Ach was für eine schöne Tour nach dem bescheidenen Schichtbeginn: 6 Leute vom Ostbahnhof nach Spandau. Der Fahrtpreis war trotz leichter Fehleinschätzung meinerseits kein Problem, alles nett und Trinkgeld gab es auch noch.
Aber was will ich am Wochenende morgens um 3 Uhr in Spandau?
Rückflug!
Mit Dritte Wahl im Schallgepäck brezel ich Richtung Osten in die City zurück und denke an meine alte Heimat und all das, was da gerade abgeht. Kein Zufall, dass auf meinem aktuellen Mix „Plakativ“ nicht fehlt.
Und so fliege ich, die Gedanken voller zensurwürdiger Ideen, durch die leeren Straßenschluchten und hätte beinahe die winkende Gestalt links übersehen. 30 Meter weiter stand der Wagen dann auch, aber er wies mich an, zurückzusetzen.
OK, er stand an einer Wendestelle und er winkte nur stellvertretend für eine Frau, die noch weiter links stand und das offenbar alleine nicht hinbekommen hätte.
Sie stieg immerhin selbstständig ein und wirkte gar nicht so dramatisch verstrahlt. Bingo! Mal abgesehen davon, dass wieder nach Spandau rein geht. Aber beim achten Besuch in zwei Jahren ist vorprogrammiert, dass ich noch was lerne. Auch nicht schlecht. Bildung ist der Schlüssel zu allem! Im Zweifelsfall wenigstens zu gutem Umsatz!
„Ich fahre Niegehörtstraße.“
Nein. Ich fahre! Aber gut, diplomatisches Geschick bezüglich meiner Dienstleistung tut Not:
„Au, da haben sie mich erwischt! Das müsste ich kurz ins Navi…“
„Kein Problem, ich zeige es ihnen.“
Auch gut. Also schnell das Navi programmiert. Sie kriegt das eh nicht wirklich mit und so habe ich wenigstens einen Anhaltspunkt. Ach sieh an: In die Richtung, aus der ich gerade gekommen bin!
„Wieviel kostet das ungefähr?“
Ich habe am Navi aufgrund der mangelnden Information erst einmal nur die Straße eingegeben gehabt. Abgesehen von einigen sehr langen und ungünstig zur Fahrtrichtung liegenden Straßen (oder solchen mit Unterbrechungen) reicht das meistens aus, um einen halbwegs akzeptablen Weg zu finden. Die Kilometeranzeige verriet mir nun 5,0 km.
„Das werden vielleicht 12 € werden. Aber genau festlegen möchte ich mich nicht. Vielleicht sind es auch 11 oder 13.“
Tiefgestapelt hab ich erst vorher bei der letzten Tour unabsichtlich. Lieber auf Nummer Sicher gehen!
Ich bin meinem elektronischen Helferlein hinterhergeeilt, bis ich blinkend an einer Kreuzung stand, die ich sogar noch vom Lernen auf die Ortskundeprüfung her kannte. Dagewesen war ich seit rund einem Jahr nicht mehr. Ist ja auch egal.
„Fahr besser gradeaus!“
Den Tipp hab ich gerne angenommen. Wir waren laut Navi zwar nur noch rund einen Kilometer entfernt, aber es kann ja sein, dass das Navi
- ausgerechnet diese Strecke nicht leiden kann (das kommt vor),
- nur da lang fährt, weil es 2,34 Meter kürzer ist, was das Taxameter nicht interessiert,
- einen Umweg zum Anfang der Straße wählt, anstatt den direkteren zu ihrer Hausnummer (den es ja noch nicht kennt) anzuzeigen.
Also nicht links. Nächste Kreuzung auch nicht, übernächste auch nicht.
Dann kamen wir an einen Kreisverkehr. Das Navi, inzwischen bei 1,5 km Entfernungsanzeige, wollte wieder links. Sie lotste mich hingegen geradeaus und warf ein, dass sie hier schließlich schon lange wohne. Gewonnen!
Von da an wollte das Navi fast nur noch in die entgegengesetzte Richtung, aber ich war so langsam sicher, dass ich den Straßennamen einfach falsch verstanden habe. Soll ja vorkommen, sowas.
Mein Fahrgast lotste mich mit erstaunlicher Professionalität immer weiter in Richtung Stadtgrenze, nur um dann plötzlich – bei rund 15 € auf der Uhr – festzustellen:
„Nein, ist falsch!“
Also hab ich sie nach ihrer Hausnummer gefragt und bin trotz kurioser Ansagen dem Navi dorthin gefolgt. Zwischenzeitlich hab ich mit dem Gedanken gespielt, das Taxameter auszumachen, aber ehrlich gesagt habe ich keinen Grund dafür gesehen. Ich hätte sie natürlich schneller und günstiger heimgebracht, aber genauso soll ich den Kundenwünschen entsprechend fahren.
Bei punktgenau 20 € hab ich sie dann – im Übrigen ohne Trinkgeld – entlassen. Dass sie vom Fahrtverlauf nicht sehr begeistert war, hat sie kundgetan. Eine Nummer, eine Quittung, meinen Namen oder ähnliches wollte sie aber gar nicht haben. Sollte sie nach all den zahllosen Versuchen das Schlüsselloch noch getroffen haben, wird sie sich sicher ausschlafen und vielleicht auch einsehen, dass es auch hätte schlimmer kommen können. So sie sich denn überhaupt erinnert…