Manchmal muss man mich wieder erinnern, warum ich gerne in der Stadt fahre. Das hätten wir heute dann wieder einmal erledigt.
Ich mache selten Umlandabholungen, denn meistens ist das nicht so wirklich kilometerschnittförderlich. Dachte ich schon vor der Tour. Aber ich war am Bahnhof Ahrensfelde, also quasi direkt an der Stadtgrenze, gelandet. Und dann sagt der Funk, er hätte eine Fahrt von Blumberg nach Ahrensfelde anzubieten. Ich hab mal eingewilligt, auch wenn ich das zwischenzeitlich noch sehr bereuen sollte.
Die Entfernung betrug glatte sechs Kilometer, da ist man mit nur einer bezahlten Strecke beim Schnitt gut bedient.
Dann sagte mir das Navi, dass ich das vergessen könne, da wäre eine Sperrung. Womit es 20 Kilometer Anfahrt wären. Nun weiß ich, dass man Navis da trauen sollte, aber bei so einem grotesken Umweg schien es mir den Versuch wert zu sein, mal hinzufahren und zu gucken, ob die da die Bundesstraße nachts um ein Uhr WIRKLICH komplett gesperrt haben, oder ob man da nicht mal eben unbemerkt vorbeifahren kann. Hybris? Vielleicht. Aber erfahrungsuntermauert. Außerdem gab es kurz vor der Sperrung eine weitere Umfahrungsmöglichkeit, die „nur“ nochmal zwei Kilometer länger gewesen wäre. Also 22 insgesamt, das war den Versuch ehrlich wert.
Leider hatte ich meinen Versuch gestartet, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was die da draußen nachts anstellen, wenn sie der Großstadt entflohen sind. Ich landete nämlich noch zwei Kilometer vor der bekannten Sperrung an einem Stauende, das nicht nur viel zu weit von der Sperrung entfernt lag, sondern auch noch vor einem Hügel, so dass man nicht sehen konnte, was dahinter den Stau verursachte. Ich zuckelte mich etliche Minuten langsam vor, aber dann stiegen die ersten anderen Fahrer aus, Leute versuchten, auf der engen Straße mit Sprintern zu wenden und hin und wieder kamen ganz kluge Autofahrer an, die meinten, dass ein Warnblinker es ihnen erlaube, die Gegenfahrbahn zu benutzen. Ich überlegte also hart, was ich tun sollte und währenddessen verstrich dann die Zeit, die die Zentrale für meine Ankunft festgelegt hatte. Bis ich zwischen den anderen Tollwütigen wenden konnte, verging also eine Weile und am Ende wollte ich die Fahrt abbrechen. Allerdings: Wenn das schon so ein Horror da auf den Straßen ist: Als ob jemand anders je diese Tour machen würde!
Also hab ich gewendet und mich auf den 20km-Umweg gemacht.
Unterwegs – immerhin erst nach 15 Kilometern – rief dann die Zentrale an und fragte vorwurfsvoll, was ich da bitte machen würde, die Kunden hätten schon nachgefragt. Ich hab mich kurz erklärt und das wurde den Kunden offenbar auch mitgeteilt, denn die empfingen mich an einer Stelle, von wo aus man den Arsch der Welt beeindruckend groß vor sich sehen konnte, ausgesprochen gut gelaunt. Natürlich kannten sie die eigentliche planmäßige Sperrung und versprachen mir, wir würden da schon durchkommen.
„Zeig’n wa dia! Fahr hier mal links!“
Es bräuchte nicht viel Übertreibung um zu sagen, dass links ein Gebüsch war. Wir waren ohnehin auf einem Feldweg, aber links ging es ab auf einen Feldweg, den das Navi nicht einmal als Fußweg kannte. Zu Recht. Nach zwei Regentagen ist der Weg vermutlich eine Schifffahrtsroute.
„Dit vagisste gleich wieda, ok?“
„…“
„Den Weg.“
„Sehr gerne. Ich wollte ohnehin gerade fragen, ob man hier legal mit dem Auto …“
„Nee. Wir fahr’n jetzt durch’n Park.“
Ach so.
Die Schlaglöcher/Bodenwellen waren selten tiefer als 20 Zentimeter, wir kamen also gut voran.
„Jaja, kannste versuchen, zu umkurven, bringt abba nix. Der Weg is nich top.“
Als wir dann wieder auf der Hauptstraße waren, folgte natürlich, was folgen musste: Die andere „Sperrung“ von vorhin gab es weiterhin. Es war nicht, wie ich vermutet hatte, ein Unfall, sondern eher Straßenbauarbeiten oder so.
„Kannste wenden?“
„Sicher.“
„Na mach mal, besser als stehen. Ick kenn’n Weg, aber der is übel. Is nich top!“
Nach den Erfahrungen von vor drei Minuten hab ich angefügt, dass mein Auto technisch aber wenigstens in der Lage sein sollte, ihn zu bewältigen. Das wurde mir versichert.
„Naja, jetzt hab ich schon akzeptiert, dass das eine Abenteuer-Tour wird. Inzwischen bin ich dabei, mich zu ärgern, dass wir hier kein Glatteis haben …“
„Immahin lernste jetzt noch wat.“
„Da haben Sie recht, aber ich vermute, dass davon allenfalls hängenbleibt, dass ich in den nächsten paar Stunden keinen Auftrag mehr in Blumberg annehmen werde.“
Ach, was hat er gelacht. Die folgende Route war so absurd wie die davor. Selbst der Superauskenner musste sich dreimal vergewissern, dass wir auf den richtigen Feldweg fahren und mir wurde abermals vermittelt, dass ich das bitte bitte alles vergessen solle, während die Bundespolizisten von ihren Hubschrauberlandeplätzen aus argwöhnisch mit Blicken das Taxi verfolgten, das da mit Fernlicht an ihrem Zaun langkurvte.
Am Ende hatten wir acht Euro mehr auf der Uhr, als der direkte Weg gekostet hätte. Also 11 statt 6 Kilometer. Das hat immer noch nicht gereicht, um einen guten Schnitt zu machen und das Trinkgeld blieb (wie leider während der ganzen Schicht) weit hinter den Erwartungen zurück. Aber ohne mich stünden die morgen noch dort und lustig war’s dann ja doch. 😀