Mittendrin statt nur dabei

Das ist ein Slogan, der aufs Taxifahren wesentlich eher zutrifft als aufs Sportfernsehen. So manches Mal ist man mitten drin in einer Party, einer Beziehungskrise oder einer spannenden Diskussion. Manchmal auch durchaus ungewollt.

Im Großen und Ganzen weiß ich zu schätzen, dass die Leute in der gefühlten Anonymität des Taxis mal eben alles loswerden, was sie bedrückt – oder weiterfeiern als wären wir noch im Club. Neulich hatte ich erst ein Gespräch mit einer Psychologin (Wofür Termine? Die fahren ja auch Taxi 😉 ) und die meinte, ich hätte ja den großen Vorteil, keine Schweigepflicht zu haben. Oh ja, was würde mir mein Blog fehlen, wenn es so etwas gäbe!

Aber alles ausplaudern kann ich auch nicht. Ich würde ja gerne erzählen, bei welchem Verein der Fußballer kickt, der hackevoll vom Matrix zur Bank gefahren werden wollte und erklärte:

„Ich verdien 500.000 € im Jahr. Ist mir doch egal, was die Fahrt kostet!“

Da gibt es natürlich Grenzen. Oder die Mitarbeiter einer großen Firma, die über einen Kollegen sagten, dass sie es nicht aushalten würden, wie dieser direkt gegenüber der Firma zu wohnen und auf den Schriftzug des Arbeitgebers zu blicken… das sind so Dinge, die ich in ihrer ganzen Pracht dann doch auch alleine genießen muss – alles andere wäre unfair!

Was ich aber kann – und darüber bin ich sehr froh! – ist, obwohl in einer Beziehung lebend, darüber reden, dass ich derletzt nach langer Zeit mal wieder einen Kuss als Dankeschön akzeptiert habe für eine Anfrage nach einer Adresse. Ist vielleicht ein bisschen viel Mittendrin, aber Spaß muss bekanntlich sein 😉

Abgefahrene Regelauslegung

Also ich kenne das ja: Man schnappt sich als Taxifahrer Kunden so schnell und einfach es nur geht. Und man überlässt sie ungern den Kollegen. So sehr man sich vielleicht bei Freunden mit ihnen freut, letztlich hätte man die Touren immer gerne selber, schließlich bedeutet jeder einzelne Kunde mehr ein höheres Einkommen.

Auf der anderen Seite hält man sich an die Regeln. Man klaut keine Touren und man überholt Kollegen nicht. Die Einhaltung der StVO in rudimentärer Form sollte ebenso als gegeben gelten. Insofern hat der Kollege neulich in Weissensee eigentlich alles richtig gemacht. Ein bisschen zum Staunen gebracht hat er mich allerdings schon.

Ich kam gerade, es war am Wochenende in den frühen Morgenstunden, die Rennbahnstr. vom Pasedagplatz in Richtung Berliner Allee angefahren. Am Straßenrand gegenüber steht ein Kollege, bei dem gerade Kunden das Fahrzeug verlassen. Viel dabei gedacht habe ich mir nicht. Als die Kunden ausgestiegen sind, hat er plötzlich wie blöde rückwärts beschleunigt.

Während ich mit 45 bis 50 gemütlich die Straße langgefahren bin, rast mir auf der Gegenfahrbahn der Kollege mit etwa 60 Sachen im Rückwärtsgang davon. Das ist irgendwie dann selbst für Berliner Verkehrsverhältnisse ein eigenartiges Bild. Zunächst blieb mir seine Motivation unklar, nach etwa 200 Metern oder so hab ich dann allerdings auch gesehen, dass am Straßenrand auf seiner Seite Kunden stehen, die er sich dann gekrallt hat.

Jetzt muss ich dazu aber schon sagen, dass es eine ziemlich abgedrehte Reaktion war. Klar, wahrscheinlich hat er den Kunden vorher schon zurückgewunken und sich innerlich schon ausgemalt, wohin sie wollen und wie viel Geld am Ende für ihn übrig bleibt. Ob man jetzt deswegen beweisen muss, dass man im Zweifelsfall für ein paar Euronen wie ein Bekloppter fährt, wage ich zu bezweifeln.

Und ich als direkte Konkurrenz muss in diesem Fall auch mal klarstellen, dass man gelegentlich einfach mal potenzielle Kunden sieht, die man dann leider nicht im Auto sitzen hat. Das ist ein normaler Vorgang, und schon aufgrund des Blutdruckes sollte man sich in dem Job irgendwann mal damit abfinden.

Wirklich lustig macht die Geschichte dann allerdings der letzte kleine Fakt – der dem Kollegen natürlich nicht bekannt war: Meine Zeit an dem Morgen war um. Ich musste schleunigst in den äußersten Süden des Bezirks und hatte mal sowas von Null Interesse an einer weiteren Tour Richtung Heinersdorf oder gar noch weiter weg…

Respekt…

…übrigens an den Fahrer oder die Fahrerin des Autos, das in der Heckscheibe folgende fröhliche Botschaft verkündet:

„SCHEIDUNG 2010“

Etwas übertrieben

Gehen wir mal davon aus, es gibt irgendwo im Norden Berlins – vielleicht auch schon jenseits der Stadtgrenze – eine Art Landstraße, bei der eine ärgerliche Baustelle das Tempo von 70 auf schleichende 50 km/h begrenzt.

Auf dieser Straße sind nun unterwegs: Vorneweg der Sash als Taxifahrer nach einer guten Tour mit leuchtender Dachfackel mit exakt 50 km/h. Dahinter der Fahrer eines weißen Kleinbusses, der etwas genervt von der Geschwindigkeitsbegrenzung relativ dicht auf Sash auffährt. Etwa 20 Meter dahinter reiht sich ein 40-Tonner ein, der die lustige Truppe auf ihrem Weg nach Berlin auf etwa 60 bis 70 Meter verlängert. Eine spaßige, in der Geschwindigkeit leicht begrenzte Polonaise gen Hauptstadt.

Es ist düstere Nacht, der Straßenverlauf ist nicht gerade besonders kurvig – aber durch den umgebenden Wald sind die vorhandenen Kurven nicht einzusehen.

Ist es da nicht vielleicht etwas übertrieben, wenn ein Kollege – ebenfalls leer – hinter dem LKW ausschert und ordentlich Stoff gibt, um die gesamte Truppe auf einmal zu überholen? So dass es gerade noch reicht vor der nächsten uneinsehbaren Kurve? Ganz davon abgesehen, dass der Sash als freies Taxi wenigstens des Ehrenkodex wegen nicht überholt werden sollte…

OK, das ist alles nicht übertrieben schlimm. Also ja, es ist ungeduldig, lebensmüde und unkollegial, aber soweit Alltag.

Stellt euch die Situation vor. Den fragenden Blick des LKW-Lenkers. Die Wut des Kleinbusfahrers, der gerne als erster überholt hätte. Meinen Unmut, weil ich bremsen musste, damit er vor der Kurve reinkommt – obwohl ich besseres zu tun hatte, als diesen Spinner auch noch vor mich zu lassen.

Na, Situation vor Augen?

Dann stellt euch jetzt mal – natürlich rein hypothetisch!!! – vor, dass auch der Sash kein Heiliger ist, und die Kolonne mit knapp über 70 km/h angeführt hat, selbst also rund 20 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit…

Ich bin ja kein Kind von Traurigkeit, und ich gerate nicht so schnell in Panik, auch wenn sich Leute bekloppt verhalten und es eine Reaktion von mir erfordert. Aber manchmal ist man auf der Straße echt von Vollidioten umgeben. Aber wahrscheinlich fahre ich einfach zu langsam. Ich bin neulich auch bei 55 km/h in der Mühlenstr. rechts über den Radweg überholt worden…

Zu langsam

Die Jungs, die ich vom Matrix ins Meiningers gefahren habe, waren ok. Wie so viele waren sie ein wenig besorgt, ob dieses unheimliche Taxameter nicht doch viel weiter zählt, als ich gesagt habe, aber als ich sie mit rund 11 € auf der Uhr entlassen habe, war alles in Ordnung.

An der nächsten Brücke hab ich schnell mal gewendet, um wieder gen Osten zurückzuschiessen. Das ist nach wie vor eher metaphorisch gemeint, denn als Führerscheinabhängiger bin ich in der Fortbewegungsgeschwindigkeit bisweilen gehandicapt. Die Begrenzung am Ufer liegt meist bei 50 km/h, was nicht gerade flott ist, wenn die Straße leer ist, aber besser als nichts.

Vor mir auf der rechten Spur kraucht ein BMW 6er entlang, mit höchstens 40 km/h. Ich benutze die rechte Spur unbesetzt fast ausschliesslich, da es um einiges stressfreier ist, kurz zu blinken und zu halten, wenn jemand winkt, als extra dafür noch die Spur zu wechseln und auf den Verkehr zweier Fahrstreifen Rücksicht nehmen zu müssen.

Nun kroch vor mir dieser Schleicher. Ich bin kein Anhänger der Theorie, man müsse immer und überall ein bisschen über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit liegen, ich nutze selber manchmal ein Tempo darunter. Meist zum Kundenfang, zugegeben. Aber es war nicht Ärger, der mich trieb, sondern Verwunderung.

Da hat jemand einen 6er-BMW. Nicht mal in Serienausstattung… nein! Getunt! Tiefergelegt, breite Kotflügel, ein klassischer Wagen um über unterdurchschnittlich große primäre Geschlechtsorgane hinwegzutäuschen. Statt schneller zu werden, fuhr er aber stetig langsamer. Ich habe meine Gedanken kreisen lassen, aber vom Schlachtfeld Verkehr ist mir aus nun 8 Jahren nichts bekannt, was nachts um 3 Uhr derartiges Verhalten auslöst.

Während ich also sinnierte, ob der Fahrer vielleicht volltrunken ist, und mit defensiver Fahrweise Copkontrollen verhindern will, bekomme ich des Rätsels Lösung auf dem Silbertablett serviert:

Eine für die Strecke unscheinbare Senkung war es, die der Fahrer übersehen hat, und mit einem lauten Schlag, einem kurzen Kreischen und einem Funkenregen in bester Show-Manier  setzte der Wagen unsanft auf und binnen Sekundenbruchteilen war es nicht nur der Spritverbrauch, der diesen nächtlichen Ausflug für den Fahrer teuer gemacht hat.

Ich übe mich ungern in Schadenfreude, aber irgendwie fand ich es nur zu bezeichnend, dass der Fahrer eines bewusst auf Schnelligkeit getrimmten teuren Wagens langsamer fahren muss, um ihn nicht kaputt zu machen.

Ich hab dann überholt. So ein Elend kann man sich ja nicht kilometerlang reinziehen 😀

Unfair

Ich weiss, dass es für manchen Kollegen unerträglich sein muss, dass ich mit 60 bis 65 auf der Landsberger Allee fahre. Schließlich sind ja 60 erlaubt, also bis zur Punktegrenze ist immer noch etwas Platz. Und außerdem: Wer blitzt denn Nachts? Man muss ja schließlich schnell in die Stadt zurück!

Das ist trotzdem kein Grund, mich mit gleichfalls angeschalteter Fackel mit etwa 80 bis 85 zu überholen!

Der flotte Kollege in seinem schicken 212er hat auch keine Anstalten gemacht, irgendwie vor meiner Front zu verschwinden, vielleicht abzubiegen oder so. Ich hab mich etwas genervt drangehängt und dank einer roten Ampel an der Rhinstr. hab ich ihn tatsächlich einholen können, ohne gleich irgendwie in den zweistelligen km/h-Bereich zu kommen. Ich bin auf der zweiten Spur links an ihm vorbei, und hatte vor, mich wenigstens demonstrativ vor ihn zu klemmen. Und was passiert?

Steigt dem an der Ampel tatsächlich ein Kunde ein! Ich war wirklich in der Laune, ihn einfach von der Straße zu schieben, das könnt ihr mir glauben. Der Kunde kann ja nix dafür, der darf sich auch an der Ampel aussuchen, in welches Taxi er steigt. Klar. Aber ob das nicht auch anders ausgegangen wäre, wenn ich da zuerst angekommen wäre? Wer weiss. Schon aus purer schlechter Laune werde ich auch die Konzessionsnummer nicht vergessen!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Sehenswürdigkeit

Irgendwie scheint es niemanden zu interessieren, dass auf meinem Auto nach wie vor „Ich tanke Banknoten-Konfetti“ steht. Mich selbst eingeschlossen. Kuriose Züge hat es jetzt allerdings angenommen. Bin ich, bzw. ist doch mein Taxi neulich von zwei Mädels fotografiert worden, die sich schief gelacht haben über den Aufdruck.

Ich hoffe mal, es war der Aufdruck…

Ich hätte ihnen ja gerne meine Karte durchs Fenster gereicht, damit sie sich nicht mit einem Handy-Foto begnügen müssen, aber ein weiterer gemeinsamer Ampel-Halt war uns nicht vergönnt. Naja, bin ich eben auch eine Sehenswürdigkeit 🙂