Byebye …

Manchmal geht’s dann schneller als man denkt: Der Anruf meiner Chefs gestern war wirklich wichtig: Sie verkaufen die 72. Ende, Aus, Babela. Während ich gedanklich schon die 444.444 km angestrebt hab, hatten sie im Büro wohl andere Pläne. Aber ein neueres Auto ist natürlich kein Ärgernis. 🙂

Ob es insgesamt jetzt eine gute Neuerung für mich persönlich ist, weiß ich aber noch nicht. Der Vorteil der alten Möhre war halt auch, dass niemand sie als Stammfahrzeug haben wollte und ich sie mit nach Hause nehmen konnte während der drei Tage. Das wird künftig sicher schwierig. Vielleicht findet sich aber auch ein Tagfahrer, mit dem ich wieder fest zusammenarbeite. Könnte aber schwer werden, im Nordosten Berlins hat die Firma nicht viele unvergebene Leute. Eventuell wird das also alles wieder ein bisschen chaotischer bei mir – es könnte auch sein, dass ich meine Arbeitszeiten nochmal ändern muss. Also nicht auf Tagschicht – aber vielleicht kann ich keine halben Schichten mehr machen, ein festes Auto nur noch für drei Tage haben, sowas halt. Da werde ich unter Umständen noch ein bisschen mit Cheffe pokern müssen. Gestern bin ich auch zu Hause geblieben, weil kein Auto für eine halbe Schicht sinnvoll abholbar gewesen wäre.

Jetzt hab ich dann die 2925 für dieses Wochenende. Kein Schreibfehler – nicht die 1925! Aber auch ein B-Zafira, alles vermutlich so wie bekannt. Hab sie aber soweit ich weiß noch nie gefahren. Ist auch kein Jungspund mehr, mal sehen, über welche Marke ich die kriegen kann – so ich sie öfter fahren sollte. 🙂

Viel fahren jedenfalls sollte ich diesen Monat. Nicht nur, weil hier die Taxigeschichten ständig ausgehen, sondern auch weil’s mit dem Geld mal wieder (oder immer noch, ach wer weiß das schon?) nicht so rosig aussieht. Wer will darf gerne wieder seine Weihnachtsgeschenke über meinen Amazon-Link kaufen. Ein kostenloses Investment in besseren Schlaf für einen Taxifahrer … 😉

Aber wie gesagt: Viel Arbeit bedeutet auch viele Geschichten. Mein täglicher Gang zum Supermarkt zeigt mir: Die Irren sind nicht ausgestorben – und damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie bei mir im Taxi landen.

Petition für Lenk- und Ruhezeiten

Dank mehrerer Kommentatoren (Ihr wisst, wer ihr seid!) bin ich gestern auf eine Petition aufmerksam gemacht worden, die die Einführung von Lenk- und Ruhezeiten auch fürs Taxi- und Mietwagengewerbe fordert. Man findet sie hier. Sie fordert, dass auch wir Taxifahrer die selben Auflagen wie LKW- und Busfahrer erfüllen müssen, was unsere Arbeitszeiten angeht – was außer mit der Sicherheit auch mit der Ungleichbehandlung von Angestellten und Selbständigen, sowie der Vereinfachung der Durchsetzung des Mindestlohns begründet wird.

Nun, ist das eine gute Idee oder eine schlechte?

Objektiv würde ich sagen, ist es eine gute Idee. Ich hab allerdings als Taxifahrer auch meine Probleme damit.

Zunächst einmal ist klar, dass auch Taxifahrer nicht wirklich zuverlässig eine 16-Stunden-Schicht durchziehen können. Schon gar nicht, wenn es um so Spezialfälle wie Silvester geht, wo man auch tatsächlich die meiste Zeit fährt. Irgendwann wird man müde und unachtsam – und natürlich ist das ein Sicherheitsrisiko.

Darüber hinaus ist es natürlich wirklich unfair, dass Selbständige diese Schichten legal fahren dürfen, Angestellte jedoch früher heim müssen. Schließlich ist in einem Job mit umsatzbasierter Bezahlung die Möglichkeit, noch eine Stunde länger rausfahren zu können, bares Geld. Und auch ich kenne die Momente, wo man sich zwar vor 13 Stunden am Taxameter angemeldet hat, aber einfach noch fit ist. Sei es, weil man ewig Pause, viel Kaffee getrunken oder einfach einen guten Tag hatte. Es fühlt sich unfair an, dann „aufgeben“ zu müssen, obwohl man das mit gutem Gewissen freiwillig tut. Nicht vernachlässigen darf man dabei aber, dass es Chefs gibt, die das ausnutzen. Ich hab schon viele Fahrer getroffen, die sich mit ihrem Tagfahrer nicht nur ein Auto, sondern auch einen Schlüssel teilen – so dass sichergestellt ist, dass sie auch ja beide 12 Stunden arbeiten und sich dann ablösen.

Der letzte Punkt geht auf die Standzeiten und den Mindestlohn ein und ist meines Erachtens nach ein wenig wirr formuliert:

„Im Gegensatz zum LKW-Betrieb kommt es allerdings im Personenbeförderungsbetrieb immer wieder zu Standzeiten wenn auf Kunden gewartet wird. Dadurch wird die Lenkzeit unterbrochen. Trotzdem sollte die gesetzlichen Regelungen, die für LKW-Fahrer gelten, auch im Personenbeförderungsgewerbe angewendet werden. Denn auch das Warten auf Kundschaft gilt bei Angestellten als Arbeitszeit. Und da die Arbeitszeit auf regulär 8 Stunden (Ausnahmen nicht berücksichtigt) begrenzt ist, sollte auch die Lenkzeit bei Selbstständigen ebenfalls wie bei Angestellten begrenzt sein.“

– Auszug aus dem Petitionstext.

Es entstehen also Wartezeiten, die die Lenkzeit unterbrechen, nichtsdestotrotz sollte eine Gesamtarbeitszeit eingehalten werden …

Also geht es eigentlich nicht wirklich um Lenk-, sondern um Arbeitszeiten und damit eher um eine Gleichstellung von Selbständigen und Angestellten. Zusätzlich wird (hier nicht zitiert) erklärt, dass Fahrtenschreiber die Arbeitszeiterfassung vereinfachen.

Und da kommen wir an den Punkt, wo es etwas seltsam wird. Worum geht es jetzt? Dass jeder Taxifahrer nur noch 8 Stunden „auf der Straße“ sein darf – also arbeiten? Oder dass man nur noch 8 Stunden am Steuer sitzen darf? Es gibt sicher für beides Pro- und Contra-Argumente, aber gerade wegen der erwähnten – für LKW unüblichen – Standzeiten, sehe ich da eine wichtige Unterscheidung, die die Petition letztendlich aber nicht trifft. Denn unter Einbeziehung der Standzeiten ist das alles enorm an die Frage der Auslastung gekoppelt. Ich sage ja auch gerne mal:

„Wenn sich unsere Autos alle nach exakt 6 Stunden ausschalten würden, würden wir in den sechs Stunden etwa das gleiche verdienen, wie bisher in zwölf. Einfach weil sich die Zahl der Taxis verringert, die gleichzeitig auf der Straße sind.“

(Davon ausgehend, dass das nicht durch mehr Taxis ausgeglichen wird – wie es in den meisten Städten hierzulande aufgrund von Konzessionsbegrenzungen wäre. In Berlin allerdings nicht.)

Weswegen ich eine Gesamtarbeitszeit auf gleichem Level wie bei LKW-Fahrern schon ablehnen würde, ist, weil schon gezwungenermaßen zu Beginn und am Ende jeder Schicht so ein Leerlauf entstehen würde. So lange es zumindest mal regelmäßig vorkommt, dass man 45 Minuten auf eine Tour wartet, fehlt mir die mitunter am Anfang – spätestens aber am Ende, denn wenn eine Zeitüberschreitung Sanktionen nach sich ziehen würde, dann sollte man sich besser eine Stunde vor Schluss nirgends mehr anstellen oder einloggen, weil man damit eventuell übers Ziel hinausschießen könnte. Ich will hier gewiss nicht Werbung für längere Arbeitszeiten machen, aber wir können eine Stunde vor Schluss noch nicht sagen, wo wir sind, wir haben nicht schon den nächsten Kunden auf dem Navi und die Entfernung zum nächsten Abstellplatz. Und ich rede da wirklich nicht von Ausnahmen, sondern vom Regelfall. Ausnahmen mag es bei LKW-Fahrern auch zur Genüge geben, aber wenn ich mich klassischerweise eine Stunde vor dem geplanten Feierabend an den Ostbahnhof stelle, dann könnte ich 15 Minuten später in Marzahn vor meiner Haustüre, bereit zum Abstellen, stehen – oder aber erst nach 45 Minuten eine Fahrt nach Spandau kriegen, während der dann die Zeit verstreicht und ich noch 20 Kilometer Heimfahrt habe. Und ich glaube sogar, dass diese Freiheit, den Feierabend selbst zu bestimmen, interessante und positive Effekte hat. Auf Zeit-, aber auch Energieverbrauch z.B.

Wenn also eine weiterführende Regulierung, dann würde ich eher über ein Zweistufenmodell nachdenken. Dass 8 Stunden am Steuer das Maximum sind, aber z.B. 10 – 12 Stunden Gesamtarbeitszeit erst die Grenze darstellen. Die Wartezeit ist zwar zu Recht als Arbeitszeit einzustufen, weil wir am Auto sein müssen, sofort reagieren müssen. Trotzdem nutzen wir sie natürlich zur Entspannung und ich sehe keinen Grund, wieso eine Plauderei auf der Straße für einen Taxifahrer den gleichen Stellenwert haben sollte wie eine Stunde höchste Konzentration am Steuer bei einem LKW-Fahrer.

Deswegen werde ich diese Petition so nicht unterzeichnen.

Sie spricht ein wichtiges Thema an und sie ist so gesehen eine gute Idee, sich mal über eventuelle Regelungen Gedanken zu machen. Und die vorgeschlagenen Maßnahmen hätten zweifelsohne auch positive Effekte und würde an manchen Orten und in manchen Betrieben Verbesserungen bewirken. Ich kann leider nicht einschätzen, wie oft das der Fall wäre. Was ich hingegen sicher weiß, ist, dass sie gerade mich stören würden, weil ich den Job eben so mache, wie er mir passt und ich nicht den Hauch eines Drucks von meinen Chefs bekomme und mir meiner eigenen Verantwortung wohl bewusst bin.

Unerwartetes von Cheffe

Ich hatte eine Idee, die ich selten habe: Warum nicht vielleicht schon morgen statt erst am Donnerstag mit der Arbeit beginnen? Damit habe ich Christian gestern im Büro etwas überrascht. Natürlich wäre das vor allem toll gewesen, wenn ich das Auto gleich hätte mitnehmen können.

„Die 72 ist in der Werkstatt.“

„Oh Shit, was hat sie denn?“

„Ach, nix. Ich wollte nur, dass sie vorne wieder ordentlich aussieht.“

Also wird wohl derzeit sowohl die Zierleiste angebracht, es werden aber wohl auch – und das ist der größere Act – die Träger der Stoßstange nochmal zurechtgebogen, damit sie wieder gerade sitzt. Ich hätte auf beides verzichten können, aber schön ist es natürlich trotzdem.

Und dann hab ich unerwartet noch eine gute halbe Stunde bei Andreas im Büro verbracht. Wir haben es über alle möglichen Sachen gehabt, von Uber bis zu Sitzkontakten. Wie immer ein interessantes Plaudern, eher unter Kollegen als von Chef zu Angestelltem. Unter anderem ging es schon der Aktualität wegen um den Mindestlohn. Ist in der Branche ein großes Ding und immerhin haben schon Fahrer ihre Kündigung erhalten deswegen. Oder von sich aus den Arbeitgeber gewechselt.

Ich hab von Andreas (obwohl wir vorher das Wichtigste schon vorher geklärt hatten) dann einfach mal den noch nicht endgültig bestätigten neuen Arbeitsvertrag zugeschickt bekommen, der ja zwangsläufig bald kommen musste. Und auch wenn ich daraus jetzt nicht zitieren werde (das sind eben Firmen-Interna und ich bin nur Angestellter), kann ich doch nur einmal mehr sagen, dass ich weiß, warum ich für genau diese Firma arbeite. I like. Insbesondere mit dem inzwischen langjährigen Hintergrundwissen, wie die Vertragsdetails dann genau umgesetzt werden. Ich bin trotz geringer Zweifel immer noch positiv überrascht.

Ich komme als Taxifahrer – und das ist ganz ohne Zweifel eigentlich ein positiver Punkt des Jobs – nur selten wirklich in Kontakt mit meinen Chefs. Abr genau an diesem Punkt denke ich mir jedes Mal wieder, dass das eigentlich schade ist, weil sich meine Laune auch nach sechs Jahren immer noch nach jedem Besuch in der Firma bessert.

In unserem Gewerbe läuft eindeutig zu viel schief. Umso mehr ist es schön zu wissen, nicht Teil daran zu haben. 🙂

Flottenstützpunkte bei Nacht

In den nächsten paar Monaten werde ich (mit Ausnahme von Silvester vielleicht) wieder im Dunkeln Feierabend machen. Und zumindest vorübergehend einmal die Woche dabei das Auto an der Firma abstellen. Und wie siehts da so aus?

Dunkel und opelig:

Na, welcher ist die 72? ;) Quelle: Sash

Na, welches ist die 72? 😉 Quelle: Sash

Das Abstellen an der Firma ist ein wenig blöd wegen der langen Anfahrt, dafür muss ich’s derzeit nur einmal in der Woche machen und hab das Auto sonst vor der Türe. Ich hab also achtmal 15 Minuten Arbeitsweg durch zweimal 60 Minuten ersetzt. Das bleibt in der Summe gleich und ist eigentlich gar kein so schlechter Deal. Andererseits ist es komisch, dass das Auto jetzt auch für Springer genutzt wird – ich muss mir jedes Mal den Sitz aus vollkommen anderen Positionen zurechtnudeln. Obwohl’s mir gerade wirklich gefällt (auch ein längerer Arbeitsweg hat ja manchmal was entspannendes), wäre es doch eigentlich schön gewesen, die 72 noch mit Harald zusammen runterzurocken. 🙁

Preiskämpfe am Taxistand

Ein kleines Sorry an den Kollegen, dessen Fahrt ich vorhin übernommen habe, wäre wohl angebracht. Ja, ich hab die Tour vom Ostbahnhof nach Erkner für 45 € gemacht – aber ich find’s ok.

Ich hatte mich zusammen mit einem Kollegen aus meiner Firma noch darüber gewundert, was in dem Taxi vor mir wohl vorging. Die dort eingestiegene Kundin saß schon seit drei Minuten im Auto und selbiges ist nicht losgefahren.

„Ist vielleicht was komplizierteres …“,

meinte ich noch. Und dann stieg sie aus und kam zu mir. Ich hatte durchaus Sorge, dass es irgendein ernstes Problem gab, aber es war nur, dass der Kollege für die Fahrt 70 € haben wollte. Nun, nach außerhalb sind die Preise frei vereinbar und ich wusste, dass 45 € kein Problem wären. Zumindest für mich nicht. Ich weiß nämlich auch, dass einige Chefs da draußen wohl ziemlich streng auf den Schnitt schauen und zwei Euro pro Kilometer geradezu vorschreiben. Wie bei so vielen Dingen geht meine Firma uns Fahrern mit sowas nicht auf die Nerven. Natürlich kann ich nicht mal eben für einen Zwanni nach Hamburg gurken – aber so lange ich (mehr oder weniger) am Monatsende auf einen Euro pro Kilometer komme, fragt niemand nach, ob ich für eine Fahrt einen Fünfer „zu wenig“ genommen hab.

Ich hab die Fahrt also angetreten, meinen Umsatz für die Schicht damit komplettiert, mit einer netten und absolut unproblematischen Kundin eine halbe Stunde Zeit verbracht und am Ende einen Fünfer Trinkgeld einstecken dürfen. Ich bin zufrieden. 🙂

Dass das dumm gelaufen ist für den Kollegen, tut mir leid. Ehrlich. Und ich will hier auch keine Werbung für Niedrigstpreise machen. Ich hab selbst oft genug Fahrten abgelehnt, die sich für mich selbst zwar gelohnt hätten, die ich aber meinen Chefs nicht zumuten hätte können. Und mehr zu verlangen ist ja auch legal. Hätte die Kundin mir 70 € geboten, hätte ich ihr sicher nicht gesagt, dass weniger auch reicht. Und ich ärgere mich heute noch über den Deppen, der beim Innungsfunk den Kurs gehalten und damit angegeben hat, dass er auch für 130 € nach Leipzig fahren würde, weil er ja sonst „in der ganzen Schicht nicht so viel verdienen“ würde. Dem Kunden entgegenkommen ist das eine, sich oder die Firma ruinieren das andere. Mein Schnitt stimmt am Monats- und damit meist auch am Tagesende – im Rahmen dessen allerdings freue ich mich trotzdem gerne über Touren wie die heutige. 😀

Tarifverhandlungen gescheitert

Dank Uber war ich gewerbepolitisch in letzter Zeit leider andersweitig beschäftigt und habe das Thema Mindestlohn aufgeschoben. Nun also ein kurzer Zwischenstandsbericht:

Der deutsche Mietwagenverband BZP hat sich im Laufe des Jahres zum Tarifpartner auf Arbeitgeberseite aufwerten lassen und vertritt nun tarifpolitisch die Taxiunternehmen. Und zwar weil ein schon vor 2015 bestehender Tarifvertrag (in diesem Fall mit Ver.di) die einzige noch verbleibende Möglichkeit ist, die Einführung des Mindestlohns im Taxigewerbe zum Beginn nächsten Jahres zu verzögern.
Sprich: schließt man jetzt noch eilig einen Tarifvertrag mit Löhnen unter 8,50 € ab, besteht für die Arbeitgeber die Möglichkeit, diesen sonst ab dem kommenden ersten Januar verpflichtenden Betrag nach einer stufenweisen Annäherung erst ab Anfang 2017 zahlen zu müssen.
Da die Löhne im Taxigewerbe fast überall – zumindest aber durchschnittlich – weit unter 8,50 € (nämlich eher bei 6,50 €) liegen, wäre den Unternehmen daran natürlich viel gelegen.

Doch der Traum scheint erst einmal geplatzt zu sein.

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Ist das nun gut oder schlecht?

Das ist ganz klar eine Meinungsfrage. Die umgehende Einführung des Mindestlohns wird zweifelsohne Arbeitsplätze kosten. Das behaupten Vertreter aller Branchen, bei uns ist das aber eklatant sichtbar. Wenn der Gewinn eines Taxiunternehmens bei 5 bis 10% des Umsatzes liegt, dann kann der Lohn des Fahrers nicht um 20 oder 30% erhöht werden – dann wird dieser Fahrer seinen Job verlieren oder das Unternehmen pleite gehen, so ist das einfach. Die Frage ist demnach: ist es sinnvoller, alle Arbeitsplätze wie bisher zu erhalten – oder nach einem Abbau den restlichen Fahrern zumindest mal den Mindestlohn zu bezahlen? Und je nach Weltanschauung kann man da zu unterschiedlichen Ansichten kommen.

Meine ist klar:

Ich bin für den Mindestlohn und dementsprechend froh darüber, dass die Tarifverhandlungen geplatzt sind!

Und das nicht, weil ich Taxiunternehmer für böse halte und ihnen den Untergang wünsche. Im Gegenteil: ich bin mit sehr guten und sehr sozialen Chefs gesegnet, deren Unternehmen ich grundsätzlich bereit bin auch mit eigenen Mitteln mitzuverteidigen. Mir ist klar, dass sie mit dem Mindestlohn Probleme bekommen werden und in diesem einen Fall weiß ich, dass das nicht ihr Fehler ist. Ich werde wie die meisten Berliner Taxifahrer am Umsatz beteiligt und liege dank günstiger Arbeitszeiten jetzt schon über 8,50 € Lohn pro Stunde. Aber der Umsatz des einzelnen Fahrers (und in Berlin auch Unternehmens) lässt sich nicht beliebig steuern. Wenn in der Stadt mehr Taxis zugelassen werden (seit meinem Eintritt ins Gewerbe 2008 waren das irgendwas um 500 bis 1000 neue), dann sinkt entsprechend der Umsatz des einzelnen. Die meisten Aufträge werden hier von Zentralen vermittelt, die nicht mit den Unternehmen identisch sind – ergo kann man sich als Unternehmer auch durch z.B. bessere Qualität nicht deutlich mehr Kunden sichern. Was soll ein Unternehmen hier schon machen, außer sich mit mehr Fahrern mehr Anteil sichern?

Aber ungeachtet dessen: 6,50 € können kein vernünftiger Stundenlohn sein!

Das Jammern über den Verlust von Arbeitsplätzen unterschlägt immer, dass es dabei verdammt nochmal um Arbeitsplätze geht, die mit unter 8,50 € pro Stunde bezahlt werden. Da sind reihenweise Arbeitsplätze dabei, die jetzt schon dank Aufstockung staatlich mitalimentiert sind und andere, bei denen Leute ihre Familien um den Preis sie nicht mehr zu sehen ernähren. 6,50 € brutto bedeuten gerade mal 1300 € im Monat – bei mehr als 40 Wochenstunden! Natürlich hätte es eigentlich anderer Mittel bedurft, das Problem zu lösen. Der Senat hätte die Anzahl der Taxis begrenzen können. Man hätte durch Tarifsenkungen, Werbung oder Qualitätsverbesserungen mehr Kunden finden können oder auch einfach wenigstens aktiv die Schwarzarbeit bekämpfen, die immer noch zu viel Geld aus dem Gewerbe zieht.

Hätte, könnte. Fakt ist: das hat gerade hier in Berlin niemand geschafft. Und selbst in Anbetracht des bevorstehenden Mindestlohnes poltert der „Taxiverband Berlin Brandenburg“ als eine der Gewerbevertretungen schon wieder los, man bräuchte (ein Jahr nach der letzten Erhöhung) 23% Aufschlag auf den Taxitarif. Falls wer sein Milchmädchen vermisst: es arbeitet offenbar beim TVB.

Das Grundproblem ist hier wie überall eine grundsätzliche (Ausnahmen bestätigen die Regel …) Überversorgung mit Taxis. Wir müssen zwar um verfügbar zu sein Leerlaufzeiten haben, dennoch braucht es bei den meisten in Deutschland gültigen Tarifen kaum mehr als vielleicht 10 bis 13 besetzt gefahrene Kilometer pro Taxi und Stunde, um auch mit Mindestlohn wirtschaftlich zu sein. Und das ist wirklich kein utopischer Wert, selbst wenn wir weiterhin eine Versorgung garantieren wollen. Autos, die mit von der Beschäftigung abhängigen Fahrern zwei Drittel der Zeit stehen, sind Überfluss.

Nun wird es halt der Mindestlohn schaffen, das durchzurütteln. Das Dumme daran ist zweifelsohne, dass er unfair ist. Der Mindestlohn sorgt nicht automatisch für eine Bevorzugung der ehrlichen Unternehmen und spielt gleichermaßen auch jenen in die Hände, die schon jetzt wirtschaftliche Vorteile durch, nun ja, „kreative Buchführung“ haben.

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Bemerkenswert ist aber auch die Argumentation der beiden Tarifparteien:

Hier die Presseerklärung von Ver.di.

Hier die Presseerklärung des BZP.

Dass beide Parteien „Mimimi, die anderen sind schuld!“ rufen, ist die eine Sache. Der BZP allerdings wird wirklich albern. In Verhandlungen mit einer Gewerkschaft zu gehen um den Lohn zu senken ist das eine. Dabei allerdings überrascht zu sein, dass die das nicht tun, ohne andere Zugeständnisse zu kriegen – das ist nur noch lächerlich.

Der BZP behauptet z.B., dass eine Arbeitszeiterfassung via Taxameter technisch noch nicht möglich und problematisch beim Datenschutz wäre. Was für eine Zumutung! Arbeitgeber sollen wissen, wann ihre Arbeitnehmer arbeiten! Man stelle sich das mal in anderen Branchen vor … oh, wait! (Und by the way: natürlich protokolliert mein Taxameter meine Arbeitszeit …)

Und eine 40-Stunden-Woche ist nicht einführbar wegen Großveranstaltungen und dem Wetter!? Will irgendwer mal zum BZP gehen und denen sowas wie Überstunden, Freizeitausgleich etc. pp. erklären?

Nicht zu vergessen der weinerliche Hinweis darauf, dass es voll gemein wäre und Ver.di doch irgendwie hätte großzügiger sein müssen, weil die Branche ja keine Sonderregelung bekommen hätte. Ganz ehrlich, lieber BZP: WTF? Ihr habt noch nicht geschnallt, dass wegen Arbeitgebervertretern wie Euch sowas wie ein Mindestlohn erst nötig war und unser Gewerbe keine Ausnahmegenehmigung bekommen hat, weil gesamtgesellschaftlich nichts gegen 8,50 € Lohn für Taxifahrer spricht, sondern ausschließlich die teils hausgemachte Misere innerhalb des Gewerbes.

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Ich freue mich nicht darüber, dass Unternehmen pleite gehen und Fahrer entlassen werden. Schon gar nicht, wenn es Unternehmen betrifft, die es besser machen wollten, aber nicht konnten – oder Fahrer, die zufrieden waren mit dem Status Quo. Aber mal im Ernst: das Taxigewerbe ist wichtig und hat sich im Laufe der Jahrzehnte teils eigenverantwortlich, teils durch miserable Verkehrspolitik in eine Lage gefahren, die prinzipiell abartig ist. Obwohl uns Qualität abverlangt wird, verdienen wir Dienstleister so wenig, dass es uns spaltet in die, die mit Herzblut bei der Sache sind und dafür alles hinnehmen – und andererseits die, für die es „immerhin besser als nix“ ist und teilweise auch dementsprechend arbeiten. Eigentlich ist der Mindestlohn für nix davon eine angemessene Lösung, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung – nämlich das Dilemma unserer Unterbeschäftigung zu beseitigen.
Ich möchte dafür nicht die Freiheiten geopfert sehen, die die Arbeit mit sich bringt; aber im Gegenzug sollten wir zufriedenen Fahrer, die gerne hätten, dass alles so bleibt wie bisher, uns auch mal fragen, ob es im Gegenzug ok ist, dass sich in unseren Reihen Leute kaputtschuften, nur um noch ein paar Euro mehr als HartzIV zu bekommen (Und das ist eine realistische Darstellung, wenn man z.B. von einer Familie ausgeht, bei der nur ein Elternteil arbeitet). Wer von uns arbeitet den WIRKLICH freiwillig 60 Stunden die Woche? Was könnten wir erst reissen, wenn wir besser verdienen würden und deswegen weniger arbeiten müssten?

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Mein Tagfahrer

„Mein Tagfahrer“, der ist vielen hier ein Begriff, obwohl ich ihn aus dieser Blogsache hier immer rausgehalten hab. Er hat nie viel mit dem Internet zu tun gehabt und GNIT nicht viel mit ihm. Gerade wenn man sich ein Auto teilt, liegt es in der Natur der Sache, dass man sich kaum über den Weg läuft. Dabei hat er natürlich die Hauptarbeit auf der 1925, später dann auf der 72 geleistet. Hat im Gegensatz zu mir Vollzeit gearbeitet und nebenbei noch die ganzen Werkstattfahrten machen müssen, die ich meiner Arbeitszeit wegen nicht machen konnte. Mein Tagfahrer hat seit dem ersten Tag ganz wesentlich mitbestimmt, wie das Taxifahren für mich ist und war deshalb für mich eben nicht „mein Tagfahrer“, sondern Harald.

Harald, der eine wirklich wichtige Kollege in der Firma. Harald hat angerufen, wenn was mit dem Auto war, Harald hat vor meiner Schicht vollgetankt und das Auto sauber gemacht, so wie ich es dann umgekehrt für ihn getan hab. Als gut eingespieltes Team hatten wir uns über unsere Arbeitszeiten, das Abstellen des Autos und so ziemlich alles verständigt, wofür man nicht direkt den Chef anrufen muss. Vor einer Woche hat er seinen Jahresurlaub genommen, da hab ich ihn nach Hause gefahren und seitdem seinen Schlüssel für die 72 bei mir, damit ich ihn ihm – falls niemand ihn zwischendrin braucht – kurz vor seiner Rückkehr wieder in den Briefkasten werfen kann.

Dazu kommen wird es leider nicht mehr. Vorhin hat mein Chef mich angerufen und mich informiert, dass Harald während seines Urlaubs einen Herzinfarkt erlitten hat und verstorben ist. Einfach so. Hat jahrelang gewissenhaft seine Arbeit gemacht, war noch weit von der Rente weg und hinterlässt von heute auf morgen eine Familie, von deren Trauer ich mir nicht anmaße, eine Vorstellung zu haben, wenn schon ich hier mit Kloß im Hals und Tränen im Auge vor dem Monitor sitze.

Harald war vom ersten Tag an da und er blieb mein Tagfahrer. Egal ob das Auto wechselte, die Firma umzog, alles was wichtig war, habe ich immer mit Harald besprochen und sein Tod tut weh, auch wenn ich ihn gar nicht so besonders gut kannte.

Eine Familie hat einen guten Vater und Mann verloren,

ich einen guten Kollegen

und Berlin einen guten Taxifahrer.

Er wird fehlen.