Es gibt Touren, die hinterlassen einen sprachlos. Nicht nur die ganz Schlimmen mit den Kotzern, sondern auch die schönen, die diese kleinen Lichtblicke im Alltag beinhalten. Und manche davon schlagen einen Bogen bis weit in die unglaubliche Geschichte dieser Stadt, dass es mir als jungem Menschen mit verhältnismäßig wenig Ahnung einfach die Sprache verschlagen muss.
Ich war gerade auf dem Weg in den Feierabend, wie immer in der Hoffnung, auf dem Rückweg würde sich noch eine kleine Tour ergeben. Das Schicksal meinte es gut mit mir, denn ein Mann, schätzungsweise in meinem Alter, winkte mich in Kreuzberg an den Straßenrand und fragte mich, ob ich eine bestimmte Adresse in Schöneberg kennen würde. War zwar nicht meine Richtung, aber gefreut habe ich mich trotzdem. Ich bestätigte, dass ich die Straße kenne, aber wider Erwarten stieg er nicht ein.
Er winkte einen alten Mann zu sich heran und bat mich:
„Bringen sie meinen Vater dann dahin?“
Wenn es weiter nichts ist…
Nach den ersten hundert Metern habe ich ihn gefragt, nur so zur Bestätigung:
„Ich nehme an, sie sprechen kein Deutsch?“
„Nein, sorry, but English.“
„Äh? OK! That’s no Problem!“
Die Fahrt war nicht weit, eine Strecke von nur knapp 3 Kilometern. Wir haben uns nicht lange unterhalten können. Er kam aus Israel und… nein eben eigentlich nicht. Er kam aus Berlin! Er war wohl gebürtiger Berliner und hat nach einer offensichtlich längeren Flucht aus Nazi-Deutschland sein Leben in Irael gelebt und nun, da sein Sohn beschlossen hat, ausgerechnet hier zu studieren, die Stadt seiner frühesten Kindheit wieder zu besuchen. Ich möchte nicht zu viel hineininterpretieren in die paar Sätze, die wir gewechselt haben, aber er erweckte irgendwie den Anschein, sich unglaublich zu freuen über das, was aus Berlin geworden ist.
Ich hab keine Ahnung, ob es für Menschen wie ihn überhaupt möglich ist, einen wirklichen Frieden mit Deutschland zu machen, aber die Hoffnung, dass so etwas möglich ist, hatte ich in den Sekunden, in denen wir uns verabschiedet haben. Dabei weiss ich nicht einmal, wie ich das Gefühl beschreiben könnte, dass ich hatte, als er mir ein kleines Trinkgeld gab, die Hand schüttelte und sagte:
„Well, thank you very much, and… ähm… auf Wiedersehn!“
Und wie sie das können. Ich hatte die außerordentliche Ehre Alex Deutsch ( http://de.wikipedia.org/wiki/Alex_Deutsch ) näher kennenlernen zu dürfen und habe noch nie, wirklich noch nie, einen Menschen erlebt, der dermaßen viel durchgemacht hatte und trotzdem inneren Frieden mit sich, den Menschen, die sein Leben immer wieder bombadiert haben, gemacht hatte.
Das sind diese berühmten Kleinigkeiten, weswegen du deinen und ich meinen Job so gerne mag. Schön beschrieben und wie du ja schon weißt, hab ich mir das Weekend um die Ohren geschlagen und deinen Blog gelesen. Ich komme gerne wieder 🙂
Ich hatte mal eine sehr alte Kundin aus Tel Aviv die mir Ihr KZ-Tattoo gezeigt hat…irgendwie macht einen das sehr betroffen und man weiß gar nicht so richtig was man sagen soll. Man hat das Bedürfnis sich zu entschuldigen..obwohl das natürlich auch Blödsinn ist..ich habe einfach geschwiegen…denke das ist die einzig sinnvolle Reaktion
@Schwarzwald-Fahrer: ich glaube ja, dass es sinnvoll ist, die eigene Sprachlosigkeit auszudrücken, damit das Gegenüber nicht aus dem Schweigen den Eindruck von Desinteresse erhält. Sagen, dass einen das sprachlos macht und man keine angemessene Reaktion dafür kennt, mti etwas Glück erhält man dann unglaublich interessante Einblicke oder zumindest einen Hinweis, wie man da wieder rauskommt…
@Sash:
ich weis keine anderen Worte als folgende:
„Diese Momente sind das Salz in der Suppe des Lebens…“