Marius hat mir via Kontaktformular (schon vor zwei Tagen, sorry!) folgende Frage zukommen lassen:
Moin Sash,
mich interessiert, wie die Reinigung nach einer Geburt im Taxi gehandhabt und auch bezahlt wird. Würde mich da gern über die ein oder andere Geschichte, vielleicht auch von Kollegen, freuen – mal was anderes als Kotzgeschichten. 😉
Ich gebe es zu: Ich bin überfragt!
Grundsätzlich ist es natürlich eine ähnliche Verunreinigung, ob man hier allerdings vom juristisch gebotenen Vorsatz oder einer Fahrlässigkeit ausgehen kann, weiss ich nicht. Also falls ein Kollege sowas schon mal gehabt hat – oder ein Anwalt so einen Fall schon mal hatte, dann würde mich das persönlich auch interessieren. Ich hatte bisher erst einmal die klassische „Dringend, es kommt gleich!“-Fahrt, und die ging (glücklicherweise) so aus, dass wir das Krankenhaus noch rechtzeitig erreicht haben.
Inzwischen lesen ja auch einige Taxifahrer mit da wäre es doch gelacht wenn nicht einer der Leser eine Antwort hat 🙂 Bin mal gespannt.
Habe in meiner Zeit (knapp 15 Jahre) nur drei solche Fahrten gehabt.
Ist immer gut gegangen. 🙂
Beim letzten mal hat die Frau sich auf ein Handtuch gesetzt, für den Fall das die Fruchtblase platzen sollte.
Ich hab so eine Situation bei Bekannten schon einmal im privaten PKW erlebt.
Dennoch interessiert mich die Frage von Marius auch!
Hat man in einem solchen Fall eigentlich eine Art „Freifahrtschein“ für Geschwindigkeitsüberschreitungen oder würde das ganz normal geahndet?
Der ein oder andere Polizist würde wohl ein Auge zudrücken (allein damit er aus der Situation rauskommt) oder gar seine Hilfe anbieten, mit Blitzerfoto oder vorm Richter sähe das aber sicher anders aus. Da gabs mal ein Urteil zu ner längeren, akuten Fahrt ins Krankenhaus. In Deutschland gibts für sowas den Rettungsdienst…
Naja, eine Geschwindigkeitsüberschreitung könnte möglicherweise durch Notstand entschuldigt sein.
Aber Vorsicht, es gibt immerhin ein Urteil, das sagt, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 54 km/h zur Rettung eines im Koma liegenden Wellensittich nicht erlaubt ist:
http://home.arcor.de/bastian-voelker/fun/urteile/tiernot.html
Um auf den Notstand zu kommen, müssten aber erst alle „schwächeren“ Maßnahmen ausgeschöpft worden sein. Wenn du also 112 (& evtl. noch 110) gewählt hast und man dir da z.B. sagt: Nee, gerade alle zum Busunglück unterwegs, dauert ne halbe Stunde, dann könnte man evtl. versuchen so zu argumentieren. Aber so…
Einen Freifahrschein natürlich nicht, aber google doch mal nach Augenblicksversagen und Wehen.
ob man hier allerdings vom juristisch gebotenen Vorsatz oder einer Fahrlässigkeit ausgehen kann
Natürlich kann man das. Hätten die ein Kondom genutzt, wäre das Auto nicht versaut 😉
Ich hatte übrigens vor ca. 5 Jahren nicht so viel Glück wie du und durfte mich dann um das Fruchtwasser kümmern 🙁
Aber wenigstens hat das Baby noch gewartet, bis wir im Krankenhaus angekommen waren.
Ich habe allerdings auf dem Weg dorthin auch 2 rote Ampeln überfahren, natürlich gaaanz vorsichtig, und mir dann in der Klinik auch den Notfallbestätigen lassen. Eine der Schwestern/Ärztinnen hat mir übrigens auch die Fahrt bezahlt, weil die junge Mama dazu nicht mehr in der Lage war. Allerdings ohne Reinigungszuschlag. Ich habe natürlich darauf verzichtet, den einzuklagen. Notfall ist Notfall und Schnaps sit Schnaps. Es sind also zwei verschiedene Dinge.
In allen solchen Fällen, auch nur bei Verdacht:
ZUERST 112 ANRUFEN! 112! AUCH FÜR TAXIFAHRER GILT: ERSTMAL 112 ANRUFEN!
Sorry fürs Schreien, erkläre ich jetzt.
Unabhängig von Reinigungskosten (das war die – in diesem Kontext recht albern wirkende, sorry – Eingangsfrage), roten Ampeln, „Augenblicksversagen“, Geschwindigkeitsübertretungen und Handtüchern:
Leute, ruft zuerst, wenn Euch „sowas“ (hochschwangere Frau vermutlich kurz vor Niederkunft) privat oder beruflich passiert, 112 an, weil: Ihr mögt noch so tolle Wagen fahren und noch so tolle und schnelle Strecken kennen – wenn die Nabelschnur um den Hals des Säuglings klemmt, helfen E-Klassen garnichts.
Es geht vielleicht (wißt Ihr das in dem Moment?) um Minuten. Ein Kind kann nach wenigen Minuten ersticken oder schwerbehindert zur Welt kommen. Muss nicht, wird nicht, soll nicht – aber kann.
Nach dem Anruf bei 112 könnt Ihr immer noch Gas geben und James Bond-mäßig Schleuderwenden und Brückensprünge hinlegen – aber bitte nur, wenn Euch die Leitstelle dazu auffordert. Die haben dazu eine Meinung – fragt danach. Die Verbindung zur 112 ist in aller Regel schneller hergestellt, als das (bitte vorschriftsmäßige und damit unfallvermeidende) Abbiegen von der Taxihalte dauert.
In der Regel sind die Retter mit Lalülala, Blaulicht und Vorfahrts“berechtigung“ (ist keine, aber das diskutiert kein vernünftiger Mensch, niemals) incl. „Rendezvous“ (mit Euch und/oder mit dem Notfallmediziner) schneller vor Ort als ihr, und besser ausgebildet und besser für Notfälle ausgestattet sind die Damen und Herren allemal und sowieso, glaubt’s bitte.
„Schwanger ist nicht krank“, klar – aber bist Du Gynäkologe, oder bist Du Taxifahrer? Wirklich: Ruf 112 und lass Dich instruieren, wenn es dringend erscheint oder gerade wird. Losfahren kannst Du immer noch. Und wenn sie Dich für blöd erklären, weil die werdende Mutter nur Blähungen hatte (und die können heftig sein, kein Sch…): Nehmt’s bitte gelassen hin, Ihr seid Taxifahrer und keine Mediziner. Und Ihr und das Kind sind „safe“ – super Sache, so soll’s sein.
Und nun haut und schlagt mich und erzählt Eure Sicht der Dinge – aber bitte die Profession (!) angeben. Rettungssanitäter und – assistenten, Notärzte/Ärzte, Hebammen und Polizisten zuerst, bitte… die kennen das.
PS: Hatte ich 112 schon erwähnt? 🙂
PPS: Wegen Wagenreinigung: Joah, mach mal eine Geburt im Auto mit – zuerst ruf 112 an 🙂 und dann lass die Presse anrollen, und dann frag Deinen Chef, und dann mach mal einen Tag Urlaub. Den Urlaub brauchst Du, glaub’s. Die Kosten kannst Du dann immer noch klären.
@Kommentator:
Ich halte deinen Einwand für absolut berechtigt, aber es gibt ja durchaus die Situationen, wo man schneller am KH ist, als der Rettungswagen letztlich bis vor Ort braucht. So war es damals bei meiner einen Fahrt: Wir waren binnen 5 Minuten – inklusive der nervigen Ampeln – da.
Damit will ich aber keineswegs sagen, man solle es ruhig mal riskieren.
Im Prinzip hast du natürlich recht. Aber wenn ich in der Kaiserin-Augusta-Allee erstmal den Krankenwagen gerufen hätte, wäre er mit Sicherheit später da gewesen, als ich im Krankenhaus in der Pulsstraße. Bei längeren Strecken würde ich auch anders entscheiden.
@Aro:
Zwei Dumme, ein Gedanke 🙂
Notfalls lasse ich mir von den sämtlich als Hebammen ausgebildeten Vermittlern über Funk eine Anweisung zur Geburt geben. Natürlich einhändig, muss ja gleichzeitig noch fahren 😉
Keine Ahnung wie das rechtlich aussieht, aber ich frage mich, als so etwas noch nie mitgemacht Habende, warum man nicht einfach den Notarzt ruft, wenn man feststellt, dass „es“ gleich kommt?
Nochwas zum Thema „Notstand“…. ein Verwandter wurde mal auf der Autobahn in einer 60er Baustelle mit guten 140km/h geblitzt. Er war mit dem Privatwagen auf dem Weg zur Feuerwehr um zu einem Einsatz zu kommen. Er musste zwar ne Geldstrafe zahlen und Punkte hat er auch kassiert, aber das Fahrverbot konnte er (mit Anwalt natürlich) abwenden. Also derartioge „Ausnahmen“ sind schon mal möglich.
@Sash und Aro:
Das mit dem „in der Nähe sein“ ist einsehbar, wenn es vielleicht um ein paar Hundert Meter geht – aber was, wenn es „nur“ ein oder zwei Kilometer sind und Ihr plötzlich „rechts ran“ müßt, weil das Kind doch schneller kommt als gedacht? Es geht darum, auf der sicheren Seite zu sein, und zwar nicht für sich selber, sondern für Mutter und Kind.
@Missac:
Ganz ehrlich: Ich halte Deinen Bekannten für einen verantwortungslosen Idioten – sorry für die harten Worte, das richtet sich nicht gegen Dich, sondern ist meine Meinung zu dem geschilderten Vorgang. Ich vermute mal, dass Gegenverkehr kam (gibt ja keine Autobahn mehr ohne) – sich dann mit 140 Sachen in einem nur schwach oder garnicht abgesicherten und zudem eventuell verengten Fahrstreifen zu produzieren, ist verantwortungslose Idiotie, egal, wie schwach der Verkehr war.
Und die Begründung „Feuerwehreinsatz“ sollte man dem Typen gleich noch dreimal um die Ohren hauen, weil: Was war es denn für ein Einsatz? „Fahrzeug schleudert mit erhöhter Geschwindigkeit in den Gegenverkehr“ aka „Idiot und seine unschuldigen Opfer aus den Trümmern schneiden“? Ganz ehrlich: Solche Vollpfosten haben nach meiner Meinung auf der Straße nix zu suchen. Ob die Feuerwehr solche Leute gebrauchen kann, stelle ich auch in Frage.
Die Frage, wieso solche Schwangeren nicht selber den Notruf wählen, stelle ich mir auch – aber vielleicht brauchen in dem Moment sie beide Hände zum Festkrallen in beliebigen Gegenständen 🙂
Also 112 anrufen finde ich schon wichtig, am besten per Freisprechanlage während der Fahrt, auch wenn man sich relativ sicher ist, dass man das nächste Krankenhaus schnell(er) erreicht. Denn erstens kann man ja auch einen Rendevoux-Punkt unterwegs mit dem Krankenwagen vereinbaren, zweitens hilft es auch dem Krankenhaus, zu wissen, dass da wer kommt, schließlich läuft es auch da mit Vorbereitungszeit optimaler als ohne.
Dabei insgesamt möglichst ruhig bleiben, wenn es ne Risikoschwangerschaft ist, wissen die Mütter in der Regel eh Bescheid, und im Normalfall geschehen die wenigsten Geburten in ein paar Minuten. Die Chance, dass also was wirklich kritisches, schlimmes passiert, ist also eher gering.
Panik regt dann nur die werdende Mutter und alle anderen Beteiligten auf und es passieren eher dumme Fehler.
Also auch nicht Fahren wie ne gesengte Sau, denn eine Geburt im Autounfall ist schlimmer als eine Geburt im Auto!
Kar, dafür haben wir ja Funk im Taxi. Ich habe das genauso genacht und am Krankenhaus angekommen haben sie bereits draußen auf uns gewartet und die Lady direkt auf die Trage gelegt.
Hm, irgendwie hat es die Menschheit fertiggebracht die letzten sechstausend Jahre oder so Kinder auf die Welt zu bringen und tatsaechlich zu ueberleben. Heute, mit Technik und Autos usw. geht das anscheinend nicht mehr, da ist ja auch alles viel komplizierter geworden.
Also auf die Idee, wegen der Geburt eines Kindes die Feuerwehr oder gar einen Notarzt zu rufen kaeme ich ehrlich gesagt niemals. Das ist ein ganz normaler Vorgang, der weibliche menschliche Koerper ist dafuer ausgelegt, das funktioniert schon, einfach so 😉
Natuerlich kann dabei irgendwas schiefgehen, aber das ist halt nunmal so. Da wird auch keine Technik und kein Arzt jemals was dran aendern koennen.
Bei den Beteiligten, also Taxifahrer, Rettungskraefte usw. verstehe ich das Verhalten natuerlich, was sollen sie in so einer Situation auch anderes tun. Nur bei den Eltern kommt mir das einfach komisch vor. Anscheinend haben wir Zivilisationsmenschen jegliche Biologie vollstaendig verlernt 😉
@bernd naja, irgendwie war auch in den letzten Jahrtausenden die Sterblichkeit sowohl bei den Neugeborenen als auch bei den Müttern deutlich höher als heute, auch wenn es ja noch zum Überleben unserer Art gereicht hat.
Und auch früher waren die Mütter eher nicht auf sich alleine gestellt, die Funktion der Hebamme ist alt. Also einfach mal alleine drauf los pressen ist da wirklich nicht angeraten!
So einfach wie Du Dir das anscheinend vorstellst geht es dann doch nicht, zumal die Frau danach ja vielleicht auch noch einen möglichst intakten Intimbereich und möglicht gut erhaltene Kontinenz haben möchte!
Wie gesagt, wenn es nicht grade eine Risikogeburt ist, ist nicht unbedingt Panik nötig, trotzdem würde ich jedem raten ZÜGIG, den Weg ins nächste Krankenhaus anzutreten, wenn die Anzeichen entsprechend dringend sind…
Also als ich mit wehen die 112 gerufen habe, sagten die zu mi:rufen sie ein Taxi, so schnell wird das Kind nicht kommen, wenn sie noch telefonieren können.
@Mich:
Das nenne ich auch mal Schlagfertigkeit 😉