Halbherzig

Was man alles bemängeln kann…

„Haben jetzt alle Taxen so rote Aufkleber mit den Tarifen drauf?“

„Nein. Aber da es Pflicht ist, die Tarife zur Einsicht mitzuführen, haben sich einige Unternehmer – so auch mein Chef – für…“

„Für diese halbherzige Lösung entschieden!“

Die Dame monierte, „da hinten links“ an der Scheibe würde das ja keiner lesen, da man sich für gewöhnlich rechts ins Taxi setzt. Ich hab den Aufkleber nun selbst angebracht, und eigentlich nur deshalb dort, weil der alte da schon hing. Aber gut, bin ich also auch ein dreister unterbewusster Abzocker…

So unverschämt ich die Ansage auch fand – es hat sich wenigstens ein bisschen als Missverständnis herausgestellt, da sie – um es kurz zu machen – keine Ahnung hatte. Sie ging davon aus, dass die Preise vom Stand aus einsehbar sein müssten, und unter diesem Gesichtspunkt wäre die Wahl des Platzes natürlich eher schlecht. Gewissermaßen versöhnt mit der „halbherzigen“ Lösung war sie dann, als sie von mir erfuhr, dass viele Kollegen die Tarife ausschließlich im Handschuhfach mitführen, und keinen Kurzüberblick im Fahrgastraum bieten.

Aber immer erst mal feste druff!

SuDie die Zweite…

Kollege Torsten von taxi-blog.de hat heute ein auch bei mir schändlichst unter den Tisch gekehrtes Thema angesprochen: Das Siezen, bzw. Duzen im Taxi.

Wie redet man sich im Taxi an?

Klar ist das kein Thema, das irgendwelche Patentrezepte kennt. Aber es steht nicht nur manchen Kunden die Frage ins Gesicht geschrieben, ob sie mich duzen oder siezen sollen – nein, auch ich tue mich bisweilen schwer bei diesem Thema.

Ich für mich selbst bin da anspruchslos, aber ich bin in einem Alter, in dem es noch ein Kompliment sein kann, gesiezt zu werden, ebenso aber schon eines sein kann, mich zu duzen.

Ich bin stets höflich, nicht nur bei der Arbeit, und ab einem gewissen Alter ist es klar, dass ich Menschen sieze. Ich stimme Torsten bei seinem Abschlusssatz zu: Respekt lässt sich nicht an einer Höflichkeitsform festmachen, was ja auch ein nicht unbekannter Ex-Aussenminister mit seinem zum geflügelten Wort gewordenen „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“ eindrucksvoll bewiesen hat.

Aber ich bin ja auch Nachtfahrer. Viele meiner Kunden sind jünger als ich, und in meiner und den nachfolgenden Generationen wird das Siezen offensichtlich immer unwichtiger. Das ist im Übrigen kein Wehklagen über die deutsche Sprache, sondern eher ein mit anerkennender Bewunderung geschriebener Satz, da mich die Wandlungsfähigkeit von Sprache weit mehr fasziniert als gewisse Worte an sich.

Wie also verhält es sich bei mir:

Die typischen Abend-Kunden vom Bahnhof sieze ich ohne Ausnahme eigentlich. Gelegentlich sind Leute in meinem Alter dabei, die während der Fahrt automatisch ins „Du“ verfallen, oftmals mit der Anmerkung:

Ähm, ist jetzt schon ok, wenn ich Du sag, oder?“

Je später die Nacht, desto Du.

Natürlich achte auch ich darauf, nur Leute zu Duzen, die von sich aus offen auf mich zugehen. Bisweilen tut ein wenig Distanz ja auch ganz gut, und nicht zuletzt wirkt sie auch professionell, was den ein oder anderen auch mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt.

Aber es kommt schon vor, dass ich mir nicht ganz sicher bin, ob ein Du angemessen ist – etwa weil das Alter an der Grenze liegt und das Gespräch eher stockend ins Rollen kommt.  Solche Zweifelsfälle sind selten und in den meisten Fällen bleibe ich dann beim Sie, weil man damit bei Leuten über 20 zumindest mal keine beleidigte Reaktion hervorruft.

Also: Ich werde öfter geduzt als ich es selbst tue, sehe darin aber kein Problem. Auch Höflichkeit gehört zur Dienstleistung, und es liegt mir fern, mir Gedanken darüber zu machen, ob es jetzt respektlos von einem Fahrgast war, dass er mich geduzt hat, obwohl ich beim Sie geblieben bin. Ich merk auch an anderen Dingen, ob mich mein Gegenüber respektiert, und oftmals ist dieses Duzen auch geradezu „lieb“ gemeint. Gutes Beispiel dafür sind alte Opas, die mir was übers Taxifahren zu DDR-Zeiten erzählen und dabei zwangsläufig immer auf ein „Das kannst Du ja nicht mehr wissen…“ zurückfallen.

Bei Kollegen fällt es mir irgendwie aber schwerer. Klar, die die ich kenne und die aus meiner Firma duze ich. Da wär ich schnell verschrieen, wenn es anders wäre. Aber als „Neuer“ und „Junger“ fällt es mir bisweilen schwer, auf 60-Jährige zuzugehen und sie zu Duzen. Aber auch da gewöhnt man sich ja so seine Tricks an…

Und als Kunde habe ich bisher jeden Taxifahrer gesiezt. Zumindest zu Beginn. Wenn man sich dann aber über den Umsatz der Schicht unterhält, kommt man doch auch schnell aufs Du 🙂

Zu guter Letzt: Auch wenn ich grundsätzlich keinen besonderen Wert auf Höflichkeit in Form der Ansprache lege: Die Antworten auf „Du, machste mal 10 pauschal?“ und „Entschuldigen Sie, ich hab nur noch 10 €…“ fallen bei meiner Wenigkeit eigentlich immer unterschiedlich aus…

War jetzt etwas durcheinander und unklar? Stimmt. Aber so ist es eben…

Kunden gibt es…

Bei manchen Menschen blickt man einfach nicht durch. Hab ich also einen Winker eingesammelt, dessen Fahrtziel genau entgegen der Fahrtrichtung lag. Aber er wollte rechts fahren, und wenn die Kunden einen Umweg wünschen…

Aber das war nicht das eigentlich kuriose. Solche Fehlentscheidungen treffe ich auch manchmal persönlich. Zumal es sich in Grenzen gehalten hat. Das Problem war, dass er versuchte, mit mir zu kommunizieren. Er schien halbwegs nüchtern zu sein, und dennoch stellte es ein gewisses Problem dar, denn er sprach sehr leise, nuschelte und wahrscheinlich hat er sich Teile seiner Sätze auch nur gedacht. Dazwischen neigte er zu Selbstgesprächen, wobei der Übergang fließend war.

Da kam es dann schon mal vor, dass bei mir ein „Satz“ wie folgender ankam:

„Dkannsa vorn rechs ammwannsch hassa w mmm glaub s de is da de hmm?“

Ich bin ja nun die Arbeit mit schwer körperlich Behinderten gewohnt und da gibt es solche Fälle durchaus auch. Aber anstrengend ist sowas auf jeden Fall. Und zumindest Routenvorschläge sind ja eine feine Sache – wenn man sie versteht.

Irgendwann ist er dann – als ob ich mir nicht blöd genug dabei vorkam – auch noch dazu übergegangen, meine leider nicht seltenen „Wie bitte?“ zu kommentieren und mir zu erzählen, wieviel Geld er jetzt hätte, wenn er für jedes „Wie bitte?“ einen Euro bekäme.

Da ist mir die Sache ein wenig unheimlich geworden, denn es ist in der Regel kein gutes Zeichen, wenn die Kunden im Taxi zu sinnieren anfangen, was sie finanziell vom Fahrer zu erwarten haben. Zumal er bei den „Wie bitte?“ penetrant wurde. Wenn ich zur Situationsentschärfung andere Konstruktionen verwendet habe, hat er diebisch gegrinst und mit gestammelten Sätzen weiter auf’s nächste zugearbeitet.

Binnen weniger Minuten ist mir diese Konversation ziemlich auf den Keks gegangen, obwohl ich noch nicht einmal wusste, was er eigentlich von mir will. Denn irgendwie verständlicher zu sprechen, ist ihm erst am Schluss eingefallen, als er die letzten Anweisungen zur Zielanfahrt gab. Aber selbst diese waren unterbrochen von kurzen Selbstgesprächen, die nicht zu verstehen waren.

Puh! Ich wollte den Kerl unbedingt loswerden, und ich hab innerlich beschlossen, dass es mir egal sein sollte, wenn er zwei Euro zu wenig in der Tasche haben sollte. Bis ich die Begründung dazu verstanden hätte, wäre ich eh schon drei Kunden weiter…

Aber es kam ganz anders:

Am Ziel angekommen stand die Uhr auf 11,60 € und er gab mir einen Zwanziger mit der Bitte:

„Gannsa mm gisse fümf srück se waa de gee…“

Ums kurz zu machen: Er gab mir 3,40 € Trinkgeld, und ich hab keine Ahnung, ob er mir zum Abschluss eine gute Nacht gewünscht hat, oder aus den Top 500 der besten Illona-Christen-Sprüche rezitiert hat. Der hatte schlicht Glück, dass er nicht auf einem Dampfer nach Südamerika gelandet ist. Das wäre auch drin gewesen…

Spandau?

„Nein, tut mir leid! Wir befinden uns in Friedrichshain, und das ist ganz schön weit entfernt von Spandau, wenn man sich vor Augen führt, dass es sich um eine innerstädtische Strecke handelt. Wenn man die Sache auf Deutschland bezieht, liegen sie natürlich schon um einiges näher, wobei ich nicht ausschließen möchte, dass irgendein Stadtteil einer anderen Stadt auch Spandau heisst. zum Abschluss kann ich ihnen nur anbieten, sie nach Spandau zu fahren – falls es in ihrem Interesse ist, dorthin zu gelangen. Aber seien sie sich bewusst, dass dies ein Taxi ist, und sie für diese Dienstleistung Geld bezahlen müssen. Genau genommen irgendwas zwischen 22 und 30 €.“

Ich habe mir wirklich schon oft überlegt, fragenden Kunden diesen Monolog an den Kopf zu werfen. Da ich aber – das ist die Crux erfolgsbasierter Bezahlung – um meinen Umsatz fürchte, antworte ich in solchen Fällen meistens mit:

„Klar!“

Ich kann selbst nach einem Dreivierteljahr nur schwer abschätzen, was meine Kunden mit seltsamen Kollegen so alles erlebt haben, aber es müssen schlimme Dinge sein, wenn sie sich bei selbstverständlichen Strecken (d.h. zu Orten, die im Pflichtfahrgebiet liegen) erkundigen, ob ich sie dort hinbringen würde.

Das ist wieder so eine Kleinigkeit wie die Frage „Sind sie frei?“ am Taxistand. Auf den ersten Blick normal, aber wenn man darüber nachdenkt, ist es ein unglaublich bescheuerter Beginn einer geschäftlichen Beziehung. Würde man in eine Bäckerei gehen und fragen:

„Brot?“

Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen, aber es lässt sich nicht abstreiten, dass beide Fragen etwa den selben Sinngehalt haben.

Es ist sicher zu großem Teil ein Versäumnis der Gewerbevertretungen, aber man kann doch konstatieren, dass die Kunden beim Taxifahren nicht wirklich eine Vorstellung haben, wie dieses Gewerbe funktioniert. Jeder dritte Kunde schätzungsweise erfährt durch mich irgendwelche essentiellen Details des Gewerbes. Die einen erfahren, dass es nichts bringt, neben einem leeren Stand die Taxirufsäule anzurufen, wenn kein Taxi da ist; andere lernen was über die Grenzen des Pflichtfahrgebietes und dessen Bedeutung und wieder andere lassen sich über den Tarif oder die Bezahlung von uns Fahrern informieren.

Das ist für mich ein sehr erfüllender, aber gleichzeitig anstrengender Teil meiner Arbeit.

Wenn ich mich schon mit etwas auskenne, dann gebe ich mein Wissen gerne weiter. Aber dafür, dass Taxifahren eine wirklich weit verbreitete Dienstleistung ist, habe ich bisweilen das Gefühl, die Kunden wissen in der Regel wirklich zu wenig darüber. Im Übrigen – wie sicher auch bei anderen Dienstleistungen – oft zu ihrem Nachteil.

Ich bin nun zwar gewissermaßen „Insider“, aber ich denke, dass Txifahren an sich keine sonderlich mystische Geschichte ist. Als Gelegenheitsnutzer von Taxen sollte man doch irgendwie ein paar Rahmenkenntnisse haben. Natürlich muss man nichts über die Geschäftsmodelle und Vergütungen, oder gar über technische Details wissen. Aber die Menschen – und ich gehe jetzt mal nicht von den ganzen Touris aus – wissen oft weder was ein Taxameter zählt, noch rudimentär was sie als Kunden für Rechte – oder Pflichten! – haben.

Ich leiste diese Aufklärungsarbeit wirklich gerne – aber kann es sein, dass da auch von höherer Stelle mal was getan werden sollte?

Kollege mit Humor

„Es ist gar nicht so leicht, hier um die Uhrzeit ein Taxi zu bekommen, oder?“

Hmm. Naja. Es sind über 7000 Taxen in Berlin zugelassen und am Wochenende machen nur die wenigsten frei. Es ist abends gegen 22 Uhr, was keine ungewöhnliche Zeit ist. OK, Marzahn ist jetzt vielleicht nicht gerade die Taxi-Hochburg, aber nach einer Odyssee mit der Straßenbahn zu zwei verschiedenen Taxiständen sollte es eigentlich drin sein. Naja, wenn halt keiner kommt…

„Gerade sind sogar zwei andere Taxifahrer vorbeigefahren.“

Hm, ob die leer waren?

„Die hatten beide das Licht brennen…“

Jetzt wird es seltsam…

„Der eine hat sogar zurückgewunken!“

Irgendwie hab ich an der Stelle aufpassen müssen, dass ich nicht laut lache. Man muss dazu sagen, dass der Fahrgast an einer großen Kreuzung stand, sich da aber hervorragend bemerkbar gemacht hat. Er hat sogar irgendwas leuchtendes – ich hab gar nicht mehr drauf geachtet, was es war – hin und her geschwungen.

Und ich stell mir jetzt diesen in Slow Motion durchs Gehirn kreisenden „What the Fuck?“-Gedanken vor, der unter Garantie existent war, als der Kollege – warum auch immer – statt ranzufahren einfach zurückgewunken hat. Das ist genau die Art flacher Gag, die ich gerne hin und wieder in Filmen sehe 🙂

Taxifahren ist teuer…

Gute Schicht gehabt, Auto getankt und gewaschen – noch eine Abschlusstour und dann auf dem kürzesten Wege heim… da winkt es gegenüber, ich bin gerade mal bis zur Andreasstr. gekommen. Na gut. Prima!

Fahrgast: „Hallo, guten Morgen. Jetzt muss ich aber erstmal fragen: Ich hab nicht so viel Geld dabei, und deswegen… Wieweit würde ich denn mit 36 € kommen?“
Sash: „Äh, wo wollen sie denn hin?“
Fahrgast: „Eigentlich müsste ich zur Charité…“
Sash: „Also mit 36 € kommen wir auf jeden Fall zur Charité und wieder hierher… und dann wahrscheinlich nochmal zur Charité.“

Taxifahren ist zwar nach wie vor teuer – aber so arg dann doch nicht…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Der schlimmste Beruf der Welt

„Nenn uns den schlimmsten Beruf der Welt!“

Das war der Einstieg in das Gespräch mit den Kunden. Ich wusste zuerst gar nicht worauf sie hinauswollten, aber eigentlich waren sie nur wild darauf, mir zu erzählen, dass sie Versicherungsvertreter sind. Mir wollten sie nicht wirklich ernsthaft eine aufschwatzen, so dass sich einer der tollsten Kurzdialoge der letzten Wochen entwickelt hat:

Sash: „Dann muss ich aber mal nachfragen: Sind die Vorurteile gerechtfertigt?“
Fahrgast 1: „Nee!“
Fahrgast 2: „Ja!“
Fahrgast 1: „Hey!“

Eigentlich waren sie ganz ok 😉