Gut gegeben!

Sash: „Na, in Österreich liegt jetzt ja sicher noch mehr Schnee als hier.“

Fahrgast: „Äh ja, aber wir räumen den…“

Ey, der kam so furztrocken und erstklassig rüber, das lässt sich kaum beschreiben – und ist zudem eine optimale Ergänzung zu meinem Winter-Eintrag.

Ungeliebte Rekorde

„Du bist auch so’n kleiner Statist…“

meinte ein Kollege zu mir. Also genau genommen bin ich weder klein noch Statist, aber da er das Klein als Verniedlichungsform verwendet hat und mit Statist Statistiker meinte, muss ich ihm wohl zustimmen. Tabellenkalkulationsprogramme sind der Teil von Office-Software, der ganz augenscheinlich für mich entwickelt wurde. Abgesehen von Textverarbeitung natürlich 😉

Das hat mich zwar nicht daran gehindert, selbst die Grundfunktionen in Excel bis zu meinem 25. Lebensjahr nie zu verwenden, aber man lernt ja bekanntlich besser spät als nie.

Das Taxifahren ist insofern auch eine prima Arbeit, als sie es erlaubt, jede Menge Statistiken aufzustellen. In Grundzügen fast notgedrungen, denn ein kleiner Überblick über die eigenen Einkünfte ist spätestens bei der Abrechnung im Chefbüro von Vorteil.

Meine Tabellen sind mit der Zeit immer komplexer geworden, was im Großen und Ganzen dazu führt, dass ich täglich ein paar Eckdaten meiner Schicht eingebe, um im Anschluss einen ganzen Haufen Statistiken zu bekommen, die mich in aller Regel dazu bringen, mir komplexe Ziele zu setzen, die ich nicht einhalte, um im weiteren Verlauf noch komplexere Ziele zu formulieren.

Im Endeffekt läuft es darauf raus, dass ich am Monatsende so viel Geld wie möglich einfahre und zudem 3 Stunden mehr an meinem PC verbracht habe. Wenn man es nüchtern betrachtet ein relativ bekloppter Zeitvertreib. Aber was mache ich mir Gedanken? Andere Leute sammeln Puppen…

Gut, wenn ein Monat mal gut läuft kann ich natürlich Kollegen neidisch machen. Ich könnte über den Januar zum Beispiel sagen, dass ich 1,76 € Trinkgeld pro Arbeitsstunde hatte. Oder 17,26 € Umsatz. Oder noch besser: Meine durchschnittliche Schicht hat mir 143,62 € gebracht. Und wenn ich dann noch verheimliche, dass ich im Gegenzug gar nicht viel gearbeitet habe, und mein Lohn deswegen immer noch in dem Bereich liegt, den man gemeinhin niedrig nennt, dann könnte ich mich am Neid laben und so tun als wäre ich irgendwie besonders toll. Aber dazu verwende ich meine Statistiken eigentlich nur ausnahmsweise mal 😉

Stattdessen bin ich gestern mal meine Aufzeichnungen durchgegangen, um einen neuen Rekord zu verifizieren – was leider geklappt hat. Ich habe am Montag im Trinkgeldbereich gleich zwei Negativrekorde gebrochen:

0,58 € pro Tour ist derart miserabel, dass es fast weh tut und

5 Touren in Folge mit 0,00 € Trinkgeld sind auch ein absolutes Novum.

Immerhin waren es alles junge Touris auf dem Weg von Clubs nach Hause, und somit ist das eher auf die Gepflogenheit im Heimatland, aufs Alter oder den Grad der geistigen Umnachtung zurückzuführen und nicht auf irgendwelche miesen Fahrten mit beleidigter Kundschaft.

Christies

Ich kann nicht mehr bewerten, ob der junge Kerl wirklich schon blau angelaufen war. Das liegt zum einen daran, dass er tatsächlich blau war, als auch ein himmelblaues T-Shirt trug.

Ja, dies ist keine Geschichte aus dem Sommer! Der Kerl fragte mich tatsächlich am Ostbahnhof in einem himmelblauen T-Shirt bei 5 Grad unter Null, ob ich das Christies Hostel kenne. Wie zu erwarten friert er fürchterlich und sieht mich flehend an. Christies? Nie gehört! Ich frage bei einem Kollegen nach, der aber auch passen muss. Also befrage ich mein schlaues Buch. Nichts. Puh, das ist schlecht…

Ich frage ihn, ob er irgendeinen Anhaltspunkt hätte, wo das Hotel ist. Die ganze Konversation muss man sich übrigens auf Englisch mit einem echt derben Dialekt inkl. Lallen vorstellen. Also recht schwierig. Nach 3 Minuten weiss ich immerhin, dass man das Hostel mit einem wie auch immer gearteten Zug vom Alex aus erreicht. Prima, dann fallen schon mal ca 2,5% der Berliner Adressen weg 🙁

Aber es geht auch genauer. Es war nicht allzu weit und das Hostel liegt, und das muss ich im Original widergeben, „at a Place called ‚Platz‘ „

Wir suchen also ein Hostel das nirgends verzeichnet ist an einem Platz, den man vom Alexanderplatz mit S-Bahn, U-Bahn oder Zug erreicht. Ich hab ihm versucht zu erklären, dass „Platz“ keine ernstliche Ortsangabe ist und ihm ein paar Plätze aufgezählt, die ganz grob in der Innenstadt liegen.

So wirklich zusagen wollte ihm keiner, aber er fragte mich, ob ich ihn zum Potsdamer Platz bringen könnte. Klar kann ich, aber was passiert, wenn das Hostel da nicht ist?

Er meinte, er würde es sicher wiedererkennen und überhaupt und sowieso. Ihm war kalt. Also hab ich mich mit einem mehr als schlechten Gefühl und einem durchgefrorenen Australier auf den Weg zum Potsdamer Platz gemacht. Ich hab versucht, ihm zu erklären, wie es am Potsdamer Platz aussieht, aber es wurde immer klarer, dass das nicht richtig ist. Wer keine Hochhäuser gesehen hat, wohnt auch nicht am Potsdamer Platz…

Ich hab ihn permanent bitten müssen, langsam und deutlich zu sprechen, weil ich sonst nichts, aber auch gar nichts verstanden habe. Irgendwann sprach er dann vom „Christl’s Hostel“ und vom „Christ Hostel“ Da hab ich ihm dann nochmal etwas schärfer klargemacht, dass ich schon genau wissen müsste, wie das Hostel heisst. Und plötzlich glaubte ich ein „St. Christoph“ zu hören…

„St. Christoph? Do you mean St. Christopher’s Hostel?“

„Uh, yeah! St. Christopher’s!“

„Ok, no Problem, I’ll bring you there…“

Also hab ich mal spontan auf der Leipziger Str. gewendet (hab ich schon mal geschrieben, dass ich gerne nachts arbeite?) und bin zum Alex hochgegurkt. Das St. Christopher’s ist mir nun durch die ganzen Matrix-Gäste mehr als bekannt, und von der Beschreibung her passt es auch: Eine U-Bahn-Station vom Alex entfernt am Rosa-Luxemburg-Platz. Ich möchte übrigens anmerken, dass ich ihm den Platz in weiser Vorausahnung auch genannt hatte.

So viel Freude wie zu dem Punkt, als ich gegenüber des Hostels hielt und fragte:

„Is it that one?“

kann man sich kaum vorstellen. Und er hat die 11,40 € ganz artig mit 17 € bezahlt und ist in sein hoffentlich warmes Bett entfleucht. Glücklicherweise! Denn was hätte ich mit einem Australier in einem himmelblauen T-Shirt bei Minusgraden anfangen sollen?

Schlüsselkinder

Dass die Samstagsschicht verdammt gut war, habe ich in den letzten beiden Einträgen bereits geschrieben und sogar Zahlen genannt. Nur unzureichend beschreibt es allerdings den Dusel der letzten Stunde der Schicht. Ich habe hochzufrieden nach dem Einfahren von rund 250 € beschlossen, ich nehme noch eine kurze Tour mit, um dann vielleicht über dem Silvesterumsatz zu liegen. Es war 6.30 Uhr, eine halbe Stunde lang hatte ich das Auto offiziell noch und ich habe es gerade gewaschen und getankt.

Am Ostbahnhof stieg mir dann nach wenigen Minuten tatsächlich eine Frau zu. Der Anfang war vielversprechend:

„Ist leider nicht wirklich weit…“

Na also, so wünsche ich mir das.

„Nach Köpenick in den…“

Nicht weit? Ich merke hier gerne noch mal an, dass die durchschnittliche Tour in Berlin zwischen 11 und 12 € bringt, und damit runde 5 km lang ist. Köpenick bedeutet runde 25 €…

Ich hab kurz überlegen müssen. Klar, alle Kollegen hätten sich gefreut, wenn ich ihnen die Tour geschenkt hätte, aber ich finde es eigentlich nicht nett, Kunden weiterzureichen, weil es einem nicht passt. Zudem hallte mir im Kopf, dass mein Tagfahrer mal gesagt hat, er fange Sonntags sowieso frühestens 8.30 Uhr an. Und naja… es war zwar kalt, aber er kommt  mit dem Auto zur Übergabe. Will heissen: Wenn er 10 Minuten warten muss, dann wird er mich deswegen auch nicht hassen. Also auf nach Köpenick!

Die Fahrt war unspektakulär und geprägt durch das Redebedürfnis meines Fahrgastes. Sie kam aus dem Skiurlaub und hatte einige nette Anekdoten zu erzählen, wie beispielsweise die, dass sie sich mal „versehentlich“ bei einem Mountainbike-Extreme-Race angemeldet hat, und das dann auch durchgezogen hat, weil sie „nun eh schon da war“. Ist jetzt aber eine stark vereinfachte Version…

Naja, schließlich machte ich mich wieder auf den Rückweg und hoffte, das Auto so gegen 7.20 Uhr abstellen zu können. An der langen Brücke dann: Winker. Ich hab mit mir gerungen, aber immerhin war die Fahrtrichtung stadteinwärts, also wie schlimm sollte es kommen?

„Nach Altglienicke, bzw. Schönefeld…“

OK, ich werde mich meinem Ziel also eher spiralförmig annähern. Zwei Partygänger auf dem Heimweg, beide eigentlich recht nüchtern. Das könnte allerdings auch daran gelegen haben, dass sie bereits seit mindestens einer halben Stunde zu Fuß unterwegs waren und auf ein vorbeifahrendes Taxi gehofft haben. Auch diese Fahrt verlief ganz reibungslos und toll, allerdings kam die Wende ca. 200 Meter vor dem Ziel:

„Wie, du hast deinen Schlüssel nicht dabei?“

„Ja nee, im Ernst…“

Also durfte ich wenden, und die beiden wieder nach Köpenick fahren. Nix war es mit Spirale. Ich komme wohl einfach nicht mehr an. Schließlich wollten sie danach wieder nach Altglienicke…

Bemerkenswert übrigens folgendes Dialog-Kleinod:

„Och, das war jetzt aber auch wieder… ne, Häschen?“

„Wie, warum bin ich denn jetzt…?“

„Ey, na klar bist du Häschen!“

Unterwegs haben sie dann beschlossen, dass Häschen die Dame bereits wieder fahrtüchtig ist, und meine Dienste nur bis zu ihrem Auto (wo der Schlüssel sich so oder so befand) benötigt werden. Sonderlich wehgetan hat das auch nicht, obwohl ich mich natürlich gefreut hätte, die 300 € Umsatz zu knacken. Um die Fahrtüchtigkeit schien es ja auch nicht so schlecht bestellt zu sein, sodass ich nicht interveniert habe – was sowieso immer nach Geschäftemacherei aussieht.

Und wie bereits geschrieben habe ich dann nach 12 Stunden mit 297 € das Auto um 8 Uhr abgestellt. Mein Tagfahrer war noch nicht mal da, es gibt also nichts, was ich zu bereuen hätte 🙂