Kurzstrecke bei Sarah

Mich hat diese liebe Mail erreicht:

Hallo lieber Sash,

Ich lese seit einiger Zeit in deinem Blog mit und finde ihn richtig unterhaltsam.
Ich weis nicht ob du mit meiner kurzen, dürftigen Geschichte was anfangen kannst, aber letztens beschloss auch ich (wenn man schon immer von Taxifahrten liest) mal wieder diesen Dienst in Anspruch zu nehmen.
Bei uns in Linz (Österreich) gibt es keine Kurzstrecke – jedenfalls wollte ich mir nicht die Blöße geben, nach etwas zu fragen was es höchstwarscheinlich nicht gibt – und stieg einfach ein und fuhren los. Als wir dann ein paar Minuten später am Ziel angekommen waren, stellte der Fahrer fest das er ganz vergessen hatte das Taxameter zurückzustellen, denn die 7,90 stammten noch von seiner letzten Fahrt. Mir war dann irgendwie ungut. Er meinte allerdings 4 Euro würden schon ausreichen. Ich fand das ziemlich nett und gab ihm darum 5,- geradeaus.
Letztendlich bin ich, abgesehen vom Trinkgeld, ja doch noch zu so etwas wie einem Kurzstreckentarif gefahren;)

Liebe Grüße,
Sarah

Kurzstrecke ist ein wirklich seltener Tarif bei Taxen. Ich hab zwar mal gerüchteweise gehört, in irgendeiner anderen (deutschen) Stadt gäbe es das auch noch, hab aber nie eine Bestätigung gefunden.

Ansonsten: Tja, da hast Du wohl Glück gehabt. Legal war das zwar in dem Sinne nicht – aber wenigstens kulant gelöst. Ich für meinen Teil finde das in Ordnung. Wobei sich mir die Frage stellt: 7,90 € standen schon auf der Uhr – das ist ja nun nicht eben viel. War das NACH Deiner Fahrt der Endpreis?

Sollte das nämlich so sein, dann hieße das, die Uhr wäre vorher also höchstens für die Hälfte des Betrags (und das mit Wartezeit!) gelaufen – was irgendwie den Verdacht erweckt, dass da irgendwas doch nicht ganz koscher war. Ich wäre mal interessiert an einer (Google?-)Maps-Ansicht der Fahrt in Kombination mit dem Taxitarif …

Eine besondere Logik

muss wohl meine Kundin bei der Bezahlung befolgen. Sie begegnete der Preisansage über 6,60 € mit folgendem Satz:

„Schreiben se mal 7,20 €.“

Über die Quittung das Trinkgeld anzusagen, machen viele. Nichts besonderes. Gut, 7,20 € sind schon reichlich seltsam, wenngleich offenbar ziemlich an den 10% orientiert, die man so gemeinhin als Durchschnitt erachten kann. Gibt ja solche speziellen Leute, was will man machen. Aus irgendeinem Grund nimmt man das Kleingeld ja schließlich mit. Der Clou kommt aber erst noch. Sie reichte mir daraufhin einen Zehner und meinte:

„Geben Sie mir einfach zwei zurück.“

Ich hab mich nicht getraut, nachzufragen – aber ich habe meine Zweifel, ob das in irgendeiner Form Sinn ergibt … 🙂

Wollte erwähnt werden …

Einfach so mit Betteln kommt man ja nicht unbedingt zur Ehre, hier einen eigenen Blogartikel gewidmet zu bekommen. Mein Fahrgast, der nebst Begleitung vom Ostbahnhof nach Prenzlauer Berg wollte, hat es sich dennoch verdient.

Zunächst habe ich mich über die Kombination der beiden amüsiert. Etwa in meinem Alter, beide mit Alkoholika bewaffnet, er allerdings stark im Vorsprung, was deren Konsum angeht. Und das rate ich jetzt nicht einfach so, er bekannte sich dazu, „seit 24 Stunden besoffen“ zu sein. Kein Wunder, dass die beiden sich am Bahnhof eine halbe Stunde suchen mussten. Niedlich daran war, dass sie das nicht abschreckte, sondern amüsierte.

Dass die Fahrt einen Eintrag wert sein würde, war mir klar, als er meinte:

„Und die ham mich beim Kater Holzig nicht reingelassen – obwohl ich total besoffen war!“

Das wäre eine nette kleine Randnotiz geworden, mein Mitreisender erwies sich aber als äußerst gesprächig und wissbegierig, so dass ich irgendwann auch sagte, dass ich schreiben würde. Während seine Freundin offenbar von Fremdscham geschüttelt wurde, bemerkte er zielsicher, dass diese Fahrt ja wohl alles andere als besonders sei:

„Wir sind hier noch voll auf der Base-line, keine Sorge!“

Er hangelte sich von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, erzählte seiner Begleiterin z.B. munter, dass er mit einer anderen gerade was am Laufen hätte. Höhepunkt dieser thematischen Ausschweifung war zweifelsohne:

„Ja und – was ist das jetzt mit euch beiden?“

„Weiß ich auch nicht. Sie ist heute morgen nach Bayern geflogen …“

Er erkundigte sich nach so lebenswichtigen Dingen, wie z.B. ob ich desöfteren kopulierende Pärchen im Auto hatte und unterstellte mir irgendwann, ich hätte es eigentlich eher mit Technik und Programmieren, weil ich die ungewöhnliche Vokabel „Zielangabe“ benutzt habe. Ähm ja. Die gewünschte Straße erreichten wir, während er wie wild durchs Auto gröhlte, dass ich der größte Nerd aller Zeiten wäre und er jetzt doch hoffentlich Erwähnung finden würde. Ich bestätigte das, im Kopf die Zitate sortierend, was er mir allerdings nur wenig glaubte.
Seiner Mitfahrerin öffnete ich die Tür und meinte:

„Sorry, hier ist die Kindersicherung drin – heute hätte ich es auch lieber andersrum gemacht …“

und da stand er auch schon neben mir und meinte, er „bessahle jetzn Taxi!“. Er rundete die aalglatten 12 Euro auf 14 auf, hatte dann aber sichtbar Sorge, es so doch nicht in den Blog zu schaffen – also bekam ich doch 15. 🙂

Dann wollte er gehen. Ich bin einfach mal stehengeblieben, weil mir klar war, dass noch ein kleines Detail zu der ganzen Sache fehlte. Und siehe da: Er kam wieder.

„Sachma, wenn Du dann da was schreibst und so: Wie krieg ich das dann mit? Willste mir eine Mail schreiben oder …“

„Nee Du, da musste schon selbst mal auf’m Blog nachsehen.“

„Ja, ähm, und … wie is denn die Adresse?“

Ich hab mich dann an sie gewandt und gemeint:

„Merken Sie es sich besser: gestern-nacht-im-taxi.de – oder einfach „gestern nacht taxi“ googeln. Findet man problemlos!“

Das Thema war damit geklärt. Er indes wollte nochmal ganz auf Nummer sicher gehen:

„Aber dass wir zwei hier hinten Geschlechtsverkehr hatten, haste mitgekriegt, ja?“

Herzlich willkommen bei GNIT!

Ungenaue Zielangaben

Im Grunde gibt es nichts, was sich besser auswirkt auf meinen Geldbeutel, als der ein oder andere schlecht orientierte Kunde. Ich fahre ja nach wie vor die kürzeste Strecke bei meinen Touren. Sicher, auf 100 Meter nehme ich das nicht zwingend genau, wenn es eine längere Fahrt ist, die Bequemlichkeit spielt insbesondere bei mancher Kopfsteinpflaster-Abkürzung auch mal eine Rolle. Aber ich bemühe mich. Im Zweifelsfall nehme ich halt das Navi.

Unter den Fahrgästen gibt es aber immer wieder welche, die es mit der Zielansage nicht so genau nehmen und nur so ungefähr einen Stadtteil, einen Kiez oder eine Straße nennen, großzügig garniert mit einem „Das zeig ich ihnen, kein Problem!“. Das führt mitunter zu allem anderen als der kürzesten Route. Vom vergangenen Wochenende habe ich gleich zwei anzubieten:

Nicht ganz so eindeutig (da die Oberbaumbrücke gesperrt ist), aber immer noch eine Erwähnung wert ist auch folgende Strecke, bei der ich durchaus noch einiges hätte rausholen können, wäre als Zielpunkt nicht nur etwas grob „Treptow“ benannt worden:

Ich werde natürlich den Teufel tun und mich darüber beschweren. Ein bisschen amüsiert aber hinterlässt mich das stets … 🙂

Baecker, Hans (8)

So lange es nicht auf seine Person gemünzt war, konnte Hans Baecker sogar ausschweifend über das Heim erzählen. Er wäre da übergangsweise gewesen, weil seine Frau im Krankenhaus sei. Nun wäre sie aber wieder raus und ohnehin: warum wir sie nicht einfach rausklingeln würden!?

Die Polizistin forderte die Personendaten der Frau an, wandte sich kurz darauf aber ab. Nicht ohne Grund, wie alle außer Hans Baecker wussten:

„Gar nichts? Hatte ich befürchtet. Prüf bitte auch mal die Sterbedaten.“

Die Stimmung auf dem Gehweg war angespannt. Außer bei dem alten Herrn. Der versuchte inzwischen abermals, sein blaues Schlüsselband mit dem Schlüssel zur Wohnung zu finden. Wenngleich eigentlich recht leise und gefasst ausgesprochen, zerschnitt die Stimme der jungen Beamtin am Funkgerät die Nacht:

„Aha, 27.6.2008. Verstehe. Danke.“

Alle Blicke richteten sich auf Herr Baecker, der immer noch verzweifelt mit seiner Umhängetasche kämpfte. Dass die Beamten und die Sanis ihm klarzumachen versuchten, dass seine Frau seit 4 Jahren tot ist, hat Hans nicht mitbekommen, bzw. nicht wahrhaben wollen. Er dementierte lautstark und fragte aggressiv in die Runde, ob man ihn für blöd verkaufen wolle.

Während der Sympathiebolzen von Sani stöhnte, dass es damit „wohl doch eine Fahrt für uns“ sei, blickte mich die überschminkte Beamtin an und fragte, was der gute Mann mir denn schulden würde. Ich antwortete wahrheitsgemäß mit „rund 35 €“, was bei ihr eine gewisse Bestürzung hervorrief. Sie schien zu verstehen, dass das in meinem Universum eine Menge Geld ist.
Am Ende legte sie mir das eigentlich undenkbare nahe: dass ich gegen Hans Baecker Strafanzeige erstatte.

Und ich habe es getan.

Allerdings nach reiflicher Überlegung.

Natürlich will ich diesem armen alten Mann nichts böses – ich bin überzeugt davon, dass er mir ebensolches gleichfalls ersparen wollte. Er bat z.B. immer wieder zwischendrin, ich möge ihm doch meine Adresse geben, damit er das Geld bezahlen könne. Nein, miese Absichten hatte der Kerl nach wie vor nicht! Und er hat schon mehr gelitten als ich es hoffentlich je muss!
Auf der anderen Seite wird ihn diese Anzeige persönlich kaum treffen (es geht ja auch um nichts, wofür er ewig in den Knast müsste), ich hoffe nur darauf, dass er einen Betreuer oder dergleichen hat, der mir mein Geld erstattet, sobald der Brief eingeht.

Sollte dem nicht so sein, dann werde ich selbstverständlich wahrheitsgemäß bestätigen, dass der alte Mann – der in meinen Augen während der Fahrt kein bisschen verwirrt wirkte – im Grunde unzurechnungsfähig war.

Ich hätte ihn sogar – wenn mir eine Aufnahme dort garantiert worden wäre – selbst zum Heim gebracht. Unentgeltlich. Denn – so bitter für mich die nunmehr verkackte Samstagsschicht war – mehr als meine finanziellen Probleme gerade hat mich fertig gemacht, was die Beamtin zu mir sagte, als sie mir meinen Ausweis wieder aushändigte:

„Es war ja schon mal sehr nett, dass sie überhaupt angerufen haben …“

Ach ja? War es das? War es nicht einfach nur selbstverständlich?

Bevor ich heimgefahren bin, habe ich zwei Sekunden Zeit aufgewendet, um das wirklich allerallernötigste zu tun: Herrn Hans Baecker alles Gute zu wünschen. Und ich habe die Befürchtung, damit an diesem Abend alleine gewesen zu sein. Leider. 🙁

Baecker, Hans (7)

Ich bin zackige Ansagen von Sanitätern gewohnt. Im Gegensatz zu mir haben die noch öfter mit renitentem Publikum zu tun, da muss das manchmal sein. Der eine nun anwesende war für meinen Geschmack allerdings ein bisschen zu heftig. Er hat nichts schlimmes angestellt, aber meiner Meinung nach hat der dem armen Herrn Baecker etwas zu deutlich mitgeteilt, dass er ihn für bekloppt hält. Er hätte sich z.B. in dessen Beisein nicht an seinen Kollegen wenden müssen und sagen:

„Hab ich doch gesagt: Alles südlich der Bornholmer ist scheiße!“

Zumal der Baecker nach wie vor ein Vorzeige-Patient war und allen Anweisungen geduldig Folge leistete.

Auch die Sanis stellten schnell fest, dass an der Wohnung nicht der Name Baecker stand, mich hat es ein wenig verwundert, dass ich sie auf die Idee bringen musste, dass der arme Tropf offenbar eher aus einem Heim abgehauen ist und hier früher mal gewohnt hat. Allzu aufwändig war dieser Gedankensprung ja nun nicht mehr.

Recht schnell war nun aber klar: Die Cops müssen her. Der unsympathische Sanitäter hat zwar auch mal schnell die Tasche meines Kunden durchforstet und dort ein Schreiben einer Krankenkasse gefunden, das für Herrn Baecker, Hans eine andere Anschrift auswies, alleine eine Bestätigung fehlte noch.

Der kleine Mann wurde mehr oder minder gezwungen (durchaus zu seinem Nutzen!), auf einer Fensterbank zu verharren und Ruhe zu bewahren, bis die Cops anrückten. Einmal mehr flutete das zuckende Blaulicht die kleine Straße, abermals zogen Nachbarn die Vorhänge zu. Zwei Beamte sprangen schnell aus dem Wagen und eilten auf den Rettungswagen zu. Wir – am Straßenrand – lotsten sie zu uns und gaben ihnen unsere Vermutung weiter. Keine Minute später krächzte das Funkgerät der jungen Polizistin ein paar Daten zu Baecker, Hans. Inklusive seiner Adresse. Die am Friedrichshain sein sollte.

In meinen Augen war es zwar nur die Bestätigung des offensichtlichen – alle anderen nahmen scheinbar überrascht zur Kenntnis, dass es sich um ein Heim handelte …

(Geht noch bis 12 Uhr weiter …)

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Baecker, Hans (6)

Hans Baecker – mit ae! – stürmte ungeahnt geschwind die zwei Treppen empor und begann ungeachtet der Uhrzeit Sturm zu klingeln. Ich folgte ihm, inzwischen eher missmutig und ihn beschwichtigend, dann empfahl ich ihm – nachdem die Türe verschlossen blieb – doch einfach mal die Polizei zu holen.

„Wat, wieso das denn?“

„Na, Sie kommen hier ja offensichtlich nicht rein …“

„Ach, meine Frau! Die hat immer so panische Angst, wennse alleene is … SUSANNE!!! MACH UFF!!! ICK BIN’S!“

Ich hatte natürlich ganz andere Gedanken. Ich habe ein wenig mit mir gerungen, aber nach einigen Minuten kam er wieder herunter, zitterte und keuchte sich über den Bordstein, hielt sich an einem der parkenden Autos fest und stammelte:

„Ick, ick, det is zuviel. Ick krieg hier gleich ’ne Herzattacke!“

Das reichte mir als Vorwand! Ich bat den alten Mann in mein Auto, stellte ihm die etwas andauernde Aufgabe, ganz in Ruhe nochmal seine Tasche nach seinem Schlüssel zu durchsuchen und wählte die 110. Ich nannte der Stimme am anderen Ende, dass ich hier – Kanzowstraße 8 – einen eventuell verwirrten, zumindest aber hilflosen Passagier hätte. Und dass er vielleicht Herzprobleme hätte. Sie sagten mir Unterstützung zu und ich begann zu warten. Inzwischen klingelte Herr Baecker noch einmal Sturm, durchsuchte seine Taschen, verzweifelte mehr und mehr, zitterte am ganzen Körper – alleine weitergekommen sind wir nicht.

Kurz darauf – natürlich nach viel längerer Wartezeit als mir lieb war – erleuchtete Blaulicht die ganze Straße. Zwei Sanitäter rückten mit dem RTW an, mäßig motiviert. Ich klärte mit den beiden kurz die Situation, wir gingen dann alle hinauf, um uns des Mannes anzunehmen, der abermals an seiner vermeintlichen Wohnungstür um 5 Uhr morgens läutete.

So optimistisch ich bisher auch gewesen war: Die Uhr hatte ich kurz nach dem Notruf ausgemacht, mein Geld hatte ich abgeschrieben. Fortan galt es nur noch, Herrn Baecker heil nach Hause – wo immer das war – zu bringen.

(Wer bis jetzt nicht geschlafen hat, sollte das dringend tun. Die Fortsetzung kommt erst um 8 Uhr.)