Ich bin Taxifahrer

Was für eine Weisheit, das sollten ein paar Leser schon bemerkt haben 😉

Ich habe inzwischen angefangen, Bücher von Taxifahrern zu sammeln, weil es interessant ist, zu sehen, wie unterschiedlich die Menschen in diesem Gewerbe über ihre Erlebnisse erzählen. Gut, dazu bräuchte ich nicht zwingend Bücher lesen. Wir sind inzwischen im Jahr 2011 angekommen, wir haben das Internet und etliche Kollegen von mir bloggen inzwischen. Aber es gab auch andere Zeiten.

Ein besonderes Schmuckstück hat Ozie mir zu meinem Geburtstag organisiert, ein Buch, das sich wohl nicht mehr so einfach im Handel finden lässt:

Wilhelm Schuster: Ich bin Taxifahrer

Der Titel klingt schon so unmöglich, und der Untertitel

Vierzig Jahre hinterm Steuer
Erlebnisse aus erster Hand

irritiert auch ein wenig. Aber – und damit kommen wir zum Thema – das ist eigentlich gar nicht so verwunderlich, denn das Buch wurde 1972 herausgegeben. Da liefen die Uhren noch anders. Und ich meine nicht nur die Taxameter!

Man merkt dem Buch das Alter an allen Ecken und Enden an. Der damals sicher seltene Schreibstil mit allerlei Dialekt und Umgangssprache wirkt inzwischen etwas hölzern, die Sensation, ein Buch übers Taxifahren zu schreiben, will einen kaum mehr hinter dem Ofen vorholen, aber besonders wichtig ist: Es spielt in einer Zeit, in der Taxifahren erkennbar anders war als heute.

Während man heute recht beiläufig erwähnt, dass es sich um eine Dienstleistung für Kunden handelt, liest man aus Schusters Buch regelmäßig heraus, wie sehr damals der Fahrer Herr im Auto war und Kunden gefälligst Ruhe zu geben hatten. Sehr schön zum Beispiel die Antwort auf einen Kunden, der ihm hinten am Stand ins Auto steigen wollte:

„Geht nich, Vadder. Hier läuft alles schön der Reihe nach.“

Die Geschichte beginnt mit einer Erinnerung an einen getöteten Kollegen, und man erfährt bereits, dass Schuster zum Zeitpunkt des Schreibens selbst nicht mehr fährt. Zu guter Letzt wird klar, dass er „zum Krüppel geschossen“ wurde, insgesamt eine tragische Rahmenhandlung. Eingebettet in diesen Rahmen findet man dann ein Potpourri der denkenswertesten Fahrten. Wie bei einer 40-jährigen Geschichte nicht anders zu erwarten, finden sich dabei eine Menge Kuriositäten. Diese werden meist schnell erzählt, ohne großen Pathos, ohne sich zu viel mit Details aufzuhalten. Das klingt in der Tat etwas dröge. Man nehme nur den eigentlichen Anfang:

Ich heiße Wilhelm Schuster, bin 60 Jahre alt und von Beruf Taxifahrer. Fast vierzig Jahre lang habe ich auf dem Bock gesessen, davon gut die Hälfte in eigener Regie, denn ich hatte etwas auf der hohen Kante, und als meine Frau Lisbeth ein kleines Erbteil ausgezahlt bekam, kaufte ich den ersten Wagen.

Nein, stilistisch reizt das Buch heute sicher niemanden. Was es aber durch den Inhalt wieder wett macht. Die Geschichten sind zu schön, um nicht erzählt zu werden, und besser, es ist so geschehen als gar nicht.

Schuster erzählt beispielsweise von einer bekannten Schauspielerin, die ihn am Stand auswählt, weil sie den Wagen – der nur ein geliehenes Auto war – so toll fand. Mit ihr machte er eine stundenlange Überlandfahrt, aß und trank Alkohol mit ihr, und alles endete damit, dass das tolle Auto den Geist aufgab, die Diva ihn beschuldigte sie töten zu wollen und er kein Geld bekam.

Geschichten dieser Art, zu bekloppt um sie sich auszudenken, machen das Buch letztlich dann doch zu einer unterhaltsamen Lektüre. So liest man gespannt, wie Schuster einen Prinzen bei sich zu Hause frühstücken lässt, einen gesuchten Gewalttäter auf dessen Wunsch zur Polizei fährt, eines Diebstahls beschuldigt wird oder sich selbst von einem Nackten das Taxi klauen lässt. Und das alles erstaunlich unaufgeregt, hier und da mit etwas Hamburger Mundart garniert.

Dazu kommt wie bereits angedeutet der Zeitaspekt. Die ganzen Geschichten spielen zu einer Zeit, in der die Taxen noch alle schwarz waren, das ein oder andere Mal greift Schuster sogar zurück in die Zeit des Nationalsozialismus. Die Schilderungen über seine Frau – wie sie beispielsweise seine Hose für einen Empfang mit dem Bundespräsidenten herrichtet – wirken aus heutiger Sicht total antiquiert, und ich war mehr als einmal dabei, den Autor ob mancher Einstellungen beherzt scheiße zu finden.
So wettert er gegen Ende, als einige junge Kollegen den Schützen aufgebracht haben, der ihn anschoss, dass er es immer noch nicht verstehen und gutheißen könne, wenn Männer mit langen Haaren herumliefen. Eine völlig fremde Welt, aus der das Buch für mich letztlich die Faszination gezogen hat, die es auf mich hatte.

Das Ende darf ich hierbei keinesfalls untergehen lassen. Denn Schuster beendet das Buch mit einer alten Geschichte, als er einen Jungen im Auto hatte, der wohl noch nie mit einem solchen zu tun hatte. Und gibt es ein besseres Ende für ein Buch, das von einem angeschossenen Taxifahrer geschrieben wurde, als dieses:

Dunnerkiel! Der Reedereiinspektor sah dem Buttje an, daß es ihm fast das Herz brach, nun aussteigen zu müssen. Er drückte mir zwei Reichsmark in die Hand und sagte:
„Fahren Sie ihn man dafür noch’n bißchen durch die Stadt.“
„Wo soll die Reise denn hingehn?“ fragte ich den Lütten.
„Bis da, wo Hamburg zu Ende ist!“ rief er.
„Fährt das Auto so weit?“
Es fuhr.
Barsch und Stör! Ja, ich würde wohl doch wieder Taxifahrer werden, wenn ich die Wahl hätte.

Wohl nicht.

Wilhelm Schuster: Ich bin Taxifahrer
1972 Lichtenberg Verlag, München
ISBN 3 7852 1132 5

Arbeitsauffassung

Die Einstellung zur eigenen Arbeit: Ein prima Thema. Ich bin mir da mit so vielen Kollegen uneins, wahrscheinlich mit den meisten. Ich mache meine Arbeit gerne. Davon abgesehen empfinde ich sie durchaus auch als sinnvoll. Klar, mich im Speziellen bräuchte dieses Gewerbe sicher nicht – aber dass es Taxen und ihre Fahrer gibt, ist schon eine tolle Sache an und für sich.

Natürlich mache ich den Job auch zum Geldverdienen. Ich freue mich auch immer, mal nicht arbeiten zu müssen und es gibt auch Tage, an denen ich froh bin, mal nicht lauter fremde Menschen so nahe auf der Pelle zu haben.
Aber im Gegensatz zu vielen Kollegen sehe ich mich nicht in einem Scheißjob gefangen, nicht als Sklaven der Kunden oder – das ist wirklich das geilste, was ich in letzter Zeit am Stand gehört habe – als großes Opfer der Politiker, denen nichts anderes am Herzen liegt, als armen Autofahrern mit aufgezwungenem Biosprit den Garaus zu machen.

Ich biete eine Dienstleistung an und lasse mich dafür bezahlen. Meist endet das angenehm für mich und meine Kunden – und über die Ausnahmen lassen sich wenigstens wunderbare Geschichten schreiben. So würde ich das sehen.

Nun bin ich ja nicht alleine mit dieser Einstellung. Mir ist noch gut der Außendienstmitarbeiter eines großen Elektromarktes in Erinnerung, der so richtig happy war, dass er mit seiner Arbeit Menschen helfen konnte. Aber ja, bei manchen Branchen wundert mich diese Einstellung dann auch. Das mögen alles Vorurteile sein – aber die hat man nunmal.

So hab ich am Wochenende einen Mann in meinem Alter aufgegabelt, der sich nach Mitte bringen lassen wollte. Wie das so ist, sind wir schnell miteinander ins Gespräch gekommen, und er zeigte sich sichtlich erleichtert, mal frei zu haben:

„Normalerweise arbeite ich am Wochenende auch immer! Ist richtig cool, mal frei zu haben und auch mal Kollegen in ihren Läden besuchen zu können.“

Oha! Nachtigall, ick hör dir trapsen: Gastronomie. Nach wie vor stimmt die Vermutung fast immer, wenn es um Nacht- und vor allem Wochenend-Arbeit geht.

„Gastronomie?“

„Nee nee, Security!“

Hoppla. Aber klar, die haben auch so in etwa meine Arbeitszeiten 🙂

„Türsteher würden die meisten sagen. Ich betrachte mich eher als eine Art Gästebetreuer.“

DAS hatte ich so nun wirklich noch nicht gehört!

Es kam, wie es kommen musste: Wir unterhielten uns über nervige Kunden, und bedauerten einander mit zwinkerndem Auge ob unserer Arbeitszeiten. War eine echt angenehme Fahrt soweit. Er hat seinen Job dann klassifiziert als

„95% Psychologie und 5% körperliche Gewalt“

Trotz dieser fast noch brauchbaren Verhältnisse bin ich ja froh, dass bei mir der Gewaltanteil bisher nach 2 Jahren bei 0% liegt. Wirklich amüsant fand ich dann aber den folgenden Spruch:

„Weisste, wenn mir dann einer kommt mit „ey du Fotze!“, dann sag ich auch immer: „Lass uns bei SIE Fotze bleiben, dann haben wir wenigstens noch eine Verhandlungsbasis!““

Ich find den gut 😀

Mein Fazit lautet übrigens immer noch so, wie beim oben verlinkten Artikel: Diese Stadt würde nicht funktionieren ohne all die Menschen mit dieser Einstellung. Mir erzählen ja auch immer viele Kunden, sie könnten meinen Job nicht machen – das verstehe ich, und ich liebe ihn trotzdem. Immer wieder schön zu sehen, dass das teilweise auch bei Jobs so ist, über die ich das selbe sagen würde.

Sitze kaputt…

Ich mag den Kollegen Yusuf eigentlich sehr gerne. Er ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass es beileibe nicht „die Ausländer“ sind, die so schlimm sind als Taxifahrer. Die unschönen Negativbeispiele kenne ich natürlich – was man sich da unter Kollegen oder zwischen Fahrgast und Taxifahrer alles erzählt… – aber das sind Verallgemeinerungen. Natürlich gibt es diese „Du zeigen, ich fahren!“-Beispiele. Aber Kundenservice und Freundlichkeit hängen nun einmal nicht ursächlich mit der Nationalität zusammen.

Yusuf ist noch nicht lange im Geschäft, 3 Monate jetzt etwa. Natürlich verwendet er (wie ich im übrigen auch) sein Navi desöfteren, aber er macht seinen Job, soweit ich das anhand von Gesprächen bewerten kann, gut. Zwei Monate hat es nur bei ihm gedauert, bis er der Saga vom grenzenlosen Umsatz abgeschworen hat, und inzwischen sieht er die schlechten Tage wesentlich gelassener als ich es am Anfang konnte.

Aber er hat sich im Rahmen dessen eine ganz eigene Unart mitangeeignet, die unter den Großraumfahrern in Berlin schon seit einiger Zeit grassiert: Das Nicht-Großraum-Fahrer-Sein.

In Berlin sind ja eine Menge Taxifahrer mit ähnlichen Autos unterwegs wie ich. Gerade Opel Zafira und VW Touran werden von einigen Firmen wegen der zusätzlichen Sitze gerne genommen. Und das kann ich verstehen. Wir fahren normale, kleine PKW mit entsprechendem Spritverbrauch und unauffälligem Äußeren. Die Autos werden am Stand nicht per se verschmäht, was einigen Busfahrern durchaus passiert, weil die Mär vom Großraumtarif in Berlin nicht totzukriegen ist.

Dabei macht es die Berliner Taxitarifordnung den Fahrgästen wirklich nicht schwer:

Es gibt nur einen Tarif!

Das Sonderphänomen Kurzstrecke ist so eingeschränkt, dass es den normalen Kunden nicht betrifft, beziehungsweise es ist am Stand, wo man sich die Autos aussuchen kann, sowieso unwichtig. Alles weitere wird in Berlin mit Zuschlägen geregelt. Das ist auch ganz praktisch, denn Zuschläge werden auf dem Taxameter gesondert ausgegeben, und so kann man nachfragen, für was man gerade extra bezahlt. Wir haben keinen Großraumtarif, keinen Nachttarif und keine Mondscheinpauschale. Taxen kosten nicht mehr, wenn Weihnachten ist und das Taxameter zählt nicht schneller, wenn Weltspartag ist.

Da die Großraumtaxenbesitzer ihren zweifelsohne vorhandenen Mehraufwand (Anschaffungskosten, Verbrauch, Reinigung, Zeitaufwand etc.) natürlich dennoch vergütet haben wollen – und Großraumtaxen werden eben manchmal gebraucht – werden hier in Berlin 1,50 € Zuschlag für jede zusätzliche Person verlangt, die über 4 Fahrgäste hinaus zusteigt.

Und da wird ein Auto wie der Zafira interessant: Während wir also „normale“ PKW fahren, können wir eben doch hier und da mal 1,50 oder gar 3,00 € Zuschlag kassieren. Für einen Mückenschiss an Spritkosten und einmal Sitze ausklappen. Super!

Zugegeben: Die Sitze sind eng. Aber meine Kundschaft – die Clubgänger in den frühen Morgenstunden – ist da nicht wählerisch.

Und nun – da kommen wir langsam wieder zum Anfang der Geschichte zurück – gibt es aber einen Haufen Fahrer, die diese Möglichkeit nicht (mehr) nutzen wollen. So auch Yusuf.

Das Dumme ist: Die tun das nicht ohne Grund. Größere Gruppen sind potenziell natürlich auch anstrengender. Wer sich mal mit vier betrunkenen Jugendlichen über den Taxipreis gestritten hat, legt wahrlich keinen Wert darauf, mit sechsen davon auch noch über zusätzliche Zuschläge zu diskutieren. Desweiteren ist ganz hinten der denkbar schlechteste Platz, wenn einer kotzen muss. Da kommt keiner ohne Hilfe und mal eben schnell aus dem Auto. Außerdem bekommt man von den Leuten kaum was mit als Fahrer. Neben den Diebstählen von irgendwo hinten gelagerten Dingen kommen auch immer wieder ziemlich sinnlose Vandalismusschäden zusammen. Einem Kollegen wurde mal tatsächlich eine Flasche Motoröl ins Auto gekippt!

Ja, und so sieht sich manche Gruppe von 5 oder 6 Leuten inzwischen an den Taxiständen um und findet kein Großraumtaxi – wenngleich ein paar davon rumstehen. Vor ein paar Tagen stand ich dann am Ostbahnhof im Gespräch mit Yusuf und Manfred. Beides wirklich nette Kollegen – ihr wärt froh, wenn ihr sie als Fahrer erwischen würdet. Dann kam eine Truppe von 5 Leuten an und sondierte gekonnt deren Autos (die ersten in der Reihe) als Großraumwagen. Sie fragten an, ob 5 Leute in Ordnung wären. Yusuf wandte sich an Manfred:

„Du nehmen? Weisstu, isse meine Sitze kaputt.“

„Wat kiekste mir an? Ick nehm keene Fünfe.“

Also, was blieb? Klar… 😉

„Na kommt mit! Mein Auto steht da drüben. Aber ich muss noch kurz den Sitz ausklappen!“

Dann folgte der pädagogische Teil. Zunächst hab ich natürlich meinen Fahrgästen – wie euch auch – versucht, klarzumachen, weswegen die eigentlich netten Kollegen keine Großgruppen mehr mitnehmen. Die beiden hatten übrigens tatsächlich jeweils schon dreistellige Summen Verlust gemacht, weil ihnen Zeug geklaut und beschädigt wurde.
Dann hab ich das natürlich mit der Bitte verknüpft, mir keinen Grund zu geben, in Zukunft auch so zu handeln.

Das haben sie natürlich auch nicht. Ihre Fahrt hat etwa 15 € gekostet – plus den Zuschlag eben. Darauf gab es dann noch generöse 3,50 € Trinkgeld für meinen netten Service, der eigentlich hauptsächlich aus der Selbstverständlichkeit bestand, sie mitzunehmen.

Anschließend hab ich natürlich die beiden Kollegen wieder aufgesucht, um ihnen den Fünfer Mehreinnahmen genüsslich unter die Nase zu reiben und ihnen dafür zu danken. Und hey, eigentlich sollte ich mich nicht beschweren: So eine Fahrt kriegt man dann doch eher selten als 13. in der Schlange 😀

Ist schon ein komisches Gewerbe, ganz ehrlich…

Selbstbeweihräucherung

Ist zeitlich ein diffiziles Timing mit diesem Artikel…

Aber irgendwann im Umfeld der letzten oder nächsten zwei Stunden hat gestern-nacht-im-taxi.de dann die 100.000 Besucher-Grenze (nach der Zählweise von blogcounter.de) überschritten. Nach nur 6 Monaten!

Überhaupt: 6 Monate. Ein halbes Jahr also. Ich weiss, ich schreibe gerade nicht viel auf meinem privaten Blog – aber mal ehrlich liebe Kritiker von damals: Ist es nicht auch hier halbwegs gemütlich geworden? Also ich finde, dass es gerade eigentlich super läuft. Und meine Zeit und Lust zu schreiben hat schon immer ein wenig geschwankt.

Ich bin ehrlich gesagt stolz. Ich hoffe, das nimmt mir niemand übel. Aber gut, eigentlich ist hier ja Platz für Taxi-Content. Und den schreibe ich jetzt mal besser…

Unentschlossen

Als sie mir am Ostbahnhof ins Auto stiegen, wirkten sie wie ein Vorzeige-Pärchen. Waren sie gewissermaßen auch. Nur anders. Sie gab gleich den Kurs an:

„In die Oranienstraße bitte!“

Alles klar. Eine der üblichen  7€-Touren am Ostbahnhof. Einmal über den Fluss und gut is.

Im Fond begann sich aber der männliche Teil zu regen, tuschelte dann sogar mit ihr, und letztlich meinte sie genervt:

„Dann sag du doch!“

Das tat er auch:

„Ja, ähm… wir fahren dann in die Lichtenberger Straße xy.“

OK, das ist vom Anfang her die gleiche Richtung, nur geht es gar nicht erst bis über den Fluss. Eher so die Größenordnung 5 €. Es wäre gelogen zu behaupten, ich sei begeistert gewesen, aber so ist das Leben. Ich hab dann noch kurz klären wollen, wo die xy genau liegt. Alles kann man ja auch nicht wissen.

„OK, wo liegt die xy denn genau?“

„Ist gleich das große Haus da vorne.“

„Ah, dann fahr ich also am Besten über die Holzmarktstraße?“

„Ja.“

Das ist nun wirklich kein Weg. Links, rechts, links, fertig. Also setze ich den Blinker und…

„Nein! Hier rechts!

Also doch nicht über die Holzmarkt. Wieso frage ich eigentlich? Ich bin also der Straße gefolgt, und hab mich schon halbwegs gefreut, weil das – wenn es wirklich das Haus sein sollte – ein ziemlicher Umweg sein müsste.
Meine Fahrgäste zankten sich inzwischen. Es ging irgendwie darum, warum sie jetzt nicht mit dem Taxi nach Kreuzberg fahren würden. Er wollte anscheinend selber fahren, sie wollte aber nicht mit ihm fahren. Ich war gerade dabei zu überlegen, ob es geschäftsbelebend wäre, mich auf ihrer Seite in die Diskussion einzumischen – da schrie es von hinten plötzlich:

„Links! Hier links!!!“

Also durch die Lange Straße? Hat das blöde Haus etwa einen Hintereingang?

„Entschuldigung! Aber wir streiten uns gerade ein bisschen…“

Ich hab also so mehr oder weniger gewendet und mich auf den Dienstleistungsgedanken zurückbesonnen:

„Das stört mich nicht, ich brauche bloß etwas Zeit, um auf eine Ansage zu reagieren.“

Ob das angekommen ist, weiss ich nicht. Die Diskussion auf der Rückbank ging gnadenlos weiter. Da ich an der nächsten Kreuzung aber wieder einen Richtungswechsel erwartete, hab ich mal besser vorher nachgefragt, ob ich rechts abbiegen soll.

„Nein, hier können sie uns rauslassen.“

Hier? Das bedeutet also, die Gesamtstrecke betrug etwa einen Kilometer, und die letzten 200 Meter laufen sie lieber. Manchmal verstehe ich meine Kunden nicht, ganz ehrlich. Aber gut, es gab ja letztlich noch ein Happy End. Also für mich. Bei den beiden bin ich mir nicht so ganz sicher.

„Stimmt so.“

meinte er und reichte mir einen Zehner nach vorne. Einen Zehner. Es gibt so Momente, da muss man das Erstaunen nicht einmal spielen. Super! Zu guter Letzt noch der Abschiedsspruch von ihr:

„Tut mir echt leid. Wir wollten dich nicht nerven!“

Äh? Ja. Wegtreten!

Kuriose Summe

Eine nette Kundin hatte ich zweifelsohne. Auch ihr Mann war mir sehr sympathisch, und die Tatsache, dass die Fahrt 22 € Umsatz brachte, machte die Sache dann endgültig angenehm. Nach einer relativ langen, wenn auch oberflächlichen Unterhaltung stehen wir dann bei den beiden vor der Türe und ich stoppe das Taxameter:

„So, dann wären wir bei genau 22 €.“

„So, hier… oder soll ich es ihnen lieber klein geben?“

„Klein ist immer super! Also wenn es keine Umstände macht…“

„Nein nein, hier!“

Sie reichte mir einen „Stapel“ Fünfer und gab mir dann 3 € Kleingeld hinzu. Ich hab mich für das Trinkgeld bedankt. Nicht überschwänglich, zugegeben. 1 € ist bei einer so langen Fahrt unter dem Durchschnitt, und damit – so schön Trinkgeld auch jedes Mal wieder ist – unter dem, was ich – insbesondere nach so einer Fahrt – erwartet habe.

Ich hab die Scheine gleich weggepackt. Mein Wechselgeld war ja nach wie vor komplett, und für den Fall aller Fälle ist nie mein ganzes Geld im Portemonnaie. Soweit, so normal. Ich hab die Tour gedanklich abgehakt, und mich weiter der Schicht gewidmet. Als ich allerdings meine Einnahmen irgendwann durchgesehen habe, bin ich auf 5 Scheine zu 5 € gestoßen – und das war die einzige Fahrt, die mir so bezahlt wurde.

Nun würde mich doch interessieren, ob ich bewusst 6 € für die Tour gekriegt habe, oder ob sich die werte Frau bei der Anzahl der Scheine ebenso vertan hat wie ich.

Im Übrigen war das wahrscheinlich das erste Mal im gesamten letzten Jahr, dass ich einen Haufen Scheine einfach eingesteckt habe, ohne genau nachzuzählen.

Zufälle gibt es…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Vorsicht, eklig!

Für alle fantasielosen Leser (ja, ich kümmere mich selbstverständlich auch um die Minderheiten!) wollte ich hier nochmal ein kleines Foto vom „Unglück am frühen Samstagmorgen anbringen:

Happy Hochwürging! Quelle: Sash

Happy Hochwürging! Quelle: Sash

Lasst euch nicht den Tag verderben. Ich hab es auch nicht getan 🙂