Genau jetzt

Ich mag das ja, wenn Leute sich grundlos aufregen. Ich hatte mit Warnblinker an der rechten Straßenseite gehalten und einen Kunden rausgelassen. Danach blieb ich noch ein paar Sekunden stehen, um mir die Eckdaten der Tour zu notieren. Als ich das getan hatte, startete ich den Motor und plötzlich brüllte mir ein Radfahrer links durchs Fenster:

„ACH, GENAU JETZT MUSSTE LOSFAHREN, JA?“

Ich hab mal schlagfertig reagiert und gerufen:

„Ja, genau jetzt. Wahnsinn, oder?“

Seine Beschwerde war in mehrfacher Hinsicht grotesk. Denn er hatte zwar um mich rumzufahren, aber ich hatte z.B. keinen speziellen Radweg blockiert, auf dem ich irgendwie illegal gehalten hätte. Ich hab auch keine Anstalten gemacht, ihn zu gefährden, schließlich bin ich nicht einfach blind nach links abgebogen, sondern hab das Auto langsam geradeaus anrollen lassen.

Allerdings hatte ich ihn zuvor tatsächlich nicht gesehen. Seltsam.

Aber nee, eigentlich nicht wirklich. Vierzig Meter später hab ich ihn dann meinerseits überholt … und – er hatte kein Vorderlicht. War ja nur nachts um ein Uhr in einer schlecht beleuchteten Nebenstraße.

Naja, eigentlich isses doch praktisch, wenn Idioten sich dann wenigstens durch lautes Rufen erkennbar machen …

-.-

„a cultural thing“

Es gibt so Touren …

Ich hatte den Fahrgast in meinem Alter an der Tankstelle an der Holzmarktstraße rausgelassen, weil er mir vorgeschwärmt hatte, wie sehr er sich noch Wein zum Essen wünschen würde. Soweit mir mein eigentlich nicht sonderlich fokussierter Blick verriet, war daraus nun eine Flasche Wodka geworden. Sei es drum. Und dann sind wir weiter und er starrte mich mit Panik in den Augen an:

„Uh! Man! Did you want something?“

„No, no, it’s fine!“

„I’m sorry. It’s a cultural thing. I’m an arabic guy and I can’t go out somewhere without giving something to my friends.“

Milde ausgedrückt. Kennengelernt hatten wir uns eine knappe Viertelstunde zuvor, da war er aus dem Berghain spaziert und mir binnen einer Minute gestanden, dass er mich lieben würde. Vor allem aber plagte ihn der Hunger, er wollte unbedingt noch was essen. Da er selbst unter anderem McDonald’s vorschlug, hab ich gleich am Ostbahnhof gehalten. Das eigentliche Fahrtziel lag ein ordentliches Stück entfernt in Schöneberg: die Tour, auf die jeder Taxifahrer vor dem Berghain spekuliert.

Und beim McDonald’s ging es schon los:

„C’mon! I’ll buy you something!“

„No, thanks.“

„You had lunch?“

„Yes.“

„Doesn’t matter. You always have to take lunch twice when you work!“

„Sorry.“

Er hat mich eine Weile bearbeitet, bis ich zugestimmt habe, dass er mir einen Cheeseburger mitbringen kann. Schweren Herzens, immerhin versuche ich gerade mal wieder ein paar Pfunde runterzubekommen und ich hatte wirklich schon gegessen.

„A cheeseburger? Really? You mean that tiny little thing? No! I’ll make it a double cheeseburger. With fries. You like fries?“

„Yes …?“

„Great! I’ll be back! Wait here!“

Und wie zu erwarten kehrte er mit einer extra Tüte für den Taxifahrer zurück. Ohne undankbar wirken zu wollen: Mich hat mehr gefreut, dass inzwischen fast vier Euro mehr auf der Uhr standen. Solche Einladungen sind nett, aber um mein Essen kümmere ich mich sehr gerne selbst und vor allem bestimme ich gerne selbst, wann ich etwas esse. Aber natürlich weiß ich solche Gesten trotzdem zu schätzen.

Nach den Einkäufen sollte ich mich beeilen. Mein Fahrgast wollte gerne essen und obwohl ich ihm zusicherte, dass er gerne – so er denn aufpasst – im Auto essen könnte, bestand er darauf, mich damit nicht belästigen zu wollen. In dem Punkt könnten sich einige von dieser Kultur mal ein Scheibchen abschneiden. 😉

Als wir auf bestem Wege waren, fiel ihm dann auf, dass der Betrag auf der Uhr schon unerwartet hoch war:

„Will we do that for under 20 €?“

„No, sorry.“

„Well, maybe I have 22 … ah, yeah! Here: 22 Euro!“

„I think, in the end it’ll be something like 23 to 24.“

„…“

„If you don’t have enough …“

Ich bin in dem Moment über meinen Schatten gesprungen und hab gesagt, dass ich die Uhr gerne bei 22 ausmachen könnte. Hey, er hatte mit seinen Zwischenstops über 4 € mehr in die Kasse gespült – im Gegensatz zu manch anderen ohne auch nur darüber zu reden – hat mir Essen mitgebracht und am Ende würde ich einen Euro wegdrücken. Also bitte …

„No, no, no! Please don’t do that! I surely don’t want to …“

„Hey, after all that would be fine!“

„Ha! Here’s another one! 23 Euro! If, I mean, would you please, could you, maybe … stop the meter at 23?“

„Of course.“

So weit, so gut. Dann beschlich ihn erneut Panik:

„The tip! Fuck, I forgot the tip! I have to …“

Das ist mein Problem mit dieser Form der kulturellen Regeln. Es ist alles schön und gut, so lange man das von ganzem Herzen befolgt. Ich würde auch keinen hungernden Freund mit in ein Restaurant schleppen und nix ausgeben. Aber wenn das dann letztlich zu einem Zwang wird, den man auch befolgen muss, wenn die anderen das gar nicht wollen – oder man sich gar Schuldgefühle einredet …

Ich hab ihn davon überzeugen können, dass es eigentlich total bekloppt wäre, wenn er mich jetzt für 3 €, die er mal eben aus seinem Zimmer holen will, nochmal 5 Minuten unten warten lässt. Nicht wegen dem Betrag, rein so von der Verhältnismäßigkeit.

Und am Ende ging alles gut. Wider Erwarten standen dann doch „nur“ 22,20 € auf dem Taxameter und er konnte mir mit seinen 23 sogar noch Trinkgeld geben. Natürlich hat mich das gefreut. Allerdings war das dennoch das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, der Fahrgast hätte sich mehr über das Trinkgeld gefreut. Egal, sei es drum.

Ich hab während der nächsten Viertelstunde dann das getan, was sich der nette Kerl nicht getraut hatte: Burger und Pommes während der Fahrt essen. Mit sehr gutem Gefühl dabei. 🙂

Profis an Bord

„Oh, ich sollte mich wohl noch anschnallen!?“

„Wäre besser. Bisher hab ich’s immer ohne Unfall geschafft, aber man weiß ja nie …“

„Ach, ich bin Krankenschwester. Bin zwar besoffen, aber ein bisschen geht noch.“

Na, äh, dann … 0.o

(Letztlich hat sie sich angeschnallt und ich hab keinen Unfall gebaut. Geht doch.)

Flatternde Nerven

(und anderes)

Moin allerseits! Wer hat heute morgen den GNIT-Eintrag vermisst?

Ihr braucht die Hände nicht zu heben, denn ich bin ohnehin auch in der Runde. Nach einer ziemlich anstrengenden Schicht wollte ich gerne mal eben zur Entspannung drei Blogeinträge runterrocken, aber dann ist mir das Netzteil abgeraucht. Alle Mühe umsonst, der Rechner war nicht anzukriegen. Wie das halt so ist mit Netzteilen, die statt Strom komische Gerüche verbreiten.

Aber nun ist alles gut. Hab einen kleinen Laden gefunden, der mir die Stromversorgungseinheit zu einem angemessenen Preis überlassen hat, anders als z.B. der Saturn vor meiner Haustüre. Aber dazu werde ich später noch was schreiben. Jetzt jedenfalls bin ich happy, dass alles tut und nur etwas besorgt, weil ich noch kaum zum Schlafen gekommen bin. Aber gut, irgendwas ist ja immer …

Nun zur gestrigen Nacht. Manche Dinge passieren auch mir nach fünf Jahren im Taxi noch das erste Mal. Das hier zum Beispiel:

Hat sich für Euch in Schale geworfen: die 72. Quelle: Sash

Hat sich für Euch in Schale geworfen: die 72. Quelle: Sash

Es war windig heute nacht, sehr sogar. Und so kam es, dass plötzlich auf der Leipziger Straße von einer Baustelle dieses Absperrungsband über die Straße geweht wurde, und ich es zielsicher um mein Taxi wickelte und letztlich abriss. Einfach so im Vorbeifahren. Da ich einen Kunden an Bord hatte, der es eilig hatte und ich keine sonderliche Verkehrsgefährdung erkennen konnte, haben wir die restlichen Kilometer bis nach Schöneberg mit runden 10 Metern flatterndem Anhang zurückgelegt.
Zumindest die Ordnungshüter haben schnell mal einen wachsamen Blick aufgelegt, bevor sie vermutlich beschlossen haben, dass das halt auch zu Berlin gehört, wenn ein Taxi offenbar irgendwo durch eine Baustelle gebrettert ist. Oder so. 😉

Der Fahrgast konnte darüber lachen, ich auch – und so hab ich am Ende noch das obige Foto aufgenommen. Zur Beweissicherung. Wenn es sonst niemand tut.

Euch ein schönes Wochenende – und gebt Acht auf Netzteile und Absperrbänder!

Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert …

Nun gut, bei der halben Schicht heute Nacht hat eigentlich nix so recht funktioniert. Wenige Touren, fast alle kurz und langweilig … gut, dass ich noch so viele ungelesene Bücher habe. Aber Verkehr ist was tolles, insbesondere nach 0 Uhr. Sicher, die negativen Seiten kennen wir alle. Toll sind die Momente, wo alles läuft. Und zwar auch, wenn mal was unvorhergesehenes passiert. Ich stehe zum Beispiel total drauf, wenn in einer zweispurigen Straße zwei Autos vor mir nach rechts und links abbiegen, ich aber um Haaresbreite noch genau zwischen den beiden durchpasse und geradeaus fahren kann. Manchmal stelle ich mir dabei das Bild aus der Vogelperspektive dazu vor.

(und das ist immer noch besser als das hoffentlich nie geschossene Cremetörtchen-Foto. 😉 )

Das gestern allerdings hat das um Längen getoppt. Ich war auf der Landsberger stadteinwärts unterwegs, ich wollte Feierabend machen. Da kurz vorher eine Ampel rot war, hatten sich auf den drei Spuren etwa 10 bis 12 Autos angestaut und so fuhren wir in einem kurzen aber doch recht dichten Pulk die dreispurige Straße entlang.
Das geht derzeit nicht ewig gut, denn in Lichtenberg gibt es eine Baustelle und dort wird binnen weniger Meter nach einem warnenden Schild die Fahrbahn auf eine Spur beschränkt. Und wir rollten da gemütlich, knapp über den erlaubten 50 km/h drauf zu. Und dann sind alle (!) beteiligten Fahrer komplett koordiniert, ohne dass ich auch nur ein Bremslicht gesehen habe, auf die eine Spur zusammengeschnurrt, haben perfekt, teils über zwei Spuren hinweg, die Lücken getroffen, nur um am Ende der Baustelle mit unverminderter Geschwindigkeit wieder auseinanderzutreiben.

0.0

Kein Arsch, der schnell vorziehen musste, kein überraschter Apruptbremser, kein Kollateralschaden. BÄM!

Ich weiß, man braucht schon seltsame Neigungen, um sowas schön zu finden. Oder eine Menge Erfahrung im Verkehr.

Alles rächt sich

So, nun sind wir dann so weit: Die kürzeste Schicht der Welt muss jetzt irgendwie wieder reingefahren werden. Ab heute. Um ehrlich zu sein, war ich bei meiner eben erfolgten Durchsicht der Monatsstatistik aber überrascht, wie wenig Stress das machen wird. Vorausgesetzt natürlich, dass das mit den Umsätzen auch halbwegs läuft.

Für den Fall, dass sie das nicht tun, liegen jedenfalls auf meinem Zu-lesen-Stapel eine ganze Menge Bücher, die gut oder zumindest mal vielversprechend sind. Ich sollte also auch die eher langweiligen Stunden in den nächsten Tagen – wenn man sich doch noch mal anstellt, um den einen Zehner noch mitzunehmen – ganz gut über die Runden kriegen. Und ansonsten gibt es ja auch noch Twitter. 🙂

Ich weiß um die Nicht-Spannug der letzten Woche hier Bescheid. Die lag aber ausnahmsweise echt mal nicht daran, dass ich keine Zeit oder Lust hatte zu schreiben, sondern daran, dass die Realität nicht viel hergegeben hat. Wie irgendwann weit in der Vergangenheit mal geschrieben: 90% der Fahrten sind so durchschnittlich, dass sie nicht einmal einen erzählten Witz aus den 80ern oder eine komische Frisur eines Protagonisten hergeben. Die hier auftauchenden 10% sind überwiegend auch nur aus einem ganz bestimmten Blickwinkel blogbar. Im Normalfall fahre ich gerade um die 50 Touren die Woche. Wenn jetzt die Fahrgäste mal überdurchschnittlich langweilig sind und ich auch noch wenig arbeite … ihr könnt besser rechnen als ich. 😉

Aber wie gesagt: Heute Abend wieder. Und ich hoffe ja, dass das auch was lustiges für morgen früh bedeutet. Wie immer gilt: Wenn bei meinem Tracker viel Bewegung zu sehen ist, bedeutet das was gutes. Für mich in jedem Fall, für Euch höchstwahrscheinlich.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Hat noch was offen?

„Wo soll’s hingehen?“

„Weiß nicht. Hat hier noch was offen?“

„Wo hier? In Berlin allgemein?“

„Ja …“

„Nee, da müssten wir schon bis nach außerhalb fahren …“

„Haha, netter Versuch!“

„Danke.“

Und: Nein, das war nicht ernst gemeint. Der Fahrgast war von Anfang an lustig drauf und hat rumgescherzt. Da kann man sowas mal bringen. 🙂