Gefragt

Gefragt in meinem Beruf als Taxifahrer bin ich oft. Gefragt im Sinne von Meinungsaustausch dann doch eher seltener. Dass man die Floskel „Das frage ich sie“ auch gänzlich sinnentleert verwenden kann, bewies mir vor einiger Zeit ein Fahrgast. Vorhang auf!

Es war Herbst, es war am Ostbahnhof und ich wartete schon eine Weile. Ja, ich will mich nicht groß mit der Einleitung aufhalten. Der Fahrgast war ein sturzbetrunkener, leicht dicklicher Typ mit Brille, Reisegepäck und Milchbubigesicht. Alter: Um die 40. Kommen wir zum etwas seltsamen Dialog:

„Danziger Straße!“

„Wohin da genau?“

„139“

„OK, da muss ich jetzt selbst sehen, wie ich da am besten hinkomme. Oder wissen sie, von welcher Seite aus man da am Besten ranfährt?“

„Das frage ich sie!“

„Äh? OK. Ich mach dann mal… über die Prenzlauer!?“

„Das is hervorragend! Ich weiß das ja auch.“

„Was wissen sie?“

„Mein Job.“

„Aha?“

„Ja. Sie sagen mir, was sie tun – und ich sage ihnen, wie sie es tun!“

„Äh, worauf war das jetzt bezogen?“

„Das frage ich sie!“

„Was jetzt?“

„Das frage ich sie!“

Entschuldigen sie: Ich bin mir nicht sicher, worauf sich ihre Aussage jetzt bezieht. Auf diese Fahrt? Auf meinen Job im Allgemeinen?“

„Wissen sie, wer ich bin?“

„Nein. Müsste ich sie kennen?“

„Nein, is schon ok so. Bringen sie mich einfach zur Danziger Straße 135.“

„135? Sie haben vorher doch 139 gesagt, oder? Was ist denn nun richtig?“

„Beides!“

„Äh!? OK! Ist das also ein Häuserblock?“

„Das frage ich sie!“

„Ja, aber ich bin mir da nicht ganz sicher. Ich kenne jetzt ja auch nicht alle Hausnummern…“

„Kennen sie mich?“

„Nein, immer noch nicht.“

„Das ist gut.“

„Also die Danziger 135 stimmt? Ja?“

„Das frage ich sie!“

Irgendwann waren wir dann an seiner Zieladresse. Einem Bordell.

„Da! Da genau muss ich hin!“

Er stieg aus und stellte seine Bierflasche auf einen geparkten Mercedes. Dann zählte er sein Geld und zahlte den Betrag auf der Uhr. Ich weiss nicht einmal mehr, wie viel es war, aber irgendwas zwischen 10 und 13 Euro müssen es wohl gewesen sein. Er packte seinen Koffer und ich fand es irgendwie ein wenig absurd, wie er da stand: Mit einem Rollkoffer vor dem Puff. Aber ich habe ihn gefragt, ob alles ok sei, und er noch irgendwas benötige. Die Antwort? Klar:

„Das frage ich sie!“

Taxiblogs

Liebe schreibenden Kollegen da draußen, ich mache es mal offiziell:

Ich habe langsam keinen Überblick mehr über die Taxiblogs in diesem Land! Ich vermute zwar, dass ich den meisten inzwischen folge, aber es gibt sicher den ein oder anderen, den ich bisher übersehen habe. Heute hat mich Tom gefragt, ob ich sein Taxi-Tagebuch nicht verlinken könnte, was ich gerne mache. Seht es als Lesebefehl 😉
Damit hat München jetzt immerhin schon 2 Taxiblogs zu bieten. Der andere ist natürlich der immer wieder interessante und ausführliche „Taxi München“ von Reinhold.

Die kleine Blogroll hier an der Seite bei GNIT ist aber sicher noch nicht vollständig. Ich vergesse auch die ein oder andere Aktualisierung – und haue auf der anderen Seite durchaus auch mal Leute raus, wenn dort monatelang nichts passiert. Die aktiven Kollegen, die über ihren Alltag bloggen, können sich gerne melden, wenn sie hier verlinkt werden wollen. Nur, weil ich es gelegentlich vergesse, heißt das ja nicht, dass ich es nicht gerne mache.

Und wenn wir schon bei der Vernetzung sind: Aro hat ja auch eine extra Link-Seite für Taxiblogs zusammengestellt. Die braucht auch mal Nachwuchs 😉

Tückische Fahrpläne…

Mein Schichtende gerade war traumhaft. Ich bin auf die Landsberger Allee gebrettert, auf dem Weg gen Abstellplatz. Eigentlich hätte ich das Auto sogar mitnehmen können, nachdem sich aber die Bremsen während der letzten Touren dahingehend äußerten, dass sie mal ausgetauscht werden wollen, hab ich also nur auf die Landsberger, nicht auf Marzahn direkt gezielt. Was allerdings am Platz der Vereinten Nationen so oder so noch keinen Unterschied macht. Für Berlin recht stattliche 23 Touren hatte ich zusammen, eine unter meinem persönlichen Rekord.

Dann Winker.

Ging zwar leicht weg von der Optimallinie, das Ziel sollte allerdings die Gürtelstraße sein. Die in Friedrichshain, nicht zu verwechseln mit der anderen! (Lustig ist es vielleicht, zu erwähnen, dass ich mich an der Tanke kurz zuvor just mit genau dem Kollegen aus der verlinkten Geschichte unterhalten habe 🙂 )

Wo waren wir? Ach ja: Gürtelstraße. Nette Tour, knapper Zehner. Also zielte ich nun gen Norden. Mein Abstellplatz liegt unweit des HolidayInn-Hotels an der Ecke Landsberger Allee / Weißenseer Weg, ich war meinem Ziel also immerhin näher gekommen. Mit 24 Touren. Damit bin ich gleichgezogen mit dem diesjährigen Silvester. Allerdings habe ich an Silvester die Touren in kürzerer Zeit eingefahren und sie waren durchschnittlich länger. Der Rekord selbst hat also keine allzu große Bedeutung. Gehabt. Denn wie fast zu erwarten in dieser Nacht hatte ich nochmals Winker.

„Wohin soll es gehen?“

„Landsberger Allee.“

„Wohin da genau?“

„Ähm, die Nummer ist, muss ich gucken. Wir müssten da eigentlich genau zu diesem Holiday Inn…“

Bingo!

Die Tour hat nochmal 7 Euro in die bereits gut gefüllte Kasse gespült und der Weg zum Abstellplatz war nun nicht mehr weit. Da ich nun ja unweit einer Haltestelle für meine Bahn parke, sah ich schon beim Ankommen, dass ich noch 6 Minuten Zeit hätte. 6 Minuten? Nicht unmöglich, aber halbwegs eng. Ich muss am Abstellplatz all mein im Auto verteiltes Zeug zusammensuchen, gewissenhaft den Abschreiber ausfüllen, mich am Taxameter abmelden, das Auto nochmal nach Fundsachen durchsehen, abschließen und zur Haltestelle laufen.

Insbesondere das Ausfüllen des Abschreibers kostet Zeit, weil man immer wieder am Taxameter rumklicken muss und mein Tagfahrer und ich uns ohnehin angewöhnt haben, die Anfangsdaten immer schon in den Zettel für den anderen einzutragen. Erspart einem zum Beginn der Schicht Schreibarbeit, verdoppelt sie dafür am Schluss. Egal, wie lange man dann Zeit hat. Während ich also so meinem eingeübten Ablauf begonnen habe, hab ich drüber nachgedacht, ob ich nicht doch lieber in Ruhe noch eine Kippe rauchen sollte. Wozu Stress? Und die nächste Bahn müsste um diese Zeit auch bald wieder fahren…

Letztlich stand ich aber mit angefangener Zigarette am Bahnsteig, als die Anzeige noch 2 Minuten Restzeit anzeigte. Und inzwischen auch die Ankunftszeit der nächsten Bahn. In 59 Minuten! Boah, was war ich froh, einmal nicht auf meine Faulheit gehört zu haben 🙂

Monolog-Idee

„Verstehe ich das also richtig: Sie stellen sich an eine Bushaltestelle? An eine Haltestelle, die ihren durchaus lustigen Namen daher bekommen hat, weil sie ein fix eingeplanter Haltepunkt öffentlicher Verkehrsmittel – in diesem Fall Busse – ist. An dieser Haltestelle warten sie also eine Weile und als der lang ersehnte Bus endlich kommt, winken sie ihm zu? Dem Bus, der ohnehin an dieser Haltestelle hält? Und sie wundern sich ernstlich, dass ein vor dem Bus fahrender Taxifahrer das als Signal für sich selbst missversteht und seinerseits vor dem Bus neben ihnen hält?

Mal ganz ehrlich: Wer von uns beiden ist jetzt blöd und behindert den Verkehr?“

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Am Taxistand, zwei Kollegen:

„Hey, Mensch Sash! Dich hab ich ja lange nicht gesehen!“

„Hast ihn auch nur an der Autofarbe wiedererkannt, oder?

Ich mag es, dass wir hier keine Farbfreigabe haben 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Wechseltour

Ich äußere mich ja gerne positiv über meine Fahrgäste und die Touren mit ihnen. Das ist nicht einmal blödes Rumgeschleime. Die Fahrten bringen mir Geld und was meinen persönlichen Alltag angeht, bin ich nunmal Optimist. Wenn jemand mir Geld bringt und auch noch nett ist, dann freue ich mich eben drüber.

Der ein oder andere Kollege sieht lieber die Kleinigkeiten, die ihm einen erhöhten Blutdruck bescheren. Ich esse halt etwas mehr, um meinen Arzt zu beschäftigen. Jeder so, wie er will und kann… 😉

Aber manche Touren sind eben einfach schön. Das müssen gar nicht die ausgefallensten Fahrten sein. Meist sind es eher  die normaleren Touren, auf denen man sich einfach nett unterhält. So hatte ich neulich eine Junge Frau aus meiner alten Heimat, die mir am Ostbahnhof ins Auto hüpfte und quasi ans Ende Kreuzbergs wollte. Während der Fahrt hat sie dann erzählt, dass sie nun mit Freunden, die sie besucht, im Fritz-Club wäre. Ursprünglich wollten sie wohl woanders hin, und nun ärgerten sie ihre Klamotten. Sie hatte sich extra schick und ausgehfertig gemacht und nun sind sie in einen Club gegangen, in dem auch HipHop gespielt wird.

„Ey bitte, wie soll ich zu meiner Musik abgehen in den hohen Schuhen?“

Meine Sympathie hatte sie da eigentlich schon längst, aber das war ein weiterer Punkt. Ich meine: Fritz-Club? Naja. Aber wenigstens nicht bescheuert. Jetzt jedenfalls wollte sie kurz zu ihrer Unterkunft, um dort die Klamotten zu wechseln.

„Es is einfach bekloppt und anstrengend, da immer zu versuchen, die schärfste Schnitte im Raum zu sein…“

Zunächst war die angegebene Hausnummer nicht richtig, sodass wir einen mittelprächtigen Umweg zu meinen Gunsten fuhren. Als Pfand ließ sie völlig gechillt ihre letzten mitgenommenen 50 Euro im Wagen liegen („Reicht des?“). Nach 5 Minuten bezahlter Wartezeit kam sie dann wieder und mir wären ja fast die Augen rausgefallen. Aus der aufgebrezelten Tussi ist ein echt nettes Mädel geworden. High-Heels gegen Sneakers getauscht, enge Jeans gegen Cargo-Shorts und das figurbetonende Top wich einem T-Shirt. Meine Erinnerung mag mich trügen, aber ich glaube, selbst die Frisur war nun zumindest von einem Haargummi befreit.

Ich mag eine selten geteilte Vorstellung von Attraktivität haben, aber für mich zumindest sah sie doppelt so gut aus wie zuvor. Zumindest authentischer.

Wie schon die Hinfahrt verlief auch die Fahrt zum Club zurück mit einem angeregten Gespräch über dies und das. Sicher, die Tour war auch schön, weil sie mich für 22 € direkt von meinem Lieblingsbahnhof direkt zu meinem Lieblingsbahnhof geführt hat. Aber das, was den Job manchmal so angenehm macht, ist das Treffen mit interessanten Leuten und genau das Gefühl hatte ich nach Ende der Fahrt. Es gab nicht mal Trinkgeld, aber das einzige Problem war für mich daran, dass ich den anwesenden Kollegen irgendwie schlecht erklären konnte, was an der Fahrt nun so toll war.

Aber klar, die Kollegen stehen auch eher auf enge Tops…