Crazy Mittwoch…

Ich muss mein langes Wochenende aus finanziellen Gründen wieder reinholen, also hab ich gestern Abend gearbeitet. Wie sich gezeigt hat, war es eine gute Idee. Liebe Kollegen, die ihr gestern eine beschissene Schicht hattet: Bitte hier stoppen zu lesen! Allen anderen Interessierten schildere ich nun mal kurz, wie das Ende einer optimalen Schicht verlaufen könnte, wenn Kunden und Fahrer mal jeweils zur rechten Zeit am rechten Ort sind.

0.35 Uhr:
Ich fahre ans Matrix ran. Drei schwer betrunkene Iren steigen umgehend in mein Auto und lassen sich zum Hackeschen Markt bringen. 10,20 €

0:50 Uhr:
Mein Lieblingsweg über die Ecke Schönhauser/Danziger bringt mir Winker. In die Zillertaler. 7,80 €

1:10 Uhr:
Wieder auf dem Rückweg passiere ich erneut die Ecke Schönhauser/Danziger. Kurzstrecke bis zur Thulestr. 4,00 €

1:20 Uhr:
Wieder auf dem Rückweg (siehe oben). Kurzstrecke in die Marienburger. 4,00 €

1:30 Uhr:
Ich bin wieder zur Danziger hoch und folge ihr Richtung Warschauer. Am Bersarinplatz Winker. Kurzstrecke zum Watergate. 4,00 €

1:37 Uhr:
Noch vor dem Schlesischen Tor (also 50 Meter weiter) Winker. Zum Rosenthaler Platz. 11,20 €

1:50 Uhr:
Als ich mir die Daten zur Tour notiere steigt einer ein. Kaiserin-Augusta-Allee. 14,00 €

In der Kaiserin-Augusta-Allee vertrete ich mir die Füße, rufe kurz Ozie an. Sage, alles ist super und ich musste mal eben Pause machen, bevor der nächste einsteigt. Beschließe zur Tanke (Holzmarktstraße) zu fahren und an Feierabend zu denken. Eine Zigarette, dann geht es weiter…

2:10 Uhr:
Winker noch immer in der Kaiserin-Augusta-Allee. Kurzstrecke zur Turm/Emdener. 4,00 €

2:15 Uhr:
Winker im 9er-Pack an der Tusneldaallee. Zielpunkt Tresor. Fahrt mit 5 Leuten und Stopp an einer Bank. 16,70 €

Haben die irgendwie das Wochenende (womöglich mir zu Ehren?) auf Mittwoch verlegt? Oder hab ich einen Jahreswechsel, eine große Messe oder etwas in der Art verpasst?

WegbeschreiberInnen

Klaus hat inzwischen einen eigenen Beitrag daraus gemacht, dann möchte ich zumindest darauf verlinken:

Evelyn Kokes aus Linz hat vor, eine künstlerische Diplomarbeit über Berlin mit Hilfe von Wegbeschreibungen Berliner Taxifahrer zu machen. Ich finde die Idee ziemlich ungewöhnlich und interessant und werde wohl mitmachen. Die Details entnehmt ihr bitte dem Beitrag von Klaus, bzw. der von ihm veröffentlichten Mail von Evelyn.

Sie sucht noch Taxifahrer für die Arbeit, also denkt mal drüber nach, liebe Kollegen!

Alternative Zahlungsmittel

6 Mädels vom Matrix zu einem Hotel nach Wilmersdorf zu fahren ist eine nette Tour. Die überwiegende Kommunikation fand außerhalb meiner Sprachfähigkeiten irgendwo in der Nähe von niederländisch statt, aber das ein oder andere nette Wort in Deutsch oder Englisch hatten sie dann doch auch mal für Fahrer und Auto übrig.

Sie haben gesagt, sie wollten es möglichst billig haben, was natürlich (wie nachts eigentlich immer) kürzeste Route bedeutet. Naja, die Oberbaumbrücke war mal wieder wegen Filmdreharbeiten gesperrt, aber ansonsten ist das ja kein Problem. Am Hotel angekommen hab ich dann kurz den Preis mit den Zuschlägen verrechnet und verkündet:

„OK, here we are! And we’re at 24,20 €.“

Die Antwort gestaltete sich wie folgt:

„Puh, 24 €! And if we show you our…?“

Wenn ich es mir recht überlege: 12 auf einmal… wie konnte ich mir das nur entgehen lassen 😉

Ich könnte reich sein…

Da kämpft man sich bei einer ziemlich miserablen Wochenendschicht durch die von freien Taxen verstopften Straßen von Kreuzberg. Nerv! Einfach niemand von den zigtausend Menschen auf der Straße beansprucht meine Dienstleistung, obwohl der Taxigott es mit Nieselregen um 0 Uhr eigentlich gut meint mit uns Fahrern.

Doch was erblicken meine Augen: Ein Winker! Warschauer Ecke Stralauer! Was für eine Überraschung! Wenigstens irgendwas läuft noch normal in dieser Nacht…

Ich halte und ein junger Mann lehnt sich ins Auto und meint:

„Tut mir leid, ich hätte nur eine Nachfrage…“

Hmm… nicht wirklich das, was ich erhofft hatte. Er wollte wissen, wie er zu einer Straße direkt ums Eck kommt, und ob er da völlig falsch sei. Ich hab ihm den Weg natürlich kurz erklärt – jetzt stand ich eh schon da.

Und dann zückt er sein Portemonnaie und gibt mir 70 Cent

„für den Aufenthalt“.

Würden das alle so halten, dann wäre mein Einkommen signifikant höher. In einer guten Wochenendschicht würde ich 50 € alleine für Wegansagen vom Ostbahnhof zum Maria einnehmen 😉

Modern Stalking oder: Point of View

Der gestrige Abend war etwas seltsam. Ich war wie immer in letzter Zeit pünktlich in der Stadt unterwegs, was zuerst bedeutet hat, dass ich eine Stunde lang am Ostbahnhof vergammelt bin. Als ich gerade kurz davor war, meinen ersten Fahrgast aufzunehmen, hat mein Handy geklingelt. Wie passend! 🙁

War aber alles in allem in Ordnung, da mich ein Kollege in Internet- wie Firmen-Dingen auf einen schnellen Becher Kaffee zum Cahoona-Coffee-Drive-In in der Leipziger Str. eingeladen hat. Die Kaffee-Preise für Taxifahrer sind erträglich, und ich hatte da eine echt nette Zeit und nette Gespräche (Wahnsinnige. Alles Wahnsinnige. Aber das macht es ja gerade sympathisch.) – sollte das Beste an der Schicht werden…

Da ist mir das erste Mal dieser komische mit Werbung vollgepflasterte Mini aufgefallen, der da scheinbar unbenutzt im Eck gestanden ist.

Ziemlich spät bin ich dann zum Zwecke der Geldbeschaffung wieder gen Ostbahnhof gegurkt. Irgendwie ist mir dieser komische Mini gefolgt. Der seltsam anmutende Fahrer hat sich sogar an der selben Tanke Kippen gekauft wie ich. Obwohl ich das erste Mal an der Tanke war und nicht an meiner Stammtanke gegenüber. Komische Sache!

Am Ostbahnhof angekommen stelle ich fest, dass der Fahrer mir schon wieder gefolgt war und sein Auto ebenso stoppte. Wohl um irgendwas zu Essen zu holen. Wahrscheinlich wäre mir das nicht aufgefallen – aber dank der Werbung…

Prompt trat eine Kundin an mich heran und überraschte mich beim Rauchen einer Kippe. Ich war reichlich abgelenkt wegen dieses komischen Wagens und hab sie erst einmal völlig übersehen. War aber eine gute Tour – bis zum bayrischen Platz – mehr konnte ich mir nach 5 Minuten rumstehen auch wirklich nicht erhoffen. Die 16,40 €-Tour sollte bis weit nach Mitternacht meine Einnahmen-Statistik dominieren…

Als ich an der Yorckstr. so in den Rückspiegel schaue: Un-glaub-lich. Da fährt, ihr ahnt es sicher schon: Dieser komische Mini. Mit dem selben kuriosen Fahrer wie zuvor! Ein bisschen Paranoia geschoben hab ich ja schon. Insbesondere als er dann auch noch am Bayrischen Platz stoppte. Da bin ich dann ausgestiegen und hab ihn zur Rede gestellt. Irgendwie war das ja nicht mehr normal.

Hier ist mal ein Foto von der Kiste:

Und er stalkt mich... all Night long, Quelle: Sash

Und er stalkt mich... all Night long, Quelle: Sash

Tja, und was war wohl? Eigentlich nix besonderes. Über Sinn und Unsinn sowie Wahrheitsgehalt dieser Geschichte könnt ihr etwas mehr erfahren, wenn ihr euch neben diesem Gelaber hier auch noch den Artikel bei Jo anschaut…

🙂

Spaß muss sein und wie ich gestern zu Jo gesagt habe: Soll nochmal einer behaupten, dass Bloggen keine Arbeit ist!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Zielgruppen-Fail

Berlin 2010. Der Winter war dieses Jahr hart und entbehrungsreich. Zusätzlich zu den üblichen Winter-Depressiven sind in diesem Jahr auch noch gelegentlich Personen verstorben, weil sie die unerbittlich zwei Monate überdauernde Eisdecke über der Stadt nicht sicher zu überqueren wussten. Die Polizei wird bis in den Sommer hinein noch damit beschäftigt sein, die Überreste von Rentnern aus einsamen Wohnungen zu bergen, die verhungert sind, weil sie sich bei minus fünfzehn Grad nicht mehr vor die Türe getraut haben.

Die Nacht ist einsam, es ist niemand auf der Straße. Dabei nähert sich der Kalender unaufhaltsam dem Frühlingsanfang. Die Temperaturen sind längst wieder für ein paar Stunden täglich im Plus-Bereich, nur die Nacht ist noch kalt und mörderisch. In den einsamen Friedrichshainer Abendstunden wirkt die Welt noch wie schockgefrostet. Keine Fußgänger weit und breit, und von den wenigen Zügen, die den harten Winter trotz der Sparmaßnahmen der Bahn überlebt haben, taucht keiner im Osten der Hauptstadt auf.

Das Fernsehen lehrt uns, dass in so einer Situation gerne lose Dornenbüsche durch die Prärie kugeln, aber die wenigen Dornenbüsche in Berlin sind entweder tot oder vom Resteis noch zu schwer zum Kugeln. Ein paar Taxifahrer halten am leblos wirkenden Beton-Gerippe des Bahnhofes ihre Wacht wie die Aasgeier. Stets mit wachem Blick, die Zigarette lose im erschlafften Mundwinkel hängend, verfolgen sie die Reste des Zivilisationsmülls, der in solch schweren Stunden die Dornenbüsche ersetzt.

Im Wissen, jegliche Bewegung würde die Stille jäh zerreissen, schweigt die Welt sich aus und nur in irgendeinem fahl beleuchteten Büro sitzt ein einsamer Praktikant in der Duden-Redaktion und ändert als vermeintlich letzter Überlebender den Eintrag zu „Apokalypse“ in die Vergangenheitsform um.

Als sich gerade eine Wolke vor den blass anmutenden Mond schiebt, gleitet eine Schiebetür des Ostbahnhofs auf, als sei es das selbstverständlichste der Welt. An diesem Märzabend um 22 Uhr. Durch selbige schleift sich alsbald ein etwas kleinwüchsiger aber nicht schlecht gebauter Mensch südländischer Herkunft. Der lange schwarze Mantel umweht ihn mystisch, es bleibt ihm nichts als ihn mit den nackten Händen an sich zu pressen, um nicht den letzten Funken Körperwärme zu verlieren.

Die Taxifahrer schrecken aus ihrer Lethargie hoch. Manch einer murmelt sein Mantra: „Komm zu mir, komm zu mir…“ Weniger actionorientierte Exemplare setzen ihren sorgsam vor dem Spiegel geübten Bruce-Willis-Blick auf und konzentrieren sich ganz auf die Ablehnung einer zu kurzen Fahrt.

Ganz hinten in der Schlange realisiert Sash, dass er offensichtlich zu viele Thriller liest, weil er erschrocken ist, dass die unheimliche Gestalt sich ihm unverdrossen nähert. Sie blickt sich um, scheint Angst zu haben. Was? Was wird dieser traurige Haufen Mensch mir wohl antun wollen, fragt Sash sich.

Die Antwort ist grausam.

Das Dunkel der Nacht legt sich für einen Moment tiefer über das Auto von Sash, als der Fremde die gespenstisch anmutende und tote Fassade des Bahnhofs mit seinem Schatten schluckt. Die Augen kommen näher, sie sehen sich panisch um. Was wird das? Waffen? Was kann man noch tun? Die Nacht würde jeden Schrei verschlucken und der eisige Wind keine Spuren hinterlassen, wenn nun jemand sterben würde. Der Fremde öffnet langsam den Mund, blickt Sash an und sagt:

„Ey, ‚absch hier neue Sonnenbrille! Will’sch du kaufen?“

Nee, sorry!