Trendy Schweden

OK, ich hab keine Ahnung, ob man das irgendwie so witzig hingeschrieben bekommt, wie es war…

An der Gedächtniskirche:

„Ahh, wir keneen diesen Kirchen. Ist daas von die kapuute die zweiten Weltkriegen?“

„Ja, genau.“

„Deeshaalb man hat gebildet diese modernen Gebäude daneben?“

„So in etwa.“

„Daas ist den modernen! Ist den trendy Kirche. Trendy Berlin! Wir haaben gelesen in ein Reisenführer, daas Berlin soll sein so sehr trendy. Desweegen wir sagen bei alles waas wir sehen: Trendy Berlin!“

Wer ernstlich glaubt, die Namen bei Ikea seien lustig, der sollte sich unbedingt man mit schwedischen Touris unterhalten. Sie wollten von mir ein paar neue deutsche Sätze lernen. Wie sich das bei jungen Leuten offenbar gehört, waren definitiv auch ziemliche Sauereien darunter, aber ich würde doch gerne sehen, wie sie irgendjemandem erzählen:

„Mein Schwanz ist ein Rotkehlchen.“

Und es ist nicht so, dass ich ihnen Blödsinn erzählt hätte. Sie wollten (wegen eines Textes in ihrem alten Deutschbuch) unbedingt wissen, was Rotkehlchen heisst. Da haben wir lange rumlamentieren müssen, weil sie aus dem Buch (wer zur Hölle druckt sowas?) das Wort „Domherren“ im Kopf hatten. Hat eine Weile gebraucht, bis wir rausgefunden haben, was sie meinen.

Weitere Highlights der Tour waren das Geständnis, dass der eine was mit einem Mädel hatte, obwohl er doch auf Jungs steht, und dazu die erklärende (?) Aussage des anderen:

„Weisst du, er ist nicht mein Freund. Aber ich liebe ihm!“

Wie lustig der Job doch sein kann…

Tag gerettet

Auch wenn ich am Wochenende durchaus in Erwägung ziehe, überall von Kunden angehalten zu werden, so habe ich mich doch morgens um 5.30 Uhr in Marzahn recht sicher gefühlt. Ich wartete auf die dämliche Linksabbiegerampel an der Marzahner Promenade, die nur jede zweite Ampelphase überhaupt grün wird und habe die Musik in froher Feierabenderwartung auf Anschlag gedreht.

Das Klopfen an der rechten Hintertür riss mich in die grausame Realität zurück: Ich war auf Arbeit. Bei guter Laune kann man das als Taxifahrer schon auch mal vergessen, aber naja…

„Könnten sie mich vielleicht noch schnell in die [ZueindeutigerStraßenname] fahren, ich arbeite da?“

„Klar, sehr gerne sogar!“

Ich musste so oder so stadteinwärts, Umsatzziele sind sowieso nach oben offen und überhaupt: Es ist mein Job, und ich mache ihn gerne.

„Ich denke, da reicht noch eine Kurzstrecke!“

hab ich frohen Mutes von mir gegeben und erhielt sogleich die mir liebste Antwort:

„Ich zahle ihnen auch mehr!“

Die Kurzstrecke war schon gedrückt und los ging es. Binnen drei Minuten hatte ich eine der abenteuerlichsten Geschichten ever gehört, wie man morgens den Bus verpassen kann – und eine Mitfahrgelegenheit noch dazu. Aber für die unglaublich unschöne Zeit eine nette Unterhaltung mit viel guter Laune.

Am Ziel angekommen stoppe ich das Taxameter, es stehen nach wie vor die 4 € drauf und ich drehe mich erwartungsvoll um. Die Dame streckt mir einen Fuffi entgegen und in meinem Gesichtsausdruck muss sich irgendwie übermäßiges Entsetzen gespiegelt haben. Schließlich hab ich gerade zu Hause erst den 3. Fünfziger an dem „Abend“ kleingemacht in der Hoffnung, mit dem Wechselgeld mal haushalten zu können. Immerhin war es so gesehen gar kein Drama, da ich ja wenigstens welches hatte.

Etwas verlegen agierte nun auch mein Fahrgast. Sie reichte mir den Schein – wohl ahnend, dass das mit dem Wechselgeld etwas viel ist – stotterte, blickte zur Seite, wieder zu mir, zögerte, und meinte letzten Endes:

„Ze-zehn!?“

„Äh, oh! Wow! DAS wäre aber nicht nötig gewesen!“

„Nein, ist schon ok! Sie haben mir echt den Tag gerettet!“

Zugegeben, ich hatte in der selben Schicht die Puff-Kunden, aber sonst hätte ich das auch voller Ehrlichkeit erwidern können. Gefreut hat es mich aber auch so wahnsinnig!

Endlich mal geile Touris!

Puh, das musste mal raus. Ich hab es jetzt in anderthalb Jahren noch nie zu einer Rotlicht-Entlohnung gebracht. Dieses Wochenende sind dann zwei Dänen mal wirklich nicht noch in letzter Sekunde umgekehrt, als ich sie abgeliefert habe. Schöne Geschichte, denn damit hat sich die Schicht eben nach der zweiten Fahrt schon gerechnet 🙂

Man kriegt hier ja – das habe ich schon öfter mal geschrieben – bis zu 40 € pro Person plus einen Zehner „Benzingeld“, wenn man die Leute am richtigen Etablissement vorfährt. Und in dem Fall heisst das eben mal kurz 90 € bar auf die Kralle. Das ist das, was ich für eine ordentliche  200€-Schicht brutto bekomme, also der Gegenwert eines (guten) freien Tages quasi. Und wenn man dann überlegt, dass die Fahrt ja auch noch für 20 € Umsatz gesorgt hat… ich war nicht unzufrieden, auch wenn die Schicht sonst eher mau war.

Und für alle, die nicht vom Gewerbe (von welchem lasse ich mal offen) sind:

Ja, es ist wirklich wie in einem schlechten Gangsterfilm:

Die Kunden zahlen bei mir, schleichen um den Nachtclub. Der Türsteher kassiert, lässt sie rein und ich rauche auf der anderen Straßenseite noch schnell eine Zigarette. Irgendwann geht dann die Tür wieder auf und der Türsteher latscht raus und reicht mir – völlig Fremden – die Hand:

„Na mein Freund, wie geht es dir?“

Ich nehme die Scheine also unauffällig entgegen, und der zwielichtige Typ mit dem russischen Akzent fragt nach:

„Sag mein Freund, hast du mir 10 €?“

Is ja logisch, pack mal 90 € passend unauffällig in eine einzelne Hand…

Wirklich schockiert hat er mich dann allerdings, als er meinen zerknitterten 10er nicht nehmen wollte, und ich ihm einen vernünftigen geben sollte. Manchmal finde ich Etikette dann ja doch albern 🙂

Neuer Rekord

Naja, es geht nicht um einen Rekord von mir, und froh darüber bin ich auch noch:

Ein Kollege hat es geschafft, binnen sechseinhalb Stunden Fahren einen Umsatz von 37 € zusammen zu bekommen. Nanu, denken sich die Taxler da: Das kann schon mal passieren, ist halt ein schlechter Tag gewesen. Stimmt auch. Aber wie viel Zufall muss sich an einer Ecke sammeln, damit man das mit 7 (sieben!) Touren schafft. Das ist ein Schnitt von rund 5,30 € pro Tour, das ist mit einem Startpreis von 3,20 € gar nicht so leicht zu erreichen. Respekt! 🙂

Nummer 3

…und dann bin ich plötzlich vor dem Weekend gestanden.

Keine 10 Minuten später war ich zweiter in der Reihe wartender Kollegen, und als an den ersten eine Fünfergruppe Mädels herantrat, war auch hier mal wieder meine Stunde gekommen. Wozu hab ich denn einen Großraumwagen?

„Kennen sie das Hotel Kolumbus?“

„Das Kolumbus?“

„Landsberger Allee!“

„Ja, Werneuchener Ecke…“

„Ja ja ja! Bringen sie uns dahin? Was kostet das? Der Kollege sagt, so 14 bis 15 €. Bitte bitte! Mehr als 15 haben wir auch nicht. Bringen sie uns dahin?“

Jo, is ja gut…

Ein paar Wochenendbesucherinnen, reichlich spät dran, so um Viertel vor vier. Um 8 Uhr ist wieder aufstehen angesagt. Ich kenne die Stories ja. War eine entspannte Fahrt, ein Teil der Mädels ist gleich eingeschlafen, und als wir dann am Hotel angekommen sind, waren sie trotz ewig vieler roter Ampeln sehr zufrieden. Mit Trinkgeld war zwar nichts, aber das lernen sie auch noch. Schönen Abend, gute Nacht, tollen Aufenthalt, bis bald und tschüss!

Dann noch schnell den Sitz hinten wieder eingeklappt, und…

…dann bin ich doch schnell ins Hotel gesprintet.

„MÄDELS!“

„Äh, was?“

„Ist ja schön und super, dass wir uns so gut verstanden haben, aber eines kann ich gar nicht leiden. Und zwar, wenn man mir ins Auto kotzt, und nicht mal was sagt!“

„Aber wir haben doch nicht…“

„Ich hab den Sitz vorher das erste Mal heute hochgeklappt, und außerdem – aber schaut es euch ruhig selbst an – ist das hier noch recht, äh ja, frisch!“

Die beiden, die ich noch vor dem Fahrstuhl erwischt habe, konnten wirklich nichts dafür, und gehört hatte ich ja auch nichts. Die Freundin aus der letzten Sitzreihe dürfte aber wahrscheinlich nicht mehr so lecker ausgesehen haben. Ist mir allerdings nicht aufgefallen, weil beim Aussteigen mit 5 Leuten neben Bezahlen, Sitze verschieben und all dem Hin und Her ja auch mal was unbemerkt bleibt.

„Sollen wir das jetzt wegmachen?“

„Sollen ist eine Untertreibung. Ansonsten mach ich das natürlich mehr oder weniger gerne weg, aber das lasse ich mir gut bezahlen, das könnt ihr mir glauben!“

Obwohl die eine es (ganz witzig anzusehen) das erste Mal gemacht hat, waren keine weiteren Androhungen oder dergleichen nötig. 5 Minuten später war die Kiste wieder top in Ordnung, und die beiden durften nochmal mit einer Verwarnung schlafen gehen. Natürlich nicht ohne den Hinweis, das ihrer Freundin irgendwie heimzuzahlen. Spaß muss ja bekanntlich sein 😉

Einmal mitdenken oder Augen aufmachen!

Fahr ich am Watergate / Magnet vorbei, und die Läden sind offenbar gut besucht. Zwischen zwei Taxen springt plötzlich ein Winker raus. Ich hab erst gezögert, dann aber doch gebremst. Könnte ja eine Kurzstrecke sein. Also hab ich gefragt:

„Kurzstrecke?“

„Weiss nicht, reicht das bis zum Café Burger?“

„Nee, sicher nicht.“

„Können wir trotzdem einsteigen?“

„Ähm, warum nehmt ihr nicht eine der anderen Taxen hier?“

„Ist das etwa billiger?“

„Nein, das nicht…“

„Sie kamen da gerade so schön angefahren!“

„Ähm, aber die Kollegen warten hier schon eine ganze Weile auf Kundschaft.“

Und jetzt kommt der Knaller:

„Die, ähm, sind mir gar nicht aufgefallen vorher. Wir fahren jetzt mit ihnen!“

Eigentlich hätte ich sie wieder rausschmeissen müssen. War definitiv scheiße, sie mitzunehmen! Ich kann nur versichern, dass ich keineswegs vorhatte, die Fahrt zu klauen. Ich will nur keine Kundschaft rausschmeißen. Ich hab sie mehrmals darauf hingewiesen und sie haben darauf bestanden, mit mir zu fahren. Ich komm mir auch blöd dabei vor 🙁

Wenn es irgendwie hilft:

Ich hab es trotzdem nur auf 90 € gebracht heute Nacht…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Hoffnungslosigkeit, grenzüberschreitende

Juhu, ein Haufen belgischer Mädels im Auto! Eine ausgelassene Truppe, nettes Palaver und sonst keine Komplikationen. Wir haben uns über Berlin unterhalten, darüber dass die Stadt relativ günstig ist, niedrige Mieten und die Welt an sich. Wo ich denn wohnen würde, war eine Frage, und ich hab wahrheitsgemäß mit „Marzahn“ geantwortet. Kann man bei Belgierinnen auch mal machen, da kommt ja nicht der ewig gleiche Spruch…

„Hihi, Cindy aus Marzahn!“

… oder doch 🙁

„Jetzt sagt bitte nicht, dass die es bis nach Belgien geschafft hat.“

„Wir sehen nur deutsches Fernsehen! Das belgische ist so scheiße, da kommt nur Schrott!“

Hm, so kann man sich sein Mitleid auch verdienen…