Kalle!

„Jetz steig hier ein, ick zahl ditt ja ooch. Als wenn ick keen Jeld für ne Taxe hätte…“

Das kann ja lecker werden. Die Gegend ist eine der letzten Gegenden in Berlin, wo ich Wert auf Einsteiger lege, und nun scheint sich das personifizierte Intelligenz-Prekariat in mein Auto zu ergießen, nur weil diese doofe Ampel rot ist.

Ja, ich gebe es zu: So in etwa habe ich gedacht, als Kalle bei mir eingestiegen ist.

Er war genau so, wie man sich das Leben der HartzIV-ler in all den „Doku-Soaps“ ansehen kann, er wirkte wie gescriptet, fast schon übertrieben. Zu laut, zu grob, zu ungepflegt, zu angetrunken…

Aber es offenbarte sich einmal mehr, dass ein bisschen Hinterherhinken noch keinen schlechten Menschen ausmacht.

Zu Beginn dachte ich noch, Kalle hätte sich eine polnische Prostituierte ins Auto gezerrt, alsbald war aber klar, dass dem nicht der Fall war. Nein, bei weitem nicht. In irgendeiner Form ist eine Party bei ihnen mächtig schief gegangen. Kalles Angetraute scheint wohl für eine Menge Stunk verantwortlich gewesen zu sein, und die nicht deutsch sprechende Begleitung war wohl ihre beste Freundin und am Boden zerstört.

Und Kalle wollte nichts weiter, als sie unbeschadet nach Hause zu bringen.

Er stellte mir gleich in Aussicht, dass es wieder zurückgeht, nachdem wir sie abgesetzt haben, und so kam es dann auch. Dabei war die Tour mit 17 € oneway schon gar kein schlechter Griff für mich.

Am Zwischenziel hielten wir an, Kalle wollte unbedingt sicherstellen, dass seine Bekannte von ihrem Freund auch reingelassen wird – sprich: dass er da ist – und zu diesem Zwecke befahl er eine Zigarettenpause.

Er legte mir gleich einen Fuffi aufs Armaturenbrett, um mir klar zu machen, dass er nicht abhauen werde. Er betonte, dass ich das Taxameter ja laufen lassen sollte – was ich gerne getan habe, aber im Falle einer beidseitigen Zigarettenpause durchaus auch mal eine Ausnahme mache…

Dass er so oft betonte, er habe das Geld ja, hatte auch einen handfesten Grund: Er wollte zunächst bei einem Kollegen von mir einsteigen, dieser hat ihn wohl jedoch recht rüde gefragt, ob er überhaupt Kohle hätte, sonst bräuchte er gar nicht erst einsteigen.

Naja… ganz so übel sah Kalle dann doch nicht aus.

Naja, jedenfalls hatte ich so eine eigentlich relaxte 30€-Tour mit einem aufgekratzten Kalle, der ständig betonte, dass er Probleme habe, von denen ich gar nichts wissen will, und natürlich dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit ist, für eine Dienstleistung wie Taxifahren zu bezahlen.

Nicht unanstrengend, aber in Ordnung. Und lukrativ.

Kalle hat mich noch nach meiner Nummer gefragt, und ich hab sie ihm gegeben. Für den Fall aller Fälle. Normalerweise melden sie sich nicht wieder. Normalerweise verlaufen solche Touren aber auch anders.

3 Kommentare bis “Kalle!”

  1. Da waren sie ja wieder, die lieben Vorurteile. Ist auch immer wieder schön, wenn sie mal nicht bestätigt werden.

  2. ednong sagt:

    Ich denke, du wirst ihn noch öfter chauffieren.

  3. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Wie immer 🙂

    @ednong:
    Wir werden sehen. Ich bin selbst gespannt.

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