Leute gibt es …

Über Kundschaft freut man sich als Dienstleister. Über nicht so tolle Kundschaft freut man sich auch mal nicht so sonderlich. Und dann gibt’s Leute, bei denen man echt nicht weiterweiß.

Nein, um ehrlich zu sein: Eigentlich war der Kunde ein Arschloch, aber selbst unter der Prämisse kann ja eine Fahrt wenigstens noch ok sein. Man schwankt öfter mal während eines Auftrages hin und her, aber der hatte es (unwissend) zur Kunstform erhoben.

Es fing damit an, dass er mich nur sehr kurz nach dem Losfahren in der Marzahner Wildnis erwischt hat, wo ich noch lange niemanden erwartet hatte. Er winkte mich heran, wartete auch geduldig auf mein durch eine Ampel verzögertes Wenden und nannte mir so ganz grob ein Ziel in immerhin mittlerer Entfernung.

Nun war da die Tatsache, dass er gleich klarmachte, dass er nur einen Zwanni dabei hätte. Das war für die Fahrt ok, aber gleichzeitig sah er halt nicht sehr vertrauenserweckend aus und roch noch während er das sagte erkennbar nach Urin. Eine Fehlfahrt zu Beginn? C’mon, Karma! Dass er dann anfing zu erzählen, er sei ja hier und da mal Polizist gewesen und hätte sich nun nach dieser Gartenparty in Hellersdorf trotzdem so richtig verfahren, klang ernsthaft eins zu eins wie die Kunden, die ich am Ende wegen Demenz an die Blaulichtfraktion weitergeben musste.

Dann aber fragte er mich nach dem Geschäft, erklärte kurz, warum er nur noch einen Zwanni hätte, all das klang plötzlich völlig logisch und wie ein Zufall. Er erzählte dann davon, wie er eigentlich nur so semilegal in seinem Schrebergarten wohnte und bekam so langsam den Anschein von einem lustig-findigen Senioren, der dem nicht so guten Leben ein Schnippchen schlägt.

Danach kam der Teil, wo er ohne mehr als bisher den Stadtteil genannt zu haben, erklärte, dass ich fahren könne wie ich wolle, das alles egal sei und ihn nicht kümmere. Was in Anbetracht der Tatsache, dass ab zwei Kilometern Umweg der Zwanni doch nicht reichen würde, wieder meine ersten Bedenken auf den Plan rief.

Nun aber schwenkte er um und begann nett und interessiert über Kleinigkeiten auf dem Weg zu berichten. Er legte doch noch schnell eine verbindliche Route fest und überraschte mich mit geschichtlichen Details und der Tatsache, dass er die Gegend wohl wirklich gut kennt und hier nicht aufs Geratewohl ins Grüne fährt. Puh!

Und nun, kurz vor dem Ziel, da ich eigentlich zufrieden mit der Tour war, musste er noch anmerken, wie er seinen eigentlich illegalen Wohnsitz vor allem hat, weil er sowas wie eine Bürgerwehr für Arme betreibt, sprich: Rumschnüffelt, ob die Nachbarn irgendwas unerlaubtes machen. Außerdem fühlte er sich bemüßigt, mir zu erklären, dass er (natürlich!) „eigentlich nix gegen ausländische Mitbürger“ habe*, aber „diese Scheiße hier“ (also die örtliche Unterkunft für Geflüchtete) natürlich gar nicht gehe.

Und dann schwenkte er ohne eine Sekunde ruhig zu sein um auf den Hinweis, wie ich am Besten ohne stressiges Wenden wieder aus der Siedlung käme und gab mir den ganzen Zwanni mit dem Hinweis, das stimme so, obwohl das über 30% Trinkgeld bedeutete.

Aufs Taxifahren bezogen war das geradezu eine Achterbahnfahrt: Ist mal ganz lustig, muss aber nicht kurz nach dem Essen sein.

*Liebe Nazis, Rassisten und sonstige Menschenfeinde: Ihr solltet so langsam wissen, dass „Ich hab nix gegen Ausländer, aber …“ ungefähr so intelligent klingt wie „Normalerweise hole ich mir nicht auf dem Dach der Gedächtniskirche zu einem Livestream von RTL einen runter, aber …“.

Vorhersagen

„Oh, ich geb die Adresse besser mal ins Navi ein, bin mir gerade nicht sicher beim kürzesten Weg.“

„Sicher, gerne. Ach, was würde das denn etwa kosten? Kann man das irgendwie abschätzen?“

„Klar.“

Ich schiele auf’s Navi, vertue mich dreimal beim Kopfrechnen und sage dann:

„Also wenn Taxameter und Navi so genau funktionieren, wie sie sollen, werden das etwa 38€.“

Eine halbe Stunde später:

„Wow, das war ja, also das war ja SEHR GENAU!“

37,90€. So gut bin ich dann auch bei weitem nicht immer. 🙂

Profi-Tipps

Völlig vergurkte Schicht, ein klarer Fall von „immer zur falschen Zeit am falschen Ort“. So war es dann fast schon passend, dass der Kunde, der mich nach einer halben Stunde am S-Bahnhof Friedrichsfelde-Ost nach einer Kurzstrecke fragte, auch wirklich nur bis zum U-Bahnhof Friedrichsfelde wollte (was weiter entfernt klingt als es ist), mir windige Tricksereien mit der Quittung abringen wollte und sich mehr oder minder offensichtlich am teuren Einstiegspreis von 3,90€ rieb.

Dass ich letzteres dann noch erschreckend gut gelaunt damit erklärte, dass das natürlich mal bei einem direkt folgenden Kunden zu hoch erscheinen kann, aber an Tagen wie heute, wo ich auf jede Tour lange warten würde, nicht mal mehr lohnend wäre für den Aufwand, quittierte er mit einem Comedy-Preis-verdächtigen Tipp vom Profi:

„Ja, Alter,  da hätteste dich wohl besser Ostbahnhof hinstellen sollen …“

Wo waren in all den Jahren die Kollegen und Leser, die mir gesagt haben, dass ich mich des Umsatzes wegen doch besser an den Ostbahnhof stellen sollte? Wozu hab ich Euch eigentlich?

😉

Ein bisschen Umsicht (2)

Da dachte ich schon, ich sei unaufmerksam bezüglich meiner Umgebung. Etwas übler hat es allerdings einen anderen Autofahrer in Friedrichsfelde erwischt. Gut, der war da nicht schon 10 Minuten rumgestanden und hat die Polizei irgendwas mit Blaulicht überprüfen sehen. Allerdings hätte er vielleicht beim Rechtsabbiegen auch einen kurzen Blick nach links werfen sollen. Denn dort, keine drei Meter von ihm entfernt, stand der Streifenwagen nun und wollte weiter.

Und „nun“ war, als der Fahrer sich offenbar dachte:

„Haha, geil, freie Straße! Erstmal Steuer rumreißen und mit quietschenden Reifen und aufheulendem Motor auf 60 beschleunigen. Das gefällt den Leuten da hinten vor der Disse sicher!“

Die haben in der Tat noch 10 Minuten später interessiert geguckt, allerdings weil er da mit seinem SUV von drei Streifenwagen eingekeilt wahrscheinlich alle erdenklichen Kontrollen auf einmal zu absolvieren hatte.

Ein bisschen Umsicht (1)

Ich staunte nicht schlecht, als ich am Bahnhof stand und plötzlich ein Streifenwagen auf mich zugerast kam, vor mir scharf bremste, quer über den Halteplatz hielt und die Beamten auf mich zukamen. WTF?

Dann ertönte plötzlich ein „Hey!“ über den Platz und der Wagen verschwand zur Bank hinter mir. Dort hatte offenbar ein Kollege Probleme mit Fahrgästen, was ich aber trotz nur 40 Metern Entfernung überhaupt nicht registriert hatte. Aber gut, es war wohl eine eher leise Auseinandersetzung um Zahlungsschwierigkeiten und der Kollege hatte auch nicht Hilfe über Funk angefordert. Ein bisschen überrascht hinterlässt einen solch eine Nähe zu Ärgernissen dann halt trotzdem.

Nicht als einziger mitgedacht

Manchmal gerät man als Taxifahrer mitten ins sehr aufregende Leben seiner Kundschaft und ist darauf nur wenig vorbereitet. In diesem Fall war ich zum Beispiel von einer netten Tour zum Potsdamer Platz zurück zum Ostbahnhof unterwegs, als ich rangewunken wurde. Wohin es gehen sollte?

„Kinderklinik, kennen Sie? Westend?“

Jein. Tatsächlich müsste das Klinikum Westend in meinem Ortskundekatalog vor bald 10 Jahren aufgetaucht sein, seitdem ist es in meinem Gehirn allenfalls würdevoll verblasst. Fluch und Segen einer 900km²-Stadt: Wir haben hier zwar alles, aber es gibt halt auch niemanden, der über alles einen Überblick hat. Außer Google natürlich.

Allein der Stadtteil war entfernt genug, um einfach blitzschnell losfahren zu können und unterwegs die wichtigsten Infos (wie z.B. von welcher Seite aus man reinfahren kann/soll/muss) unterwegs an Ampeln ausfindig zu machen.

Und mir war sehr  unwohl bei der Sache, denn die „kleine“ Patientin (vielleicht 11 Jahre) zeigte zunächst genau die Symptome, die in meiner Familie beinahe mal für ein spontanes Ableben gesorgt haben: Schlimme Bauchschmerzen, nicht nur einfach „ein Aua“, irgendwas außerhalb der Komfort-Zone. Und  ja, auch beim mir bekannten Fall wurde das als „Hysterie“ und „Übertreibung“ abgetan, am Ende war’s halt ein akuter Blinddarmdurchbruch und der Grat zwischen Leben und Tod war eine Frage von Stunden. Ich weiß, dass Ärzte zu oft mit unbegründeter Panik* zu tun haben, aber seit dieser Erfahrung bin ich auch der Meinung, dass eine schnelle Meldung nur halb so viel Schaden anrichtet, wie eine unterlassene. Dass Defizite bei der ärztlichen Versorgung existieren, ist halt eben nur eine Seite der Medaille und weder den Patienten noch den Ärzten anzulasten.

Ich war also bei der Sache auch auf 180 und am Ende sehr froh, dass das Klinikum Westend mit seinen beachtlichen Ausmaßen dennoch mal jemanden zu Gast hatte, der über die Welt nachgedacht hat und die nicht eben leichte Zufahrt zur Notaufnahme mit einer Markierung auf der Straße markiert hat. Eine durchgängige rote Linie nebst Wegweisern, ein Garant für die schnelle Ankunft. I like.

Ich würde nach wie vor gerne sagen, dass wir Taxifahrer das auch wissen können sollten, aber wir reden hier halt nicht von der einen Kurklinik im Landkreis, sondern von einem Krankenhaus in einer Metropole. Und wie es schon allgemein bei Stadtteilen der Fall ist: Die einen kennt man besser, die anderen eher weniger.

Am Ende der roten Linie war alles gut. Mutter und Tochter  haben sich bedankt und ich hatte eine weitere sehr erfolgreiche Fahrt abgeschlossen. Und mal nebenbei: Ich bin auch immer ein Freund von weniger „Schilderwald“, von weniger Regulierung. Aber manchmal merkt man dann doch, wie einem sowas den Arsch retten kann …

*Hier eine sehr interessante Erkenntnis der Mutter: Ein Arzt soll auf ihre Bedenken hin, hysterisch zu erscheinen, gesagt haben:
„Ich liebe hysterische Mütter! Ganz ehrlich! Das ist super! Die kommen nie zu spät!“

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Friedrich Irgendwas der zweite

Als ob die vielen doppelten Straßennamen in Berlin nicht genug Ärgernisse für Menschen wie zum Beispiel uns Taxifahrer bereithalten würden: Man stelle sich mal vor, wie es Touristen ergehen muss, wenn denen schon die deutsche Sprache für sich schwierig genug ist. Da ist dann schon sowas wie die Ähnlichkeit vieler Dinge ein Problem.

So bei den beiden Schotten gestern Abend. Ob ich sie zu ihrem Hotel am Bahnhof Friedrichstraße bringen könne, sie hätten sich wohl irgendwie verfahren. S-Bahnhof Friedrichsfelde-Ost, ich verstehe. 😉

Und mal abgesehen davon, dass ich auch jemand bin, der ständig mit all den alten Fürsten-, Königs- und Adelsnamen durcheinanderkommt: Ich kenne das ja auch schon von den vielen Leuten, die ich vom Ostbahnhof zum Ostkreuz gefahren habe.

Lustig gestern war, dass ich ein paar Stunden später wieder am Bahnhof stand und mich dann plötzlich zwei israelische Mädels fragten, ob ich sie ebenfalls zu einem (anderen) Hotel nahe des S-Bahnhofs Friedrichstraße bringen könnte. Selbes Problem: S-Bahn in die falsche Richtung genommen und „Ah, das hier ist es doch, oder?“.

Kleiner Trost: Vom S-Bahnhof Friedrichshagen aus, an den es einen so theoretisch auch verschlagen könnte, kostet die Taxifahrt beinahe das Doppelte.