Wenn ich es gerade bei Torsten drüben lese, dann muss ich doch irgendwie auch meinen Senf dazugeben 🙂
Trinkgeld ist ja nun wirklich eine schwer zu bemeckernde Tatsache. Schon alleine, dass jemand Trinkgeld gibt, ist toll, das tun beileibe nicht alle Taxikunden. Manche tun es aus Unwissenheit über unseren Job nicht, manche aus Prinzip und manche sind vielleicht wirklich vom Service enttäuscht. Leider erfährt man es meist nicht.
Komisch ist es irgendwie oftmals, wenn es wenig Trinkgeld gibt. Klar geben manche einfach eisern genau einen Euro oder 10 Prozent, was mich dann bisweilen überrascht, weil ich bei einer Fahrt für 8,80 € nicht gerade erwarte, auf 9,80 € herauszugeben, oder bei 6 € Fahrpreis über die Ansage „6,60 €“ stolpere. Das ist einfach ungewöhnlich. Die beiden Beispiele lagen jetzt allerdings durchaus im Rahmen.
So ein ähnliches Beispiel wie Torsten hatte ich derletzt allerdings auch. Ich hatte ein paar Winker am Straßenrand in Friedrichshain, und sie wollten zum bekanntesten Bordell der Stadt, zum Artemis. Sie waren entzückt darüber, dass ich 5 Sitze habe, so konnten sie sich das zweite Taxi sparen. Unterwegs unterhielten wir uns nett – notgedrungen auf englisch, aber durchaus ausführlich – über alles mögliche von Berlins Sehenswürdigkeiten bis zu ihrer Heimat, übers Taxifahren, das Wetter, Fußball und nicht zuletzt über ihre Zieladresse. Einmal waren sie schon dagewesen, sie priesen Qualität und Sauberkeit und Service, und auch die Taxifahrer seien bisher alle so super gewesen, das würden sie gar nicht kennen von zu Hause.
Die Fahrt war also nicht nur relativ lang, sondern auch angenehm. Dazu hatte ich Kunden im Auto, die sich um die Ohren warfen, welchen Luxus sie sich gleich hier für einen Fuffi, da für einen Hunni extra leisten würden, und wie schön doch die Stadt sei. Am Ende standen 21,80 € auf der Uhr, und nachdem ich dem Fünften im Bunde geholfen habe, die dritte Sitzreihe zu verlassen, bekam ich 22 € gereicht und mit einem Klopfen auf die Schulter wurde mir bedeutet, ich könne den Rest doch gerne behalten, war ja schließlich so nett mit mir…
Man muss ihnen zu gute halten, dass sie immerhin kein hohes Trinkgeld versprochen haben.
Und dann hat man zwei Stunden später einen älteren HartzIV-Empfänger im Auto, der wegen einer Bahnverspätung nur noch einen ungünstigen S-Bahn-Anschluss nach Hause hatte. Der hat es sich nicht nehmen lassen, ein bisschen zu jammern, dass der Besuch bei seiner kranken Mutter doch eh schon ein tiefes Loch in die Haushaltskasse gerissen hätte, was ich ihm schlecht verdenken kann. Und dann rundet der Kerl mit einem zahnlosen Lächeln die 12,20 € auf 15 € auf und meint, darauf käme es jetzt auch nicht mehr an, er freue sich, dass ihm mal jemand zuhört.
Da wusste ich dann wirklich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte…
Es ist ja klar, dass nicht jeder meinen Briten (Hey Torsten, bei mir zieht einer alleine den Schnitt schon nach oben! 😉 ) toppen kann. Das wäre auch etwas zu viel verlangt. Ich bin mit den durchschnittlichen 10 Prozent Trinkgeld zufrieden. Schade finde ich, dass es wirklich oft vorkommt, dass das wenigste Trinkgeld von den Leuten kommt, die es sich entweder leisten könnten oder auch noch damit prahlen, es zu tun.
Und hey, ich weiss, dass ich nicht die angenehme Art von Service biete, die Prostituierte ihren Kunden angedeihen lassen. Aber sind 2 € für den Taxifahrer echt so unvorstellbar, wenn man gleich 500 € im Puff liegen lässt?
Bedenke bitte, dass die Leute, die ordentlich Kohle haben, nicht durch ausgeben selbiger soviel angesammelt haben. Oder mit anderen Worten: Viele Vermögende sind Geizkragen.
Wo ist mein Gravatar hin?
@Der Maskierte:
Hast ja Recht. Schön isses dennoch nicht.
Und zum Gravatar: Falsche Mail-Adresse (.de statt .com).
Von den Reichen lernt man oft das Sparen, das war schon zu meiner Zeit als Pizzafahrer so. Lieferte ich eine 99,50-DM-Partybestellung in eine Gegend, wo die Anschrift schon wieder Adresse heißt, gab es oft noch nicht einmal die 50 Pfennig zum Hunderter als Trinkgeld – aber eine einzelne Lasagne ins Wohnblockviertel zu liefern brachte meistens eine bis zwei Mark. (Mark, Pfennig: ist meine Pizzazeit echt schon so lange her?)
Und auch im Taxi und Bus merke ich öfters: je öfter und stärker ein gutes Trinkgeld in Aussicht gestellt wird, um so weniger wird es dann (merke: Nur weil eine Busgruppe wie versprochen “den Hut rumgehen” lässt, heißt nicht, dass die Leute dann auch was nennenswertes in den Hut hineinlegen 😉 )
Im Taxi fühlte ich mich nur einmal von einem Kunden ehrlich auf den Arm genommen – Fahrt unter der Zehn-Euro-Grenze, passend bezahlt. “Könnten Sie mir noch bitte mit dem Gepäck helfen?” – Klar, also den Koffer in den dritten Stock getragen. Verabschiedet, schon wieder eine Treppe weiter unten gewesen, da wurde ich zurückgerufen: “Halt, kommen Sie nochmal, ich wollte Ihnen noch was fürs Tragen geben” – und ich bekam tatsächlich 3 (in Worten: DREI!) Cent. Da hätte der Kunde besser einfach gar nichts gegeben…
(ok, ich merke gerade, das war jetzt fast derselbe Kommentar wie bei Torsten, aber es ist ja auch das gleiche Grundthema, also: basst scho 😉 )
@Daniel:
3 cent waren früher immerhin mal 6 Pfennig! 😉
Die Leute mit Geld geben meist wenig Trinkgeld und wollen ansonsten auch am liebsten gar nichts zahlen müssen. Die armen Leute, so wie dein HartzIV empfänger halten es da anders. Ich bin Student, der erste überhaupt aus meiner Arbeiterfamilie aus dem Osten (gibts noch ungünstigere Voraussetzungen um in Deutschland zu bestehen?) und habe auch nicht viel Geld – knausern oder geizig erscheinen möchte ich jedoch nicht. Das würde ja bedeuten, dass das Gegenüber weiß, dass man nicht viel von dem Geld hat. 😉 Verstehst du die Logik? Klar, die Leute, die wirklich Geld haben sind halt Scrooges und die geben auch kein Trinkgeld/wenig Trinkgeld, aber denen sieht man meist an, dass sie Geld haben. Kleider machen Leute. Super Novelle! 😉
Ich hab’s bei der Arbeit (im Schuhgeschäft, also gab’s in der Regel kein Trinkgeld) oft genug erlebt, dass gerade diejenigen, denen schon von weitem anzusehen war, dass sie mehr als genug auf dem Konto hatten, am verbissensten um Nachlass wegen angeblicher Fehler am Schuh gebettelt haben oder erwartet haben, dass man ihnen sämtliche Pflegeprodukte gleich dazu schenkt, weil sie ja mal wieder ach so viel eingekauft haben. Diejenigen, für die ganz klar ein Schuh für 100€ eine Rieseninvestition war, die man vielleicht einmal alle 10 Jahre macht, weil nunmal die Tochter heiratet, haben das so gesagt, waren aber auch immer diejenigen, die sich am meisten über ihren Einkauf gefreut und sich tausendmal für die nette Beratung bedankt haben. Und ein nettes „Danke“ war mein „Trinkgeld“ 😉
Es soll ja auch Kuluturkreise geben in denen das Geben von Trinkgeld absolut unüblich ist. Ich will da jetzt niemanden in Schutz nehmen, aber wenn man es nicht gewönt ist vertut man sich halt mal in der Höhe wenn man dann doch welches gibt.
Genau wegen sachams Kommentar wollte ich fragen, wo die Herrn Bordellbesucher denn herkamen.
@all:
Ich kann das jetzt ehrlich gesagt nicht verallgemeinern. Ich hab durchaus auch öfter gut betuchte Kundschaft, und da sind auch eine Menge netter und großzügiger Menschen dabei. Außerdem ist es wirklich kein Drama, wenn es mal kein Trinkgeld gibt.
Die direkte Gegenüberstellung dieser beiden Fahrten war halt mal wieder extrem.
@sachma:
Klar, das gibt es sicher. Wobei es dann meist eher so ist, dass sie nichts geben.
@Matthias:
Soweit ich es mitbekommen habe, waren es ganz klassisch Italiener. Aber auch da hatte ich ja schon ehrenwerte Ausnahmen 🙂
@ sash
Hey Sash ab welchen Betrag ist es bei dir noch Trinkgeld und ab welchen Betrag ist fast schon ner Verar**** ung deiner bzw. „unserer“ Arbeitsleistung ? Also mein Rekord liegt bei 8 cent!!! 😉 Tja annehmen und schön „Danke“ sagen oder mit nem passenden Kommentar zurück geben bzw. ablehnen?? Jut 8 cent is jetzt eher die Ausnahme. Aber selbst bei 10 oder 20 cent is die Frage berechtigt. Dann lieber nix geben und jut is!!!
@Thomas:
Ich finde, dass es da keinen Grenzbetrag gibt. Ich hatte beispielsweise mal einen total lieben und durch unglückliche Umstände sein Geld losgeworden seienden Inder, der sich schon vorab entschuldigt hat, dass er sowieso sehen müsste, ob das Geld bis zum Ziel reicht. Hat es dann ganz genau. Letztlich hat er seine Jackentaschen nach Kleingeld durchforstet und mir mit Schamesröte im Gesicht 11 Cent Trinkgeld gegeben – offenbar wirklich alles, was er in diesem Moment noch besaß. Das hab ich auch nicht als Verarsche angesehen.
Wenn jemand jetzt aber explizit sagt, er möchte mich noch für meine (Extra-)Arbeit entlohnen und mir dann 40 Cent in die Hand drückt, denke ich mir bisweilen trotzdem meinen Teil über Wertschätzung…
@nick:
Stimmt – und wie meine Oma immer zu sagen pflegte: „Das war früher viel Geld!“ – wenigstens hat es der nämliche Passagier geschafft, mir auf lange Zeit im Gedächtnis zu bleiben 🙂
Ich lese deinen Blog schon seit einigen Tagen und bin erst hier im Jahr 2011 😀
daaanke dass du einen so tollen blog schreibst.
@mila:
Oh, wow! Das ist noch ein weiter Weg. Ich hoffe, er ist unterhaltsam genug. 🙂