Das sei sie: Polish.
Ich nahm sie argwöhnisch unter die Lupe und so wurde mir schnell klar, dass sie ihre Sprache meinte und sich nicht für ein Poliermittel hielt – was mich zwar irgendwie gewundert hätte, aber immerhin roch sie so ähnlich.
Ich will ehrlich sein: Ich wollte diese Tour nicht unbedingt haben. Die Dämmerung nagte bereits an der Nacht und ich war eigentlich auf dem Heimweg. Also genau genommen war ich eher schon da, magere 500 Meter hätten mich noch von meinem Feierabend nach über 10 Stunden auf der Straße getrennt. Aber so läuft es nunmal, dieses Spielchen: Ich beschließe irgendwann, Feierabend zu machen und auf dem Weg noch alle mitzunehmen, die mir vors Auto laufen. In einer Samstagsschicht kann das auch mal ausarten.
Aber wo sollte es eigentlich hingehen?
„Gas Station. I need Cigarettes! Muss gehen zu Breslau. Weiß nicht wenn Bus.“
Ganz klassisch: Je schlechter man sich verständigen kann, desto mehr wird gequasselt. Zunächst habe ich also den Rückweg angetreten um an der Storkower Straße eine meiner Stammtankstellen zu besuchen. Dort angekommen wusste ich immerhin schon mal so grob Bescheid: Sie muss nach Breslau. Glücklicherweise nicht mit dem Taxi. Da hätte ich nicht nur meinem Tagfahrer die Schicht weggenommen, es wäre auch weder gesetzlich noch moralisch zu rechtfertigen gewesen, diese Tour noch zu machen. Sie aber sucht einen Bus nach Breslau. Oder einen Zug. Eilig war es auch nicht, sie wollte erst rund 24 Stunden später fahren. Nach der Tankstelle sei aber erst eine Bank an der Reihe, sie hätte nämlich nur schwedische Kronen in nennenswertem Umfang zu bieten.
Aha.
Immerhin: Die Blogbarkeit dieser Tour war zu keiner Sekunde zweifelbehaftet 🙂
Gegen meinen Willen brachte sie nach ca. 5 Minuten Wartezeit einen Kaffee mit – so ganz rausgefunden, ob er für mich oder uns beide gedacht war, hab ich nie. Ich hab ihr zuliebe zweimal daran genippt, ansonsten angsterfüllt zugesehen, wie sie den Becher ohne Deckel im Auto umherbalanciert hat. Bitte jetzt kein umgekippter Kaffee!
„Hab getrunken zuviel Whiskey!“
Beruhigend.
Ich hab mir nebenher ausgemalt, was ich mit ihr machen würde. Das Ergebnis meiner Überlegungen: Der Ostbahnhof. Bei weitem der naheliegendste Fernbahnhof mit immerhin auch ein paar Buslinien. Schnelles Googeln auf dem Handy ergab zwar nichts sinnvolles für die Verbindung Berlin-Breslau, da jedoch Zeit war, hielt ich das für keine schlechte Idee. Mal abgesehen davon, dass ich gar keine Lust mehr hatte, noch zum Hauptbahnhof oder gar zum ZOB zu fahren: Wenn Zeit kein Kriterium ist, dann muss man ja auch keine übel teure Taxifahrt durch die Stadt anleihern, wenn ohnehin eine S-Bahn fährt.
Und sie blieb dabei, dass sie Montags nach Breslau wollte. Und deswegen Sonntags um 6:15 Uhr im Taxi in Berlin sitzt.
Am Bersarinplatz war dann die Sparkasse an der Reihe. Ich hab unauffällig hier und da was von dem Kaffee verschüttet, der einfach zu heiß zum Trinken und zu gefährlich zum Transportieren war. Eigentlich hoffte ich ja auf ein paar Züge einer Zigarette, während sie in der Bank zu Gange war. Fehlanzeige: Zunächst wollte sie natürlich auch eine rauchen, was wenigstens bezahlte Pause bedeutete – dann aber musste ich natürlich mitkommen, da
„Cash Machine is not polish. Verstehe nix.“
Na gut, man hilft ja, wo man kann. Am Automaten hab ich ihr dann davon abgeraten, eine dort rumstehende angebrochene Spirituosenflasche zu testen, nicht nur aus Prinzip oder weil meine Kundin ohnehin angeschlagen war, sondern weil es ein aus Hollywood-Filmen antrainierter Verteidigungsmechanismus ist, niemals geöffnete Flaschen mit gelber Flüssigkeit anzurühren.
Und schon gar nicht, wenn sie Sonntag morgens auf einem Geldautomaten stehen…
Ich hab sie dann durch das englische Menü am Automaten geführt und versucht, ihr näherzubringen, dass sie nur 2 Nullen eintippen muss, wenn sie 200 € abheben will. Hat auch geklappt. Auch das mit der PIN ging gut, wir haben die Bank ohne Flasche, dafür mit Geld und Karte wieder verlassen. Inzwischen wusste ich auch über Ehestreitigkeiten, veruntreuende Finanzverwalter ihrer Firma und lauter so Sachen Bescheid, kurz: Ich war heilfroh, aus der Sache bald raus zu sein.
Nach einer kaum 5 Minuten dauernden Suchaktion der Euroscheine zwischen den ganzen Kronen habe ich sie dann mit einem Verweis auf den Service-Point für ihre weitere Suche entlassen. Und es gerade noch so rechtzeitig zum Arbeitsantritt meines Tagfahrers zum Abstellplatz geschafft. Am Ende war ich zwar müde und geschafft, irgendwie aber auch froh, nicht mit ihr tauschen zu müssen…
Ich stelle mir gerade den Gesichtsausdruck von ihr vor, hätte sie dich nicht hereingerufen und an der Flasche genippt…
Die Strecke wird vom BerlinLinienBus mehrmals pro Woche bedient und startet am ZOB. Sie hätte lediglich noch rund 24h warten müssen, aber eventuell wollte sie die ja mit Dir verbringen?
Frustriert davon dass es mit dem Whiskey bis zur Alkoholvergiftung nicht gereicht hat, versucht sie ihr Unglück nochmal mit brennheißem Kaffee und der Natursektflasche…
Eindeutig: Die wollte unbedingt einen Abstecher ins Krankenhaus und dort mit dir die Zeit verbringen.
@Der Maskierte:
Ich muss gestehen, dass es auch was hätte, als Taxifahrer mit Kundschaft in eine Bank zu gehen, wo sich selbige übergibt. Blogbar wäre das jedenfalls auch gewesen…
@Taxi 123:
Nee, so anhänglich war sie nicht 😀
@leserin:
Ich glaube, sie wusste selbst nicht so ganz genau, was sie eigentlich will. Außer nach Breslau, um dort ihren Anwalt zu treffen…
Wenn sie Polin war, hatte sie vermutlich eher Zloty als Kronen in der Geldborse. Das mit den Kronen sind die suedlichen Nachbarn der Polen.
So genug mit Wissen gepranzt 😉
@Felix:
Wenn ich schwedische Kronen schreibe, meine ich auch schwedische Kronen. Das Aha darunter war durchaus auf die Absurdität der Situation bezogen 😉
Oh, entschuldige bitte. Ich hatte den Satz mit den schwedischen Kronen wohl überlesen und bin dann über die Kronen im letzten Absatz gestolpert. Das kommt davon, wenn man’s mal wieder besser wissen wollte und zu ungenau liest.
@Felix:
Macht nix, mir macht es ja Spaß zurückzuäffen 😉
Nein, sowas passiert mir ja durchaus mal, ist ja völlig ok.
[…] war eine dieser typischen schichtverlängernden Touren – wie die polnische Frau und die Festpreisverhandler neulich auch. Eine Tour, die ich eigentlich nicht machen wollte, dann […]