Kreuzberg ist wie…

Eingesammelt hab ich sie vor einer Party. Dort gelandet bin ich auch nur, weil ich Leute dorthingebracht hatte, die sich darüber lustig machten, dass andere bereits wieder gingen. Diese Typen sollten meine nächsten Fahrgäste sein.

Aber enttäuschte Gesichter suchte man vergebens. Drei Männer zwischen 35 und 40, allesamt beanzugt und kravattiert, enterten die gute alte 1925. Sie wollten zu ihrem Hotel und wie die vorangegangenen Fahrgäste waren sie eigentlich der Messe wegen in der Stadt. Ihre Rückreise jedoch war recht früh, sodass sie weit vor Mitternacht genötigt waren, ihren Ausstieg aus dem Nachtleben mit wohlwollenden Worten vor sich selbst zu rechtfertigen:

„Wir haben’s geschafft!“

„Gott sei Dank!“

„Jawoll! Nur ein Bier!“

So breit streut das Berliner Nachtleben. Noch 7 Stunden später hatte ich Leute im Auto, die erst auf dem Hinweg zu ihrer Party waren…

Die drei waren alle nicht das erste Mal in Berlin, aber offensichtlich hatten sie einiges an Parties und Nachtleben hinter sich, denn sie zeigten sich mehr als begeistert. Als wir die Oberbaumbrücke überquerten und durch Kreuzberg fuhren, waren sie angetan von all den vielen Kneipen und Restaurants, die noch offen hatten.

Wie der Zufall so wollte, führte der Weg zu ihrem Hotel durch die Oranienstraße. Hier war dann endgültig Ende. Sie überboten sich gegenseitig mit Liebesbekundungen zu diesem Stadtteil, obwohl es ja einige Menschen gibt, die den Spitznamen „Little Istambul“ für die Ecke rund ums Kottbusser Tor mit einer zynischen Fremdenfeindlichkeit zu verbinden wissen.

Hier muss ich kurz einwerfen, dass ich an der Adalbertstraße einen Tag später drei junge Türken im Auto hatte, die mit glänzenden Augen bestätigt haben, dass es hier wie in Istambul sei – sie kämen schließlich von dort – und es aufrichtig bedauerten, dass sie ihre kurze Anwesenheit hauptsächlich den Geschäften gewidmet haben und weniger damit, das faszinierende Berlin kennenzulernen.

Aber zurück zu den Anzugträgern. Als ich mit ihnen die Adalbertstraße passierte, fand einer von ihnen die Szenerie so überwältigend, dass er einen Vergleich aussprach, der… nun ja… seinesgleichen sucht:

„Also Wahnsinn! Kreuzberg ist ja schon irgendwie wie, wie, wie Eppendorf! OK, es sind nicht alle Häuser so schön, aber Wahnsinn!!!“

Ich muss gestehen, dass ich vom Nightlife in Eppendorf jetzt nicht so viel weiss – aber ich wage zu bezweifeln, dass diese Kategorisierung mehr Anhänger hat als Eppendorf Einwohner – ganz gleich, welches sie gemeint haben 😉

Im Übrigen: Auch negative Vergleiche zu Berlin sind irgendwie immer witzig

13 Kommentare bis “Kreuzberg ist wie…”

  1. Pascal sagt:

    Wo liegt denn „Istambul“? 😀

  2. Quacki sagt:

    Muss an der gleichen Stelle liegen wie Konstantinopel. Oder Stambul (siehe Karl May).

  3. Sash sagt:

    OK, sorry für den Fehler! IstaNbul natürlich!

  4. Pascal sagt:

    Bei uns im tiefen Westen ist die Schreibweise zumindest überhaupt nicht geläufig. Da schreiben auch die Immigranten das W-/Örtchen mit „n“. 🙂

  5. Dass du nicht weißt, welches Eppendorf (Epizentrum deutscher Kultur) sie meinen, zeigt, dass es mit deiner Weltläufigkeit nicht weit her ist, lieber Sash. 😀

  6. Peter sagt:

    Hallo Berliner Taxifahrer 🙂

    Bin jetzt schon auf Seite 29 angekommen und immer noch im Lesefluß .. also gut, auch über zwei Tage hinweg 🙂

    Eine Frage hätte ich da mal zu einem Erlebnis: Heimfahrt (angedüselt) mit ca. 5km und kurz vor dem Ziel komme ich mit meinem Knie unabsichtlich (!) an die wirklich ungünstig angebrachte Taxipreisanzeige am Handschuhfach, so dass sich der Fahrpreis auf 0 bzw auf die Anfangsbegühr zurücksetzt. Der Fahrer wollte dann von mir zusätzlich zum Fahrpreis von 8,80 Euro, den wir beide ganz gut im Kopf hatten, auch noch die ca. 2,50 Euro haben für das versehentliche Drücken irgendeines Reset-Knopfes. Ich habe ihm 10 Euro angeboten (die ihm aber zuwenig waren), da ich es nicht einsehe, für eine nicht erbrachte Leistung (die Taxifahrt wollte ich ja zzgl. Trinkgeld zahlen) nochmal extra in die Tasche zu greifen. Er hat dann mit der Polizei gedroht und ich habe gesagt, das ich gerne mit ihm darauf warte. Nach 3 Minuten Diskussion hat er mich dann gehen lassen. Was hältst Du davon, kennst Du so eine Situationen viell.?

    Ansonsten: Weiter so, cooles Blog, coole Texte, sehr interessant!

    Gruß
    Peter

  7. Kommentator sagt:

    Oh Gott, Eppendorf*… In den hiesigenorts so bezeichneten Stadtteil entsorgt Hamburg alle Lackaffen („TV-Promis“, Anwälte, Makler, Dorfschönheiten), Beruflegastheniker (aka „Werber“) sowie diejenigen Schulkinder, die in der Großstadt mit Geländewagen zur Schule gefahren werden müssen (deren Eltern kommen aus den beiden erstgenannten sozialen Randgruppen).

    Der Rest von Hamburg ist dann meistens doch recht ertragbar.

    *Das „Nachtleben“ von Hamburg-Eppendorf ist so steril wie seine Bewohner, mehr möchte ich nicht erbrechen. (Sorry, Sash, dieser Rant ist nur Deinem Stichwort geschuldet. Berlin hat vermutlich ebensolche Problemstadtteile.)

  8. Hannah sagt:

    Berlin hat in der Tat *solche* Problemstadtteile, die Oranienstraße und Adalbertstraße stehen aber nun wirklich nicht unbedingt im Verdacht, einer zu sein 😉

  9. Co-Kommentator sagt:

    Kreuzberg ist mit Sicherheit NIEMALS wie Eppendorf. Dort trifft Louis Vuitton-Täschchen auf in Prada-schwarz gekleidete, junge Mütter, die aus exklusiven Boutiquen Schuhe im Wert eines Monatsgehalts raustragen. Ach, was red ich. Der Kommentator hat alles gestagt – und dein Fahrgast hat keine Ahnung 😉

  10. […] den Originalbeitrag weiterlesen: Kreuzberg ist wie… » gestern-nacht-im-taxi.de Auszug/ Content/ Zitat Ende Klicken Sie einfach auf den Link unter "Beitrag weiterlesen", dann […]

  11. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Na, dann bin ich wohl ein Outsider 🙁

    @Peter:
    Danke fürs Lob und viel Spaß beim Lesen 🙂
    Was deine Story angeht: Puh! Sowas ist mir definitiv noch nie passiert. Mein Taxameter ist ja recht praktisch im Spiegel untergebracht. Also wenn jemand jetzt mal hypothetisch bei mir versehentlich das Taxameter auf Null stellt (also eigentlich könnte man da bloß auf „Kasse“ drücken und dann wäre die Fahrt offiziell beendet aber mehr nicht.), dann würde ich den zu erwartenden Betrag verlangen. Bei kurzen Strecken hab ich auch schon die Uhr einfach wieder angemacht und dann die zweiten 3,20 € Grundpreis einfach abgezogen und meinen Chef gebeten, das als Fehlfahrt auszubuchen.
    Das Taxameter wirklich auszuschalten geht meines Wissens nach nicht so einfach – selbst um meine Schicht zu beenden, muss ich ziemlich umständlich zwei Knöpfe drücken.
    Aber selbst wenn das bei meinem Kollegen so einfach geht: Ich wüsste jetzt auch nicht, weswegen ich für zweimal Knöpfchendrücken einen Aufpreis verlangen sollte. Das fände ich schon unverschämt. Aber wie gesagt: Vielleicht hat er auch ein echt seltsames Gerät oder so. Ist schwierig, mal so aus der Ferne zu bewerten.
    PS: Manche Kommentare landen bei mir im Spamordner. Deswegen hab ich den erst gerade manuell freigeschaltet. Ist also nicht „kaputt“, nur ein bisschen doof 😉

    @Kommentator:
    Danke für die Aufklärung 🙂

    @Co-Kommentator:
    Dass der keine Ahnung hatte, vermute ich auch. Aber vielleicht meint er ja auch wirklich eines der Nester und nicht Hamburg-Eppendorf…

  12. Johnny sagt:

    Naja, Eppendorf hat auch seine entspannten Bars und vor allem Restaurants. Als Anzugträger konnten die sich das vermutlich leisten, und dann ist Eppendorf wirklich sehr erträglich. Wenn man sich das nicht leisten kann, in den „Tut mir leid, wir nehmen keine Laufkundschaft und das Desert beginnt bei 18 Euro“-Bistros zu essen, ist Eppendorf allerdings sicher wirklich extrem langweilig.

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