ÖPNV

Der gute alte Anonymous hat mir via Frageformular folgendes zukommen lassen:

Wie ist eigentlich dein Verhältnis zum restlichen ÖPNV? U-Bahnen, Busse, Regionalzüge, usw. Nutzt du sie gerne? Nutzt du sie häufig?

Kurz vorneweg: Für so kurze Fragen wäre eine gültige Mailadresse nicht schlecht – die ist hier sicher nicht in falschen Händen, und ich kann jetzt nicht sicher sagen, ob die Frage die anderen Leser auch wirklich interessiert, sprich: ob es einen Blogeintrag wert ist.

Aber ist ja auch egal jetzt:

Ich denke, meine Einstellung zum öffentlichen Nahverkehr ist ähnlich wie die vieler anderer Leute auch: Ich brauche ihn, mag ihn nicht immer, aber im Grunde ist er schon ok.

Zu meinem Taxi fahre ich jeden Tag mit der Straßenbahn, auf dem Hinweg meist auch noch eine Station mit der S-Bahn (nachts laufe ich das Stück meist, weil die S-Bahn dann nicht fährt). Aus ungeklärter Ursache sind mir Busse und Straßenbahnen lieber als S-, U- und Regionalbahnen.

Abgesehen vom direkten Kundenkontakt bin ich allerding kein Mensch, der viel Wert auf unbekannte Mitmenschen um sich rum legt. Mir ist die Bahn also am liebsten, wenn ich alleine bin. Gedränge kann ich nicht ausstehen, allerdings ist mir Nachts die Bahn mit 2 Mitreisenden sogar lieber als ein Taxi, wo ich direkt neben dem Fahrer sitze. Ich weiss es also sehr zu schätzen, dass meine Arbeitszeiten mich entgegen dem Menschenstrom fahren lassen 🙂

Als Taxifahrer kann ich die Bahn natürlich als Konkurrenz sehen, das tue ich allerdings selten. Die Kundschaft ist sich ja meist sehr bewusst darüber, ob sie jetzt 2 oder 10 € für den Heimweg ausgeben will – da kann ich meist eh nicht mehr tun, als mit Service zu überzeugen und zu hoffen, dass sie die 10 € als angemessen ansehen. Ich hab allerdings durchaus schon oft Leuten gesagt, wie sie mit der Bahn irgendwo hinkommen, wenn klar war, dass Taxi gerade finanziell nicht machbar ist für sie – oder auch, wenn es mal wirklich unsinnig ist.

Also, was halte ich vom ÖPNV?

Er ist schlicht und ergreifend nötig. Eine Stadt ab einer gewissen Größe kommt nicht ohne aus, und da ich noch nie in meinem Leben ein eigenes Auto besessen habe, bin ich auch nie umhin gekommen, ihn zu nutzen. Es ist nicht immer so schön sauber und bequem, wie ich mir das vielleicht wünschen würde, aber gerade als Taxifahrer ist mir bewusst, dass es doch ziemlich geil ist, einfach mal 10 km Heimweg für 2,10 € zu bekommen. Und ganz ehrlich: Die Viertelstunde Straßenbahn nach dem Arbeiten ist manchmal auch schön angenehm um wieder runterzukommen, ein wenig zu lesen und zu entspannen.

Ortskunde-Fail

Das ich nicht ganz Berlin kenne, ist kein Geheimnis, und es ist bei einer Stadt wie Berlin auch nicht peinlich. Eigentlich. Die Lücken sind großflächig verteilt. Während ich Friedrichshain inzwischen relativ gut zu kennen glaube, werden die weißen Flecken in Charlottenburg größer, in Steglitz dominant und in Wittenau kenne ich eigentlich nur die Hauptdurchgangsstraße auswendig.

Das hängt natürlich damit zusammen, wo ich häufiger bin. Das Wissen wächst langsam, aber immerhin: es wächst.

Neulich kam ich allerdings nicht umhin, mich bei meinem Fahrgast zu entschuldigen. Die Straße, in die er wollte, war zwar klein – an prominenterer Stelle jedoch hätte sie nicht liegen können: Die Rosmarinstraße.

Zunächst war ich mir gar nicht sicher, weil ich seine Aussprache nur schwer verstehen konnte, aber wir haben uns auf „wie das Gewürz“ geeinigt. Und da stand ich dann: Ratlos in der Berliner Nacht. Mein Fahrgast erzählte mir was von wegen Friedrichstraße. Und ich war mir sowas von sicher, um die Friedrichstraße herum alles zu kennen. Dann hab ich das Navi genommen und mir ist fast die Kinnlade runtergeklappt. Die Straße liegt tatsächlich direkt gegenüber vom Cookies, keine 50 Meter von der mindestens zweitbekanntesten Kreuzung Berlins entfernt. Gut, sowie es aussieht, kann man sie nur so halboffiziell befahren – aber da bin ich doch bestimmt schon mal im Stau davorgestanden. Verdammt!

Naja, der Fahrgast hat es mir nicht sichtbar übel genommen. Selbst ein Trinkgeld gab es noch. Dann sind mir sofort – noch an der Ecke – aus dem Cookies zwei Leute ins Auto gestürmt und wollten zur Landsberger Allee. Da wusste ich wenigstens, wo ich hin musste 😉
Wir sind kurz auf das Thema Ortskunde zu sprechen gekommen und ich hab den Beiden  erzählt, dass ich die Rosmarinstraße bei der letzten Tour nicht kannte. Verständnislose Blicke. Dann die Frage:

„Wo soll denn die Rosmarinstraße liegen?“

Weihnachtsessen

„Es ist ja auch keine Weihnachtsfeier, sondern ein Weihnachtsessen…“

zitiere ich meinen Chef auf die Aussage hin, das so viele ziemlich früh gegangen sind.

Ach so…

Im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren ist es dann aber doch noch zu einer gemütlichen Runde am Ende geworden, bei der auch einiges an Taxi-inkompatiblen Drogen (Alkohol, Nikotin) vernichtet wurde, was dann doch eine sehr angenehme Geschichte war.

Ja gut, ich bin ein bisschen betrunken, jetzt da ich diese Zeilen schreibe…

Wie soll das dann nächstes Jahr erst werden, wenn großes Firmenjubiläum mit expliziter Feier angesagt ist?

Ich bin jedenfalls einmal mehr der Meinung, im richtigen Betrieb gelandet zu sein, auch wenn wir nicht der Laden mit den dicksten Autos sind. Bezeichnend finde ich zum Beispiel, dass zum Weihnachtsessen nicht nur die angestellten Fahrer, sondern auch die P-Schein-Aspiranten eingeladen waren.

Dieses Jahr ging es zum Essen nach Kaulsdorf, und eigentlich gibt es meines Erachtens nach nichts an dem Restaurant auszusetzen. Mal abgesehen davon, dass sie sogar einen Raucherraum haben, war das Essen gut, die Bedienung freundlich und sehr locker… ich hoffe mal, dass meine Chefs der Dienstleistung entsprechend angemessenes Trinkgeld geben 🙂

Ich genieße derweilst mal wieder ein Wochenende ohne Verpflichtungen, und das ist echt schön!

Durchschaubar

Wie ich an geeigneter Stelle desöfteren geschrieben habe, gibt es meist gar nicht so viel Stress Nachts im Taxi. Die meisten Betrunkenen sind supernette Typen, die einfach heim wollen, weil sie so oder so schon zu viel haben – oder sie sind aufgedreht und wollen endlich Party machen.

Die, die auf Ärger aus sind, sind eine kleine Randgruppe. Zudem sind sie meist in Gesellschaft unterwegs und werden von ihren Freunden oder Partnern zurückgehalten. Da kommt es zwar auch manchmal zu Gockeleien von Möchtegern-Helden, die sich gegenüber ihren Leuten profilieren möchten, aber tatsächlich muss man den meisten nicht einmal mit einem Rausschmiss drohen, damit sie sich wieder einkriegen.

Nervig wird es, wenn sie wegen irgendetwas anderem völlig geladen sind und dann versuchen, das im Taxi loszuwerden.

So eine psychisch labile Kotztüte hatte ich neulich in Gesellschaft im Auto.

Aufgenommen habe ich eine recht lustige 5er-Truppe, die auf dem Weg von einer Party in den nächsten Club war. Dementsprechend gut war die Stimmung. Mister Knallkopf ist gar nicht gesondert aufgefallen, er war zwar ein Redenschwinger, aber es waren handelsübliche Angebereien, wie man sie an jedem Tresen umsonst bekommt, wenn man nicht sehr erfolgversprechenden Annäherungsversuchen ausgesetzt ist. Er brabbelte über dies und das und außerdem war er der wichtigste Mann im Wagen, weil das nächste Fahrtziel sein Bruder war, bei dem er noch Geld – unter anderem fürs Taxi – abholen wollte.

Die ganzen komischen Sprüche hab ich selbst schon wieder vergessen. Interessant wurde es, als er ausgestiegen ist, um bei seinem Bruder zu klingeln. Die verbleibenden 4 Mitreisenden wunderten sich über sein Benehmen und es zeichnete sich ab, dass sie ihn bis vor kurzem gar nicht kannten und dass sie ihn alle für etwas seltsam hielten.

Die Pläne, wo es nun hingehen sollte, wurden diskutiert, durcheinandergeworfen, überdacht, und immerhin meldeten sich gleich zwei der anderen zum Thema, wer das Taxi bezahle. Die Fahrt hatte uns von Kreuzberg nach Neukölln geführt, wir waren inzwischen bei über 10 € auf der Uhr, und so wie es aussah, sollte es danach zum Tacheles gehen: Oranienburger Str., Mitte. Eine schöne Tour so insgesamt, um die 30 € und immer noch in der Innenstadt, so lobe ich mir das als Fahrer 🙂

Dann kam Knallkopp zurück und meckerte erst einmal über den Preis auf der Uhr.

Zwei Leute standen Gewehr bei Fuß und meinten, sie könnten das Taxi ja zahlen, kein Problem. Das Gespräch, wo es hingehen sollte, wurde etwas komplizierter, weil er auf einmal nicht mehr mit allem einverstanden war. Die Idee mit der Oranienburger Straße fand er allerdings super, und so haben wir uns dann auf den Weg gemacht.

In der Zwischenzeit begann er, irgendwelchen Quatsch zu labern, ich würde in die falsche Richtung fahren, und als ich ihm den wahrscheinlichen Endpreis nannte, war er geradezu beleidigt und pöbelte auf wenig verletzende, aber dennoch enervierende Art herum. Die Mitfahrer entlockten ihm – der er plötzlich so ungehalten war – auch sein Geheimnis: Natürlich hatte er von seinem Bruder kein Geld bekommen, und das wurmte ihn sehr.

Die Sache mit der angeblich falschen Strecke klärte sich auch auf, gehörte er ausgerechnet zu jener unglücklichen Gesellschaftsgruppe, die sich den Unterschied zwischen Oranienstraße und Oranienburger Straße nicht merken können. Zum Tacheles  – wo die anderen hinwollten – wollte er gerne, aber natürlich nicht nach Mitte, sondern in die Oranienburger Straße. Mit anderen Worten: Er war sauer auf seinen Bruder, hatte selbst nicht den Hauch einer Ahnung und Schuld an allem war ich. Dass er indes nicht einmal ein Problem hatte – weil die anderen die Taxifahrt übernehmen wollten – war natürlich kein Grund, Ruhe zu geben.

Ja, ich war nahe dran, ihn vor die Türe zu setzen. Das wiederrum wollte ich der sehr engagierten Frau auf dem Beifahrersitz nicht antun, die sich zwar sichtlich schämte für ihre Begleitung, allerdings auf rührend einfältige Art und Weise versuchte, mich davon abzulenken, dass ich aus dem Fond hinaus beleidigt werde, indem sie mit mir versuchte, ein normales und nettes Gespräch zu führen. Je mehr Einblick ich durch die ein oder andere Äußerung in die Gruppendynamik bekam, umso komödiantischer und witziger kam mir das Ganze vor.

Ganz hinten in der dritten Sitzreihe saß ein sehr ruhiger Zeitgenosse, der sich seit Fahrtbeginn zu keiner Wortmeldung hinreissen ließ. In der Mitte giftete Mister Knallkopp irgendwas davon, dass er jetzt nicht 20 € für’n Appel und ’n Ein hinblättern würde, wobei er nicht nur den Fahrpreis unter- und seine Finanzen überschätzte, sondern zudem ein Sprichwort falsch  benutzte und die beiden Leute neben ihm ignorierte, die auf ihn einredeten, dass sie das Taxi doch zahlen. Vorne saß ich, fuhr mal Richtung Mitte, mal Richtung Kreuzberg und neben mir saß eine ungeschickte Psychologin, die mich fragte, warum ich eigentlich ausgerechnet in Marzahn wohne und mir beschwichtigend die Schulter streichelte. Vielleicht ja der Grund, weswegen ihr Freund ganz hinten so ruhig war…

Geendet hat es damit, dass ich sie zwischen allen jemals genannten Fahrtzielen an der Tanke in der Mariannenstraße abgesetzt habe, wo ich als „ordentliches Trinkgeld“ etwa 3% des Fahrpreises bekam, der sich inzwischen über die besagten 20 € hinaus erstreckte, ohne dass die Gruppe jetzt einer Party näher gewesen wäre, geschweige denn noch gute Laune hatte.

Mal ernsthaft: Durchschaubar, warum er jetzt so schlecht drauf war, war es schon. Warum solche Deppen allerdings partywillige Gruppen sprengen müssen, verschließt sich mir. Ich bin mir sicher, die hatten alle einen beschisseneren Abend als ich… *

Kalt. Und irre.

Ja, der Wetterbericht ist doch inzwischen relativ genau geworden:

Kuschelige Kälte in Schildow, Quelle: Sash

Kuschelige Kälte in Schildow, Quelle: Sash

Der Aufenthalt außerhalb des Autos, so er nicht nur auf ein paar Minuten begrenzt war, war überhaupt nicht empfehlenswert. Ich hab die Schicht auch nur kurz gehalten, da der Abend mit Verwandtschaftsbesuch einfach wesentlich angenehmer war als die Vorstellung, bei diesen Temperaturen durch die Straßen zu fahren.

Aber ganz darauf verzichten wollte ich nicht. Und für viereinhalb Stunden Arbeit sind 130 € Umsatz auch ein ausreichendes Schmerzensgeld, in einem Monat stehe ich dafür 10 Stunden in der Gegend rum, und wärmer ist es deswegen noch lange nicht.

Aber just wenn man glaubt, man sei irgendwie irre, sich das anzutun, dann kommen Fahrgäste vorbei, die all das noch toppen. Hier reicht ein Dialog:

„Hallo, fahren sie uns zum KitKat-Club? U-Bahnhof… äh, Straße…?“

„Heinrich-Heine-Str…“

„Ja, richtig!“

„Klar.“

„Der andere vorher wollte nicht.“

„Wie? Wieso?“

„Ich weiß nicht, der hat wohl gedacht, mit uns stimmt was nicht. Nur weil ich kurze Hosen trag…“

Und leider…

…gibt es die Tage auch mal wieder einen Taxi-Überfall zu vermelden. Bereits am 16.12. ist ein Kollege in Neukölln seiner Einnahmen beraubt worden. Erschreckend vor allem, dass das wohl am frühen Abend passiert ist, nicht wie üblich spät Nachts. Jetzt dürfen sich die Tagfahrer also auch noch Sorgen machen 🙁

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Heizen

Wie ich die heutige Nacht in freier Wildbahn überleben soll, weiss ich noch nicht so recht. -14 bis -18°C wurden mir im Radio bereits angedroht. Bei Kälte bin ich eigentlich recht gelassen, aber insbesondere wenn man müde ist, kann es dann ja doch unangenehm werden. Das Auto ist irgendwie schon jetzt mit dem Heizen überfordert – was mich etwas erschreckt.

Andere Leute stellen es da besser an als ich und sorgen etwas vor.

In Kreuzberg stand ich an einer Ampel, als mich ein Typ mit mittelschwer leidendem Blick fragte, ob ich frei sei. Als ich bejahte, deutete er mir mit den Armen an, ich solle einmal ums Eck fahren.

Das ist eine Sache, die allerorten vorkommt, wobei ich mir manchmal schon meine Gedanken über die Leute mache. Einmal rechts ums Eck fahren entspricht auf dem Taxameter in der Regel 0,00 €. Manchmal o,20…

Wer da bereits um die einzelnen Meter feilscht…

Naja, ich will nicht zu hart sein mit meinen Kunden. Insbesondere dieser hatte einen guten Grund. Ums Eck stand ein Begleiter von ihm, anbei eine Monstrosität von einem Koffer. Ein knallroter Hartschalenkoffer in der Größe eines mittelprächtigen Sarkophagen. Das Einladen dieses Trumms gestaltete sich auch beinahe schmerzhaft, war das Ding doch mindestens 80 kg schwer.

„Uns ist der Koffer kaputt gegangen!“

fluchte der eine. Sie wollten nur eine Kurzstrecke, eigentlich hatten sie vor zu laufen. Bis dann dummerweise der Koffer den Dienst quittierte, und so ganz ohne funktionierende Rollen gar nicht mehr durch den Schnee zu bewegen war.

„Wir haben da Brennholz für den Ofen gesammelt.“

Geschätzte 3 Bäume.

Hätte ich vielleicht behalten sollen. Wer weiss, was heute Nacht so passiert…