Übel endete heute Nacht wohl die Schicht eines Kollegen in Neukölln. Er überfuhr einen Fußgänger, der nun offenbar schwer verletzt ist. Der Kollege selbst erlitt einen Schock. Komisch zu wissen, dass ich zur selben Zeit auch im selben Auftrag da draussen unterwegs war. Ich hoffe, die Beteiligten werden alle wieder!
Arbeitsauffassung
Dem letzten Kommentar von Ana wollte ich ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken, deswegen beantworte ich ihn mal an dieser mehr oder minder prominenten Stelle.
“Irgendwann treibt es mich dann ans Matrix.” Ich mit meiner Expertise im Zwischendenzeilenlesen frag mich rückblickend, ob Sash tatsächlich der freundliche laid-back Typ is, der sich höchstens mal über nen Kollegen aufregt der nen Kunden wegschnappt oder -schlimmer noch- schlecht behandelt.
Als Taxifahrer hängt doch (zwar nicht direkt, aber irgendwie doch) die Existenz von der Anzahl der Fahrten ab.
Sitzt du nach mehreren 3eur/Stunde-(äh…)Stunden wirklich noch mit der gleichen Arbeitsauffassung im Taxi die du uns hier vermittelst oder gibts dann doch innerlich Stress?
Die Existenz hängt sogar außschliesslich von den Fahrten ab. Letztlich von Anzahl und daraus resultierendem Umsatz. Ergo: Wenn ich nur wenige wirklich kurze Fahrten und sonst nichts habe, habe ich auch wenig bis nichts im Geldbeutel.
Natürlich wirkt sich das aus. Ich steh oft am Stand und jammer mit Kollegen über den derzeitigen Umsatz. Aber was diese 3€-Stunden angeht: Zum einen gibt es selten mehr als 3 davon am Stück. Irgendwann läuft einem meist doch noch ein Winker vors Auto und der fünfte Fahrgast will dann doch auch für 20 € fahren und reisst es wenigstens ein bisschen raus.
Zum anderen sind das die besten Tage, um früher Feierabend zu machen 😉
Aber davor kann die Laune natürlich im Keller sein, und es wäre falsch zu behaupten, dass ich mich ernstlich freuen würde über eine 5€-Tour nach 3 solchen Fahrten. Was aber stimmt, ist: Ich lasse das die Kunden nicht merken.
Und die Arbeitsauffassung stimmt insofern tatsächlich, als mir klar ist, dass es nicht der Kunde mit der kurzen Strecke ist, der mir meinen Umsatz versaut, sondern die Tatsache, dass wir zu wenige Kunden haben. Alle finanziellen Aspekte sprechen dafür, möglichst viele kurze Touren zu haben. Die sind pro Kilometer teurer als lange und Trinkgeld gibt es letztlich pro Kunde.
Also denke ich mir natürlich oft am Stand: „Bitte jetzt nicht das Hotel ums Eck!“, aber in der Regel ist das schon vorbei, wenn der Kunde erstmal im Auto ist. Dann hab ich ja immer noch die Chance, mich für ein bisschen mehr Trinkgeld zu qualifizieren 🙂
Tuff tuff tuff, wir fahren in den… HOSTEL!!!
Besser spät als nie…
Manchmal wird es ganz eng mit der Ortskenntnis. So zum Beispiel bei den vielen Touris die gerne möglichst billig „Spaß haben“ wollen. Nicht einmal absichtlich, aber ich kenne natürlich schlicht nicht alle Preise. Und vor allem entzieht es sich oft genug meiner Kenntnis, wie billig „billig“ ist. So gesehen gab es gestern zwei Leute, die einiges gelernt haben.
Begonnen hat alles am Matrix. Er wollte zu seinem Hostel, nur ein paar Straßen weiter. Die ganz besonders unterdurchschnittliche Tour. Davor aber wollte er gerne irgendwas, für das ihm kein Verb auf Deutsch eingefallen ist, was die Sache wesentlich erleichtert hat. Schließlich ist er letztlich schon bei einem Substantiv gelandet, bei dessen konsequenter Anwendung im Rahmen eines längeren Aufenthaltes er sicher ernste Probleme bekommen hätte. Mein böses Ich findet den Gedanken aber immer noch reizvoll, wie er ein „Frauenhaus“ aufsucht, um käuflichen Sex zu finden.
Naja, Spaß beiseite. Ich hab ihm ein Etablissement in relativ geringer Entfernung vorgeschlagen, das mir als nicht allzu teuer in Erinnerung war. Er war einverstanden und wir sind losgefahren. Bevor das Taxameter den ersten Sprung auf 3,40 € machen konnte, musste ich aber wieder anhalten, weil Freunde auf der Straße standen und er dann doch lieber mit denen um die Häuser ziehen würde. Glaubt mir, da kam ich mir ein wenig verarscht vor. Bei 3,20 € ohne Trinkgeld… Aber es stellte sich (für mich glücklicherweise) heraus, dass die ganze Bande eigentlich auch nur ins Bett wollte, und ihm das ja nicht ganz so gelegen kam. Also ab zum Puff! Und als wir davor standen, vereinbarten wir, dass ich warte, falls es nicht den Vorstellungen entsprechen sollte. Und tatsächlich: Bei den letztlich 8 € blieb es nicht.
80 € wollten die dort haben, das wäre wirklich wahnsinnig teuer. Hmm, naja, ein Laden etwas weiter weg ist mir noch eingefallen. Ob der jetzt aber soo viel billiger ist?
Egal, auf dahin! Unterwegs hat er mir dann erzählt, dass er gestern mit einem Bekannten in einem Laden war, da hätten sie 35 € bezahlt, und nett und sauber sei es auch gewesen…
Wow! Da kam ich mir als Taxifahrer plötzlich vernünftig bezahlt vor. Der nächste Laden lag rund 11 € weiter, und auch dort zahlte er zunächst, um eine kurze Unterredung mit der Dame vor der Tür später wieder im Auto zu sitzen. 55 €… noch zu happig!
Daraufhin hab ich ihm mein Handy geliehen, damit er mit seinem Kumpel telefonieren kann, um herauszufinden, wo der grandiose Puff von letzter Nacht genau ist. Dafür hab ich im Gegenzug doch eine neue Fahrt gestartet und nicht weitergedrückt. Fairer Deal, würde ich sagen.
Dass er ins gleiche Netz telefoniert, was für mich letztlich kostenlos ist… naja. Nehmen wir es mal als Glückstreffer. Ist mein Handy halt teurer zu mieten als ich es bin 🙂
Ja, einiges betrunkenes Kumpelgeschrei später hat der Freund zwar nicht die ominöse Adresse rausgerückt, aber vereinbart, dass sie sich in 20 Minuten am Hostel treffen. 9,60 € später standen wir dann wieder da, und bei aller guter Laune im Auto war ich etwas irritiert, als er mir zum Ende der Unterredung mitteilte, er hätte nur noch ein halbes Jahr zu leben. Aha? Krass, aber irgendwie unpassend…
Die Moral von der Geschichte war, dass er fast 30 € im Taxi hat liegen lassen, was mich in der Nacht ziemlich gerettet hat. Seinen Puff hat er auch noch gefunden, zudem hat er jetzt noch ein Treffen mit seinem Kumpel, das er sonst wohl nicht gehabt hätte. Ich hab ein paar neue Bordellpreise abgespeichert und durch Zufall später noch einen Kollegen getroffen, der mir ein zwei Möglichkeiten genannt hat, wo dieser Laden gewesen sein könnte. Auch abgespeichert! Manchmal dauert eben alles seine Zeit.
Mal drüber reden…
„Sagen sie, was halten sie eigentlich von Fahrradfahrern, die die Fußgängerüberwege benutzen? Also an der Ampel? Und nicht absteigen?“
„Wenn ich ehrlich sein soll, hab ich mir da bisher gar nicht so viele…“
„Naja, sie sind ja professioneller Taxifahrer, sie haben sicher mit ganz anderen Dingen zu tun. Mich ärgert das immer maßlos. Und ich rege mich da total schnell auf!“
Das war nun wirklich ein ungewöhnlicher Gesprächseinstieg für einen Fahrgast. Die Fahrtstrecke war noch dazu überaus kurz. Eine dieser 6€-Touren vom Ostbahnhof in den Boxhagener Kiez, eine dieser Touren, weswegen ich die Halte sicher nicht als häufigen Anlaufpunkt nutze. Trotz des Einstiegs ist es übrigens nicht in eine Schlammschlacht ausgeartet, und ich hab mit ihm ein kurzes und dennoch inhaltlich brauchbares Gespräch über den Verkehr und die Umgangsformen untereinander geführt.
Mich nerven diese Autofahrer-gegen-Fahrradfahrer-Geschichten nach wie vor ziemlich. Und das, obwohl ich mich auch weit öfter über Fahrradfahrer ärgere als andere Vierrädler. Das Auftauchen von Idioten in der persönlichen Umgebung lässt sich leider nicht am fahrbaren Untersatz erkennen. Genauso wenig wie an der Nationalität oder den Klamotten. Auch ich denke mir zwar oft:
„Na, das passt ja!“
aber glücklicherweise kommt meist schnell genug ein anderer Idiot vorbei, der das Bild wieder gerade rückt. Dank dieser Idioten haben Lobbyvereine wie ADAC und ADFC streitlustiges Publikum, und eine wahrscheinlich zweistellige Millionenanzahl von Menschen in Deutschland verbringt einen guten Teil seines Lebens damit, sich im Straßenverkehr benachteiligt zu fühlen, dagegen anzugehen, und das auch noch für einen relevanten Part des eigenen Lebens zu halten.
So konnte ich dem Fahrgast auch nur sagen, dass es mich eigentlich nicht tangiert, wenn Radfahrer an Ampeln nicht absteigen, um die Fußgängerampeln zu benutzen. Sofern das irgendwie im Einklang mit dem sie umgebenden Verkehr (also auch dem der Fußgänger) steht, bin ich da sicher kein Prinzipienreiter. Allerdings bietet es den Einstieg in die Debatte über einen einzigen, wirklich sehr Radler-typischen Verhaltenspunkt, der auch mir persönlich bitter aufstößt:
Das Rosinenpicken
Radfahren ist in einer Stadt wie Berlin ja eine großartige Alternative im Verkehr. Man steht nicht so im Stau wie mit dem Auto, man ist dennoch zu 100% flexibel und nicht so langsam wie ein Fußgänger. Kein Wunder also, dass wir zum zugegeben ziemlich nervigen Autoverkehr auch wahnsinnig viele Radfahrer haben. Inzwischen beginnt ja selbst die grundsätzlich viel zu lahme Verwaltung, das zu erkennen und sich auf Fahrradfahrer als eigenständige Verkehrsteilnehmergruppe einzustellen. Es gibt immerhin an einigen Stellen schon ein recht gut ausgebautes Radwegenetz, es kommt immer mehr dazu – und inzwischen wird auch schon intensiv diskutiert, es zu verbessern. Ab nächsten Winter muss die BSR auch Radwege räumen und es wird allerorten eine Verlegung der Radwege auf die Straße diskutiert, da das wohl einige Unfallschwerpunkte entschärfen soll. Im Übrigen etwas, dem ich zustimmen kann. Wer gelegentlich von der Warschauer Str. in die Mühlenstr. abbiegt, wird wissen, wie unübersichtlich eine Kreuzung durch einen gesonderten Radweg werden kann, obwohl sie prinzipiell gut einsehbar ist.
Das Problem ist, dass manche Radler die Vorteile ihres Gefährts etwas überbewerten und der Meinung sind, alles was geht, müsse auch erlaubt sein. Je nachdem, ob es dem eigenen Vorankommen dienlich ist, verwenden einige nämlich sowohl Rad-, als auch Fußgänger- und Auto-Verkehrsräume. Zum Teil ist das verständlich, schließlich werden sie tatsächlich von der StVO mal hierhin und mal dorthin abgeschoben, und so kommt wahrscheinlich das Verhalten zustande, dass den meisten Fahrradhassern im Auto bitter aufstösst (obwohl sie es nicht benennen könnten): Diese Radfahrer sind unberechenbar.
Dazu gehört das Rasen über Fußgängerampeln genauso wie etwas, das mich vor ein paar Tagen fast den letzten Rest Nervenkostüm gekostet hätte: Das spontane Wechseln vom Radweg auf die Autospur ohne Notwendigkeit, Umsicht oder Gefahrenbewusstsein. Ich denke ja auch, dass man nicht bei jedem Quatsch pingelig sein sollte, aber bei Gefährdungen hört der Spaß auf. Und bei aller Sympathie für die Einstellung, das Selbsttötung auch zur freien Lebensgestaltung gehört, bin ich auch ein Freund davon, keine zufälligen Verkehrsteilnehmer in diesen manchmal für Außenstehende etwas traumatischen und durchaus auch ekligen Plan miteinzubeziehen.
Ich verstehe die brachliegenden Nerven von Radlern, die auf Hauptverkehrsstraßen nur ganz knapp überholt werden, und ebenso das Angepisstsein, wenn ein Auto auf einem Radweg parkt oder Fußgänger denselben als Flaniermeile missinterpretieren. Woraus sich für einige allerdings das Recht ergibt, betrunken mit einer Bierflasche in der Hand ohne sich umzusehen bei Rot über die Ampel zu fahren und trotz parallel verlaufenden Radwegen den Autofahrern ihre Geschwindigkeit aufzuzwingen, das ist mir indes unverständlich.
Ich hab schon mal irgendwo erwähnt, dass ich gerne auch Regeln hinterfrage und nicht übermäßig obrigkeitshörig bin. Aber ausgerechnet in der wahrscheinlich meistdiskutierten Blattsammlung Deutschlands, der StVO, stehen tatsächlich ein paar Paragraphen, die den Sinn haben, den Schutz der einen Verkehrsteilnehmer vor den anderen zu regeln. In einem dicht bevölkerten Gebiet wie der Berliner Innenstadt ist es eine Meisterleistung, es hinzubekommen, dass sich in die gleiche Richtung Menschen zu Fuß mit 5 km/h, welche auf dem Fahrrad mit 20 km/h und Autofahrer mit 50 km/h bewegen können. Dass auch irgendwer mal entschleunigen oder anhalten muss, um die Kreuzung und Überschneidung dieser Wege zu ermöglichen, das sollte doch jedem klar sein.
Und so etwas in der Art habe ich meinem Kunden auch erzählt. Mit dem dringenden Hinweis, dass ich nichts von pauschalen Vorverurteilungen halte, aber dass es natürlich kritisches Verhalten gibt, an dem ich vor allem diese ständige Egoisten-Perspektive und dieses „Ich will alles sofort und es ist mir doch egal, ob es die anderen stört“ hasse.
Seinen Nerv habe ich damit offenbar getroffen, das Trinkgeld betrug gute 50% vom Fahrpreis. Und trotzdem ist es immer wieder ein nerviges Thema und tagein tagaus ein Kampf mit meiner rechten Hand, die hier und da ausholt, um auf die Hupe zu drücken. Ich hab es bisher dennoch bei etwa 5 mal belassen in den letzten anderthalb Jahren. Ich hab ja auch nix davon, wenn ein erschreckter Radfahrer plötzlich umfällt und meine Spur blockiert 😉
Die übliche unerwartete Fahrt
Manche Schichten ziehen sich wie Kaugummi. Das kann mitunter schon beim ersten Stopp an der Halte anfangen. Das Wetter ist nicht optimal. Es ist zu kühl oder zu regnerisch, um draussen stehen zu bleiben und zu rauchen. Bekannte Kollegen sind keine in Sicht, oder noch schlimmer: Welche, die man nicht mag sind in Sicht. Es zeichnet sich ab, dass man mit viel Glück binnen einer Stunde wegkommt, früher aber nicht.
Ich hab den gestrigen Schichtbeginn-Stopp am Ostbahnhof immerhin mit schönem Wetter anfangen können. Aber ich hatte wenig zu trinken dabei und auf dem langen harten Weg durch die Warteschlangenplätze ist mir selbst das Lesen im Spiegel zu stressig geworden. Vor mir sind ein paar Kollegen weggekommen, hinter mir auch, ich natürlich nicht. Irgendwann stehe ich hinter einem dieser Spezialfahrer, die die Leute schon anraunzen, wenn sie sich nicht farblich passend zu seinem potthässlichen Ford Mondeo gekleidet haben. Auch dieses Mal bekomme ich eine kurze Tour, nachdem er es zu gefährlich fand, den Fahrgast am Zielort kurz Geld holen zu lassen. Einen netten jungen Mann, der gleich vorweg Ausweis und Portemonnaie mit aller persönlicher Habe als Pfand angeboten hat. Aber klar, Schlesisches Tor, 6 €…
Die nächste Fahrt ist nicht höherpreisig, obwohl die Wartezeit wieder bei einer Stunde liegt, mit der ich so gar nichts anfangen kann. Twitter? Nix neues. Mein Blog? Nix neues? Spiegel? Nervt. Naja, dieses Mal gibt es wenigstens gut Trinkgeld zur Entschädigung.
Und so ging es weiter.
Irgendwann treibt es mich dann ans Matrix. Der Schock ist groß, ich kann mich trotz früher Anwesenheit nicht als Zweiter oder Dritter anstellen, sondern muss mit Platz 7 Vorlieb nehmen. Anderthalb Stunden hab ich dann einmal mehr gegen die Müdigkeit angekämpft, die sich langsam breit machte. Ich hab das Internet totgelesen und die Wartezeit wuchs bei gelegentlichem Vorrücken auf anderthalb geschlagene Stunden an.
Immerhin hat das Watergate zu, damit fallen Touren unter 5 € eigentlich weg. Die A&O-Hostels sind noch beliebte Ziele, 6 und 7 €. Oder bekomme ich doch das Pegasus – auch 7 €. Fast schon Luxus wären Generator (10 €) oder gar das Agon Aldea mit 15.
Überraschenderweise steigt mir ein deutsches Pärchen ein, fragt gar nicht nach einem Preis und gibt mir zu bedeuten, ich solle sie doch nach Schwanebeck bringen. Und mit dieser halbstündigen Fahrt für 32 € ging ein durchgängiges Gespräch einher und Zufriedenheit auf allen Seiten. Man soll den Tag eben nicht vor dem Abendprogramm loben…
Weitere Highlights waren später noch ein Kollege mit interessanten Geschichten, und einer, der beinahe den Dummheits-, Dreistigkeits und Geschwindigkeitsrekord des noch so jungen Monats auf einmal gebrochen hätte und ein pünktlicher Feierabend, bei dem ich mal wirklich nur 2 Minuten auf die Bahn warten musste. Ein paar Dinge davon erzähle ich ein anderes Mal.