Nass dank Fahrrad

„Das ist aber wirklich sehr nett, dass sie mir da helfen!“

„Überhaupt kein Problem. Wie schon gesagt: Bisher hab ich alle Fahrräder ins Auto reingekriegt, aber es ist jedes Mal eine ziemliche Fummelei. Könnten sie mal da vorne…“

Ächz!

Großraumtaxen sind was Tolles, aber manchmal sorgen sie auch für Arbeit, die dem E-Klasse-Fahrer erspart bleibt. Für Fahrräder hat mein Zafira sowas ähnliches wie eine Mustergröße. Ich hab bisher wirklich jedes reingekriegt mit umgelegter Rückbank – aber das System, wie jetzt gerade dieses eine dort hineinbugsiert werden kann, das darf man jedes Mal neu erfinden.

„Vorher war da ja ein Kollege mit so einem Bus, aber der wollte gar nicht auf mich hören. Dabei hätte man das dort wahrscheinlich einfach reinschieben können…“

teilte sie mir mit einem bedauernden und nicht einmal bösen Tonfall mit. Sie war etwa Ende 40 und hatte nach eigenen Angaben in diesem verregneten Sommer bereits eine zweiwöchige Fahrradtour absolviert, ohne ernsthaft nass zu werden. Und jetzt Berlin. Es war eine der kältesten Juli-Nächte, so ca. 12°C, sie war den ganzen Tag unterwegs mit Bahnverspätung und allem Tralala. Der Himmel schüttete sich seit 2 Tagen hemmungslos aus und sie hatte einfach keine Lust, die letzten 5 Kilometer noch mit dem Rad durch die teils zentimetertiefen Pfützen der Hauptstadt zu fahren.

Bei ihrer Aussage zum Kollegen musste ich an eine andere glückliche Kundin denken, die mir strahlend berichtet hat, dass sie letztes Mal „bei totalem Sauwetter“ einen Taxifahrer getroffen hat, der ihr Rad mehr schlecht als recht – aber besser als gar nicht – in den geöffneten Kofferraum seiner Mercedes-Limousine gestopft hat, um sie halbwegs trocken ans Ziel zu bringen.

Obwohl ich hier zum Verladen meist unter der schützdenen Heckklappe dem Regen entkam, war die Dankbarkeit meiner aktuellen Kundin etwa ähnlich umfassend.

„Sagen sie, was kostet denn so ein Fahrrad dann extra?“

Ich hab mal ziemlich frei die Tarifordnung zitiert:

„Ein Gepäckstück, das nicht in den Kofferraum passt, kostet einen Euro extra.“

„Oh, das ist ja viel zu wenig!“

Ein wenig innerlich vor mich hinfluchend, warum dieser blöde Lenker sich jetzt gerade an den Rücksitzen verkeilen musste, hab ich nur vielsagend vor mich hingemurmelt:

„Wenn es sich weiter so wehrt, dann haben sie vielleicht Recht…“

Aber ich hab mir die Zeit genommen, sie daraufhin kurz anzulächeln und zu sagen, dass das schon ok ist.

Und siehe da: Irgendwann hatten wir das geschafft. Das Rad war verstaut, und abgesehen von der bangen Frage, ob es da auch je wieder rauskommen würde, waren wir erst mal glücklich mit dem Ergebnis. Also ging es rein ins warme Auto, Tür zu und dann haben wir zugesehen, dass wir Land gewinnen. Das Fahrrad war verkeilt genug, damit nicht einmal der Gepäckkorb klapperte, und so konnte ich trotz Regenwetter den Weg ins Herz Neuköllns auch zügig zurücklegen. An der angesagten Adresse angekommen, bedeutete sie mir in ziemlicher Demut, ich solle doch bitte bitte erst mal im Auto bleiben. Sie macht jetzt erst mal die Tür auf bei sich, dann könnten wir da gleich ohne allzu nass…

Ich bin ausgestiegen und hab den Kofferraum geöffnet. Wie gesagt: Unter der Klappe ist es ja auch nicht feuchter als im Wagen selbst und ich wollte mir mal ansehen, wie wir dieses Etwas aus dem Wagen bekommen, das irgendwie entfernt an einen eingebauten Überrollkäfig erinnerte. Zu meiner Überraschung ließ sich das Rad mit 2 Handgriffen sanft und endgültig aus den Eingeweiden meines Autos rausoperieren und kaum dass sie die Türe des Hauses offen hatte, stand ich mit dem Fahrrad bei ihr.

„Oh, das ist aber… das hätten sie doch nicht… wie viel bekommen sie denn jetzt?“

„Die Uhr steht bei 10,80 €, mit dem Zuschlag wären wir dann bei 11,80.“

„Oh Mein Gott, das ist ja wirklich viel zu… also nee!“

Mein Grinsen hab ich sorgfältig verstecken müssen. Das gibt 15. Locker! 🙂

„Machen sie mal 20!“

Wow! Und da sag mal einer, dass sich Service nicht doch lohnt. Damit war auch der Typ aus dem letzten Artikel wieder völlig vergessen.

„Na, sie sind ja jetzt auch ganz nass geworden wegen dem Fahrrad…“

Das hätte ich ja auch nie erwartet bei einer Schicht im strömenden Regen 😉

14 Kommentare bis “Nass dank Fahrrad”

  1. Ylva sagt:

    In diesem Sommer ist nass werden wohl allgemein einfacher, als trocken bleiben. Insgesamt ist die Geschichte doch ein schönes Beispiel dafür, dass guter Service beide Seiten glücklich machen kann.
    Aber mal ehrlich: macht so ein triefendes und tropfendes Fahrrad nicht auch eine Menge Dreck im Auto?

  2. So gehört sich das. Das ist ein angemessenes Trinkgeld!

  3. Marius sagt:

    Einspruch. Bisher hab ich in jede aktuelle E-Klasse Kombi n Fahrrad reingekriegt 😉 S210, S211, S212.

    Rücksitzbank umklappen, laderaumabdeckung weg, und rein mit schwung. aber bei sauwetter hab ich mir einfach nen kombi bestellt und dem fahrer 50% trinkgeld versprochen, dann ham ihn die paar tropfen nich so gestört. aber dass man nie sagen kann, dass man einfach n fahrrad transportieren will… „ja machnmer bei dem sauwetter nich“. pft.

  4. Big Al sagt:

    Wir fahren hier zwei Kompaktwägelchen (Honda Jazz und Nissan Note) in die ich bisher auch immer irgendwie ein Fahrrad reingestopft habe.
    Und Recht hast du, Sash, erstaunlicherweise geht es raus immer einfacher. Wie ein Korken aus der Sektflasche: „Pflump!“ glaube ich da immer zu hören.

  5. Sash sagt:

    @Ylva:
    Das Tolle war ja, dass das Rad nur an den Reifen leicht nass war. Bis in den Regen ist es gar nicht gekommen, da der Vorplatz des Bahnhofs überdacht ist. Das war insofern echt harmlos 🙂

    @Der Maskierte:
    Ich hab mich auch ziemlich gefreut 😀

    @Marius:
    Hat doch auch niemand was gegen eine E-Klasse gesagt, oder? Falls du auf den anderen Kollegen anspielst, überlies das Wort „Limousine“ nicht 😉

    @Big Al:
    Manchmal sind die Dinger aber auch störrisch. Theoretisch ist in meiner Kiste nach dem Einladen ja sogar noch massig Platz. Aber letzten Endes kommt es dann doch immer auf die Höhe der Klappe oder ähnliches an. Wie sich diese Probleme während der Fahrt lösen und am Ende rausploppen, sollte mal ein Mathematiker rausfinden 🙂

  6. zbygnev sagt:

    @BigAl:
    Jungs, passt bloss auf, daß Euch nicht mal ein Fahrgast namens McDuff bittet, sein Sofa mitzunehmen. Spätestens dann war es das mit dem „Pflump“ 🙂

  7. Big Al sagt:

    @ Sash:
    Ich persönlich bin ja Anhänger der Theorie dass sich während der Fahrt aufgrund des „Unter-Warp-Faktors“ die größere Masse des Autos um einen gewissen Faktor in größeren Raum verwandelt und im Gegenzug das Fahrrad an Masse und Größe verliert.
    Am „Pflump“ arbeite ich noch, so erklärungsmäßig. „Herr Einstein, wie war das nochmal…? Wie, Herr Hawking weiß da besser Bescheid? OK….“

  8. ednong sagt:

    Na fei, dann war das die zweite SEite …

  9. Big Al sagt:

    @ zbygnev:
    Da würde ich dann mit einem anderen Auto kommen: Möbeltaxi.

  10. Sash sagt:

    @Big Al:
    Interessante Theorie. Erinnert mich an eine lebhafte Diskussion mit einem Freund vor etlichen Jahren, wo wir einen Audi A4 (den er damals gefahren hat) in raumgekrümmtem Zustand auf Handschuhfachgröße unterbringen wollten 😉

  11. SaltyCat sagt:

    @ Sash: … um ihn dann auf einer anderen ebene des n-dimensionalen Raumes in sein eigenes Handschuhfach zu verladen? Vorsicht, du spielst mit der Stabilität des Universums … 😉

  12. Sash sagt:

    @SaltyCat:
    Wäre uns das nicht bewusst, dann gäbe es ihn entweder im Handel oder dieses Universum nicht mehr. Da kommt man natürlich rechtzeitig drauf 😀

  13. Jens sagt:

    Mein Fahrrad wurde bisher nie von Taxi Fahrern mitgenommen… Noch nicht mal im Bus, aber da war ich auch grade zu einer Zeit unterwegs wo es verboten ist das Rad in den Bus zu nehmen.
    Was war das gleich, von 12-16 Uhr?

    Jedenfalls haste richtig Glück gehabt. Und solche netten, vertrauenswürdigen Taxi Fahrer wünscht man sich doch häufiger.
    Gruß, Jens

  14. Peer sagt:

    Heutzutage kann man die meisten Räder ja dank Schnellspannern in ein kleines „Päckchen“ verwandeln, da kriegt man sogar locker 3 Räder und 4 Personen in so ein Taxi 😉

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