„Nicht bis nach Charlottenburg“

Ich hatte eine Tour  bis nach Charlottenburg. Vom Ostbahnhof aus und ohne langes Warten. Wäre es dieses Wochenende doch nur immer so einfach gewesen. Das selbe dachte sich auch mein Kunde, als ich ihm freudig entgegnet habe, dass ich ihn zum Tegeler Weg bringe. Denn, so erklärte mir der lustige Typ aus Jamaika gleich:

„Der Taxifahrer eben, hast Du den gesehen?“

„Nein, wieso?“

„Der war komisch. Ich hab ihn am Yaam rangewunken, hab gesagt wo ich hin will, dann ist er losgefahren und hat gesagt, dass er mich jetzt nicht den ganzen Weg bis Charlottenburg fährt.“

„OK, das ist aber …“

„Also hat er mich zum Ostbahnhof gebracht und dann wollte der auch noch 5€ haben!“

„Bitte WAS?“

Und ich bin natürlich nicht über den Preis verwundert gewesen, das hat man bei 3,90€ Einstiegsgebühr schnell zusammen. Aber mal ganz abgesehen von der eigentlichen Sache mit der Beförderungspflicht: Falls es gute Gründe gab (kaputtes Auto, Feierabend), dann ist es trotzdem ein ziemlicher Arschlochmove, dem Kunden das Absetzen nach 500 Metern bei einem Taxistand in Rechnung zu stellen, wenn der dort gar nicht hinwollte!

Aber klar: Erst die Uhr einschalten und dann mal gucken, ob einem die Tour passt. Als Geschäftsmodell schon prima, nur halt nicht so wirklich legal.

Glücklicherweise war der Kunde nicht sonderlich verärgert. Er hat gesagt, dass er seit Jahren viel Taxi fährt und das das erste Mal war, dass er sowas dreistes erlebt hätte. Nicht dass seine Stories danach nicht auch Klärungsbedarf aufgeworfen hätten, aber da ging’s um ganz andere Dinge. Blogge ich vielleicht morgen.

Nochmal zur gestrigen Tour

Ich hab den Artikel gestern nicht grundlos ein bisschen daneben klingen lassen. Kunden, die in Berlin extra die „Dorfdisco“ aufsuchen, mit Kumpels, die „Türsteher machen“ und dann ernsthaft fragen, ob das dort gut sei. Ich schiebe das gerne ein bisschen weg von mir, weil das nicht wirklich meine Szene ist. Andererseits sind das die Vorzeige-Elektro-Schuppen, die so angesagt sind, auch nicht.

Und um ehrlich zu sein: Ich hab in der neuen Kneipe meiner Stuttgarter Stammgastwirte meine Hochzeit gefeiert. Nachdem sie die ehemalige Kneipe zu einem Automatencasino umgewandelt hatten. Einen Blick von oben herab hab ich auf das Stadtteilleben wirklich nicht. Deswegen sei auch nochmal nachgeschoben, dass die Kunden, obwohl drei eher prollige Typen, durchaus einige Sympathien bei mir erwerben konnten. Sie waren furchtbar nett, haben meinen Rat ernsthaft haben wollen und waren reichlich selbstironisch ob ihrer Zielauswahl.

Zu guter Letzt der geschäftliche Teil: Kein Feilschen, kein Du-bist-ja-nur-der-Fahrer-Getue sondern ein angenehmes Gespräch. Und als meinem Beifahrer beim Bezahlvorgang versehentlich das Portemonnaie in der Hand explodiert ist, hat er meinen ersten Suchambitionen eine selbstverständliche Abfuhr erteilt, gemeint, dass es ja nur „ein bisschen Kleingeld“ sei und die 17,50€ trotzdem mit einem Zwanni beglichen.

Es mag nicht die klassische Kundschaft zu so einem Club gewesen sein, aber auch sowas passiert immer noch oft genug, um meine dann doch mal aufkeimenden Vorurteile gelegentlich auf die Probe zu stellen. Danke dafür!

Empfehlen?

„Abend. Wie viel würde es denn in die Hasteschongehörtstraße kosten?“

„Das war in Hellersdorf, oder?“

„Weiß nicht. Der Dorfclub2000?“

„Ah, kenn‘ ich. Zwanzig Euro etwa.“

„Und? Kannste den empfehlen?“

Ja, öhm, puh!

Also mal abgesehen von meiner geringen Fähigkeit, gute Clubs von schlechten zu unterscheiden: Die angefragte Location war halt so ungefähr der Inbegriff von dem, was man hier in Berlin einen schlechten Club nennt. Und ich meine jetzt nicht einen, der verschrieen ist, weil da nur Touris sind, sondern einen von der Sorte, die man in keinem Stadtführer findet, weil es die Lokalität um die Ecke ist, in der die Leute aus den umliegenden Vierteln abhängen, weil ihnen 30 Minuten S-Bahn-Fahrt zu nervig sind.

Also so ein bisschen wie die kleine Eckkneipe im Kiez, „Sylvie’s Pub“ (nur echt mit dem Apostroph!). Und dann fragt jemand, ob man das eine gute Lounge zum Chillen sei. Was willste da sagen? Ich meine, natürlich kann man da saufen, sogar günstiger als anderswo. Aber rechtfertigt das eine Empfehlung?

Ich hab mich etwas gewunden, aber die Kundschaft hat beschlossen, es zu versuchen. Denn obwohl sie selbst aus Mitte kamen:

„So Kumpel von uns machen da manchmal Türsteher, verstehste?“

Am Ende scheint es schon gepasst zu haben, auch wenn ich das eher als gruselige Location abgespeichert habe. Aber hey, die Geschmäcker sind verschieden! 🙂

Liebe. So schön!

„Ich liebe Dich!“

„Uff, das ist jetzt nicht wirklich problemfrei …“

„Haben Sie was gesagt? Sorry, ich telefoniere gerade.“

Achievement unlocked: Weird communication.

Heimwegfinanzierungen

„Ach, mach doch mal billiger, Du fährst doch eh in die Richtung!“

Das ist, wie ich oft hier bei GNIT erwähnt habe, kein Argument. Obwohl beim Taxifahren vieles Zufall ist, bleibt am Ende dann doch, dass auch unsere Verfügbarkeit vor Ort bereits Teil der Dienstleistung ist. Das ist nicht immer fair, da auch der Winker einmal ums Eck nach dem nächsten Kunden noch den vollen Grundbetrag zahlen muss, aber dafür musste ich meiner letzten Kundin am Sonntag eben nicht auch mal eben hundertdrölfig Euro Anfahrt berechnen, weil mein Kilometerschnitt völlig im Arsch war, als ich sie einlud.

Aber der (abgesehen vom Schnitt sehr gute) Abend war für mich vorbei und mit ihrem Ziel in Marzahn kam sie mir ohne es zu wissen sehr entgegen. Sie wollte auch keinen Sonderpreis, sondern hat nur erwähnt, dass sie nur noch 11,50€ dabei hätte und ich dann eben ggf. stoppen solle. Passiert öfter, und unter diesen Umständen finde ich da meist auch eine versöhnliche Lösung. Hier folgende:

„Ich glaube nicht, dass das komplett reicht, aber warten wir mal ab. Um ehrlich zu sein: Die Richtung passt mir ganz gut.“

Ja, das ist in gewisser Weise das Gegenteil von dem, was ich eingangs erwähnt habe, aber genau da liegt der sehr sehr wichtige Punkt: Natürlich gibt es Momente, in denen man als Taxifahrer mal jenseits von Recht und Gesetz fünfe grade sein lassen kann. Aber wann das passiert, entscheidet der Taxifahrer nach seinen Möglichkeiten und nicht der Kunde! Es mag sein, dass man da ethische Grenzfälle finden kann, aber für uns ist der Deal, dass wir uns (und unter Umständen unseren Chef) um Geld bringen und zusätzlich das Gesetz misachten. So toll Kundschaft an sich ist: Dieses Entgegenkommen ist für uns ausschließlich negativ, denn unsere Alternative ist es, drölfzig bezahlte Kilometer Umweg zur schwerhörigen Uroma zu fahren, die dem Fahrgast das Geld schenkt. Und ja: Nix anderes ist einforderbar, alle Alternativen sind semilegale Geschenke von unserem wohlverdienten Lohn.

Aber wie ich bereits festgestellt habe: Auch das tut mal mehr und mal weniger weh und außerdem ging es mir nie nur um Prinzipienreiterei um der Prinzipienreiterei (die übrigens  ein sehr unbefriedigender Sport ist) wegen.

Also hab ich der Kundin noch vor Ende der Fahrt erklärt, dass ich sie schon heimbringen würde, weil mir der Weg gut passte. Und nur um das mal zu erklären: „Der Weg passt“ ist nicht immer das, was Kunden darunter verstehen. Selbst wenn man z.B. einer Veranstaltung entgegen fährt, kann es für mich blöd sein, nicht bereits die ersten Kunden einzuladen, sondern erst die einen Kilometer weiter. Sicher, oft kann ich das selbst nicht gut genug einschätzen, weil die nächsten ja auch unterschiedliche Touren haben könnten, aber das typische „Na, Du kannst ja froh sein, wieder in die City zu kommen …“ ist leider nicht immer  ein gutes Argument. Vielleicht ist im Außenbezirk auch gerade eine fette Party der Anziehungspunkt, von der fast alle Anwesenden Touren ins Umland zu bieten haben.

Aber wie ich wusste: Bei meiner Kundin war das nicht der Fall. Abgesehen von der geringen Partydichte in Lichtenberg und Marzahn am Montagmorgen war es auch so, dass ich langsam müde war, wirklich Feierabend machen wollte und ihr Ziel wirklich DIREKT auf dem Weg zum Abstellplatz lag. Eben genau die von Kunden sicher gerne herbeifantasierte Situation von „Entweder das oder gar nix“. Selbst wenn unterwegs Winker gewesen wären: Ich hätte sie nicht gewollt, ich hab nach der Tour für die verbleibenden anderthalb Minuten die Fackel ausgemacht. Und das ist auch nach achteinhalb Jahren immer noch ein nur ungefähr einmal jährlich auftretender Zustand.

Der Witz war, dass die 11,50€ am Ende zu 100% exakt bis zum Zielort gereicht haben. Abgesehen davon, dass ich sonst vielleicht noch ein Trinkgeld hätte einstreichen können, hab ich mich nicht einmal irgendwie aus dem Fenster lehnen mü …

„Ach, wenn Sie sowieso abbiegen: Könnten Sie mich dann da am Zebrastreifen rauslassen?“

Na gut, die einhundert Meter …

Ein spätes Foul ihrerseits. Aber dafür war mein Kilometerschnitt trotzdem wieder im Rahmen. 🙂

Ein Fail mehr …

Angefangen hat’s wie so viele Fahrten. Betrunken, kein Geld mehr, nur halt zu Hause. Ob wir nicht einfach …

„Klar, kein Problem …“

Und obwohl es diesmal schief ging: Ich bleibe dabei, dass das kein Problem ist. Ich lasse mir außer in begründeten Ausnahmen (sehr sehr teure Fahrten) auch nicht von Fahrgästen ihr Geld zeigen, obwohl ich es sogar als Vorschuss bereits an mich nehmen dürfte. Und trotzdem geht das in ca. 99,9% aller Fälle mehr oder weniger gut.

Weswegen hätte der Typ um die 50 jetzt meinen Verdacht erregen sollen? Ja, er war betrunken und ja, er hat viel gequatscht. Insbesondere darüber, dass er jetzt ja eigentlich nicht schon den zweiten Tag in Folge trinken gehen wollte. Ganz klar Business as usual.

Dass er dann nach etlichen Minuten wieder aus seinem Haus kam und mir erzählte, dass er sich sicher war, noch 100€ auf dem Tisch liegen gehabt zu haben, er die aber wohl doch gestern schon ausgegeben hätte … nun, das kam entsprechend überraschend. Seine Verwunderung zu diesem Zeitpunkt nahm ich ihm sogar ab, den Zenit des besten Erinnerungsvermögens hatte er sichtlich überschritten.

Zu seinen Gunsten sei erwähnt, dass er von den anfallenden 25€ immerhin auch rund 15 noch hatte und mir hoch und heilig versprach, sich zu melden. Ich könnte jetzt anfügen, dass das 2017 die erste Fehlfahrt gewesen sein müsste und mir der Zehner eigentlich ziemlich am Arsch vorbeigeht. Ehrlich.

Aber nur für den Fall, dass mein werter Fahrgast mich bereits gegoogelt hat:

  1. Namen vergessen, die zufällig komplette Ex-Bundeskanzler beinhalten, fällt selbst mir schwer.
  2. Falls Du* noch nicht tief genug gegoogelt hast: Ich wohne im Haus gegenüber. Wir sehen uns also sicher mal beim Einkaufen …

[Hier bösartiges Grinsen einfügen]

Und nun warten wir mal auf die Fortsetzung. 😉


*Du hast mir erlaubt, dich zu duzen.

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Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Rotlicht

Ja, da war es mal wieder, das rote Licht. Ich werde also vermutlich in den folgenden Wochen wieder einen Liebesbrief unseres Polizeipräsidenten bekommen und ich werde diese Freundlichkeit einmal mehr mit Geld belohnen. Mit etwas Glück läuft’s wie immer und der Gegenwert des roten Scheins vom Fahrbahnrand wird ein einzelner roter Schein meinerseits sein. Sicher weiß ich es natürlich erst, wenn der Brief da ist.

Ebensowenig wie ich versuche, diese Erlebnisse häufiger zu erleben, erfüllt mich das jetzt irgendwie mit Gram. Müsste und sollte nicht vorkommen, tut’s aber halt. Müsste jetzt in Ausübung meines Jobs Nummer 4 oder 5 sein, was ich weder besonders vorbildlich noch besonders schlimm finde, muss ich ehrlich sagen. Wir reden ja immerhin auch von achteinhalb Jahren inzwischen.

Abgesehen von einer offensichtlichen Geschwindigkeitsübertretung kann ich mir allenfalls ein bisschen Restmüdigkeit vorwerfen, denn meine letzten Gedanken vor dem Blitz waren ungelogen folgende:

„Ach, sieh mal an: Die Cops. Hier? Was die wohl gerade hier … oh, Moment mal, könnte das nicht … [*BING*]“

Und weil es passt und falls es wer noch nicht gesehen hat: Über das Video eines Blitzers in einer neuen 30er-Zone in Saarbrücken hab ich die Woche auch sehr lachen müssen, ich Schelm. 😉