sonst, weil das ein prima Machen-wir-schnell-noch-vor-dem-Spiel-Essen ist. Aber Stress? Nun ja, bei mir der Arbeit wegen vielleicht …

Ist es wirklich so ungewöhnlich, dass man in Beziehungen Interessen teilt oder sich mal abspricht? Oder landen bei mir im Taxi nur die paar Töffel, die das Beziehungslexikon schon nach „A wie Abseits“ gelangweilt wieder zur Seite gelegt haben?

Ich jedenfalls schaue mir die Spiele, die mich interessieren, zusammen mit Ozie an. Vielleicht – bei plötzlich auftretendem Desinteresse – schauen wir vielleicht auch mal alleine. Wenn ich davor und/oder danach arbeite, belegt sie schon die Pizza; mache ich frei, kriegen wir den Tag drumrum irgendwie organisiert. Das nimmt keine 2% meiner Unterhaltungen mit Ozie ein und selbst wenn ich mal – was bei der WM eher nicht der Fall ist – besoffen unterm Tisch liege, dann ist das irgendwie immer noch nix, was 9 Jahre Beziehung in Frage stellt.

Ich persönlich habe das immer für einen guten Weg gehalten. Aber wenn ich meiner Kundschaft glauben soll, dann ist das natürlich auch nicht wahr:

„Kiekste dit Spiel morjen?“

„Schätze, ja.“

„Haha, die Olle macht Stress, wa?“

„Äh, nee. Wenn, dann schauen wir zusammen.“

„Na dit is ja ooch Kacke, wa Alter?“

Menschen. -.-

25 Kommentare bis “WM-Komplikationen”

  1. Roichi sagt:

    Sonst fahren diese Leute Bahn.
    Deshalb bemerkst du sie nicht.

  2. Sam sagt:

    Aber ja, solche Menschen gibt es zu Hauf.
    Ich kenne in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis sowohl solche Frauen, die sich bei alle zwei Jahren stattfindenten Meisterschaften (ich rechne mal EM und WM zusammen) total aufregen, wenn der Partner ein paar Wochen lang Intensivgucker ist, als auch die Männer, die sowieso schon nichts anderes machen als Fußball und Formel 1 zu gucken und gar nicht einsehen, warum bspw. so eine Hochzeit (oder in einem Fall die Konfirmation der Nichte!) das eigene Sportvergnügen behindern sollte.
    Beides eben Extreme, die den Partner oder sogar das gesamte soziale Umfeld verständlicherweise ziemlich stören dürfte.

  3. Wahlberliner sagt:

    Dazu fällt mir nur ein: Wie erbärmlich! Warum haben solche Leute überhaupt eine Beziehung…

  4. Donngal sagt:

    Sehe das anders. Meine Frau weiss das es (mindestens) 2 Termine im Jahr sind wo ich nichts anderes mache als mich mit Fussball zu beschäftigen.

    Die 2 Derbys gegen die hässlichen Blauen und alle wichtigen Finale des BVB.

    Da legt man keine Hochzeit hin. Da legt man auch keine Geburtstage hin. Heiratet ja auch keiner an Heiligabend oder Ostern. Wer darauf keine Rücksicht nimmt kann mich nicht geistig anwesend einplanen. Fussball ist nunmal mehr als nur ein Spiel.

    Die WM hingegen ist mir wurscht, zu meinem Land hab ich nicht sonen Bezug wie zu meinem Verein.

  5. Donngal sagt:

    Achja, ich hab vergessen: Derbys gucke ich NIE NIE NIE mit meiner Frau. Da bin ich zu aufgedreht und sie hat zu wenig Verständnis für meinen Hass auf die Blauen.

  6. Knut sagt:

    Interessanterweise scheinen diese Frauen und Männer auch genau zueinander zu finden. Die Olle, die sich über ihren Mann aufregt der immer nur diesen albernen Fußball schaut ist dann eben mit genau dem Mann zusammen, der findet das Frauen an den Herd gehören sollen und während der WM maximal zum Chips bringen ins Wohnzimmer dürfen.

  7. carola sagt:

    nö, ist nicht immer und überall so.
    unsere Beziehung dauert nun schon 45 !! Jahre. und schatz ist völlig absolut Sport unbegeistert. selbst zu Zeiten eines Boris Beckers änderte sich nichts daran – und das war ja damals immerhin fast eine Sportrevolution.
    ich gucke ab und zu bei spielen die mir interessant/spannend zu werden scheinen – und seit mein Papa 1999 verstorben ist, gucke ich sozusagen stellvertretend für ihn die großen Derbys.
    und weil wir mit zwei Personen insgesamt mind. VIER übertragungsbereite Empfangsgeräte haben, gibt’s da auch keinen Reibungspunkt.
    und Frauen sind gar nicht immer nur dümmer was Fußball anbelangt . . . wir haben eine andere Einstellung zur arbeit. effizient und auf den punkt muß sie sein. ( essen um 18.30 muß auch komplett fertig sein und nicht häppchenweise und nur manchmal und mit viel glück; hier ist wollen, können und Organisation gefragt – und so erwarte ich das auch von Fußballprofis und insbesondere wenn sie sich mit anderen Mannschaften messen wollen).
    deshalb ist meine Meinung zum gestrigen schlaand-spiel klar, glasklar: mehr glück als können.
    ohne ihren Schlussmann wären sie schon in der ersten halben stunde mit 7 Tore im Hintertreffen gewesen.
    ein körperlich schwer erkämpfter und dennoch nicht eindeutig verdienter sieg. *und nun haut drauf ihr männlichen fußball-besser-wissen-experten*

    falls ich mal im taxi sitzen sollte werde ich aber bestimmt nicht über meinen schatz oder fussball reden. 😉

    gute fahrt.

  8. elder taxidriver sagt:

    Bei uns ist es buchstäblich pervers, also verdreht:

    ‚Meine Olle‘ um mal eine Wendung von oben zu gebrauchen schaut sich die Spiele an und ich lese etwas.
    Ist mir zu unruhig so ein Fußballspiel: Ständig ist der Ball woanders, da werde ich immer ganz kirre davon.
    Dann spucken die so gekonnt auf den Rasen: Das ästimiere ich nicht. Und die Trikots: Die Adidas-Strreifen kann ich schon nicht mehr sehen. Ist ja wie der JVA Moabit , die tragen auch fast alle Adidas.

    Wenn Deutschland siegt, bin ich natürlich gerührt. Meine Frau und ich machen dann alle Siegestätschelumarmungs -Rituale nach: Von Give me- five , Kopf und Body umarmen und so weiter. Bloß wenn ich sie hochheben will, streikt sie. Aus der Befürchtung dass ich mir einen Knacks an der Wirbelsäule zuziehe. Und Hemdentausch geht leider auch nicht. Wegen der Konfektionsgröße.

  9. Mic ha sagt:

    “ Ständig ist der Ball woanders, da werde ich immer ganz kirre davon.“
    Hehehe.

    Fußball zieht halt auch die Prollos an und die dürfen dann 2 Wochen ganz offiziell am Rad drehen. Aber beziehungstechnisch ist das sicher nicht so ernst wie es klingt. Da wird dann im Restsuff und im neuen Suff vermutlich bißchen gezankt und wenn dann das dumme Lied aufm Platz erklingt, wieder ganz doll lieb gehabt. 4 Wochen und der Spuk ist vorbei. Komplett.

  10. elder taxidriver sagt:

    .. rollt er nach links, ist alles in Ordnung, rollt er nach rechts ist auch nicht schlihimm, nur wenn er ganz ruhig lieben bleibt, dann ist der Wurm drin..

  11. elder taxidriver sagt:

    l i e g e n bleibt natürlich

  12. Mic ha sagt:

    Hahaha, herrlich. Erzähl ruhig weiter! Höchst amüsant.

  13. Mic ha sagt:

    Wie ist das für dich beispwielsweise wenn ein Stürmer aufs Tor zurennt?

  14. Ich glaube, die Menschen streiten und meckern soviel, weil sie sich sonst nichts zu sagen haben und Angst davor haben, dass sonst keiner mit ihnen redet. Es gibt sehr wenige Menschen, die einfach sagen können „Mir geht’s gut“ und dann einfach mal ’ne Stunde die Klappe halten können, ohne dass es peinlich wird.

  15. elder taxidriver sagt:

    Als Zuschauer denke ich: Hau rin die Pelle. Als Torwart hätte ich Angst. Beim Bund habe ich mal Fußball gespielt, da waren so Vereinsspieler dabei, wenn die den Ball getreten haben , das hatte so eine Wucht, habe ich mich bloß geduckt, wie wenn
    ein Artilleriegeschoss angeflogen kommt. Und wie groß so ein Tor ist, wenn man mutterseelenallein drinne steht!

  16. Sash sagt:

    @Roichi:
    Der war gut. 🙂

    @Sam und Wahlberliner:
    Genau sowas hab ich gemeint. Ich werd’s wohl nie verstehen.

    @Donngal:
    Na, Ihr scheint Euch da ja wenigstens einig zu sein …

    @Knut:
    Das ist in der Tat das gleichermaßen verstörende wie auch positive an der Geschichte. 😉

    @carola:
    Freut mich, dass es bei Euch auch anders ist. 🙂
    Im Übrigen war das von mir gar nicht als Männer-Frauen-Klischee gedacht – aber die erwähnten Beispiele waren halt genau so rum verteilt. Ich sehe mich ja selbst als eher wenig sportbegeistert und könnte mir gut eine Partnerin vorstellen, die da interessierter ist als ich.

    @elder taxidriver:
    🙂
    Und Dir ist hoffentlich bewusst, dass ich „Olle“ auch nur als Zitat verwende. Das gruselt mich immer wieder …

    @Mic ha:
    Da ist sicher einiges nicht „so ernst“, das kann schon sein. Aber „ein bisschen zanken“, einfach so und noch dazu wegen so etwas banalem … das verstehe ich auch nicht wirklich.
    Und nebenbei: der letzte Eintrag von elder taxidriver ist ein Jürgen-von-der-Lippe-Zitat.

  17. Sash sagt:

    @Sascha Atrops:
    Das kann gut sein. Traurig sowas. 🙁

  18. elder taxidriver sagt:

    @Sash: ‚Olle‘ als Zitat, logiiisch. Ist aber, quasi ein Kosewort.

  19. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Naja, eines mit nicht so furchtvar positiver Konotation, wie ich schätze.

  20. Donngal sagt:

    Das kommt darauf an von wo ihr kommt. Bei uns im Ruhrgebiet ist Olle einfach nur ein anderes Wort für Ehefrau. Die Olle hat ja auch nen Ollen zuhause sitzen. Das ist gar nicht dispektierlich gemeint. Wir sagen hier auch respektvoll Omma und Oppa für unsere Großeltern.

  21. Sash sagt:

    @Donngal:
    Keine Ahnung, ob das bei Euch anders ist, aber ich hab irgendwie noch nie gehört, dass jemand gesagt hat, er/sie mache sich morgen einen schönen Tag mit seiner/seinem Ollen. Das taucht irgendwie immer nur in Sätzen wie „meine Olle quatscht so viel“ oder „mein Oller nervt total“ auf. Sprich: wenn man über den Partner vor anderen ein wenig herablassend spricht.

  22. Donngal sagt:

    @Sash: Das ist hier tatsächlich anders. „Ich war richtig fein mit meiner Ollen essen“ ist durchaus ein Satz den ich so schon gehört habe. Oder „Heute hat meine Olle ein ganz hervoragendes Gulasch für mich gekocht.“ Oder Auch „Wer meine Olle anpackt, kricht auffe Fresse.“ 😉

  23. Krüml sagt:

    Ich finds ganz gut, dass mein Freund soviel Interesse am Fußball zeigt wie ich: gar keins. Darf gerne jeder für sich halten wie er will, für mich machts absolut keinen Sinn, deswegen wirds nicht geguckt. Aber man entkommt dem ganzen zu WM-Zeiten auch nicht. Überall wird davon geredet, das Internet ist voll davon…

    und mitten in der Nacht werden auf der Straße vorm Schlafzimmerfenster die Knaller losgelassen, während man bereits versucht zu schlafen. DAS geht mir wirklich auf den Keks. Freuen udn so, schön und gut. Aber mit Vuvuzela und Knallern und Humpen, das geht mir zu weit.

  24. Sash sagt:

    @Krüml:
    Kann ich absolut nachvollziehen. Ich hab halt das Glück, nachts eh wach zu sein und gelegentlich gerne ein ausnahmsweise mal gutes Spiel anzusehen.
    Aber was die Böller angeht: Die fliegen bei uns aus dem Stockwerk über uns und explodieren direkt vor dem Fenster. Und, das sei angemerkt, das sind nicht die, die in Deutschland legal zu erwerben sind … ich verstehe Dich also tatsächlich ein wenig.

  25. Wahlberliner sagt:

    @elder taxidriver: Im Englischen gibts ja auch „the ol’lady“, und es ist keine Beleidigung. Deutsch, vor allem Berlinerisch ist da halt noch mal eine Stufe, hmm, heftiger, und lässt die lady auch noch weg 😉

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