„Das Glück ist mit den Tüchtigen“
lautet ein Sprichwort, das wie kein anderes seine Falschheit oft zur Schau stellt. Ich hatte es dennoch im Kopf, als ich in einer nicht so spannenden Nacht etliche Umwege gefahren bin, um dann an einem Club zwei Leute aufzunehmen, die mir umgehend ein Fahrtziel ganz im Süden der Stadt nannten, was eine gute 25€-Tour zu werden versprach.
Die beiden Fahrgäste waren zwar im gleichen Alter, gute Freunde, beide recht nett – aber der Zustand der beiden hätte unterschiedlicher nicht sein können. Während mein Beifahrer guter Laune war und ziemlich fit wirkte, war der Kumpel hinter ihm kurz vor dem Einpennen und heftig alkoholisiert.
Sie wollten noch was zu Essen besorgen, ich sollte also kurz vor dem Ziel noch an einen Burgerladen ranfahren. Der quirlige Typ vorne beschäftigte mich mit Erzählungen, während ich vom hinteren gerade noch mitbekam, dass sein Kopf an der Seitenscheibe entlangrutschte und eine Schleimspur aus Haargel an selbiger hinterließ. Im Übrigen kein Einzelfall: Die Scheibe an der Fahrertüre reinige ich ungefähr drei- bis viermal seltener als die Scheiben, hinter denen meine Fahrgäste sitzen…
Während ich nach einer Strecke von rund 5 Kilometern mit dem einen darüber sinnierte, wo sich besagter Burgerladen befindet, kippte der Hintermann vornüber und hing in bester Kotzer-Pose im Gurt.
Sowohl ich als auch der Kumpel waren deswegen besorgt und haben ihn eindringlich ermahnt, ja Bescheid zu sagen, wenn es ihm nicht gut gehe, und wir jederzeit halten könnten. Und wie wir zwei gerade beratschlagen, dass es wohl besser sei, erst den Übervollen abzuladen und dann was zu essen holen, nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, wie selbiger nach dem Türgriff fingerte.
Wir standen noch an einer Ampel, mittlere Spur zwar – aber kein Auto weit und breit. Er konnte also gefahrlos aussteigen.
(Jetzt wird es eklig, Absatz wenn nötig überlesen)
Zeitgleich mit dem Öffnen der Tür würgte der plötzlich ziemlich bewegungsfreudige junge Mann aber schon, und ich muss ihn wenigstens für seine Beherrschung loben, denn noch während er im Wagen saß, blubberte ihm der Auswurf im Mund und drückte sich tröpfchen- und bröckchenweise aus selbigem hinaus. Er aber konzentrierte sich – in heller Panik – auf den Türöffnungsvorgang und schaffte es in gewisser Weise den Mund synchron zur Tür zu bewegen und seinen Mageninhalt komplett außerhalb des Autos loszuwerden. Vielleicht ein oder zwei Tröpfchen am Vordersitz, aber sonst sehr kunstvoll.
(Weiterlesen, er hat es hinter sich!)
Noch bevor er das Auto verließ, um nach seinem Kumpel zu sehen und die hintere Tür zu schließen, drückte mir der Fitte sein Bedauern aus. Entgegen aller Verkehrsregeln hab ich das Auto an die Fußgängerampel manövriert, um die beiden nicht aus den Augen zu lassen. Der Mageninhaltsentleerte hatte sich einhergehend mit dem Verlust des sicher teuer bezahlten Alkohols direkt auf eine angrenzende Wiese geschmissen und sein Freund wusste nicht so recht, ob er sich nun besser bei mir entschuldigt oder seinem Freund hilft.
Mir ging es richtig gut!
Ich war einfach froh, dass ich keine Kotze im Auto hatte, und was schlimmeres als 10 Minuten auf einen Krankenwagen warten, konnte eigentlich nicht mehr passieren. Ich bin also relaxt-beschwingt ausgestiegen, hab die Küchenrolle um 10 Blatt gekürzt und hab dem am Boden liegenden Spuckvogel die Hälfte davon zum Abwischen überreicht.
„Danke Mann!“
„Ist doch kein Ding!“
Mit dem Rest bin ich zum Auto zurück und hab mich nach Verschmutzungen umgesehen. Nix! Gar nix! Kein Tropfen weit und breit! Ich hab also eher präventiv den Türgriff abgewischt und mich an die Beseitigung der Schleimspur an der Scheibe gemacht, während die Dankesworte des Freundes auf mich einprasselten. Wenn er das gewusst hätte, wären sie mit der Bahn gefahren (wie habe ich mir das vorzustellen?) und toll, dass ich da so gelassen bin, danke, boah muss das scheiße sein für mich, bla bla.
Ich hab ihn darauf hingewiesen, dass mir nun wirklich kein Schaden entstanden ist und er sich lieber Sorgen machen sollte, was mit seinem Kumpel ist. Der hatte sich nämlich offenbar entschlossen, eine Runde im Gras zu pennen. Bei 3°C wohlbemerkt.
Ich hab ihm vorgeschlagen, einen Krankenwagen zu holen, er hat aber abgelehnt und gemeint, er ruft seine Freundin an, die solle doch vorbeikommen und sie abholen. Die Idee fand ich gut und ich war überzeugt davon, dass der Auswurfkönig zweifelsohne nach dieser Aktion sehr rasch genesen würde. Sein Kumpel war definitiv fit, es war nicht notwendig, beide zwingend im Auge zu behalten. Was ich aber natürlich angeboten habe.
Überhaupt: Ich hab den Kumpel nicht eingehend angesehen nach der Kotzerei, der Wunsch, die Fahrt nicht fortzusetzen, kam erstmal nicht von mir. Ich hab zwar bei der Erwähnung der Planänderungen durchaus Bedenken angemeldet, aber es gibt ja immer Möglichkeiten.
Aber mein zurechnungsfähiger Fahrgast war bereits am Planen, Betüddeln und nebenher immer noch damit beschäftigt, sich zu bedanken und mir allerlei Beileid dafür auszusprechen, dass ich gerade seit 5 Minuten im Halteverbot mein Auto sauber mache und die Uhr fleißig mitläuft. Er hat mir angeboten, ich könne gehen, wenn ich wollte und mir beim Bezahlen noch ein nettes Trinkgeld überlassen.
„Kann ich dich vielleicht anrufen, wenn es in 10 Minuten wieder ok sein sollte?“
„Äh? Das ist vielleicht ein wenig blöd!“
Ich wollte die Weiterfahrt nun keineswegs kategorisch ausschließen, aber wenn ich jetzt wieder Richtung Innenstadt gurke, dann fahr ich doch nicht gleich wieder zurück. Hier warten wäre ja ok gewesen (Zugegeben: Natürlich hätte ich mir das bezahlen lassen), aber wir waren an einer wirklich viel befahrenen Kreuzung direkt vor den Toren einer unlängst geschlossenen großen Verkehrseinrichtung. Im Zweifelsfall doch noch ein Taxi zu bekommen, wäre wahrlich kein Problem gewesen.
Ohne weitere Nachfragen hat er mich dann freundlich verabschiedet und mir nochmal gedankt. Dabei war sein Abend definitiv schlimmer als meiner…