Musste ja sein …

Die Oberbaumbrücke ist derzeit in Richtung Kreuzberg gesperrt. Das bedeutet für einige Touren einen Umweg – wobei das sich meist in relativ engen Grenzen hält. Es kann ja naturgemäß nur bei Adressen schlimm sein, die relativ Nahe an der Brücke liegen – die beiden nächsten Brücken, die Elsen- und die Schillingbrücke sind ja jeweils nur rund 1,5 km entfernt.

Aber es kam, wie es kommen musste: Ich bekam eine Tour, die fast nur aus der Oberbaumbrücke bestand. Meine Kundin hat wegen einer Verspätung extra auf die U-Bahn verzichtet und nun stieg sie ein und wollte von der Warschauer Straße (Höhe Helsingforser) zur Schlesischen Straße. Etwa in der Mitte. OK, es lesen auch Nicht-Berliner mit, also ein Kärtchen von Google:


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Mal ganz ehrlich: Solche Fahrten machen irgendwie trotz der Kohle nicht mal Spaß. Aber nachdem auch noch alle Ampeln rot waren, habe ich mit ihr ausführlich die Optionen erörtert, doch an der Ecke auszusteigen und über die Brücke zu laufen, usw.

Manchmal ist es einfach Mist mit den Baustellen, so ist es halt.

Halten bei Bestellungen

Ich hab mit Bestellungen ja nun nicht so eine Erfahrung. Mein Funk ist aus, als einziges bleiben da die Fahrten mit euch Lesern. Am vergangenen Wochenende hat das wieder einmal geklappt, ich hatte eine nette Tour mit Rike von Spandau bis in den Ostteil der Stadt. Und geklappt hat eigentlich auch alles prima.

Aber ich habe wieder einmal festgestellt, wie stressig das ist, wenn man zu Veranstaltungen bestellt wird. In der Regel ist im Umfeld alles zugeparkt, manche Plätze sind gar abgesperrt für Polizei und Rettungswagen, Veranstalter, Tourbusse, was auch immer. Und je nach Location, klar.

Sich mit ausgeschalteter Fackel auf einen Taxihalteplatz zu stellen, ist nicht nur streng genommen nicht erlaubt (laut Taxiordnung darf dort nur stehen, wer sich bereithält), sondern auch nervig für die Kollegen, die dann ggf. einen Platz weniger haben, um einen herumfahren müssen oder hinter mir nicht gesehen werden. Außerdem wird man dort natürlich ständig angequatscht, ob man frei ist.

So hab ich bei den letzten drei Lesertouren immer im absoluten Halteverbot gewartet. Das ist glücklicherweise nie geahndet worden, aber so recht wohl fühle ich mich da auch nicht. Meist gibt es diese Verbote ja auch nicht ohne Grund. Ich kenne sicher auch gerade weil ich das so selten mache nicht alle Tricks und Geheimplätze an den Veranstaltungsorten – aber ich glaube, dass das wirklich ein Problem ist, an das noch niemand so recht gedacht hat.

Was meinen die funkenden Kollegen dazu?

Pflichtfahrgebiete und Huren

Die Beförderungspflicht ist ja eine recht lustige Geschichte. Wir Taxifahrer sind mit unseren Taxis Teil des öffentlichen Nahverkehrs und wir haben damit einhergehend diverse Rechte und Pflichten, die uns von rein privaten Fahrbetrieben unterscheiden. Alles kann ich da beim besten Willen auch nicht aufzählen, will ich jetzt auch nicht. Aber das Recht, uns an Taxiständen und vor Veranstaltungen bereitzuhalten und die ermäßigte Mehrwertsteuer für die meisten Fahrten seien hier mal als Beispiele für Rechte genannt, die nicht jeder bekommt. Im Gegenzug dürfen wir unsere Preise nicht frei bestimmen und haben auch eine gesetzliche Vorgabe, wie lange wir das Taxi mindestens einsetzen müssen, um eine gewisse Verfügbarkeit zu garantieren. Und eben die Beförderungspflicht.

Innerhalb des Pflichtfahrgebietes (das in aller Regel zumindest weitgehend mit den Stadt- oder Landkreisgrenzen identisch sein wird) müssen wir Fahrgäste befördern. Im Alltag gibt es dazu fast ausschließlich Ärger um die berühmten kurzen Fahrten, die manche Kollegen gerne ablehnen, weil sie es nicht schaffen, mal kurz eine bittere Pille zu schlucken und über den eigenen Tellerrand zu schauen. Das Pflichtfahrgebiet ist hier genauestens definiert und so lange der Startpunkt in Berlin liegt, ist die Stadtgrenze auch die Grenze des Pflichtfahrgebietes – mit Ausnahme des Flughafens, da dürfen wir auch nicht ablehnen. Vom Flughafen aus existiert ein anderes Pflichtfahrgebiet, das noch einige umliegende Gemeinden und Landkreise mit einschließt, aber da ich dort bislang nicht lade und sowieso kein Problem mit Touren nach außerhalb habe, ist das in meinem Interesse ziemlich weit hinten. Ich würde überhaupt nur Touren ablehnen, bei denen ich in Konflikt mit meinem Tankinhalt oder der Arbeitszeitbegrenzung kommen würde. Und beides ist so extrem selten, dass ich das aus meinen Gedanken völlig ausklammern kann.

Was ich mich allerdings oft schon gefragt habe – und ich habe bisher wirklich keine Antwort darauf – WO und WANN unsere Pflichten eigentlich gelten. Das lässt mich in der Praxis meist kalt, weil ich ehrlich froh um jeden einzelnen Kunden bin und sich die Frage, ob ich eine Fahrt annehmen muss, damit erübrigt. Die Ablehnungen aufgrund Gefährdung der Sicherheit halten sich auch in sehr engen Grenzen bei mir, da lässt man das auch gerne mal gedanklich wegfallen.

Deswegen, vor der kurzen Anekdote, eine Frage an die mitlesenden Kollegen:

Wie ist das eigentlich: Gilt die Beförderungspflicht nur für bestellte Fahrten und Fahrten am Stand, oder ebenso wenn ich mit angeschalteter Fackel an der Ampel stehe? Dass man in der Praxis auch Leute mal „übersieht“ und das damit umgehen kann, ist mir schon klar. Ich mach das ja auch nicht erst ein paar Wochen 😉

Aber rein rechtlich so?

Bevor ich (hoffentlich) eine Antwort darauf kriege, wechseln wir mal wieder rüber in die kleine 1925 und versetzen uns in eine wirklich wunderschöne Situation: Ich hatte meine Schicht am Wochenende nach langem mal wieder vollkommen durchgerockt. Die Arbeitszeit war zwar noch verhältnismäßig human, aber von Abends bis morgens hatte ich viel Kundschaft, meist sogar nette. Die Uhr stand nahe der Sechs, das Taxameter weit jenseits der 200 €. Meine – wie ich hoffte – letzte Tour führte etwas unpraktisch in den Westen, was einen längeren Rückweg zum Abstellplatz in Lichtenberg bedeutete. In solchen Momenten muss man sich immer entscheiden, ob man satt ist oder doch Hure und in 90% aller Fälle entscheide ich mich für zweiteres. Ich lasse die Fackel noch an, entwickle aber Tendenzen dazu, ans Schicksal zu glauben und daran, dass jetzt nur noch Fahrgäste winken, die in die richtige Richtung wollen. Zumindest so halbwegs.

Während ich also extrem gechillt und mit ausreichend lauter Musik am Start die Leipziger Straße in Richtung Alexanderplatz langgegurkt bin, überholt mich ein Kollege. War aber ok, er war besetzt. Nicht wirklich ok war das Tempo, aber obwohl ich anfänglich schon einen fragenden Blick aufsetzte, hab ich mal die Welt Welt sein lassen. Ja, wahrscheinlich hatte er die Punktegrenze hinter sich gelassen, aber dann riskiert er halt Ärger. Die Leipziger Sonntags um 6 Uhr lädt zum Heizen ein, deswegen alleine musste er noch nicht wirklich ein Vollpfosten sein. An die 30 km/h auf Höhe der Baustelle achtete auch ich nicht im Entferntesten.

Wie aber so oft brachte das schnelle Fahren nicht viel, wir landeten an der Ampel an der Fischerinsel auf gleicher Höhe nebeneinander. Während ich die Lichtzeichenanlage mit mäßiger Begabung versuchte telepathisch auf grün zu schalten, nahm ich eine Bewegung im Auto neben mir war. Der Kollege bedeutete mir, die Scheibe runterzulassen.

„Naja, eine Frage nach einem Zielpunkt, einem Club vielleicht.“

dachte ich mir. Nicht jeder Taxifahrer kommt in Berlin jede Nacht überall vorbei, da tauscht man sich auch mal kurz auf der Straße aus. Man sitzt ja im selben Boot und wenigstens in solchen Momenten ist noch was da von der Solidarität unter Kollegen. Also hab ich die Musik ausgemacht und gelauscht. Und der Kollege fragte allen Ernstes:

„Sag mal, willste nach Spandau fahren? Der eine hier müsste nach Spandau, wär aber für den anderen ein Umweg.“

Das betrifft die obige Frage natürlich nicht. Die Gedanken hab ich mir erst später gemacht. Natürlich kann ein Kollege einmal erworbene Fahrgäste nicht einfach so zu mir abschieben. Aber in der Form hatte ich das noch nicht in all der Zeit bisher. In dem Fall war der Kollegen aber definitiv an einen etwas zu müden Sash geraten, denn bei allem Leuchten in meinen Augen ob der hochwahrscheinlichen 300 auf der Uhr nach dieser Fahrt, graute es mir davor, jetzt kehrt zu machen, und schnell mal 10 bis 15 Kilometer Richtung Westen zu gurken. Dass er noch einen gefunden hat, hoffe ich ja. Ansonsten hat es sich ja wenigstens finanziell gelohnt. Und wenn es im Einzelfall das Pflichtfahrgebiet ist, das uns dazu zwingt: am Ende machen wir für unser Geld ja dann doch alles.

Ich fühle mit euch!

Ich schreibe ja immer, dass ich den Job nicht tagsüber machen könnte, bzw. möchte. Im Notfall ist man natürlich zu vielem bereit, aber ich erinnere mich immer noch an die Worte meines Tagfahrers, als ich ihn kennengelernt habe. Er war schon eine ganze Weile unterwegs und hat mir und unserem Techniker aus dem Taxihaus das Auto an jenem Mittag besonders früh gebracht, damit ich eine kleine Einweisung bekommen konnte.
Kurz bevor er sich verabschiedete, meinte er damals:

„Weeßte, ick würd‘ Dir ja jerne ’n paar Tipps jeben, aber dit kann ick nüscht. Ick weeß ja nich, wo man sich nachts hinstellt, is alles anders, dit is’n annerer Job!“

Heute sage ich denselben Quatsch mit etwas weniger Dialekt zu all den Tagfahrern 🙂

Abgesehen von den Schwierigkeiten, die die Nachtarbeit einfach der Tageszeit wegen mit sich bringt, bin ich ja schon auf der leichten Seite des Gewerbes gelandet. Ich muss mir fast nie um den Verkehr Gedanken machen und Eile ist ohnehin nur selten geboten. Das ist eine Erleichterung, die ich zu schätzen weiß!

Mich treibt es zwar nur selten tagsüber auf die Straße, aber die Kollegen haben mein aufrichtiges Mitgefühl, denn ich bin inzwischen so daran gewöhnt, die Hauptstadt so schnell als möglich zu durchqueren, dass mir die meisten Verzögerungen inzwischen dreifach lästig vorkommen.

So hatte ich neulich einen Winker, einen sehr entspannten Typen um die 60, der unweit des schlesischen Tores auf mich wartete und mir eine Adresse in Charlottenburg nördlich der Bismarckstraße als Ziel nannte. Das ist zunächst mal vor allem eines: ein echter Glücksgriff! Eine Winkertour um die 20 € hat schon für so manches Lächeln bei Taxifahrern gesorgt und dieses Mal war es nicht anders.

Während dieser Tour habe ich dann allerdings einen kleinen (und unzureichenden) Einblick in das bekommen, was die Tagfahrer in Berlin jedes Mal so runterreissen müssen. Bis auf vielleicht 3 oder 4 Stück waren ALLE Ampeln unterwegs rot. Ich hab keine Ahnung, wie ich das schaffen konnte – zumal ich auf den Straßen in die Richtung nun ja oft genug unterwegs bin – aber es war furchtbar. Und tagsüber wäre man an einzelnen davon ja auch mal länger als eine Ampelphase gestanden. Ich hab für die knapp 10 Kilometer über eine halbe Stunde gebraucht und ich hatte das Gefühl, die ganze Nacht zieht an mir vorrüber, während der Typ bei mir im Fond gelegentlich aus seinem Tiefschlaf heraus laut und aufgeregt grunzte.

Nein, ich könnte das nicht immer haben und ich bin froh, dass ihr den Job macht, liebe Kollegen!

Wir sind ja nett.

Zumindest meistens. Aber es soll schon Leute gegeben haben, die Taxifahrern blöd gekommen sind und damit ihren „ganz kurzen“ Halt am Taxistand unnötig in die Länge gezogen haben … 😉

Zeit, das Beamen zu erfinden! Quelle: Sash

Der Kandidat auf dem Foto hat aber wahrscheinlich nicht mal mitbekommen, wie sehr er im Weg steht. Kurz danach war die Schlange auch schon wieder kürzer und sein „Parkplatz“ war wieder frei zugänglich. Aber im Ernst: Muss doch nicht sein!

Eilig und redselig

… und dann war da die junge Frau, die mich am Brandenburger Tor für eine Kurzstrecke heranwinkte. Das Auto sei kaputt, sie müsse dringend zum Hauptbahnhof, eigentlich sei sie ja rechtzeitig mit dem Bus, der aber – natürlich, hätte sie ja ahnen können – ausgerechnet heute wegen irgendwas nicht bis direkt und überhaupt: Ist es schon 23 Uhr???

Ich glaube es war ungefähr am Kanzleramt, als sie das erste Mal Luft holte.

Und während mir die Blicke sämtlicher Polizisten im Regierungsviertel folgten, weil ich mit quietschenden Reifen hinter der schweizer Botschaft verschwand, fand meine Kundin dann auch ein paar entspannende Worte: Sie musste gar keinen Zug erwischen, sondern holte nur jemanden ab. Meine Güte, und dafür so ein Aufstand? Wie bitte ist die Gute drauf, wenn es mal wirklich eilig ist?

Eine Minute vor der geplanten Zeit waren wir vor Ort. Würde mich nicht wundern, wenn der Zug noch ein Weilchen gebraucht hätte …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

An manches denkt man gar nicht…

Vor einiger Zeit ist uns mal wieder ein Kindersitz (besser gesagt: eine Sitzerhöhung) flöten gegangen. Das passiert. Wir haben sie ja nur für seltene Fälle und bedienen uns der wahrscheinlich günstigsten Styropormodelle. Die sorgen dafür, dass die Kids – wenn vorhanden – höher sitzen. Sonderlich haltbar sind sie auf Dauer nicht. Aber da im Taxi im Zweifelsfall ja sogar Kofferraummatten geklaut werden, vermute ich mal, dass man ganz gut daran tut, hier keine State-of-the-Art-Versionen zu kaufen. Aber ja, ein paarmal benutzt, hier mal eingeklemmt, da mal von betrunkenen Kiddies missbraucht und schon brechen sie durch. Wie gesagt: Passiert.

Ich hab den Sitz zeitnah entsorgt – damit man ihn nicht doch mal „im Notfall“ nimmt, weil man es vergessen hatte und jetzt niemanden enttäuschen will… ich denke, die Kollegen wissen, was ich meine.

Mein Tagfahrer hatte bald einen neuen besorgt und ich hab mir als ich das gesehen hab nur gedacht: Oh, die gibt es auch in einer anderen Farbe. Nun hat der grell-orangene Sitz einen dunkelblauen Kollegen gekriegt. Was soll es? Ja, was wohl?

Prompt hatte ich zwei Kids im Wagen.

Mami meint noch:

„Oh, guckt mal! Ein roter und ein blauer…“

Dumme Idee:

„Ich nehm den roten.“

„Nein, ich nehm den roten!“

„Nimm doch den blauen.“

„Na gut, ich nehm den blauen.“

„Nein, ich nehm den blauen!“

Memo an mich: Nächstes Mal nach den verfügbaren Farben fragen! 😉