Nette Kleinigkeit

„Ich bin ja jetzt auch eher eine angenehme Fahrgästin, oder?“

„Zweifelsohne.“

„Ich mein, ich kotze nicht ins Auto, ich brülle keine obszönen Worte…“

Sie war wirklich sehr angenehm. Der Alkoholpegel war noch völlig im Rahmen, wenngleich doch spürbar vorhanden. Sie hat sich gefreut, dass ich meine Arbeit gerne mache, und über drei Umwege waren wir dann an dem Punkt, an dem ich mich als Blogger geoutet habe. Über die Fahrt konnte ich allerdings auch nur sagen:

„Wie sie selbst gesagt haben: Sie fallen einfach nicht sonderlich auf unter meinen Kunden. Ich würde gerne etwas schreiben, aber sie müssen zugeben: Was besonders interessantes ist ja nun nicht wirklich passiert.“

„Oh, ich kann auch ganz anders! Aber das willst du nicht wissen!“

„Das glaube ich sofort. Aber sie müssen jetzt nicht anfangen, obszöne Worte zu rufen. Ich hab nunmal eine Menge Menschen bei mir im Auto, da lässt es sich nicht vermeiden, die ein oder andere Fahrt auch mal wieder zu vergessen.“

„Das ist gemein. Du könntest mich doch einfach als nette Kleinigkeit im Gedächtnis behalten.“

„Einen Versuch ist es sicher wert.“

„Ich mein, wir haben uns ja jetzt auch noch nicht so richtig tief in die Augen gesehen. Dann wäre das sicher einfacher und du würdest dir denken: Mensch, das war doch jetzt mal eine Nette…“

Wir haben letztlich darauf verzichtet, die Fahrt mit gegenseitigem Anstarren zu beenden und ich dachte mir, dass ich wohl doch am besten darüber blogge, um diese nette Kleinigkeit nicht zu vergessen. Ob es jetzt spannend ist oder nicht 😉

Na da hab ich ja was verpasst…

„Darf ich dich mal was fragen?“

Etwas heruntergekommen wirkte der Mann, der vom InterCity-Hotel am Ostbahnhof zur 3. Rücke am Ostbahnhof herüberkam. Unrasiert, die schwarze Jacke mit 2 Fanschals mir unbekannter Mannschaften verziert und selbst nicht sonderlich gut gelaunt. Mal sehen:

„Na klar!“

„Kannst du mir ’nen Lichtenberger Taxifahrer besorgen?“

Das sind aber schon sehr spezielle Wünsche…

„Also einen der sich da auskennt. Ich muss zum Bahnhof Lichtenberg, dann in die Sparkasse…“

Für einen Moment habe ich daran gedacht, ihm zu sagen, er solle einsteigen.

Dann erging er sich in Schimpfkannonaden gegenüber Wessis. Neulich hätte er sogar mit einem Türken fahren müssen. Wenn ich ihm keinen Taxifahrer besorgen könne, dann würde er die Taxi-Genossenschaft anrufen, die gebe es ja wohl wenigstens noch?

„Äh…“

„Ach, lass es sein! Früher gab es noch Taxifahrer. Ihr braucht euch ja nicht wundern, wenn ihr bald alle arbeitslos seid! Unglaublich! Was für eine Frechheit, was man sich heute alles erlauben darf. Alles Arschlöcher, ich glaub das ja nicht…“

Den Rest seines zweifelsfrei sehr hörenswerten Monologes hab ich nicht mehr mitbekommen, weil ich mich mit einem gemurmelten „Schon gut“ grinsend in mein Taxi gesetzt habe und irgendwas betont belangloses gemacht habe, bis er endlich weg war.

Maximum

Derletzt war das Thema Wechselgeld hier ja schon Grund, bzw. teilweise auch nur Aufhänger für eine Diskussion. Die will ich zumindest im Auto ja gar nicht aufkommen lassen. Allenfalls eine Nachfrage, ob es nicht doch etwas kleiner geht, bringe ich an – und es ist mir erst einmal passiert bisher, dass ich zu wenig Wechselgeld hatte, und es dann tatsächlich schwierig wurde. Glücklicherweise kein Problem, aber tatsächlich über die Grenze des Unverschämten hinaus war dann neulich folgendes:

„So, hat ja prima gereicht mit der Kurzstrecke. Dann hätte ich gerne 4 €.“

„Ja hier, machste fünf, dann is‘ einfacher mit Wechseln.“

Ein Hunni. Na da kommt es auf den einen Euro ja auch wirklich an… 🙁

Promi-Zettel wird „Liste“

Die Zahl der prominenten Gäste wird sicher nie exorbitante Größen erreichen, da ich nur Nachts unterwegs bin (meist sogar ziemlich spät), keine Funkaufträge annehme – und wahrscheinlich sogar, weil ich Opel fahre.

Desweiteren wird die Sache dadurch erschwert, dass ich kaum jemanden erkennen würde, der gerade „prominent“ ist und nicht schon reich genug, um sich einen eigenen Chauffeur zu leisten.

Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, und so hatte ich gestern Abend als zweiten „Promi“ für eine gemütliche Fahrt nach Neukölln just vom Ostbahnhof aus Feridun Zaimoglu im Taxi.

Wenn ich ihn hier schon mit Namen nenne, werde ich mich nicht über Gesprächsthemen auslassen, ich kann nur sagen, dass er ein wirklich sympathischer und unterhaltsamer Mensch ist, interessiert an vielem und dass er trotz Stress gut gelaunt war.

Dass ich ihn erkannt habe, schien ihm indes gar nicht besonders angenehm zu sein, wohingegen es mir in dem Zusammenhang unangenehm war, dass ich die Neuköllner Oper erst nachschlagen musste…

Wie dem auch sei: Er war gestern der angenehmste Fahrgast.

Juhu! Rekord!

Oder so ähnlich…

Ich bin in aller Regel und abgesehen von den ersten fünf Minuten des jeweiligen Tages ein recht fröhlicher Mensch. Das in Kombination mit meiner Gelassenheit führt dann dazu, dass ich mich bei der Arbeit nicht so schnell echauffiere.

Klar, hier mal ein paar Idioten im Auto, da mal wenig Umsatz… bisher hat immer ein Blogeintrag gereicht, um wieder runterzukommen. Am vergangenen Montag hat sich das zwar nicht geändert, aber die Tendenz ging doch recht stark in Richtung Galgenhumor.

Mit viel Anlauf, das heißt mit ziemlich schlechten Zeitpunkten zum Anstellen an der Halte und ungünstigen Fahrtwegen, habe ich den schlechtesten Stundenumsatz ever eingefahren. Nach fast genau 5 Stunden im – oder besser ums – Auto hab ich entnervt die Flucht ergriffen und versucht zu akzeptieren, dass ich bis dato nur 2 Touren gefahren habe.

Noch dazu waren es 2 schön kurze Touren, sodass ich einen Gesamtumsatz von 14,60 € zu verbuchen hatte. Plus 1,40 € Trinkgeld immerhin.

Jammern in Zahlen:

Stundenumsatz: 3,04 €

Stunden-Bruttolohn: 1,37 €

Trinkgeld pro Stunde: 0,29 €

Ungefähres Netto pro Stunde: 1,50 €

Autsch! 🙁

Wartezeiten

Eine der größten Verständigungsschwierigkeiten im Taxigewerbe ist die Wartezeit. Ob bezahlt oder unbezahlt sei dahingestellt. Denn viele Kunden verstehen weder, wieso sie für die 5 Minuten vor der Türe warten 2 € zahlen sollen (wo ich doch gemütlich Pause machen und eine Zigarette rauchen kann), noch weswegen sie 3,20 € beim Einstieg zahlen, was im Extremfall bei einer kurzen Fahrt nach 2 Stunden Wartezeit nur ein bisschen meinen totalen Ruin verhindert.

Aber bleiben wir bei der bezahlten Wartezeit. Es ist so, dass wir, werden wir zu einem Kunden via Funk auf eine bestimmte Uhrzeit bestellt, berechtigt sind, zu dieser Uhrzeit das Taxameter anzuschalten. Wenn wir vor Ort sind. Wenn der Kunde es nicht ist, ist das ja sein Problem. Die Fahrer handhaben das durchaus unterschiedlich, aber man kann sich ja vorstellen, wie es sich in der Bilanz eines Fahrers am Samstagabend macht, wenn er eine halbe Stunde blöd rumsteht, nur weil jemandem eingefallen ist, dass er zu der Bordeauxfarbenen Hose kein Hemd in Pfirsich tragen will.

Neulich bin ich Abends an einer Kneipe rangewunken worden, und der Mann teilte mir mit:

„Warte mal kurz, es kommt noch jemand mit!“

Alles klar, kein Problem!

„Könnten wir vielleicht hier in die Straße, also könntest du wenden?“

Klar. Hab ich kurz gemacht, hab an der anderen Seite der Straßenecke gewartet und mich gefreut, dass ich an diesem miesen Tag einen Winker hatte. Drei oder vier Minuten stand ich da so rum und hab nebenbei den Mann beobachtet, wie er immer mal wieder die Tür zur Kneipe aufgestoßen hat, um etwas hineinzurufen.

Irgendwann hab ich dann nachgefragt:

„Dauert noch etwas?“

Durchaus freundlich, nicht angepisst. Hätte mich einfach interessiert! Ich hätte ja noch aussteigen können, eine Zigarette rauchen. Das nimmt man an einem nicht so guten Tag für eine Tour doch gerne mal in Kauf. An jeder Halte wäre ich länger gestanden, keine Frage. Und was war die Antwort? Er machte mit der Hand eine Wischbewegung, die mich zum Weiterfahren animieren sollte und raunzte einfach:

„Tschüss!“

Das war in dieser Nacht sicher kein Weltuntergang. Ich bin weitergefahren und gut war. Aber ich hätte genauso gut auch vorher bereits das Taxameter anstellen und mich nun mit ihm um 5 € streiten können. Dass das vielleicht der Arbeitsleistung nicht angemessen wäre – ok! Natürlich ist der Tarif eher dafür gemacht, dass man mit einem Taxi auch fährt! Aber woher kommt dieser Glaube, wir stehen überall Gewehr bei Fuß und treiben uns zum Spaß in der Stadt rum?

Glaubt mir, ich mag meinen Job ja wirklich verdammt arg. Aber auch ich mache ihn zum Geldverdienen und wäre ansonsten lieber zu Hause…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Der Kilometerschnitt

Da eine private Mail-Konversation auch diese Frage aufwarf, möchte ich hier einen kurzen informativen Text schreiben. Manche Taxifahrer haben ihn auswendig im Kopf, andere scheren sich einen Scheißdreck darum: Der Kilometerschnitt. Wie wichtig ist er wirklich und worüber reden wir überhaupt?

Kurzer wichtiger Einschub: Eventuelle Zahlen sind allesamt auf Berlin und mich bezogen! Sie können selbstverständlich woanders abweichen!

Der Kilometerschnitt ist eine nicht unwichtige Angabe im Taxigewerbe. Das kann man so sagen. Jeder Unternehmer muss in irgendeiner Art und Weise seine Einnahmen und Kosten planen. Der Kilometerschnitt ist schlicht die Kennziffer, wie viel Umsatz pro gefahrenem Kilometer realisiert wird. Da die Kosten eines Autos sich (zumindest grob)  sowohl bezüglich Abnutzung und Reparaturkosten, als auch bezüglich des Spritverbrauchs auf den gefahrenen Kilometer runterrechnen lassen, ist er also eine recht brauchbare Größe, um zu ermitteln, ob sich eine Taxe lohnt. Insbesondere, wenn sich wie bei mir die Lohnkosten auch nach dem Umsatz alleine berechnen, wird er zum entscheidenden Kriterium.

Das heißt aber nicht, dass er bei den Fahrern allgegenwärtig sein muss. Selbstfahrende Unternehmer (also Selbstständige) werden ihn mehr oder minder im Kopf haben. Angestellten kann er meist egal sein, weil Angestellte weder Auto, noch Reparaturen und Sprit zahlen, und ihr Einkommen meist nicht davon abhängt, wie viele Kilometer sie für ihren Umsatz brauchen. Zumindest, wenn sie wie ich ausschließlich nach Umsatz bezahlt werden.

Bei Torsten hingegen hab ich in den FAQ gelesen, dass der Kilometerschnitt bisweilen sogar als Lohnberechnungsgrundlage dienen kann, indem der Chef beispielsweise pro gefahrenen Kilometer 60 Cent verlangt und der Rest dem Fahrer gehört. Ist aber offenbar inzwischen eher unüblich. Und das ist kein Wunder, schließlich fallen die einzelnen Schichten bisweilen sehr unterschiedlich aus. Während ich am Wochenende gelegentlich mal 220 € bei nur 150 bis 160 km einfahre, kann es an einem schlechten Montag schon mal sein, dass bei 150 km nur 100 € im Geldbeutel landen, und selbst wenn sich das wieder ausgleichen sollte, muss man sich mal die Frustration vorstellen, nachdem man 10 Stunden umsonst arbeiten war…

Mir wurde zu Beginn meines Arbeitsverhältnisses eher nebenbei gesagt, dass sich die Einnahmen etwa bei einem Euro pro Kilometer einpendeln sollten. Das ist zwar von einem meiner Chefs beinahe schon widerrufen worden („das schafft eh kein Nachtfahrer…“), aber irgendwie ist es schon aufgrund des einfachen Zahlenverhältnisses irgendwie im Hinterkopf. Und wie ich schon meinen Kunden oft sagte:

„Was soll es mir bringen, wenn mein Chef pleite geht?“

Kurzum: Die gefahrenen Kilometer landen in meiner Abrechnungstabelle neben den Euros, und so weiss ich auch immer, ob ich halbwegs im Schnitt liege. Das tue ich im Übrigen durchaus, denn trotz einiger ausschweifender Privatfahrten (die meine Chefs erlauben) liege ich dieses Jahr bisher bei einem Schnitt von rund 1,04 Kilometern pro eingenommenem Euro.

Im Alltag als Fahrer ist er natürlich nur eine Zahl von vielen, und sein Verhalten richtet man nur bedingt daran aus. Die Zeiten, da man in Berlin die ganze Nacht gefahren ist und nur Winker aufgenommen hat, sind zwar vorbei – aber auch meine Chefs haben gesagt, dass ich im Zweifelsfalle lieber Umsatz bei einem schlechten Schnitt einfahre als keinen Umsatz bei einem guten.

Der witzige Nebeneffekt der Bedeutung des Kilometerschnittes ist der, dass sich für meinen Chef und mich unterschiedliche Touren am meisten rechnen. Natürlich ist jeder Umsatz besser als keiner, aber rein betriebswirtschaftlich müsste mein Chef auf kurze Touren stehen. Durch den durchaus sogar bundesweit betrachtet saftigen Startpreis von 3,20 € in Berlin, und die übliche Verteuerung der ersten Kilometer sind kleine Touren vom Schnitt her lohnender. Wenn wir davon ausgehen, dass ich nach einer Tour zur selben Halte zurückfahre, dann ergibt sich für eine 1km-Tour ein Schnitt von 2,40€/km, bei einer 40km-Tour aber nur einer von etwa 0,66€/km. Keine Frage, dass mir die 53 € dennoch lieber wären als die 4,80 € 🙂

Wozu sich der Kilometerschnitt allerdings prima anbietet, ist das Vertreiben sturer Festpreisforderer. Wenn man schon ehrlich (und in dem Fall blöd) wie ich sagt, dass man keine Sitzkontakte hat, dann kann man immer noch ausweichen und darauf verweisen, dass der Chef das aber wegen den Kilometern merken würde. Muss ja niemand wissen, dass ich bei uns im Betrieb wahrscheinlich der einzige bin, der den Schnitt gelegentlich anspricht 😉