Wie ich an geeigneter Stelle desöfteren geschrieben habe, gibt es meist gar nicht so viel Stress Nachts im Taxi. Die meisten Betrunkenen sind supernette Typen, die einfach heim wollen, weil sie so oder so schon zu viel haben – oder sie sind aufgedreht und wollen endlich Party machen.
Die, die auf Ärger aus sind, sind eine kleine Randgruppe. Zudem sind sie meist in Gesellschaft unterwegs und werden von ihren Freunden oder Partnern zurückgehalten. Da kommt es zwar auch manchmal zu Gockeleien von Möchtegern-Helden, die sich gegenüber ihren Leuten profilieren möchten, aber tatsächlich muss man den meisten nicht einmal mit einem Rausschmiss drohen, damit sie sich wieder einkriegen.
Nervig wird es, wenn sie wegen irgendetwas anderem völlig geladen sind und dann versuchen, das im Taxi loszuwerden.
So eine psychisch labile Kotztüte hatte ich neulich in Gesellschaft im Auto.
Aufgenommen habe ich eine recht lustige 5er-Truppe, die auf dem Weg von einer Party in den nächsten Club war. Dementsprechend gut war die Stimmung. Mister Knallkopf ist gar nicht gesondert aufgefallen, er war zwar ein Redenschwinger, aber es waren handelsübliche Angebereien, wie man sie an jedem Tresen umsonst bekommt, wenn man nicht sehr erfolgversprechenden Annäherungsversuchen ausgesetzt ist. Er brabbelte über dies und das und außerdem war er der wichtigste Mann im Wagen, weil das nächste Fahrtziel sein Bruder war, bei dem er noch Geld – unter anderem fürs Taxi – abholen wollte.
Die ganzen komischen Sprüche hab ich selbst schon wieder vergessen. Interessant wurde es, als er ausgestiegen ist, um bei seinem Bruder zu klingeln. Die verbleibenden 4 Mitreisenden wunderten sich über sein Benehmen und es zeichnete sich ab, dass sie ihn bis vor kurzem gar nicht kannten und dass sie ihn alle für etwas seltsam hielten.
Die Pläne, wo es nun hingehen sollte, wurden diskutiert, durcheinandergeworfen, überdacht, und immerhin meldeten sich gleich zwei der anderen zum Thema, wer das Taxi bezahle. Die Fahrt hatte uns von Kreuzberg nach Neukölln geführt, wir waren inzwischen bei über 10 € auf der Uhr, und so wie es aussah, sollte es danach zum Tacheles gehen: Oranienburger Str., Mitte. Eine schöne Tour so insgesamt, um die 30 € und immer noch in der Innenstadt, so lobe ich mir das als Fahrer 🙂
Dann kam Knallkopp zurück und meckerte erst einmal über den Preis auf der Uhr.
Zwei Leute standen Gewehr bei Fuß und meinten, sie könnten das Taxi ja zahlen, kein Problem. Das Gespräch, wo es hingehen sollte, wurde etwas komplizierter, weil er auf einmal nicht mehr mit allem einverstanden war. Die Idee mit der Oranienburger Straße fand er allerdings super, und so haben wir uns dann auf den Weg gemacht.
In der Zwischenzeit begann er, irgendwelchen Quatsch zu labern, ich würde in die falsche Richtung fahren, und als ich ihm den wahrscheinlichen Endpreis nannte, war er geradezu beleidigt und pöbelte auf wenig verletzende, aber dennoch enervierende Art herum. Die Mitfahrer entlockten ihm – der er plötzlich so ungehalten war – auch sein Geheimnis: Natürlich hatte er von seinem Bruder kein Geld bekommen, und das wurmte ihn sehr.
Die Sache mit der angeblich falschen Strecke klärte sich auch auf, gehörte er ausgerechnet zu jener unglücklichen Gesellschaftsgruppe, die sich den Unterschied zwischen Oranienstraße und Oranienburger Straße nicht merken können. Zum Tacheles – wo die anderen hinwollten – wollte er gerne, aber natürlich nicht nach Mitte, sondern in die Oranienburger Straße. Mit anderen Worten: Er war sauer auf seinen Bruder, hatte selbst nicht den Hauch einer Ahnung und Schuld an allem war ich. Dass er indes nicht einmal ein Problem hatte – weil die anderen die Taxifahrt übernehmen wollten – war natürlich kein Grund, Ruhe zu geben.
Ja, ich war nahe dran, ihn vor die Türe zu setzen. Das wiederrum wollte ich der sehr engagierten Frau auf dem Beifahrersitz nicht antun, die sich zwar sichtlich schämte für ihre Begleitung, allerdings auf rührend einfältige Art und Weise versuchte, mich davon abzulenken, dass ich aus dem Fond hinaus beleidigt werde, indem sie mit mir versuchte, ein normales und nettes Gespräch zu führen. Je mehr Einblick ich durch die ein oder andere Äußerung in die Gruppendynamik bekam, umso komödiantischer und witziger kam mir das Ganze vor.
Ganz hinten in der dritten Sitzreihe saß ein sehr ruhiger Zeitgenosse, der sich seit Fahrtbeginn zu keiner Wortmeldung hinreissen ließ. In der Mitte giftete Mister Knallkopp irgendwas davon, dass er jetzt nicht 20 € für’n Appel und ’n Ein hinblättern würde, wobei er nicht nur den Fahrpreis unter- und seine Finanzen überschätzte, sondern zudem ein Sprichwort falsch benutzte und die beiden Leute neben ihm ignorierte, die auf ihn einredeten, dass sie das Taxi doch zahlen. Vorne saß ich, fuhr mal Richtung Mitte, mal Richtung Kreuzberg und neben mir saß eine ungeschickte Psychologin, die mich fragte, warum ich eigentlich ausgerechnet in Marzahn wohne und mir beschwichtigend die Schulter streichelte. Vielleicht ja der Grund, weswegen ihr Freund ganz hinten so ruhig war…
Geendet hat es damit, dass ich sie zwischen allen jemals genannten Fahrtzielen an der Tanke in der Mariannenstraße abgesetzt habe, wo ich als „ordentliches Trinkgeld“ etwa 3% des Fahrpreises bekam, der sich inzwischen über die besagten 20 € hinaus erstreckte, ohne dass die Gruppe jetzt einer Party näher gewesen wäre, geschweige denn noch gute Laune hatte.
Mal ernsthaft: Durchschaubar, warum er jetzt so schlecht drauf war, war es schon. Warum solche Deppen allerdings partywillige Gruppen sprengen müssen, verschließt sich mir. Ich bin mir sicher, die hatten alle einen beschisseneren Abend als ich… *