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„Würdest Du mich zum U-Bahnhof Hermannstraße bringen?“

„Sicher doch.“

„Ich hab nämlich keinen Bock, bis ganz da hoch zu laufen …“

Und zumindest bis zum ersten Taxi am Ostbahnhof hätte er tatsächlich noch ein Stückchen zu laufen gehabt, denn er winkte mich noch hinter der letzten Rücke ran. Ich war noch in freier Fahrt, durch die Nähe zur Halte hatte ich aber eher erwartet, er suche jemanden, der sich erbarmt, ihn für eine Kurzstrecke mitzunehmen. Um ehrlich zu sein: So war mir das noch lieber. Mir passte das nicht nur so gut, wie zahlende Kundschaft natürlich immer passt, es war einfach ein Tag mit elendig langen Wartezeiten. Und er war nun meine dritte Tour in Folge. Und außerdem der Garant für die 50 €, die ich auf jeden Fall in ein paar möglichst wenigen auf der Straße einfahren wollte. Es ist schön, dass ich mir Donnerstags nur den halben Umsatz einfahren muss, aber noch schöner ist, wenn ich dazu nicht Vollzeit zu arbeiten habe.

Zumal mir meine Coffees fehlten. Neue sind zwar bestellt, aber die DHL ist mit der Transparenz ja noch nicht so weit. Ich schätze, es war ein Update, das die Packstation außer Gefecht setzte und diesen Ladebalken anzeigte, als wir es ein paar Stunden zuvor abholen wollten. Gesagt hat das niemand, der Bildschirm versprach eine Verfügbarkeit binnen „weniger Minuten“. Offenbar sind „wenige“ mehr als zehn, denn so lange sind Ozie und ich in der Gegend rumgestanden und haben Maulaffen feilgehalten. Wäre es wenigstens ein Ladebalken gewesen, der ein ersichtliches Ende gehabt hätte – oder wäre erkennbar gewesen, ob das mit den wenigen Minuten da vielleicht schon seit einer Stunde steht … muss man ja nicht machen. War sowieso unwahrscheinlich, dass ausgerechnet jetzt jemand ein Paket abholen will, nach 19 Uhr! -.-

Aber egal, wach genug für die Tour war ich dann schon noch. Mein Fahrgast quasselte und quasselte auf erfrischend normale Art, insbesondere übers Taxifahren. Von einem Kollegen, der – auf die fünfte Ehe angesprochen – gesagt haben soll, er hätte ja schließlich auch die Autos immer mal wieder gewechselt und und und …
Ich mag es, wenn Fahrten so schnell vorübergehen. Am Ende standen wir da, ausgelassen, wieder wach und am Ziel. Da wollte er dann nochmal was wissen:

„Sag mal, kann es sein, dass am Wochenende nachts die Fahrten teurer sind?“

„Nee, definitiv nicht. Also klar, um ein paar Cent kann es mal schwanken …“

„Aber jetzt gleiche Strecke …“

„Nicht mehr als ein paar Cent. So genau sind die Taxameter auch nicht.“

„Ich hab irgendwie das Gefühl, am Wochenende kostet’s immer ein paar Euro mehr.“

„Das dürfte nicht sein.“

„OK, dann war ich wohl einfach zu betrunken.“

„Das wäre auch ein Lösungsansatz.“ 🙂

… oder er hatte mal einen dieser speziellen „Kollegen“ erwischt. Mein Preis war ihm – trotz neuem Tarif  – offenbar nicht zu hoch, denn er verabschiedete mich freundlich und mit Handschlag, Trinkgeld und stellte in Aussicht, dass wir uns vielleicht mal wiedersehen würden.

„Wie war nochmal dein Name?“

„Sascha.“

„Sascha? Hat mich gefreut, Sascha. Ich bin Umut.“

Hat mich auch gefreut. Und hoffentlich bis bald, Umut! Allerdings erst nach der nächsten Coffee, ich schlafe hier am Schreibtisch gerade sprichwörtlio117389n ioi1öioöääääääääääääääääääää

Drucksache

Ich wollte hier mal vor Ort Bescheid sagen, dass es nun wohl quasi zu 100% sicher ist: Es wird ein Taxibuch von mir geben. Daran schreiben tue ich ohnehin seit Monaten immer mal wieder, eine Literaturagentur und interessierte Verlage gibt es auch bereits seit einer Weile. Auf der anderen Seite ist das zum einen für mich alles Neuland, zum anderen sind zahlreiche Verlage auch wieder abgesprungen, weil Taxibücher in der Vergangenheit eher nicht so der Renner waren. Kann ich auch verstehen.

Aber demnächst ist es dann so weit. Es gibt einen sympathischen und interessierten Verlag, die Rahmenbedingungen für einen Buchvertrag sind zwischen ihm, meiner Agentur und mir soweit ausverhandelt, so dass es im Grunde nur noch einer letztendlichen Unterzeichnung bedarf. Und dem Fertigschreiben des Buches, das ist klar. 😉

So lange das nicht unter Dach und Fach ist, werde ich keine Details posten und zum Teil auch nicht einmal können. Aber so langsam wird es wahrscheinlich, dass im Frühjahr nächsten Jahres ein Buch mit den besten Stories aus dem Taxi (und damit auch aus dem Blog hier) auf dem Markt sein wird.

Ich freue mich. 🙂

So, Taxigeschichten gibt es morgen wieder. Ich muss mir nämlich erst einmal welche erarbeiten …

Fleckige Westen

„Wohin darf es gehen?“

„Ich müsste nach Kaulsdorf, das ist, die, die, immer die B1 runter …“

„Ja, ich weiß, danke.“

„Oh, Entschuldigung, natürlich!“

„Nein, alles in Ordnung. Glauben Sie mir, auf meiner Karte im Kopf sind noch genug weiße Flecken.“

„Haha, naja, so lange Sie eine weiße Weste haben.“

„Sagen wir es so: Ich wurde nie erwischt …“

Bei manchen Fahrgästen ist das Eis schneller gebrochen als bei anderen. 🙂

Auch mal meckern!

Weil muss.

Ich habe inzwischen mehrere vergnügliche Unterhaltungen mit meiner Kundschaft gehabt und bin auch hier und da schon einen Umweg gefahren deswegen. Eigentlich gibt es also keinen Grund, sauer zu sein auf den Umstand, der das verursacht. Ich find’s trotzdem angebracht.

Es geht um die Ampelschaltung am Kotti.

Ich weiß nicht, ob die übergangsweise so ist, oder ob das so bleiben soll. Meiner Kundschaft gegenüber sage ich inzwischen wortwörtlich:

„Die Schaltung ist so scheiße, das müssen Sie gesehen haben!“

Und mit einem Fahrgast habe ich sogar zu erörtern versucht, ob das vielleicht nicht sogar ein Kunstprojekt ist.

Klar, Ampelschaltungen sind mal doof. Lässt sich auch nicht immer vermeiden. Aber zumindest wenn man Abends von der Adalbertstraße kommend durch den Kreisverkehr will, ist das nicht zu fassen. Zunächst steht man an der ersten Ampel mitunter mehrere Phasen, weil beim besten Willen vier, im Normalfall höchstens drei Autos durchkommen. Wenn es sich irgendwo um 22 Uhr staut, kann das nicht normal sein. Die nächste Ampel, keine 20 Meter entfernt, schaltet auf rot, 2 Sekunden bevor man bei der vorherigen grün bekommt. Dort steht man also garantiert. Um die dritte Ampel dann bei grün zu erreichen, sollte man schon sportlich fahren. Dann schaffen es auch zwei oder drei Fahrzeuge, aber wenn einer nicht Ampelduell-erprobt ist, steht man wieder garantiert. Man kann für die vielleicht 70 Meter bei nur ein paar Autos vor einem durchaus mal 5 Minuten brauchen, das ist keine Übertreibung.

Nun ist alles gut, so lange man – wie ich im Normalfall – nach Süden Richtung Neukölln will. Dann hat man eine grüne Rechtsabbieger-Ampel. Die paar armen Gesellen, die auf die Skalitzer Richtung Schlesisches Tor wollen, müssen allerdings noch einen Stopp einplanen, denn eigentlich schaltet diese Ampel auch auf rot, bevor die vorherige grün gibt.

Gut, vielleicht ging es nur so, damit es bei den anderen Fahrtrichtungen gut läuft. Vielleicht ist das eine Art Verkehrsberuhigung oder ja tatsächlich Kunst. Und ja, es gibt Möglichkeiten, den Platz (zumindest in dieser Richtung) zu umfahren. Ich als Taxifahrer sollte aber genau das ja eigentlich nicht machen. Und auch wenn es im Wesentlichen natürlich kein Problem ist, die Kundschaft zu fragen, so bleiben dann doch zumindest jene unangenehme Gesellen, die hinter der Frage eine Lüge vermuten, um auf dem Umweg mehr Geld zu verdienen.

Also wenn ich einen Wunsch äußern dürfte, was am kommenden ersten Mai am Kotti abgefackelt werden soll … 😉

Weite Strecke?

So fragte er mich:

„Weite Strecke?“

„Wie meinen Sie: weite Strecke?“

„Na hier, mit dem Coupon. Ist ’ne etwas längere Fahrt …“

Na und ob das OK ist! 😀

Eine Ahnung davon, wie weit es gehen würde, hatte ich nicht, aber es war früh am Abend und ein Fuffi extra hätte umgehend Feierabend bedeutet. Der Name seines Dorfes sagte mir nichts, aber er nannte mir gleich mal die Autobahn, woraufhin ich losfuhr und beschloss, das Navi erst irgendwann unterwegs zu programmieren.

„Und wie weit ist das etwa?“

fragte ich, was ungewohnt war, weil ja meist ich den Kunden sage, wie weit ihr Weg ist.

„Das kann ich ihnen ziemlich genau sagen: Das sind so 125 Kilometer.“

Ja, fick doch die Henne! finde mal einen Satz ohne Ausdrücke für so einen Glücksfall!

Ich hab dann gleich eingewandt, dass ich bei so einer Distanz durchaus noch was auf den Taxameterpreis aufschlagen müsste, weil überhaupt und sowieso.

„Ja, das wird schon kein Problem sein. Da machen die nicht rum bei sowas. Personenunfall. Hab einen totgefahr’n.“

BÄM. Ich hatte schon viele Sätze im Taxi, die wie ein Schlag ins Gesicht waren, aber das war wirklich einer der ganz besonderen. Wobei ich das nicht negativ meine. Wie oft denkt man bei diesen Verspätungen wegen „Personenschaden“ über das nach, was passiert ist! Und wie sprichwörtlich ist der Lokführer, der dann am meisten darunter zu leiden hat, wenn man auf diese Art seinem Leben ein Ende setzt!

Und ich hatte einen im Auto, mit dem ich mich mehr als eine Stunde unterhalten konnte.

Ich habe viel gelernt dabei. Über die Bahn, über das südliche Berliner Umland und auch über das, was da wohl passiert ist. Ich werde nicht ins Detail gehen, das geht in diesem Fall nicht. Werther-Effekt* und so. Nicht wegen der Person meines Fahrgastes. Der hat das alles zumindest scheinbar gut weggesteckt. Ein Pragmatiker, wie ich es auch gerne mal bin.

„Der wollte das.“

„Hmm, da kann man nix machen, oder?“

„Ach was!“

Ich weiß bis jetzt nicht, ob ich mich mehr über das äußerst interessante Gespräch oder die Tatsache, dass die Schicht damit 300% des erwarteten Umsatzes gebracht hat, freue. Oder gar darüber, dass auch mein beim Verlassen des Hauses am Abend spontan beschlossenes Schichtziel unerwartet in Erfüllung gegangen ist. Da hatte ich nämlich festgestellt, dass es eine herrlich sternenklare Nacht werden würde und ich wollte unbedingt mal wieder einen nicht-Berliner Sternenhimmel betrachten. Also einen ohne (allzu viel) Lichtverschmutzung. Und ich bin ein paar Kilometer vom Fahrtziel entfernt dazu gekommen, bei einer Kippen- und Pinkelpause.

So traurig der Anlass der Fahrt und damit des Blogeintrages war, so angenehm war es für mich gestern. Selbst das, wenn sonst alles gut geht obligatorische, 20-minütige Frieren an der Bahnhaltestelle hat mir die Laune nicht verderben können.

Das Leben ist zu schön, um sich vor Züge zu schmeißen, ehrlich!

*Falls jemand jetzt nach dem Lesen das Gefühl hat, Suizid könnte eine Lösung sein: Ich bin mir sicher, dass es das nicht ist! Mal davon abgesehen, dass auch der o.g. zusammengerechnet ein Vierteljahr Lebenszeit anderer Menschen gekostet hat, die nichts damit zu tun hatten, gibt es doch andere Möglichkeiten. Hier findet sich ein reichhaltiges Angebot an Hilfe, noch dazu im lustigen 90er-Jahre-Webdesign. Sollte man sich schon deswegen mal angesehen haben. 😉

Freude

„… dann nehmen Sie sich bitte 25 € ab und ich freue mich einfach, dass ich mit Ihnen mitfahren durfte.“

Manchmal ist das Trinkgeld gar nicht die wirkliche Belohnung. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Die kleinen Pannen …

Was halt so passiert, wenn der Tarif geändert wird.

Ich will jetzt gar nicht davon erzählen, dass meine Chefs … obwohl, könnte ich schon. 🙂

Ihr wisst, dass ich meine Chefs sehr mag und das jetzt passt mir nur gerade vom Thema her. Soll keine böse Kritik sein. Im Großen und Ganzen ist mit der Tarifumstellung alles gut gelaufen, aber bei allem Trara ist eine kleine Bestellung untergegangen. Und zwar die der Aufkleber für die linke Türe, auf denen die Taxitarife in Kurzform stehen. Will heißen: Derzeit fahre ich noch mit einem eigentlich ungültigen durch die Gegend. In dem Fall bin ich mir aber sicher, dass nicht ich das Bußgeld bezahlen würde, falls nach jahrelanger Abstinenz mal irgendwer auf die Idee kommt, Taxen auf sowas hin zu kontrollieren. 😉

Aber eigentlich wollte ich von einem Kunden erzählen. Ein junger Kerl, sogar noch halbwegs fähig zu laufen. Diese Fähigkeit einzusetzen hatte er nach dem Abend allerdings nicht mehr im Sinn und er nahm – wie wohl öfter mal – ein Taxi nach Hause. Das Zuhause lag nicht weit weg, genau genommen vielleicht 500 Meter Luftlinie vom Ostbahnhof. Da allerdings Parkplätze, Höhenunterschiede, Hausmauern und nicht zuletzt die Spree gewisse Hürden sind, ist der Weg im Taxi über einen Kilometer lang gewesen.

Ich sattelte also die paar halblebigen Pferde unter der Motorhaube der 72 und fuhr nicht übermäßig glücklich los. Ihr wisst, ich lasse das keinen Kunden merken, aber natürlich möchte man als Taxifahrer nach fast einer Stunde Wartezeit gerne mehr als 5 € Umsatz. Gab es jetzt, Tariferhöhung sei Dank, quasi auch. 5,40 € standen auf der Uhr und das war natürlich etwas, womit mein Fahrgast nicht gerechnet hatte. Als offenbar häufiger Nutzer hatte er das Geld – inklusive Trinkgeld – gleich zu Beginn der Fahrt abgezählt. Kann ich gut verstehen, mache ich mehr oder weniger auch so, wenn ich eine mir halbwegs bekannte Strecke fahre.

Nun ist sein Trinkgeld halt keines der Oberklasse gewesen, gemeinhin bezahlte er wohl die 5 € mit 5,50 €. Das sind die durchschnittlichen 10%, fasst das nicht als Meckerei meinerseits auf! Aber bei 40 Cent Preiserhöhung blieben dann halt nur noch 10 Cent übrig, was ihm sichtlich unangenehm war. Aber er hat’s sportlich genommen und sich nicht etwa geärgert, sondern mir sein letztes verbliebenes Rotgeld vermacht.

„Is‘ leider nur noch Bronze, sorry!“

Witziger Nebeneffekt: Bei dieser Tour hat mir persönlich die Tariferhöhung gar nix gebracht. Ich hatte zwar von den 40 Cent mehr auf der Uhr 18 Cent mehr brutto, dafür aber ein um ca. 20 Cent geringeres Trinkgeld. Ich hoffe, meine Chefs investieren ihre paar gewonnenen Cent sinnvoll. Ein Aufkleber mit den aktuellen Tarifen wäre z.B. eine gute Idee. 😀