Simply the Best (8)

Hier noch einmal Sashs eigene Rekorde beim Taxifahren. Der / die Neue(n) sind fett gedruckt.

Geld:

  • Höchster Umsatz pro Schicht: 240,30 €
  • Höchster Umsatz pro Tour (ohne Trinkgeld): 55,00 €
  • Höchstes Trinkgeld pro Tour: 31,10 €
  • Originellstes Trinkgeld: 4,90 € + 2 Flaschen Prosecco
  • Höchstes Trinkgeld pro Schicht: 45,50 €
  • Höchste Einnahmen pro Tour (inkl. Trinkgeld): 65,00 €

Touren:

  • Die meisten Touren pro Schicht: 24

Strecke:

  • Die längste Strecke pro Schicht: 262,3 km
  • Die kürzeste Strecke pro Tour: ca. 300 m
  • Die längste Strecke pro Tour: ca. 52,0 km

Zeit:

  • Die längste Schicht (Pausen nicht eingerechnet): 11:45 Std.
  • Die längste Standzeit: 2:15 Std.
  • Die längste Wartezeit mit laufender Uhr (eine Tour): 0:25 Stunden

DIE Tour heute Nacht…

Die Schicht ist soweit ganz normal verlaufen. Ein bisschen mies zwar, weil Montag, dafür mit guten Trinkgeldern. Um 4 Uhr stand ich bei fast exakt 100 €, und 13 Trinkgeld lagen auch schon bereit. So gegen 5 Uhr wollte ich Feierabend machen. Ich stand vor dem Matrix.

Mein Kunde ist schon einige Zeit vor Fahrtantritt mehr oder minder negativ aufgefallen. Er war ziemlich heftig alkoholisiert, und das äußerte sich nicht nur im Schwanken, sondern auch dadurch, dass er z.B. ständig seine Jacke fallen ließ, und nicht zuletzt dadurch, dass er – offenbar mit seiner Freundin telefonierend – ins Handy schrie, dass er das Handy verloren hätte. Naja. Es gab viele Momente, in denen es aussah, als ginge der Kelch an mir vorrüber, aber nach kurzer Abwesenheit seinerseits war er plötzlich wieder da, etwas nüchterner, und befähigt, die Autotür ohne Beschädigung oder Inanspruchnahme fremder Hilfe zu öffnen.

Er telefonierte ohne Unterlass, ließ sich nur zu einem kurzen

„Stresemannstr. xy“

herab und turtelte und stritt munter weiter. Es war schon einmal beruhigend, dass er seiner Freundin versicherte, er habe genug Geld dabei. Irgendwann war das Telefonat beendet, es waren noch runde anderthalb Kilometer bis zum Ziel, da steckt er mir von hinten einen Fünfer zu und meint, ich solle das nehmen, er steige hier aus. Ich habe abgelehnt, weil

a) ich die Finanzen nicht während des Fahrens klären will

b) wir eh bald da waren

c) das Taxameter bereits 9,00 € anzeigte.

Ich hab ihm gesagt, dass die Fahrt insgesamt so um die 10 bis 11 € kosten würde, und wir dass dann am Ziel klären könnten. Er bestätigte, dass das eine gute Idee ist, und begann, sein Geld zu zählen. Am Ziel angelangt hat er natürlich festgestellt, dass er doch 3 € zu wenig hat. Seine Idee war naheliegend:#

„Ich ruf meine Freundin an.“

Was dann folgte, war etwas absurd. Vor seiner Freundin druckste er etwas herum, was etwa so klang:

„Schaatz, du komm mal runter. Weil die mich nicht gehen lassen wollen. Weil das… das ist wegen, weil ich das nicht zahlen kann!“

Wie auch immer: Freundin weigerte sich, blieb also nur noch eines:

„Dann heben wir was ab!“

Es folgte eine Art Diskussion darüber, wo die nächste Bank wäre, und so weiter. Er versprach mir ständig, zu zahlen, und ich wies ihn darauf hin, dass das Ding (Taxameter) natürlich weiterlaufen würde, wenn wir zur Bank fahren. Inzwischen haben wir immerhin schon 5 Minuten gewartet, ohne dass ich es wieder eingeschaltet hatte. Daraufhin ist er erstmal sauer geworden und hat gemeint:

„Mit so einem Scheiß fang ich gar nicht an. Hier! Dann mit Karte!“

Ich habe ihn kurz und deutlich darüber aufgeklärt, dass ich keinen Kartenleser an Bord habe, wir also wohl oder übel eine Bank suchen müssten. Erstaunlicherweise fand er die Idee dann plötzlich auch wieder total toll. Wo denn jetzt eine Bank sei? Keine Ahnung! Lösung:

„Ich ruf meine Freundin an!“

Dann sagte er mir, ich solle zur Möckernbrücke fahren, zur Post, da wäre die Postbank. OK, ich kann es noch als „meinen Fehler“ abtun, dass ich nicht wusste, wo an der Brücke die Post ist. Einmal über die Brücke gefahren, nach gelben Schildern und so gesucht… nix.

„Ich ruf meine Freundin an!“

Im Verlauf des folgenden Gesprächs durfte ich dann sogar mit der Freundin selbst sprechen, die mir den – vielleicht peinlich unnötigen Tipp „Hochhaus“ gab, an dem das Logo der Postbank (ein paar Meter über Sichthöhe) prangt. Ist ok, ich fahre rüber.

Auf dem Weg meinte mein neuer Lieblingskunde dann:

„Des ist jetzt schon ziemlich arschlochmäßig!“

„Von mir???“

„Ja. Aber macht nix. Von mir auch…“

Aha. Na gut. Die direkte Einfahrt zur Bank habe ich verpasst, ich hab also etwa 50 Meter vom Eingang entfernt parken müssen und wartete darauf, dass er ausstieg. Tat er aber nicht. Er wollte heimgebracht werden. Geld hätte er auch genug. Also habe ich ihm erstmal erklärt, wie wir eigentlich in die derzeitige Situation gekommen sind. Er hat das dann auch verstanden, wollte aber nicht wirklich zur Bank. Also:

„Ich ruf meine Freundin an!“

Die hat jetzt natürlich die Welt gar nicht mehr verstanden, weil er nur sagte, dass er vorbeikommt etc. Er hat sie wieder an mich weitergereicht, und so durfte ich der guten Frau erklären, dass es eigentlich gar kein Problem gibt. Ihr Freund ist einfach nur voll und weiss nicht mehr, was er in der Bank machen soll.

„Der will mich verarschen!“

entfuhr es ihr, aber ich versicherte, dass er einfach nur zu betrunken ist. Dann kam von hinten:

„Ich hab meine Karte nicht dabei!“

„Du hast deine Karte – du hast sie mir vorher zum Bezahlen geben wollen!“

„Hier in diesem Auto?“

„Hier in diesem Auto!“

Also entbrannte auch noch eine Suche nach der Karte – eine vermutlich schwer an vergangenen Entscheidungen zweifelnde Freundin am Telefon inklusive. Immerhin lief das Taxameter dieses Mal weiter. Aber die Karte wurde gefunden, er hatte sich einfach mal spontan draufgesetzt. Und dann torkelte er zur Bank. Natürlich nicht, ohne mir vorher sein gesamtes Hab und Gut als Pfand auszuhändigen. Nicht, dass ich glaubte, er würde mich verarschen wollen – aber ich sah die Möglichkeit als gegeben an, dass er in der Bank vergisst, dass ein Taxi draussen wartet.

Nach ein paar Minuten kam er dann angerannt, und ich dachte mir bei einem Blick aufs Taxameter, er hat hoffentlich nicht nur 10 € geholt, sonst reicht die Kohle wieder nicht…

„Und? Geld bekommen?“

„Ja, zuviel!“

OK, Treffer. Mit der Antwort konnte selbst er noch überraschen. Beim Rückweg bemängelte er noch kurz, ich hätte auch anders fahren können (entgegen einer Einbahnstr. also), aber das war nicht aggressiv. Dann meinte er kurz vor dem Ziel:

„Ich geb dir das jetzt schonmal, ok!?“

Er drückte mir 50 € in die Hand und meinte:

„Das reicht, oder?“

„Ja. Mehr noch!“

„Ich hab dir was richtig krasses gegeben, oder?“

„Ja, allerdings!“

„50 € – des ist gut, oder?“

„Ja…“

„Stopp, ich steig hier aus! Passt doch, oder? 50 € sind gut, oder?“

„Ja…“

32,10 € Trinkgeld bei einer einzigen Tour. Ich habe innerlich schwer mit mir ringen müssen – aber obwohl ich ihm nicht gerade böse bin wegen der ganzen Geschichte: DEN Anschiss von seiner Freundin, warum er nach der Tour auch noch einem Taxifahrer 30 € schenkt – DEN muss er jetzt eben aushalten!

Die erste Schicht – aber nicht meine…

An meinem Lieblingsstandplatz, dem Ostbahnhof, treffe ich oft einen Kollegen, mit dem ich mich ganz gerne unterhalte. Er ist ein paar Jährchen älter als ich, aber immerhin nicht so viele wie ich Kilogramm schwerer bin. Irgendwie sind wir neulich auf die erste Schicht zu sprechen gekommen, und da hat er mir von seiner ersten Fahrt erzählt. Das wollte ich hier mal wiedergeben, weil es echt eine nette Story ist.

Er stand da, irgendwo in Schöneberg. Ein Fahrgast kam, stieg ein und nannte sein Ziel. Die Straße kannte mein Kollege nicht, was aber nicht schlimm war, da der Kunde sagte, er lotse ihn gerne.

„Das is kein Problem! Hier rum, und dann erstmal immer geradeaus…“

Soweit alles ganz nett. Der Kollege fuhr also los – nervös schätze ich mal – und fuhr, und fuhr, und fuhr. Runde zehn Kilometer. Irgendwann hat er sich dann mal an seinen Fahrgast wenden wollen, und der… schlief seelenruhig. Natürlich waren sie inzwischen am Arsch der Welt, zumindest wenn man es aus Sicht des Fahrgastes sieht. Der aber hat ganz pflichtbewusst die ganze Fahrt gezahlt. Naja, bis zu dem Moment wenigstens. Ab da hat der Kollege – verständlicherweise – das Taxameter ausgestellt…

Taxifahrer contra Steuerfahndung

Der Taxiblogger, ein Kollege bezüglich Beruf, Stadt und Internettätigkeit, hat etwas auch für mich sehr interessantes gemeldet: Der Senat will im Berliner Taxigewerbe härter durchgreifen, und Schwarzarbeit massiver bekämpfen. Er verlinkt diesen Artikel der Berliner Morgenpost, dessen Inhalt auch mir noch nicht bekannt war.

Deswegen also muss ich wieder Schichtzettel ausfüllen…

Das mit den Schichtzetteln ist nämlich so herrlich absurd. Mein Taxi ist mit einem echt cleveren System ausgestattet. Das Taxameter speichert allerlei wichtige Daten, und beim Abmelden an selbigem – was ich nach jeder Schicht tun muss – wird das alles auf einem Chip gespeichert, den ich am Schlüsselbund mit mir herumtrage: Umsätze, Zuschläge, Kilometer, Besetztkilometer, Tourenanzahl – und wahrscheinlich auch noch Uhrzeiten. Das spart jede Menge Papier, da ich meinem Chef nur noch den Chip in die Hand drücken muss, er das am PC einliest, und ich dann löhne, was das Gerät ausspuckt. Zudem ist es digital und übersichtlich gespeichert, bereit zum Ausdruck für die ganze Unternehmensabrechnung. Prima! Seit neulich darf ich aber exakt diese Zahlen vom Taxameter auf einen Vordruck übertragen, und den dann abgeben. Zusätzlich! Mehrwert: Meine Unterschrift. Die allerdings könnte ich auch unter einen monatlichen Ausdruck setzen… aber gut, ist ja egal!

Ich finde das Vorgehen des Senats dennoch gut. Punkt.

Ich bin kein großer Freund des Staates, wie er im Augenblick existiert, aber das ist in diesem Fall auch irrelevant. Die Steuer-Millionen sind mir eigentlich egal. Das Problem sind meiner Ansicht nach die Nachteile für Kunden und Fahrer. Schwarzarbeit wird immer dort geleistet, wo Geld gespart werden soll. Mir ist bewusst, dass das fast allerorten nötig ist, aber gerade im Niedriglohnsektor büßt man doch einiges an Sicherheit und damit letzten Endes doch wieder Geld ein, wenn man schwarz arbeitet. Ich meine: Natürlich würde ich gerne meinen Lohn brutto=netto nach Hause tragen. Wer will das nicht? Aber wie ist das bei meinen Kollegen, die entsprechende Arbeit leisten: Habt ihr auch bezahlten Urlaub? Kriegt ihr Krankengeld?

Meine Chefs machen ihren Job seit mehr als zwei Jahrzehnten. Ich kann natürlich nicht dafür bürgen, dass sie jeden Cent hundertprozentig korrekt verbuchen, aber alles in allem scheint es in dem Laden doch mit rechten Dingen zuzugehen. Was heißt: Es lässt sich mit Taxifahren, bzw. mit dem Betrieb eines Unternehmens in dieser Sparte, genug Geld zum Leben verdienen.

Wer es nötig hat, bei seinen Fahrern die Sicherheit schleifen zu lassen, dem werden die Kunden wohl auch entsprechend egal sein. Und ob das Taxameter nun 10 Cent mehr pro Kilometer abrechnet… wer merkt das, wenn er nicht ständig dieselbe Strecke fährt? Was kann man schon unternehmen, wenn das Auto nahezu schrottreif ist, aber dennoch eine TÜV-Plakette hat? Und weist mal einem Fahrer nach, dass er zu krank zum Arbeiten ist…

Es ist wirklich ein Gewerbe, in dem man an allen Ecken und Enden betrügen und auch (vielleicht legal, aber mit zweifelhaftem Nutzen) sparen kann. Wenn wenigstens ersteres eingedämmt werden würde, wäre das schon schön.

Warum ich das gut finde: Zum einen aus Überzeugung. In dem Fall kann ich aber auch nicht bestreiten, dass die Vorteile für mich natürlich enorm sind. Sollte die Aktion von Erfolg gekrönt sein, dann werden etliche Taxen von den Straßen Berlins verschwinden, weil die Unternehmer ihr Geschäftsmodell nicht weiter lohnend betreiben können. Das bedeutet für den Rest natürlich im Schnitt mehr Kunden, und damit mehr Geld. So auch für mich. Die Qualität der Taxen würde zunehmen, was vielleicht für weniger Grundfrustration bei manchen Kunden führen würde. Aber das ist vielleicht ein bisschen zu viel erwartet.

Ich bin mal gespannt, wie sich die Lage in Berlin entwickeln wird.

PS: Etwas geschmunzelt habe ich über einen Satz in dem Artikel:

„Um zugleich seriös und wirtschaftlich arbeiten zu können, ohne die Versorgungslage für die Kunden zu gefährden, müsse die Auslastung im Schnitt bei gut zwei Fahrgästen pro Taxi und Stunde liegen. Derzeit brächten es die Berliner Taxis aber nur auf 1,1 Kunden pro Stunde.“

Im Februar kam ich auf 1,36 Kunden pro Stunde – und da ist die Zeit für Waschen des Wagens, Tanken und Papierkram bereits mit drin. Aber klar: 2 wären besser 🙂

Unschlagbare Unterstützung

Ich hab heute in Kreuzberg einen Typen aufgegabelt, der nur kurz über die Brücke zum Ostbahnhof wollte.

„Ist das ’ne Kurzstrecke?“

„Und ob das ’ne Kurzstrecke ist!“

Daraufhin tat er mir ohne Unterlass seine Sympathie kund, und es war schön zu hören, dass er auch nichts davon hält, immer nur auf’s Geld zu schielen. Ihn ärgerte, dass viele meiner Kollegen sich bei Kurzstrecken zieren, und ich musste zugeben, dass es natürlich das ein oder andere schwarze Schaf in der Branche gibt. Er wollte unbedingt meine Nummer haben, weil er meinte, ihm wäre das viel wert, wenn die Leute korrekt sind. Er wär da auch nicht so. Er gibt dann ja auch Trinkgeld – er unterstützt gerne ehrliche Menschen!

„Was kriegste denn dann?“

„Ja, Kurzstrecke eben… 3,50 €.“

„Machste… Dreisiebzich!“

„Dankeschön(?)“

OK, zur Erklärung: Ich weiss wirklich jedes Trinkgeld zu schätzen! Ob das jetzt 10 oder 20 Cent sind, oder auch mal über 10 €. Ist alles super und nicht zwingend selbstverständlich, da die meisten nach der Kohle schauen müssen. Und so war das Fragezeichen bei meiner Antwort auch nur leise gedacht. Es ist wirklich nicht so, dass ich ihm die 20 Cent übelnehmen würde – aber diese „Glaub mir, das lohnt sich für dich!“-Geschichten finde ich irgendwie peinlich. Ganz im Ernst: Ein Trinkgeld ist ein schöner Abschluss bei einer Fahrt für mich. Und obwohl ich gerade zu einem guten Teil davon lebe, ist es dennoch nicht mehr als eine Extra-Bestätigung. Aber ich finde es wesentlich angenehmer, wenn ein Kunde einfach kein Geld hat, kein Trinkgeld gibt und Ende – als wenn er erst rumposaunt, wie spendabel er ist, um dann zu versuchen, mit dem bisschen Trinkgeld noch den Negativrekord zu brechen.

Ich bin ehrlich: Natürlich habe ich gehofft, dass er auf 5 aufrundet. Auf 4 machen es 90%, und wenn er meinen Service schon besonders zu schätzen und zu honorieren weiß? Was erwarte ich wohl? Insofern war es dann doch ein bisschen enttäuschend.

Aber wisst ihr, warum ich mich dennoch für einen guten Taxifahrer halte?

Wenn er mich demnächst anrufen sollte, und mit mir fährt, dann werden meine Gedanken sich eher darum drehen, dass ich eine Fahrt mit einem netten und mir bekannten Kunden haben werde, nicht darum, dass dieser kaum Trinkgeld gibt…