Es gibt eine Menge Kollegen, die ich nicht verstehe. Ein besonders anschauliches Beispiel hatte ich neulich am Ostbahnhof direkt vor mir. Er stand an erster Position, ich an zweiter. Eine kleine Truppe von drei Mädels stand neben unseren Autos, und versuchte offensichtlich herauszufinden, ob sie ein Taxi bräuchten. Aber noch standen sie etwas abseits.
Sie wollten gerade auf den Kollegen zugehen, da traten plötzlich zwei Jungs auf der Bildfläche auf. Sie gingen zu eben jenem Fahrer und standen ein paar Sekunden an dessen Türe. Die Mädels drehten ab. Zunächst in meine Richtung, dann komplett.
Man könnte sagen: Eine typische Bahnhofsszene mit verplanten Leuten.
Dann kamen die beiden Jungs zu mir. Ich hab mich innerlich gerüstet gegen Festpreisangebote oder sonstige Unwägbarkeiten. Ich hab die Scheibe runtergelassen, was allerdings weniger kommunikationsfreundlich gemeint war, als es scheint: Ich hab damit nur verhindert, dass sie gleich die Tür öffnen. Man kennt so seine Tricks 🙂
„Entschuldigung, kannst du mir sagen, wo das Yaam ist?“
„Äh klar, das ist direkt hier gegenüber. Da wo das weiße Licht leuchtet.“
„Boah danke ey! Weil dein Kollege hat uns gerade echt angebrüllt und sich beschwert.“
„Wie bitte?“
Nun erklärte mir der junge Kerl, dass er dem Kollegen die gleiche Frage gestellt hat. Seine Antwort war indes nicht wie meine einfach kurz und informativ, denn er soll folgendes gesagt gebrüllt haben:
„Was? Scheiße! Wegen euch Arschlöchern hab ich jetzt Kunden verloren!!!“
Das war offensichtlich auf die beiden Mädels gemünzt – die in dem Moment scheinbar ein Taxi benötigten. Mal abgesehen davon, dass dem Kollegen gar nicht wirklich eine Tour entgangen ist: Geht’s noch?
Die beiden Jungs waren jedenfalls schwer verdattert und verunsichert, und einer von denen hat dann – was wahrscheinlich eher ein Öl-ins-Feuer-Gießen war – gemeint, dass sie ja auch dorthin fahren könnten. Ich könnte den beiden echt einen Orden verleihen für diese – aus ihrer Sicht ja total verständliche – Aussage! 😀
Was hätte sich der Choleriker besseres wünschen können, als eine 200m-Fahrt…
Aber gut, das war noch nicht der ganze Witz.
Während ihre erste Erfahrung mit Berliner Taxifahrern also eher suboptimal verlief, waren die beiden offensichtlich recht froh, an mich geraten zu sein. Der zweite der beiden trat nämlich nun auch ans Auto heran und reichte mir eine Münze:
„Weisst du, ich will dir jetzt zwei Euro geben!“
„Hey, ist echt nicht nötig. Sorry für den Spinner da vorne.“
„Nein Mann, ehrlich! Wir kennen uns nur nicht aus, und dann brüllt der Wichser uns so an. Hey, aber du bist korrekt. Nimm es einfach, weil du nicht so ein Arschloch bist!“
So, das waren dann anderthalb Minuten. Späteren potenziellen Kunden geholfen, den Ruf der Taxifahrer wieder gradegerückt und mal eben schnell zwei Euro verdient. Eigentlich müsste ich mich bei dem Kollegen sogar bedanken…
Da habe ich mal eine Bitte an alle Auskunftssuchende:
Nehmt doch nicht immer den Ersten in der Reihe. Das führt tatsächlich öfter mal zu Missverständnissen. Und um Gottes willen, winkt euch keinen an der Straße heran, nur um nach dem Weg zu fragen. Echt jetzt.
Uppss, da ist der Link zu mir im Nirwana des Internets verlustig gegangen.
Freundlichkeit gewinnt eben.
@Klaus: Jetzt mal ehrlich – ich bin fremd in der Stadt, komm zu einem Taxistand und frage nach einem bestimmten Ort (eventuell auch, um mit dem Taxi dahin zu fahren). Muss ich mir als potentieller Kunde dann vorher auch noch Gedanken um die Befindlichkeiten des Befragten machen (Ranwinken nur für ne Auskunft ist da schon was anderes), vielleicht vorher nochmal nachfragen, ob er schon lange wartet und ich ihn nicht verärgere oder sollte ich nicht von jemandem im Dienstleistungssektor erwarten dürfen, dass ich, wenn ich höflich frage, auch eine höfliche Auskunft bekomme.
Ich hab, wie gesagt mit einer Ausnahme, in Berlin durch die Bank freundliche Taxifahrer erlebt, aber wenn mir so etwas passieren würde, wäre ich zumindest mit diesem Unternehmen das letzte Mal unterwegs gewesen.
@Falcon030
ist es wirklich zuviel verlangt, sich auch mal Gedanken über die Befindlichkeiten eines Dienstleisters Gedanken zu machen?
Man kann z.B. an die Fahrerseite des Taxis treten, um nur mal eben eine Frage zu stellen. Somit kann ein potentieller Kunde immer noch von der Beifahrerseite her einsteigen. Und der 3. oder 4. in der Reihe weiß genausoviel oder wenig wie der 1.
Wie oft ist es mir schon passiert, dass ich Auskünfte gegeben habe und hinter mir sind die Kollegen mit Kundschaft davongefahren. Und ich musste eine weitere halbe Stunde warten.
Ich mein ja nur.
Aber nie würde ich einen Fragenden abkanzeln oder gar anschreien. Sowas kommt gar nicht in Frage. Ein bisschen mitdenken sollten die Menschen ganz allgemein in unserer Gesellschaft aber auch. Auch Dienstleister sind Menschen (mit Befindlichkeiten).
Das mit der Fahrerseite haben sie ja anscheinend sogar gemacht („Sie gingen zu eben jenem Fahrer und standen ein paar Sekunden an dessen Türe. „).
Man kann natürlich nur über die genaue Frage, die sie gestellt haben, spekulieren, aber es wäre ja auch genauso möglich, dass sie sich zum Club hätten fahren lassen, wenn er nicht gerade genau gegenüber gelegen hätte.
Einen noch deutlich übleren Fall gab’s letztes Jahr in Köln:
http://www.ksta.de/html/artikel/1264185824489.shtml
(Wobei ich der Vollständigkeit halber anmerken möchte, dass meine Erfahrungen mit Taxifahrern jeglicher Nationalität zu 99% positiv waren, in Köln ebenso wie andernorts.)
@Klaus und Falcon030:
Also ich finde ja, dass schon beides irgendwie stimmt: Zum einen sind wir zum Arbeiten, und das heisst: Kunden transportieren, auf der Straße und keine Auskunft. Auf der anderen Seite ist es verständlich, dass wir als erste gefragt werden, schließlich sind wir von Haus aus ortskundig.
Hier macht wie so oft der Ton die Musik. Eine nette Anfrage wie von den beiden Jungs finde ich völlig in Ordnung, weniger Verständnis hab ich, wenn 3 Leute ankommen und dann mit dem Taxifahrer eine halbe Stunde lang versuchen ihren Abend zu planen, um am Ende zu der Entscheidung zu kommen, dass 7 € fürs Taxi eigentlich zu teuer sind, und sie lieber die Bahn nehmen – während bereits 5 Kollegen mit anderer Kundschaft abgedampft sind.
Nichtsdestotrotz muss es ja nicht gleich beleidigend werden.
@Jens:
Autsch, das ist wirklich besonders bitter 🙁
@Sash
Dass wir uns da nicht falsch verstehen, ich habe überhaupt keine Probleme damit, Auskünfte zu erteilen. Im Gegenteil, ich helfe gerne wenn ich kann. Was mich stört, ist die Merkbefreitheit von manchen Fragern, die überhaupt nicht mitbekommen, dass sie mich gerade um meine Aufträge bringen. Das kann man ganz einfach vermeiden. Siehe oben.
@Klaus:
Ja, da sind wir beim altbekannten Problem, dass die Leute (mal egal ob privat oder in irgendeiner Funktion unterwegs) sich kaum Gedanken über die jeweils anderen machen. Die Idee mit der Fahrerseite find ich übrigens gut, da hab ich so direkt auch noch nicht dran gedacht.
Meine Güte… – fassungslos (und damit meine ich nicht mich)
@Falcon: Nö, ich finde Klaus hat völlig recht, die Leute gehen schon an dir vorbei wenn du in der Gegend rumguckst („Ich wollt Sie nicht beim träumen stören“), wenn dann erst einer bei dir am Auto steht, gehen sie komplett vorbei und du stehst bis zum nächstem Zug in ’ner Stunde am Bahnhof und verdienst kein Geld weil die Leute dich für die kostenfreie Tourismusauskunft halten, ist doch kein Problem am hinteren Taxi zu fragen. Ich wurde sogar mal abgewunken um nach dem Weg gefragt zu werden, obwohl überall Passanten rumliefen. Auf meine Frage ob sie deshalb jetzt ernsthaft ein Taxi angehalten haben wurde ich bepöbelt dass sie sich nun mal nicht auskennen und meine Tür wurde wütend zugedonnert, ich dacht zuerst, sie lässt die noch offen stehen und geht weiter, wirklich schade, dass ich ihr den richtigen Weg gezeigt habe.
Außerdem möchte ich – da du den Dienstleistungssektor so betontest – für meine Dienstleistung auch bezahlt werden, die muss nämlich meinen Kühlschrank füllen und meine Miete bezahlen und das kann sie nicht, wenn meine potenziellen Fahrgäste an meinem Auto vorbeilaufen.
Da hab ich vollstes Verständnis für.
Und ein Taxi ranwinken, nur um nach dem Weg zu fragen, geht gar nicht. Mir ging es aber vor allem um die Reaktion des Taxifahrers in der Geschichte. Generell jemanden so anzugehen ist einfach ein Unding.
Dabei heißt Dienstleister zu sein ja nicht, unterwürfig zu sein, aber eine grundsätzliche Höflichkeit den (potentiellen) Kunden gegenüber sollte man schon an den Tag legen. Das scheint leider, und das muss ich aus eigener Erfahrung sagen, gerade in Berlin oft und gerne vergessen zu werden.
@Falcon
Eine grundsätzliche Höflichkeit sollte man ALLEN Menschen gegenüber an den Tag legen. Nicht nur als Dienstleister einem Kunden gegenüber. Auch umgekehrt. Das war es, was ich sagen wollte. 😉
Dann wollen wir ja alle irgendwie das gleiche 😀
Dito und Amen 😉
Ich kenne den betreffenden Taxistand nicht, aber bei mir hier in Bonn würde ich am Hauptbahnhof im Leben nicht auf die Fahrerseite gehen, da ist mir um Längen zu viel Verkehr. Dann stehe ich auf der Straße – direkt an Straßenbahnschienen – man muss es ja nicht gleich übertreiben.
Und was wäre denn wenn die Locationen nicht 200m die Straße herunter gewesen wäre, sondern 2km entfernt im nächsten Stadtteil? Damit wären es dann potentielle Kunden.
Hinzu kommt dass in Bonn alle paar Minuten ein Zug einfährt der potentielle Kunden in größere Masse ausspuckt. Wenn also wirklich durch die Auskunft eine Fahrt „versaut“ wurde, kommt Minuten später der nächste Zug – ich denke in Berlin dürfte das nicht anders sein.
Wenn mich allerdings ein Taxifahrer derart anbrüllen würde, würde ich mich sofort mittels seiner Taxinummer an das entsprechende Unternehmen mit einer kräftigen Beschwerde wenden. Hier in Bonn klappen solche Beschwerden ganz gut, der Taxifahrer der hier nebenan um 0:00 Uhr aus dem Hinterhaus jemanden abholen wollte und anstatt auszusteigen und zu klingeln auf die Hupe gedrückt hat, dürfte über die Ansprache der Funkzentrale nicht sehr erfreut gewesen sein. Die Dame der Zentrale klang zumindest sehr angepi**t über diese Verhalten.
„Jens sagt: 19. Mai 2011 um 16:29
Einen noch deutlich übleren …“
Ich sehe gerade es gibt noch einen Jens hier, der mit dem Beitrag über Kölner TF ist nicht mit dem über Bonner identisch 😉
Berlin Ostbahnhof – laut Daten und Fakten der DBAG:
~ 1200 Züge und S-Bahnen täglich
~ 100000 Reisende + Besucher täglich
das wäre was anderes an einem Provinzbahnhof in Kleinklüngelsdorf wo morgens der Pendlerzug abfährt und abends wieder einer ankommt.
Dort sollte man meinen, selbst bei einer verpassten Fahrt, lässt die nächste nicht lange auf sich warten.
@Jens I.:
Wie gesagt: Abrüllen geht gar nicht – egal um was es geht. Das ist schon menschlich total daneben, da brauchen wir ja über den Beruf gar nicht reden.
Allerdings muss ich bei den Zahlen anmerken, dass es durchaus auch am Ostbahnhof Fahrgastschübe gibt. Die meisten S-Bahnen und Regionalzüge sorgen nämlich für genau 0 Kunden. Einfach, weil der Bahnhof viel als Umsteigebahnhof genutzt wird.
Mitunter kann es also schon mal eine Dreiviertelstunde zwischen dem einen und dem nächsten ICE geben, die fahrgastfrei verlaufen. Ist an schlechten Tagen durchaus Realität.
(kann natürlich auch im Minutentakt gehen, wie das halt so ist…)
[…] ist eine Anfrage in meinen Augen kein Problem. Gut, es soll da auch andere Kollegen mit weniger Beherrschung geben. Zusätzlich zu den selbstverständlichen Fahrt- und den unverbindlichen Ortsanfragen kommen […]