So kann es auch gehen…

Ich hab meine Sachen vom Tresen genommen. Den Tankbeleg und die zugehörige Flottenkarte hielt ich in der linken Hand, der Autoschlüssel lag in meiner rechten.

Das Auto war soweit auf Vordermann gebracht und betankt, es fehlten nur noch 4,80 € bis zum obligatorischen Hunni – und mehr hatte ich gar nicht vor. Die Sonne war zwar noch nicht aufgegangen, aber eine eher schlechte Schicht schrie nach Beendigung. Wo kriege ich die 4,80 € jetzt her?

Vielleicht fahre ich ja über die Warschauer nochmal zum Matrix? Aber da stehen mindestens 10 Kollegen. Dauert Minimum eine halbe Stunde, wenn ich keinen Winker mehr abkriege.

Ostbahnhof lohnt um die Zeit gar nicht. Hat das Weekend vielleicht offen? Keine Ahnung, noch nicht dagewesen heute.

Bar 25 direkt gegenüber? Hmm, so 5 bis 6 Kollegen. Wie viele da jetzt wohl rauskommen? Wäre immerhin kein weiter Weg.

Als ich den Knopf der Fernbedienung drückte, um mein Auto zum Öffnen zu bewegen, war ich umringt von 5 jungen Leuten, die zum Alex wollten. Keine Monstertour – aber gute 7 €. Und ein kleines Bisschen was gutes tun konnte ich auch noch: Außer einem Taxifahrer hätte niemand mit deren Angaben das abgestellte Auto gefunden. 😉

So ne Art Speed Dating…

Der Winker war ein völlig normal erscheinender Endzwanziger. Mein Kaliber von Alter und Größe, und da er immerhin eine mittellange Fahrt in einer mittelschlechten Nacht mit mir zurücklegen wollte, kam mir das auch sonst sehr recht. In eine Straße nach Kreuzberg wollte er, die ich nicht sofort einordnen konnte. Fix hat er zwei Nebenstraßen parat gehabt, sodass ich ihm sagen konnte, ich wüsste, wo ich hin muss.

Nicht schlecht gestaunt habe ich, als er an der ersten Kreuzung meinte:

„Nee du, lass mal. Ich geb dir auch ’nen Zehner, aber ich steig hier aus.“

Blick aufs Taxameter: 3,60 €. Was is’n jetzt kaputt?

„Nee du, ich muss gleich kotzen, und da will ich dir nicht ins Auto reihern. Tut mir echt leid!“

Ich hab ihm angeboten, kurz zu warten. Ich hab ihm den Zehner ausgeredet und letztlich einen Fünfer erhalten. Und ich hab ungläubig zugesehen, wie er ungelogen ins Gebüsch gerollt ist zum Kotzen.

Er hatte schon recht: Das wär wohl nix geworden mit uns beiden 🙂

Ehrlichkeit…

„Und dann müssten sie die nächste links ab.“

„Und dann gleich die nächste rechts, oder?“

„Mensch, sie kennen sich ja wirklich gut aus!“

„Ach, ich will ehrlich sein: Ich hab es sicherheitshalber ins Navi eingegeben. So ganz genau hätte ich es nicht mehr gewusst.“

„Haha, na dann!“

Nach dem Bezahlen (mit gutem Trinkgeld) haben sie sich untereinander noch unterhalten:

„Das war jetzt aber mal ein toller Fahrer, oder?“

„Ja, und dass der auch einfach gesagt hat, er hätte es jetzt nicht so genau gewusst…“

„Toller Fahrer, wirklich!“

„Ja, echt toll!“

Wenn man die Ansprüche nur weit genug runterschraubt, bleibt für jeden ein Kompliment übrig. Wie wenn ich über Leute schreibe, die ins Auto kotzen und dann aber „sehr fleißig“ mitputzen.

Tut manchmal einfach gut, sowas. 🙂

I am not a Criminal!

„Would you bring me to the Intercity Hotel?“

Na gut. Vom Frankfurter Tor (also Biermeile) bis zum Ostbahnhof nehme ich an. Warum nicht? Kurze Strecke und gleich wieder hier. Fast so gut wie eine lange. Naja, kurze Nachfrage noch:

„Which one?“

„Oh, see, it is just near to the airport…“

OK, Schönefeld! Super!

„What will it cost?“

„30 €.“

„OK. I have to look, how much money I have. But I have a friend in the hotel and my credit card. I’ll pay you. I am not a Criminal!“

Gut einen im Tee hatte er ja, aber es war ein netter Kerl. Ich hab mir keinen Kopf gemacht. In dem Fall weiss ich sogar vom Hotel, dass die den Taxipreis ggf. mit auf die Rechnung setzen. Also wegen des Geldes hatte ich nun wirklich keine Sorgen.

20 € hat er auch so noch zusammengekramt. Zwei Fünfer und ein Zehner. Die hat er die ganze Fahrt über in der Hand gehalten, sie mir gezeigt, um zu zeigen, dass er mich bezahlen wird, und hin und wieder nachgezählt. Meist kam er beim Zählen auf 20 €, manchmal auch auf 30, wobei ich ihn dann vorsichtshalber korrigiert habe.

Und die Fahrt nach Schönefeld kann ziemlich lange dauern…

„Ill pay you, don’t panic!“

Nein, keine Sorge. Aber er hat auch sonst nicht viel erzählt. Die meiste Zeit wollte er meine inexistente Panik bekämpfen. Nebenbei hab ich eigentlich nur erfahren, dass er aus Norwegen ist, und mit einem Kollegen mal dessen Heimat besucht.

Auch wenn er sich zwischenzeitlich abenteuerliche Lösungen ausdachte, um das mit dem Geld zu klären (Aussteigen auf der Autobahn bei Adlershof beispielsweise), endete das alles mit einem kurzen Anruf bei seinem Kumpel, der dann auch Gewehr bei Fuß am Hotel stand, als wir eintrafen, um mir den letzten Zehner zu überreichen.

Während ich bei einer gemütlichen Zigarette einen kleinen Chat mit Ozie führte, entbrannte um mich herum eine Art norwegische Freudenparty, bei der mir mehrfach versichert wurde, dass die beiden kein bisschen kriminell sind und sich nur freuen, einander zu sehen.

Nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch Zweifel daran hatte, aber irgendwelche Gründe zum schreien und lachen muss es ja geben.

Vierter!

Ich jubel nochmal kurz für Uruguay… ähm, naja. Gut, kommen wir von den 3,5 Mio. Urus zu den 3,4 Mio. Berlinern:

Die sind auch Vierter!

Marius aus Bielefeld hat mir eine Mail geschickt mit dem Link zu einem neuerlichen Taxi-Ranking.

Und Berlin schneidet also einmal mehr nicht sonderlich schlecht ab. Wir geben uns ja auch Mühe 🙂

Ich bin zu nett…

Der Typ, der am Matrix um den ersten Kollegen herumfloss – skurile Auswahl an sehr geschmeidigen Schritten – ist mir gleich aufgefallen. Er lehnte sich dann neben meinem Auto auf die Motorhaube eines geparkten Fahrzeugs und tat erst einmal nix.

Der Kollege aus dem ersten Wagen stieg aus, ging zu meinem Fenster und meinte:

„Total besoffen.“

Ohne Frage. Der potenzielle Fahrgast erschien dann aber an meinem Fenster, sodass ich das Kollegengespräch beendete, bevor ich es begonnen hatte.

Angetrunken war er wirklich, und so vom ersten Eindruck her auch nicht gerade das, was man gemeinhin als sympathisch erachtet. Er war irgendwie so ein Typ, der ohne weiteres als Statist im Fight Club untergekommen wäre, und ich kann nicht ausschließen, dass sein Gesicht heute so aussieht, weil er es genau für solche Zwecke gegen die Faust anderer gehauen hat.

Die folgenden Zitate sind der Einfachheit halber aus dem Englischen frei Schnauze übersetzt, damit es für die nicht so versierten leichter zu lesen ist.

Er reichte mir eine zerknitterte Karte ins Auto und meinte:

„Bring mich dahin!“

„Lass mich mal sehen.“

Oh, ok. A&O Hostel Boxhagener Str. Keine 7 €. Nicht gerade die Luxus-Tour, aber auf eine abendfüllende Ferntour mit ihm hatte ich es auch nicht gerade abgesehen.

„Steig ein, ich weiss wo das ist!“

Die Strecke, die ich gefahren bin, ist nicht gerade kompliziert. Direkt am Matrix bin ich in die Rother abgebogen, um das erste Drittel der Strecke bis zur Modersohnstr. zurückzulegen. Und abgehakt. Ich bin dann nach links auf die Modersohnstr., Richtung Brücke eingeschwenkt und dann ging es los:

„Du, du hättest da rechts ab gemusst!“

„Nein, glaub mir!“

„Wirklich, ich bin mir sicher!“

„Du hast mir doch die Karte gezeigt. Ich weiss, wo das Hostel ist und ich bringe dich auf dem schnellsten Weg dahin!“

„Nein nein, wir müssen umdrehen! Hier wohne ich nicht!“

„Es ist nicht mehr weit. Vertrau mir! Warte doch kurz ab!“

„Du musst sofort umdrehen, ich weiss wo wir hinmüssen.“

„Hey, es ist nicht mehr weit! Warte doch kurz ab, ob ich Recht habe. Wenn wir dann wirklich falsch sind, dann fahre ich dahin, wo du denkst.“

„Ich wohne hier nicht. Dreh doch um, Mann!“

Nach dem Rechtsabbiegen in die Wühlischstr. und ein paar weiteren hundert Metern geradeaus standen wir nach rund zweieinhalb Minuten Fahrt an der Ecke Boxhagener, quasi direkt gegenüber des Hostels. Das ist in einer Einfahrt versteckt, aber dank des Imbiss an der Ecke hatte ich Hoffnung, dass er an dieser Stelle erkennt, wo er ist und Ruhe gibt. Natürlich nicht. Weiterhin behauptete er, ich müsse umdrehen und dass wir falsch wären. Ich hab dann einfach weil mir danach war mit ihm nochmal das Kärtchen rausgeholt, mich nochmal vergewissert, dass er in dem Hostel auf dem Kärtchen wohnt, ihm versucht klarzumachen, dass wir an der richtigen Straße sind, etc. Nix da, ich solle ihn doch zurückbringen, von wo wir herkommen würden, er würde mir den Weg dann zeigen.

So langsam hatte ich ja selbst fast Bedenken.

Dann bin ich einfach mal über die Straße in die Einfahrt gefahren.

„Na? Ist das dein Hostel?“

„Ey…“

„Sind wir hier richtig?“

„Mann, du hattest Recht!“

„Danke. Hättest mir auch einfach glauben können.“

„Ey, das ist ja genau wo ich wohne, Mann!“

„Ich weiss…“

„Ey, wir sind genau richtig!“

„Ja.“

„Das ist ja geil, Mann! Was macht das?“

„6,40 €.“

„Boah geil Mann! Danke! Danke dass du nicht auf mich gehört hast, du hättest mich ja sonstwohin fahren können.“

„Ja, aber manche Dinge weiss man als Taxifahrer dann eben doch…“

„Ey wie geil! Wir sind da! Das ist verdammt nochmal genau der Platz, wo ich hinmuss!“

„Hab ich mir fast gedacht…“

„Hey hier, nimm den Zehner, Mann! Danke! Boah ist das geil!“

Ja, unglaubliche Zauberkunst!

Das Trinkgeld wurde übrigens nochmal geschmälert, weil ich Idiot vergessen hab, die Uhr auszumachen vor lauter Hin und her… 🙁

In gewisser Weise wäre es ja ganz nett gewesen, mich von ihm bis nach Adlershof oder so führen zu lassen, bis ich dann mit 40 € auf der Uhr den richtigen Kurs anpeile, wenn er eingeschlafen ist. Ich hab seitdem oft darüber nachgedacht. Ich sage ja immer: Wenn die Kunden einen Wunsch haben, wie sie fahren wollen, dann gehe ich da gerne drauf ein. Aber das geht natürlich nur, wenn die Kunden erkennbar etwas Ahnung von der Sache haben, also z.B. in Berlin wohnen oder wenigstens nicht unzurechnungsfähig sind. Und bei einer Strecke von 4 Minuten ist jeder Umweg unverhältnismäßig – vor allem wenn ich mir meiner Sache so sicher bin. Hätte ich sofort auf ihn gehört und ihn dann nach einer Minute schon wieder vom Gegenteil überzeugt gehabt, dann wären wir gleich über 10 € gewesen. Bei einer voraussichtlichen 30€-Tour einen Umweg von 4 € zu machen… bitte! Aber besoffene Ortsunkundige lade ich dann doch lieber schnell ab, und wie man sieht, lohnt es sich bisweilen.

Eine Stunde später hatte ich dieselbe Tour übrigens mit 3 anderen besoffenen Engländern. Die haben nicht gemeckert, waren begeistert von meinem guten Englisch und haben auch 3,60 € Trinkgeld gegeben. Das ist natürlich noch besser 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Erste Ermüdungserscheinungen?

Mein Schichtende heute verlief dann auch eher suboptimal. Die Twitter-Leser wissen es ja schon. Was war nun los?

Um etwa 5.45 Uhr habe ich nach einer sehr netten Tour ein Pärchen in Neukölln abgesetzt. Kein Kilometer später stand ich in der Sonnenallee an der Ampel. Geht der Motor plötzlich aus. Witzigerweise fand ich das nicht übermäßig überraschend. Ein paar von den Erdgas-Zafira haben einen kleinen Bug bei der Motorsteuerung, der dafür sorgt, dass gelegentlich, wenn man aus schneller Fahrt an der Ampel hält, sich das Standgas nicht richtig einpegelt.

Der Drehzahlmesser springt dann zwischen 500 und 1500 U/min hin und her, schaukelt sich weiter hoch, und irgendwann, wenn er halt mal einen Moment unter 300 oder was weiss ich fällt, säuft der Motor ab. Das Problem lässt sich akut entweder durch einen einfachen Neustart lösen oder durch sachtes Gasgeben, bei dem man einen zu heftigen Ausschlag nach unten verhindert. Klingt komisch, aber im Alltag gewöhnt man sich dran. Passiert jetzt auch nicht an jeder zweiten Ampel.

Nun ja, und nun: Babbela! Der Motor ließ sich nicht mehr starten. Strom war da, der Motor jedoch gab keinen Mux von sich. Kein Anlasser, kein Gurgeln, kein Pfeifen, Klappern, was immer man individuell auch mit dem Starten eines Motors verbindet: Es war nicht da.

Da stand ich nun. Sonnenalle /Ecke Dammweg und guckte dumm aus der Wäsche. Der Verkehr war unbedeutend, ich blockierte nur die rechte Spur.

Nach 2 Minuten ergebnislosen Versuchen sprang die Kiste wieder an. Für vielleicht 2 Sekunden. Danach das selbe Spiel nochmal. Nachdem das Auto zum zweiten Mal wieder ansprang, wartete ich ein paar Sekunden, gab mehrmals kräftig Gas, alles schien ok zu sein. Ich bin über die Kreuzung gefahren, nach 50 Metern war der Motor wieder aus.

Dann hab ich erstmal eine geraucht, ich stand nun auch nur halb so exponiert an einer Bushaltestelle und hab einen Kollegen angerufen, damit der mit mir ggf. das Auto in eine Parklücke schieben kann, und mir vielleicht eine Heimtour spendiert. Ich hab der Kiste ein paar Minuten Ruhe gegönnt, und als der Kollege dann da war, lief das Auto wieder ohne Probleme.

Der Kollege hat mich noch eine Weile eskortiert, um sicher zu gehen, dass ich nicht liegen bleibe. Als der Heimweg zum Abstellplatz nur noch rund 4 km entfernt war, hab ich ihn vorbeigewunken und mich bei einem kurzen Halt verabschiedet. Praktischerweise kam genau dann ein Kunde angewatschelt, der ihm noch die letzte Tour für sein Soll beschert hat.

Mein Tagfahrer hat sich bisher nicht gemeldet, also müsste das Auto heute problemlos gelaufen sein, Dann war es hoffentlich nur eine kurze Macke, eine Verstopfung, whatever. Ich bin kein Mechaniker, ich weiss nicht, was alles diesbezüglich möglich wäre. Die Kiste hat heute Nacht übrigens die 243.000 km geknackt.

Nachtrag:
Der Anruf kam noch: Autochen hat weitergezickt, mal so rum, mal andersrum, war in der Werkstatt und ist wieder fit. Zündspulen ausgetauscht. Meinetwegen. Hauptsache, es läuft wieder!