Nicht auf’m Kieker

Bin gemütlich mit 40 km/h eine nur in der Nacht geltende Dreißigerzone entlang gefahren. Alltag. So ehrlich wollen wir mal sein.

Dann einer hinter mir. Die Lichter kommen näher, näher, näher … ein Bisschen sehr nah, selbst für dieses Tempo. Es regnet, die Sicht ist schlecht, ich kann nicht einschätzen, was das Arschloch hinter mir will. An der Scheinwerferform erkenne ich einen Zafira Tourer, aber mehr ist nicht drin.  Und er kommt immer noch näher. Also beschleunige ich etwas. 45, 50 … ich will ja nicht sagen, dass mir mehr Geschwindigkeit nicht auch gefallen hätte, aber abgesehen von der Geschwindigkeitsbegrenzung: Mir klebte immer noch der andere Wagen geradezu am Arsch. Und sowas ist einfach unangenehm. Dieses Personal-Space-Dings existiert ja auch im Verkehr.

Und dann wird plötzlich das Blaulicht hinter mir angeschaltet.

Für einen kurzen Moment war ich sauer. Ja, sicher, ich war auch vorher schon etwas zu schnell. Aber haben die mich jetzt nicht echt erst gedrängt zu heizen?

Aber was will man machen. Ich setze den Blinker rechts, bremse behutsam … und dann zieht der Streifenwagen vorbei auf Nimmerwiedersehen.

Ist mir zweifelsohne lieber gewesen als ein Strafzettel. Aber wenn dort Blaulicht trotz aller Sneakiness noch ok war: Warum dann nicht früher?

Taxifahrerhumor

Ich stehe mit einem Kollegen an der Halte, ein weiterer Fahrer fährt vorbei, hält aber kurz an, um zu „prahlen“, dass er es gerade bis nach Kleinmachnow geschafft hat. Gute 40€-Tour Richtung Südwesten. Als er wieder weg ist, blickt der andere Kollege mich ratlos an und meint:

„Aber wenn der in Kleinmachnow war: Wieso kommt er dann von DA?“

… und zeigt nach Südosten. Da hatte ich dann meinen ungefähr jährlichen Anfall von Schlagfertigkeit und hab geantwortet:

„Naja, wenn er auf dem Rückweg so gefahren ist wie auf dem Hinweg …“

Ich weiß, dass die schwarzen Schafe bei uns gerne den Eindruck entstehen lassen, Umwege seien ein normales Geschäftsmodell bei uns. In Wirklichkeit stehen wir oft aber auch da und lachen einfach über die groteske Vorstellung, jemand würde wirklich solche Wege nehmen. Finde ich eigentlich ein gutes Zeichen. 🙂

„Si … Schwes … Ost … of … ole …?“

So in etwa kann man sich das Telefonat vorstellen. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt der Fahrer der ortsansäßigen Kehrmaschine gefühlt eine Pause eingelegt hatte, während er mich gemütlich umkreiste.

Die eigentliche Kundin hatte mich mit fragenden Augen, großer Geste und dem Wort „Taxi“ als einzige Information auf die andere Straßenseite  gewunken, als ich gerade eine Kippe geraucht habe. Sie war bereits älter, kaum halb so groß wie ich, mit Rollator und Gepäck unterwegs und konnte kein Wort deutsch. Einen halben Satz Englisch, aber auch eher zum Angeben, weniger weil sie wirklich verstand, was sie sagte. Deswegen das Telefon, das sie mir in die Hand drückte.

Am anderen Ende dann eine vergleichsweise gut deutsch sprechende Frau, die aufgrund der Verbindungsqualität und des Lärms aber einfach nicht zu verstehen war. Durch mehrmaliges Wiederholen habe ich einen Großteil zusammenpuzzeln können, aber um ehrlich zu sein, hat mich das Ergebnis eher verärgert. Denn anstatt mit den spärlich übermittelbaren Worten eine Zieladresse zu formulieren, fragte sie mich, ob ich die gute Frau vom Ostbahnhof abholen könnte. -.-

Aber vielleicht bin ich da auch zu pragmatisch, wer weiß.

Nachdem mich ungefähr 12 Kollegen an der Halte überholt hatten, war dann klar, dass die Frau zum Haupteingang des Hauptbahnhofes musste. Na also, ist doch kein Problem! Ich hab mich bei ihr dann entschuldigt, dass das alles so lange gedauert hat, der Rest war eine normale Fahrt, sie wurde wie versprochen abgeholt und da sie mich von weit hinten rausgewunken hat, bin ich bei der Sache auch mehr als gut weggekommen.

Manchmal hilft es, sich daran zu erinnern, dass am Ende meistens alles gut ist, auch wenn man gerade gegen eine Kehrmaschine in ein fremdes Handy brüllt:

„ABER WIR SIND DOCH AM OSTBAHNHOF!!!“

😀

Winken, aber richtig!

Ich denke, ich kann ausnahmsweise mal für alle Taxifahrer da draußen sprechen, wenn ich sage, dass wir uns über ausnahmslos jeden zusätzlichen Fahrgast freuen. Zahlungsbereitschaft und mangelndes Brockenlachen mal vorausgesetzt. Also winkt uns ruhig ran, das ist immer super!

Aber keine Regel ohne Ausnahmen. Und letztes Wochenende hatte ich so eine mal wieder: Ich war auf der Frankfurter Allee stadteinwärts unterwegs. Frisch in die Schicht gestartet, das Auto trotzdem so langsam warm, ich war bereit. Sowas von bereit!

Und dann stand da – das hatte ich natürlich lange realisiert – eine Dreiergruppe an einer Ampel und starrte den Verkehr an. Das muss nix heißen, aber es könnte doch … aber ich kam näher und näher und näher … naja, dann wollten Sie wohl doch einfach hinter der Autokolonne bei Rot über die Straße gehen.

Aber als ich noch 10 Meter entfernt war, hob einer den Arm und winkte mir zu.

WTF? Leute, ich war mit 50 bis 60 km/h unterwegs, 10 Meter hinter mir war das nächste Auto! Ich KANN so nicht anhalten.

Und ich will ehrlich sein: Schon aufgrund dessen, dass mir in dem Moment immer benötigter Umsatz unnötig flöten geht, vollzieht mein Gehirn da einen sehr schnellen Spurwechsel und ordnet die Winkende Person flugs aus der Schublade „nette Kunden“ in die mit der Aufschrift „Merkbefreite Vollpfosten, die ihrer Umwelt absichtlich schlechte Laune schenken“ um. Ein Fall für den nächsten Nachfolgeartikel von „Die 5 besten Methoden, ein Taxi heranzuwinken„. 🙁

„Voll richtig“

Man erwischt sich ja leider öfter mal auf dem falschen Fuß. Und das passiert natürlich auch zwischen Taxifahrern und Fahrgästen.

Der Kunde winkte mich an der Petersburger rechts ran. Südliche Fahrtrichtung, nur ca. 15 Meter vor der Kreuzung mit der Landsberger. Als Ziel gab er eine Straße an, die ich spontan irgendwo zwischen Marzahn und Charlottenburg verortet habe. Ich hatte also wirklich keine Ahnung. Aber der Kunde:

„Ist einfach geradeaus. Also da bei der Konrad-Wolf, Alt-Hohenschönhausen, kennste?“

„Äh, ja. Und damit wäre das dann nicht geradeaus, sondern links.“

Ich hab das in dem Moment eher ein wenig genervt eingewandt, weil wir nun auf der rechten von vier Spuren standen und sich die Autos auf der Linksabbiegerspur bis weit hinter uns zurückstauten und hinter uns bereits Nachschub kam, der uns das Rüberziehen weiter erschwerte. Aufzeichnungen meines anschließenden Manövers könnte man als Negativbeispiel an Fahrschulen verticken.

Ab da war mir der Weg klar, ich hatte auch die Karte längst rangezoomt und die Straße gefunden. Nur der Fahrgast war still geworden. Obwohl er doch eben noch ein reichlich gutgelaunter Trunkenbold von einer Weihnachtsfeier war. Die Stille dauerte an, bis wir die Storkower kreuzten. Da wandte er sich dann doch noch an mich und meinte:

„Du, Du … ich merk‘ das jetzt erst, Du fährst ja mal voll richtig! Ich hab das da gerade voll verpeilt von der Richtung.“

„Hab ich gemerkt. Aber dafür mache ja ich den Job und ich bin nüchtern.“

„Das ist mal echt geil! Geradeaus, also wie ich …“

„Ja, da wären wir in der Warschauer gelandet und das Geschrei wäre groß gewesen.“

„Ja, echt mal! Das find‘ ich jetzt echt gut von Dir, Hut ab!“

Man meckert so gerne. Wir über die Fahrgäste, die Fahrgäste über uns. Wie’s halt so ist. Aber in solchen Momenten passt einfach alles. Und Ihr  könnt Euch nicht vorstellen, wie sehr ich sowas genieße. 😀

PS: Und ja, auch das Trinkgeld war entsprechend. 😉

Die ungewöhnlichen Touren bei Minusgraden

Nach Mitternacht stelle ich mich gerade gerne mal an den Bahnhof Friedrichsfelde-Ost. Da kann man zweifelsohne auch mal verhungern, andererseits ist es aber auch ein beliebter Umsteigepunkt und somit im Rahmen der Berliner Nahverkehrsverschmandung ein Ort, von wo aus oft überraschend keine Bahn fährt, oder aber erst in 29 Minuten, was bei Temperaturen unter null Grad bisweilen post mortem bedeutet. Andererseits kommen bei dem Wetter dann auch Leute auf die Idee, ein Taxi zu nehmen, die sonst vom Bahnhof aus heimlaufen.

So der Kunde dieses Wochenende, der ganz verschämt angefragt hat, ob ich auch in die Gensinger fahren würde. Und, Ihr kennt mich:

„Selbstverständlich!“

Tatsächlich war die Tour wohl nur etwa 700 Meter lang, das kann man aus den 5,10€ Gesamtpreis gut reverse engineeren, um mal modern zu klingen. Dass das sauviel ist, ist klar. In dem Fall allerdings immer noch zu wenig, denn ich hatte aus dem Umland fast 15 Kilometer Anfahrt zum Bahnhof für die Tour verplempert.

Das Schöne daran ist, dass der Kunde beschlossen hat, die Fahrt wenigstens blogbar zu machen, indem er das seit geraumer Zeit niedrigste Trinkgeld überhaupt gegeben  hat: 5 Cent. Nur zwei solche Touren und ich kann mir einen Würfel Hefe bei Netto holen. Das wird ein Fest! 😀

PS: Ich weiß, dass es unter Kollegen sehr verbreitet ist, ernsthaft über lächerliche Trinkgelder zu meckern. Damit will ich echt nicht anfangen. Ich kann mich wirklich darüber amüsieren, so viel Gelassenheit muss einfach sein.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Die schlechten Tage. Also die GANZ schlechten.

Natürlich haben wir alle unser Päckchen zu tragen und entsprechend neigen wir auch alle mal dazu, die Sorgen anderer beiseite zu wischen, wenn sie uns im Gegensatz zum eigenen Kram belanglos vorkommen. Und an anderen Tagen stößt man von jetzt auf gleich auf Menschen, mit denen man nie im Leben tauschen wollen würde. Und so ging es mir mit der ersten Fahrt der Woche, der ersten Fahrt des Monats.

Eine schnellentschlossene Winkerin, kurze Adressansage, danach sofort Handytelefonat. Und obwohl ich nicht absichtlich gelauscht habe: Die Eckpunkte haben mehr als nur gereicht!

Anruf vom Krankenhaus, ein Elternteil liegt im Sterben. Der einzige Weg, schnell die 400 Kilometer dorthin zu kommen wäre der Freund und der konnte/wollte nicht mal eben so spontan. Und so endete die Fahrt nach der Drohnung, dass Schluss wäre, wenn er jetzt nicht käme. Und die unklare Lage bezüglich rechtzeitigem Hinkommen blieb bestehen. Holy Shit!

Obwohl ich rückblickend nicht trauere, weil ich meine Mutter vor 7 Jahren* nicht mehr rechtzeitig besucht habe: Ich konnte das nur zu gut verstehen und ich hab während der ganzen Fahrt überlegt, ob ich eine Möglichkeit finde, eine Ferntour im Taxi irgendwie massiv im Preis zu drücken. Aber am Ende hätte ich auf meinen kompletten Lohn verzichten können und schon die Unkosten meiner Chefs hätten gut und gerne das Dreifache eines Bahntickets bedeutet. Mal abgesehen davon, dass ich bei aller Empathie ungern auf meinen Lohn verzichte: Das hätte immer noch obszön und nach Geschäftemacherei geklungen und nicht nach dem selbstlosen Angebot, das es gewesen wäre. Also hab ich’s gelassen.

Wenn das alles so ausgegangen ist, wie ich befürchte, dann weiß ich, wer sich dieses Wochenende und nächstes Jahr zur gleichen Zeit ziemlich die Kante gibt. Und eigentlich sind das so Sachen, die man nicht unbedingt wissen will, gerade wegen dieser Empathiegeschichte.

*Genau genommen sind es exakt morgen 7 Jahre. 🙁