Im Taxi gelten ja irgendwie ganz andere Gesetze als in der Straßenbahn. Es ist eher ein bisschen wie im Internet: Die meisten Fahrgäste sind locker drauf und plaudern gerne aus dem Nähkästchen. Viele erzählen doch recht intime Details von sich, und das ungeachtet dessen, dass da ein völlig unbeteiligter Fremder (Ich) mit im Wagen sitzt. Bisweilen erzählen sie mir ihre Geschichten ja auch direkt.
Ich denke, ich habe oft genug gesagt, dass ich das gut finde. Ich mag die Atmosphäre in meinem Auto, und je nach Fahrgast erzähle ich auch desöfteren mal einen Schwank aus meinem Alltag. Das ist letztlich einer der besten Gründe, diesen Job zu machen: Kommunikation!
Bisweilen macht man allerdings auch weniger schöne Erfahrungen. Man hat fertige Leute im Auto, die einen in doch etwas zu private Entscheidungen einzubinden versuchen, oder auch Leute, die manche Meinungen besser für sich behalten sollten, wenn sie ihre Gesundheit nicht vorschnell einbüßen wollen. Manchmal gibt es allerdings auch so richtig miese Fremdscham-Fahrten. Da unterhalten sich die Fahrgäste untereinander, und man hat als Fahrer entweder die Sorge, wahrscheinlich ersticken die Protagonisten, weil sie offensichtlich zu blöd zum atmen sind, oder sie fallen durch Verhaltensweisen auf, bei dem Kindergartenkinder irgendwann schon gelernt haben, dass man so nicht zu Erfolg kommt. Das ist dann meistens in Beziehungen oder beim Anbahnen einer solchen der Fall.
Und so etwas hatte ich neulich:
Ein Pärchen hat mich herangewunken, sie haben ein recht weit (also so 8 – 10 km) entferntes Ziel genannt und ich bin mal lustig drauf losgefahren. Die beiden waren mit sich selbst beschäftigt, viel mit Konversation zwischen uns war also nicht. Das kommt ja auch oft vor und ist zur Abwechslung auch mal entspannend.
Nun unterhielten sie sich erst über den zurückliegenden Abend, die Geschäftspartner etc. Recht bald merkte man dann allerdings, dass zwischen den beiden nicht wirklich alles in Ordnung war, und im Subtext ständig Angriffe erfolgten. Irgendwann kam dann der Moment, in dem sich folgender Dialog (der ist nur ein Beispiel von mehreren) entspann:
Er: „Ja, des ist halt blöd, wenn der eine die ganze Arbeit macht und die andere sitzt nur zu Hause…“
Ich hab mir in dem Moment gedacht: Das hast du nicht wirklich gesagt, oder? Bist du komplett bescheuert?
Sie: „Wie bitte? Könntest du das wiederholen?“
Das ganze lief in oberflächlich ruhigem Ton, aber gepaart mit latenter Aggressivität, ab. Ich dachte mir dann: Hey, bei so einer Nachfrage kommt jetzt eine beschwichtigende Antwort, bevor es hier noch knallt…
Er: „Ich sagte, dass es blöd ist. Ich mache die ganze Arbeit und du sitzt nur zu Hause.“
Du bist bekloppt. Noch 6 Kilometer, und du sorgst hier für Feuerwerk. Na klasse! So, wer möchte gleich aussteigen?
Sie: „Ja, und pflege meine Wunden…“
Wow! Kein Ausraster? Verdient wäre es gewesen. Puh, Glück gehabt!
Er: „Und was ist mit meinen Wunden? Die heilen von alleine, oder wie?“
Sag mal, kannst du mal die Schnauze halten?
Und so ging das – immer kurz vor Vulkanausbruch in vermeintlich beschaulicher Manier – 20 Minuten lang. Bei jedem zweiten Satz hab ich mir auf die Lippen gebissen und mir gedacht, dass das nicht gut gehen kann – zumal ich mit der Zeit ja dann auch über diverse Probleme informiert war, um die es ging… glaubt mir, das war eine wirklich anstrengende Tour.
Ich sollte wirklich diese Scheißegal-Haltung trainieren. Zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. Das könnte echt Stress vermeiden. Aber gut, war ja alles friedlich…
Wenn man Taxigepräche unter die Rubrik Kommunikation einordnen kann, finde ich das völlig in Ordnung. Will damit sagen, wenn mich jemand anspricht und meine Meinung hören oder die seinige bestätigt haben will, ist das eine gegenseitige Sache. Vielleicht fahre ich ja gerade einen Menschen, dem sonst niemand zuhört und er sich einfach auch mal unterhalten möchte.
Was ich aber gar nicht abkann, sind Gespräche mehrerer Personen untereinander, die so tun, als gäbe es mich gar nicht. Hey, hier sitzt ein Mensch, der zwei Ohren hat und, in den meisten Fällen, ein Gehirn dazwischen besitzt.
Obwohl, manchmal kommen dann sogar witzige Sachen dabei raus. Siehe meine Rubrik „Mitgehört“.
Nee, mal im Ernst. Ich empfinde es manchmal als Missachtung meiner Person. Nach dem Motto – Ist ja nur ein Taxifahrer.
@Klaus:
Also das finde ich nicht so schlimm. OK, vielleicht bei der vierten Fahrt nacheinander…
Ich denke, dass die Kunden ja durchaus die Möglichkeit haben sollten, sich miteinander zu unterhalten – ohne vielleicht meinen Senf zum Thema zu hören.
Ich finde es eben ein bisschen dämlich, wenn sie glauben, ich nehme das nicht wahr.
@Sash
Natürlich sollen sich Kunden bei mir im Auto miteinander unterhalten können… Ich meine aber, dass es da eine Grenze gibt. Wenn diese Menschen ausführlich ihre intimsten Erlebnisse, ihren Beziehungsstress, sogar irgendwelche Informationen die man normalerweise unter Datenschutz stellen würde, im Taxi verbreiten und wohl denken, der Typ da am Steuer ist entweder taub oder blöde, finde ich das äusserst seltsam.
Aber so habe ich wenigstens was zu bloggen.
Mann, Mann, Mann, da musste doch richtig mitreden, dein Meinung sagen, Tipps geben, was meinste was da ein Trouble aufkommen würde.
Gut, lange würde die Gesundheit vielleicht nicht anhalten,aber man lebt doch nur einmal… 😉
Genau, Klaus! Ohne solche Gespräche würde uns doch einiges an Material zum Bloggen fehlen. Manchmal bedaure ich, dass man nicht immer den wirklichen Namen schreiben darf. So wie bei der Fahrt an meinem letzten Arbeitstag (hurra, Urlaub!), als ich einen sehr bekannten Journalisten gefahren habe und mir ein Gespräch mit einigen judenfeindlichen Sprüchen anhören musste. Am Schluss habe ich ihn mit „Shalom“ verabschiedet.
@Klaus:
Ich denke auch: Verfremden, bloggen, freu!
Und wenn es mal wirklich nervig wird: Man merkt es mir von dem, was ich schreibe, nicht an – auch im Umgang mit dem Kunden nicht – aber diese „Is mir jetzt auch egal, in 10 Minuten bin ich dich los und wahrscheinlich sehe ich dich nie wieder“-Haltung hab ich für solche Fälle auch immer griffbereit.
@Altenheimblogger:
Naja, ich bin immer noch Dienstleister… und das nehme ich durchaus ernst.
@Aro:
Erstmal alles Gute für den Urlaub!
Ansonsten: Puh, ich glaube nicht, dass ich in dem von dir geschilderten Fall die Klappe halten würde… aber klar isses auch juristisch gefährliches Gebiet.
Naja, ohne Zeugen hat man ansonsten im Nachhinein schlechte Karten. Und wenn ich das öffentlich machen würde, kann ich 100%ig sicher sein, dass darauf eine Anzeige folgt. Die Popokarte hab dann ich, weil ich es ja nicht beweisen kann und die beiden zusammengehörten und kaum gegeneinander aussagen würden. Deshalb habe ich während der Fahrt auch das Radio lauter gemacht, weils einfach widerlich war.
@Aro
Bist Du wieder an der Axel-Springer-Halte gestanden?
Ich suche gerade Deinen Beitrag „hurra, Urlaub!“??
Aber „Shalom“ beim Aussteigen und dann gleich losfahren, das hat doch was!
Ich verstehe ehrlich gesagt das Problem nicht. Du weißt doch nicht, wie es zu Hause bei den beiden läuft. Und ohne weitere Informationen kann man nun mal davon ausgehen, dass der Kerl sich abrackert und die Frau vielleicht den lieben langen Tag mit Soap Operas und Teleshopping beschäftigt ist, das weiß man ja, vor allem als Leser, nicht.
Und bloß die Schnauze halten für die Aussicht auf Sex an dem Abend ist dann irgendwann auch zu blöd.
@Aro:
Verstehe ich ja, aber wurmen würde es mich, wenn ich sowas wüsste und nichts sagen könnte…
@Klaus:
Hey, Aro sprach von „Journalisten“…
@Matthias:
Verstehe deinen Einwand grundsätzlich, aber – hihi! – ich weiss ja schon noch mehr…
Wird der Dialog in deinen Augen vielleicht interessanter, wenn ich jetzt in den Raum werfe, dass es darum ging, dass der Kerl die letzten 2 Monate eine Affäre hatte? 😉
Mit dem Geschäftspartner am vorherigen Abend? :O
@Matthias:
DAS wäre vielleicht das Beste gewesen…