Mit Ansage!

Der Typ war dermaßen verstrahlt, rückblickend wunderte ich mich nicht einmal mehr, dass er mich mitten auf einer Kreuzung zweier Hauptstraßen herangewunken hatte. Wobei ich fairerweise anerkennen muss, dass er von dort aus kürzestmöglichen Zugriff auf 10 Richtungsfahrbahnen für Autos, sowie vier von Straßenbahnen Zugriff hatte. Wahrscheinlich ein Statistiker.

Naja, er bat sich jedenfalls eine Kurzstrecke aus und war unnötig angetan davon, dass ich Schaltwagen fuhr. Nachdem die Richtung klar war, fragte ich nach dem Ausstiegspunkt und er nannte einen großen und bekannten Platz, ließ aber fallen, dass ich, also eigentlich, so von der Sache her, ich könnte auch noch ein wenig weiter. Er hat das dann auch eloquent mit der Tatsache begründet, dass dort eh noch ein paar hundert Meter das Wenden nicht erlaubt sei und ich mich schlecht damit rausreden könne, dass ich wo anders hinwolle. Da musste ich einschreiten:

„Haste Recht. Aber auch hier in der weiten Prärie deines Heimatstadtteils stehen manchmal Winker, die ich nicht einsacken könnte, wenn Du noch drinsitzt.“

Am Ende isser brav ausgestiegen, es war nur ein Versuch, passt schon.

Und dann hatte ich 300 Meter weiter Winker. ICH HAB’S JA GESAGT! 😀

Nur ein Zehner!

Ich machte den typischen doofen Taxifahrer-Move: Da vor mir ein Kollege mit angeschalteter Fackel langtuckerte und ich auf absehbare Zeit keine Winker würde bekommen können, bin ich abgebogen. Nur um mich noch an der Ampel zu fragen, wo zur Hölle ich in diese Richtung eigentlich hinfahren solle. Aber das Glück ist mit den Dummen, nach 100 Metern hatte ich Kundschaft.

„Würdste uns in die Vorname-Nachname-Straße bringen?“

„Na sicher, ich überlege gerade, die sagt mir was …“

„Sind 5 Kilometer, is‘ nur da vorne und dann rechts. Machste hier die Fünf-Kilometer-Dings, ne?“

„Ich mache Kurzstrecke. Das sind fünf Euro, nicht fünf Kilometer, aber ich erinnere mich, das wird schon reichen.“

„Ich sag aber gleich, ich hab nur zehn dabei. Dann musst mir rausschmeissen.“

„Das sehen wir ja dann. Erst einmal reicht die Kurzstrecke.“

„Aber ehrlich: Mehr als zehne ist nicht!“

„Wir sind doch immer noch bei fünf Euro und die Kurzstrecke ist erst zur Hälfte …“

„Ich sag’s nur, nicht dass wir dann – is‘ auch da vorne noch einmal ums Eck.“

„Dann reicht das locker.“

„Aber nicht über zehn. Halt vor der Wendestelle, das sind 20 Cent!“

„Es sind immer noch fünf Euro. Und das Taxameter piept ja nun erst einmal, wenn die vorbei sind.“

„Ach, echt?“

So viel Angst ums Geld hatte ich bei einer Kurzstrecke schon lange nicht mehr. 0.0

Positiv hervorzuheben sei abschließend, dass die Kundin und ihr unterhaltsamer Partner die einzigen waren, die in den letzten drei Tagen bei einer Kurzstrecke noch Trinkgeld gegeben haben, ich werde sie also in sehr guter Erinnerung behalten.

Die Sache mit dem Einschätzen von Menschen

Ich wollte eigentlich tanken, aber da winkte plötzlich einer. Mitten an der mehrspurigen Hauptstraße im Gewerbegebiet. Ein bereits älterer Mann, zotteliges langes Haar, einen Bart, der für mehrere Generationen ZZ-Top-Imitatoren gereicht hätte und einer Plastiktüte. Er roch nach Alkohol und fragte, ob er auch mit Karte zahlen könne. Ja? Na dann …

Er war wirklich nett, aber als er dann auch noch erzählte, dass er die Straßenbahnen verwechselt hätte … es war nicht schwer, sich dem Gedanken hinzugeben, dass das mit der Bezahlung vielleicht nicht klappen würde. Dann beim Arbeitsamt das Wiedererkennen der Gegend  mit dem Hinweis, dass er da ja jetzt auch oft sei, habe ja Rente beantragt etc. pp. Und wie zum Beweis streikte der Kartenleser am Ende. Allerdings schien das gar nicht an der Karte zu liegen. Er meldete nicht einmal einen Fehler und wechselte ins Menü zurück. WTF?

Mein Kunde nahm das ganz locker und sagte, dass wir dann halt zur Bank müssten, sei auch nur ums Eck. Das stimmte und da das alles noch unweit meines Zuhauses stattfand, kannte ich mich auch gut genug aus. Ich hab die Uhr trotzdem gleich gestoppt, denn zum einen lag der Fehler wohl beim Gerät und mir war das unangenehm, zum anderen fühlt man sich besser, wenn man nur eine 11€-Fehlfahrt hat und keine für 16. Was natürlich bescheuert ist, aber das menschliche Gehirn hat’s ja manchmal nicht so raus mit mathematischer Logik.

An der Bank ist der gute Kerl kurz raus, hat sein Hab und Gut als Pfand dagelassen, kam nach zwei Minuten ganz locker wieder raus und verkündete nur, dass er doch vorher schon gesagt hätte, er habe genug Geld auf dem Konto.

Und so standen wir dann kurz darauf ein zweites Mal vor seinem Plattenbau und er fragte mit ernstem Tonfall, was ich denn jetzt bekommen würde.

„Wie gesagt: Wir waren bei 11,50 €, als ich die Uhr ausgemacht hab.“

„11,50€? Nee, nee!“

Mir stellten sich umgehend wieder die Nackenhaare auf.

Der Alte zog einen Zwanni aus seinem Geldbeutel, drückte ihn mir mit väterlicher Geste in die Hand und meinte:

„Das stimmt so, für all die Mühe!“

„Äh, wow, vielen Dank!“

„Keine Sorge, ich gehör nicht zu den Ärmsten …“,

ließ er mich noch wissen und schien insgesamt sehr zufrieden mit dem an sich ja schon ziemlich verzwiebelten Heimweg zu sein. Was inzwischen selbstverständlich auch auf mich und den Schichtbeginn zutraf. 🙂

Die Chickenwings sind der Unterschied!

Ich hatte die Schicht bereits verloren geglaubt. Viel zu wenige Fahrgäste, viel zu kurze Touren, am Ende sogar viel zu wenig Trinkgeld. Aber hey, die eine Tour noch, dann ist Wochenende!

Also erst einmal tanken, hier und da noch Kleinigkeiten putzen, danach ab zum letzten Zug am Ostbahnhof. Mit etwas Glück eine Tour bis vor die Haustür der Firma, ansonsten wäre mir alles egal gewesen. Naja, alles …

Ob ich sie nach Bernau bringen könnte, fragte meine Fahrgästin mich dann. Und um das mal zu verdeutlichen: Das hätte meinen Umsatz fast verdoppelt an dem Abend!

Wichtiger aber war dann, dass ich sie noch kurz zum Burger King bringe. Sie nahm das Taxi schließlich nicht freiwillig, ihr Tag war um ein paar Stunden aus dem Ruder gelaufen, alles schlimm, außerdem: HUNGER!

Ich hab zugesagt und meine Optionen überdacht. Preise nach außerhalb sind Verhandlungssache, schon klar. Aber dann noch der Burger King? Ich hab also auf  Verdacht einfach die Uhr angemacht und das war ok. Ich hätte vielleicht am Ende irgendwie noch etwas mehr Geld aus der Fahrt schlagen können, aber mit der bezahlten Wartezeit, bei der es mir sehr schwer gefallen wäre, die im Vorfeld einzupreisen, war das ok.

Dabei ging es am Ende nicht einmal direkt nach Bernau, sondern in die Waldsiedlung, und das brachte noch einmal ein paar Euro mehr. Nach dem Preis gefragt hat die gelegentlich ein paar Chicken-Wings mampfende (Sie hat gefragt, ich habe es erlaubt) Begleitung nicht einmal. So wie vor 1990 sich wohl auch kaum jemand jemals hat dort hinbringen lassen, ohne den Preis einfach bezahlen zu können.

Die Fahrt endete auch nicht irgendwo auf dem Gelände, nein, es ging direkt zum ehemaligen Haus eines sehr sehr sehr bekannten ehemaligen DDR-Politikers. Mir wurde extra erklärt und zuletzt gezeigt, dass dort erst kürzlich eine entsprechende Tafel angebracht worden war. Ohne Interesse an politischen Pilgern fragwürdiger Natur oder Touristen am Briefkasten zu haben, stelle ich es mir dann doch sehr spannend vor, in ein Gebäude mit derartiger Geschichte zu ziehen.

Und  meiner Kundin ging es wohl ähnlich. Obwohl sie selbst aus Tschechien war, zudem keinesfalls Fangirl der Honnecker-Clique, erzählte sie mir all das in ihrem gebrochenen Deutsch mit Begeisterung und versprach nebenbei hoch und heilig, mein Auto erst nach einer Serviettenbenutzung zu berühren. Wenn nur alle Fahrten so nett, unterhaltsam, lukrativ und lehrsam wären!

Deutlich über 60 € standen am Ende auf der Uhr, die Einreihung in die oberen 5% aller Fahrten war damit gewiss. Mit etwas mehr als null Trinkgeld hätte ich persönlich sie locker in die Top 1% gewählt. Aber irgendwas ist ja immer. 😉

Die allwöchentlichen Chaoten

Vier Kerle, Fahrtziel Puff.

Das ist oft sehr grenzwertig und auch diese Truppe sollte da eigentlich keine Ausnahme machen. Die Typen waren laut eigener Aussage irgendwas zwischen 19 und 25 alt und die Lautstärke war wie bei so ziemlich allen Fahrten mit Leuten in dem Alter.

„Bring uns Puff XY!“

„Nee, mach mal Moritzplatz!“

„Und davor Sparkasse!“

Ähm, ok. Ich kannte den Puff, der ziemlich weit weg war, ich kannte den Moritzplatz und dazwischen waren sicher einige Sparkassen. Passt. Also wenn nicht die Reihenfolge vorher hätte geklärt werden müssen. Während binnen kürzester Zeit feststand, dass es eigentlich zu einem anderen Bordell gehen sollte, war das mit dem ersten Halt am Moritzplatz noch Grund für eine Diskussion und währenddessen hat mich der eine schon mal zu einer Sparkasse in irgendeiner Nebenstraße gelotst. Aber gut, das wird schon werden!

Während wir an der Bank in Kreuzberg hielten, einer Geld holen ging, einer pinkeln und einer unbedingt eine rauchen musste, erklärte mir der Typ auf der Rückbank, dass es wirklich wichtig sei, dass ich ihn am Moritzplatz rauslasse, weil er im Gegensatz zu seinen Cousins am nächsten Morgen aufstehen müsse. Na klar, kriegen wir geregelt!

Und ja, das klappte auch problemlos. Ich hab auf dem Weg dorthin auch nur einmal erwähnen müssen, dass das Ausschenken von Getränken aus Flaschen in Becher vielleicht nur so eine mittelgute Idee sei. Aber klar:

„Schon klar, Digga! Aber mach isch extra nur halbe Becher, weil is‘ sischara!“

Der geneigte Leser mag sich hier wie ich an den Kopf fassen, aber was will ich sagen: Das Auto blieb sauber, der Kerl hatte es raus. Im Radio war längst ein Sender gefunden, der wie von den dreien gewünscht irgendwelchen türkischen Pop abspielte und die Laune war gut. Aber das mit dem Puff als Ziel war weiter schwierig.

Zum einen war da die Adresse. Die stimmte nämlich nicht. Also musste das gegoogelt werden. Es erwies sich – o Wunder! – als richtig, was ich im Kopf hatte. Traurig daran: Im Gegensatz zu dem Laden, den sie mir beim Einstieg genannt hatten, würde der mir keine „Vermittlungsgebühr“ zahlen. Aber gut, so ganz sicher waren sie eh nicht. Denn der eine wies fachkundig darauf hin, dass genau jetzt die Zeit war, in der es dort sonst gerne voll ist. Also wurde ich gebeten, mal eben rechts ranzufahren, damit sie dort anrufen könnten.

Warum nicht?

Nun sollte man sich vor Augen halten, dass sie vom anfänglichen Puff 1 in der A-Straße zu Puff 2 in der B-Straße gewechselt hatten, allerdings glaubten, er liege in der C-Straße. Nachdem sie das inklusive Telefonnummer gegoogelt hatten, riefen sie zielsicher irgendein Hotel in Köln an und fragten, ob dort Puff 2 in der C-Straße sei. Kann man sich nicht ausdenken!

Entsprechend dauerte der Stopp auch etwas und erst das dritte Telefonat brachte Klarheit:

Puff 2 liegt in der B-Straße und derzeit sind 7 Frauen und 3 Männer dort. Ich hatte bisher ja keine Ahnung, was man telefonisch alles erfragen kann!

Also ging es weiter, die Jungs fanden die Route von mir nach nur drei Änderungsideen und einem Vorschlag, das Taxameter zugunsten eines höheren Trinkgeldes einfach auszuschalten, auch ganz ok. Ich will nicht sagen, dass ich das super-relaxt fand, aber ein bisschen lustig war es inzwischen ja schon.

Und dann kam der auf dem Beifahrersitz auch noch auf die Idee, dass ich doch bestimmt eine CD oder einen USB-Stick am Radio hätte. Lange Rede, kurzer Sinn: Eigentlich hasse ich das! Ich hab immer auch ein paar private Lieder auf meinen Mix-CD’s und ganz sicher keinen Bock drauf, vor coolen Checkern, die zum Vögeln in den Puff fahren müssen, zu erklären, warum da dieses oder jendes Lied läuft. Aber ich hatte Glück im Unglück: Auf der CD war ein längerer Block mit Metallica-Liedern und als Mister-Türkisch-Pop umschaltete, fand der das prompt voll hart und supercool:

„Digger, Digger! Ey, vor uns hier das Motorrad und jetzt die Musik – das gibt mal gleich voll des andere Feeling, Digger!“

Sprach’s und headbangte so vor sich hin.

Wie gesagt: Kannste Dir nicht ausdenken!

Und ja, dann war die Fahrt eine Minute später auch schon völlig unspektakulär zu Ende, dank Umwegen, Pausen und Trinkgeld hat es am Ende auf fast 30 € von Kreuzberg nach Schönefeld gereicht. Ich kann mir eine Menge stressfreierer Touren vorstellen, aber rückblickend war’s schon ok mit den Spaßvögeln.

Ein Winker ist ein Winker ist ein Winker

(Blitzmerker-Edition)

Gleich am Schlesischen Tor, ich war gerade erst gen Innenstadt gestartet, winkte er mich aus dem Laufen heraus an den Straßenrand. Yeah! \o/ Die Tour war ok, es blieb gerade noch so innerhalb Kreuzbergs. Unterwegs dann der übliche Smalltalk, inklusive folgenden Kleinods:

„Und, wie war deine Woche bisher?“

„Ich arbeite gerade Donnerstag bis Sonntag nachts, ist gerade erster Tag und erste Tour.“

„Ehrlich jetzt? Und niemand hat dich bisher rangewunken oder so?“

Ich habe einen fragenden Blick aufgesetzt und mit meiner linken Hand ehrfürchtig zu ihm auf den Beifahrersitz gewiesen. Es hat eine Sekunde gedauert, dann hat er gerufen:

„Ach, icke!? Stimmt ja!“

Wenn die Woche so anfängt, kann’s ja nur gut werden. 😀

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

„Muss man nicht kennen“

„Tja, da wären wir dann: Im unspektakulärsten Teil von Haselhorst!“

„Man lernt nie aus in dem Job.“

„Ach, das musste nicht wissen. Das kennt keiner. Aber: Ist ein Biber-Schutzgebiet!“

Es kam mir selten angemessener vor, auf einen Satz nix erwidern zu können. 🙂